Story: Sylène-Reihe (Modernverse / crime syndicat AU)
Genre: ??? idk ???
Warnings: Schusswaffen (erstaunlicherweise aber keine Schussverletzungen, I'm so proud of my characters tbh); Alkoholkonsum; sexuelle Inhalte inkl. rough sex, D/s-Elementen/Machtkämpfen und Atemkontrolle (nicht richtig on-page, aber erwähnt)
Rating: P18
Charaktere: Leraikha & Alessia (Pavel, Byleth & Curió im Hintergrund)
Ficathon:
daswaisenhausPrompt: [#_3146]; Zitat aus "Dirty Little Secret" von All American Rejects
Sonstiges: Kates Wichtelwunsch beim WYD-Wichteln. Part 1 des crime syndicat AUs, um das niemand je gebeten hat. Hier, mit passender Pinnwand:
[klick] Ich bin etwas unter Zeitdruck, also verzeiht, falls es mal wieder nicht richtig überarbeitet ist. :>
Projekt: Adventskalender 2017
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dirty little secret
Leraikha & Alessia
I'll keep you my dirty little secret
Don't tell anyone or you'll be just another regret
I.
Die Sache ist die: Vielleicht sollte Alessia nicht mit der besten Scharfschützin des Verbrechersyndiakts, dem ihr Team schon seit Ewigkeiten hinterherjagt, schlafen. Vielleicht. Ganz sicher ist sie sich da nicht, aber sie hält es für ziemlich wahrscheinlich.
II.
Auf den ersten Blick sieht sie nicht aus als könnte sie für irgendjemanden eine Gefahr darstellen. Wahrscheinlich ist das ihr Trick: Ihr Aussehen lässt niemanden vermuten, dass sie das ist, was sie in Wahrheit nun mal ist.
Leraikha steht an der Bar und nippt an einem Glas Wein. Ihre alabasterfarbene Haut fügt sich beinahe nahtlos in das cremefarbene Ambiente des Clubs ein. Das gedimmte Licht lässt die Schatten unter ihren Schlüsselbeinen stärker hervortreten und zeichnet dunklere Schatten zwischen die Falten, die ihr langes, grünes Kleid wirft. Die kleinen Lichter hinter der Theke reflektieren in den goldenen Perlen, mit denen der Stoff bestickt ist. Als sie Alessia über den Raum hinweg zuprostet und sich gleichzeitig mit der freien Hand eine der blonden Strähnen hinters Ohr streicht, blitzt ein Ohrring auf; dünne, goldene Kettchen und ein grüner Edelstein.
Wenn Alessia es sich recht überlegt, sieht sie doch gefährlich aus, auf eine gewisse Art und Weise. Ihr Blick hat etwas Lauerndes an sich und jede Bewegung etwas, was der Eleganz einer Raubkatze ähnelt; aber vielleicht bildet Alessia sich das auch bloß ein, weil sie schon weiß, wer die blonde Schönheit an der Bar in Wirklichkeit ist. Vielleicht kann man Mörderinnen nicht als harmlos wahrnehmen, ganz gleich, wie glaubhaft die Fassade erscheint.
Alessia wirft ihr ein Lächeln und einen langen Blick zu, erwidert die Geste und nimmt einen tiefen Schluck aus ihrem Glas. Es sieht aus wie Sekt, aber es ist irgendeine alkoholfreie Brühe. Ebenfalls nur Fassade. Leider. Sie könnte den Alkohol gerade gut gebrauchen; aber sie soll bei diesem Job nur betrunken wirken, nicht betrunken sein.
III.
Alessias Puls fühlt sich an wie der Rhythmus einer Trommel, der in ihrem Brustkorb ertönt und durch ihren ganzen Körper hallt. Sie ist sich nicht ganz sicher, ob das daran liegt, dass Leraikha auf sie zukommt, oder daran, dass der Mann, mit dem sie hier ist und der ihr wortlos in Alessias Richtung folgt, ausgerechnet Pavel Sikora ist.
»Hallo, schöne Frau«, sagt Leraikha, als sie direkt vor Alessia anhält.
Pavel wahrt einen gewissen Abstand, aber er ist trotzdem nah genug, dass es Alessia nervös macht. Die goldenen Augen scannen den Raum regelrecht ab; nicht nach etwas Bestimmtem, wie es scheint, und doch kommt der Blick immer wieder zu Alessia zurück, und sie kann Pavels Aufmerksamkeit spüren wie zu heißes Sonnenlicht direkt auf ihrer Haut. Sie presst ihre kurzen Fingernägel fest gegen ihre klammen Handflächen und versucht, die Nervosität, die in ihr aufsteigt, zu unterdrücken.
»Kennen wir uns?«, fragt sie, den Blick nun starr auf Leraikha gerichtet. Sie ignoriert die Tatsache, dass der Mann, der sie aus sicherer Distanz bei diesem Gespräch beobachtet, vielleicht derjenige sein könnte, den sie schon seit Jahren suchen - das berüchtigte Oberhaupt der Daenoxa.
»Noch nicht«, gesteht Leraikha mit einem überaus charmanten Lächeln. »Aber ich glaube, wir sind uns schon einmal begegnet. Ganz flüchtig. Letzte Woche, in diesem Club … wie hieß er noch gleich?«
»Knock Out«, antwortet Alessia wie aus der Pistole geschossen, und beißt sich im nächsten Moment auf die Zunge, als ihr bewusst wird, dass sie damit zugegeben hat, sich an die Begegnung zu erinnern.
»Richtig … das Knock Out. Das war's.« Irgendetwas blitzt in den grünen Iriden auf; irgendetwas, das Alessia einen Schauer über den Rücken jagt. Leraikha hält ihr eine Hand entgegen. »Mein Name ist Lorraine«, sagt sie, vermutlich ohne zu ahnen, dass ihr Gegenüber weiß, dass das eine Lüge ist. »Lorraine Lacour. Wir kennen uns noch nicht, wie Sie bereits sagten, aber … vielleicht kann man daran ja etwas ändern?«
Alessia zögert einen Moment lang, ehe sie sich dazu ermahnt, einfach mitzuspielen, um nicht aufzufallen, und Leraikhas Hand ergreift. »Alice«, stellt sie sich vor. »Alice Caldwell.«
Sie hat Leraikhas Hand noch nicht losgelassen, als Pavel plötzlich auf sie zukommt, sich kurz zu Leraikha vorbeugt und ihr etwas ins Ohr flüstert, was Alessia nicht versteht. Sie hört es, aber es ist irgendeine Sprache, die ihr überhaupt nicht bekannt vorkommt. »Ich muss jetzt gehen«, verkündet Leraikha daraufhin. »Aber vielleicht sehen wir uns später, auf der Aftershow-Party? Sie sind doch sicher eingeladen, oder?«
Wie ferngesteuert nickt Alessia, ohne zu wissen, wieso. Natürlich ist sie nicht eingeladen. Und eigentlich will sie auch gar nicht auf eine Aftershow-Party gehen. Aber sie kann nicht Nein sagen, das wäre gegen ihren Auftrag, und eine Einladung sollte sie sich besorgen können. Leraikhas Finger lösen sich von Alessias und sie verabschiedet sich mit einem süffisanten Lächeln. Pavel Sikora nickt Alessia zum Abschied kurz zu, obwohl sie sich noch nicht einmal begrüßt haben.
Alessias Herz rast immer noch, als die beiden längst in der Menge verschwunden sind.
IV.
»Was führt eine -« Leraikha hält kurz inne, rückt ein Stück näher an Alessia heran, und Alessia wird ganz heiß, als diese schönen, schönen Lippen plötzlich noch ein Bisschen näher an ihrem Ohr sind. »- bekannte Journalistin wie Sie eigentlich hierher?«
»Ihre Einladung«, antwortet Alessia. Ein kleiner Moment der Ehrlichkeit, den sie sich erlauben kann. »Ich wäre nicht gekommen, hätten Sie mich nicht gefragt, ob wir uns hier wiedersehen, Miss Lacour. Parties … sind nicht unbedingt mein Fachgebiet, müssen Sie wissen.« Sie täuscht ein Lachen vor und beobachtet die andere aus dem Augenwinkel.
Leraikha lehnt sich für einen Moment zurück. Sie schmunzelt und nippt an ihrem Glas Champagner. Dann lehnt sie sich wieder zu Alessia hinüber. Sie muss lauter sprechen als gewöhnlich, um die Musik zu übertönen. »Und was hat Sie auf die Gala heute Abend geführt?«
Warum zur Hölle willst du das wissen?, flucht Alessia in Gedanken. Die Lüge, die sie sich zurechtgelegt hat, lautet: »Einer der Veranstalter ist sehr begeistert von meiner Arbeit. Laut eigener Aussage ist er seit Jahren ein großer Fan. Er hat mich eingeladen und mich gebeten, über das Event zu berichten.«
»Auch nicht gerade Ihr Fachgebiet«, bemerkt Leraikha.
Und sie hat Recht: Alice Caldwell schreibt normalerweise nicht über Spendengalas. Oder überhaupt irgendwelche Events dieser Art. Alice Caldwell trifft sich auch nicht mit irgendwelchen schönen Frauen auf irgendwelche Aftershow-Parties und flirtet mit ihnen, um an irgendwelche Informationen zu kommen. Die echte Alice Caldwell ist in der Tat eine begabte und ehrenwerte Journalistin, gleichzeitig eine Berühmtheit und ein Mysterium, und zufällig ein Kontakt, mit dem Alessias Team im Rahmen der Ermittlungen gegen die Mitglieder der Daenoxa eng zusammenarbeitet - aber sie ist nicht hier, und die falsche Alice Caldwell kann nur sagen: »Ich werde nicht darüber berichten. Das Angebot habe ich abgelehnt. Das Event an sich wollte ich mir trotzdem nicht entgehen lassen.«
»Ich verstehe.« Leraikha nickt und führt ihr Glas erneut an ihre Lippen, hält aber inne, bevor sie trinkt, und hält stattdessen Alessia das Glas zum Anstoßen entgegen. »Nun, dann würde ich sagen … Ich belästige Sie nicht weiter mit Fragen über Ihre Arbeit, und wir stoßen stattdessen auf einen angenehmen Abend an?«
Alessia greift schnell nach ihrem Drink und lässt das Glas mit einem leisen Klirren gegen Leraikhas stoßen. (Im Stillen verflucht sie den Brauch, dass man sich beim Anstoßen in die Augen sehen sollte; weil es sich verdammt gefährlich anfühlt, Leraikha länger als unbedingt nötig in die Augen zu sehen.)
V.
»Warum sind Sie wirklich hier, Alice?«
Leraikhas Atem riecht leicht nach Alkohol und nach irgendetwas Süßem, wahrscheinlich Grenadine und Fruchtsaft. Sie stützt sich mit einem Arm neben Alessia an der Wand ab und ist gerade so nah, dass Alessia ihr nicht mehr ausweichen kann, aber nicht nah genug, dass sie sich wirklich berühren.
»Ich sagte doch bereits -«
»Die Lüge kenne ich bereits, ja.« Leraikha mustert Alessia aufmerksam; ihr Blick ist hart und unnachgiebig. »Was ist der wahre Grund?«
Alessia hat keine Ahnung, woher sie weiß, dass es das richtige ist, aber sie sagt: »Finden Sie es heraus.«
Und trifft damit anscheinend genau ins Schwarze.
»Glauben Sie mir - das werde ich.« Leraikha schmunzelt. Und in der nächsten Sekunde überbrückt sie die Distanz, die ihre Lippen noch von Alessias trennt.
VI.
Die Sache ist die: Es hat niemand explizit gesagt, dass Alessia nicht mit Leraikha schlafen soll. Und vielleicht ist es nicht die beste Idee, sie abzuweisen, wenn der Plan lautet: Schleich dich in ihr Leben ein.
VII.
Es ist mehr eigentlich mehr Kampf als Sex. Es ist: Wer ist stärker? Wer geschickter? Wer hat die Kontrolle? Wer kann gewinnen?
Es ist: Alessia beißt fest genug zu, um Haut zu durchbrechen, und sie hat keine Ahnung, ob das Geräusch, dass sie Leraikha damit entlockt, mehr Stöhnen oder Knurren ist. Leraikhas Hand an Alessias Kehle lässt sie für einen Augenblick verschwommen und dann nur noch Schwarz sehen, und sie weiß nicht, ob sie wirklich zappelt, um sich zu befreien, oder um den Druck noch zu verstärken.
(Eigentlich ist es nur ein Job. Aber es fühlt sich ganz und gar nicht an wie ein Job, als Alessia ihr eigenes Stöhnen mit einem Kissen erstickt und Leraikhas Atem auf ihrer Schulter und ihrem Nacken spürt, während sie ihr Dinge zuflüstert, bei denen Alessia sich nie ganz sicher ist, ob es Versprechen oder Drohungen sind. Oder vielleicht beides.)
VIII.
Das Apartment, in das Leraikha sie mitnimmt, liegt im vierten Stock eines schwindelerregend hohen Gebäudes. Es ist klein und sehr simpel eingerichtet, aber es sieht von der Türschwelle bis zum Fenster nach Leraikha aus; die Farben, die hellen Holzmöbel, die Bücher, die Topfpflanzen. Trotzdem ist Alessia sich sicher, dass es nicht ihr wirklicher Wohnort ist. Es sähe ihr nicht ähnlich, leichtsinnigerweise eine Affäre, die sie erst seit Kurzem kennt, einfach so mit in ihr Refugium zu nehmen. Aber das spricht Alessia natürlich nicht aus.
»Nett hast du's hier«, sagt sie stattdessen.
Es sind ein paar Monate vergangen, und zum ersten Mal seit Beginn der Mission glaubt Alessia, einen Fortschritt zu erkennen. Sie ist in Leraikhas Wohnung. Vielleicht nicht in der Wohnung, aber in einer, die ganz eindeutig zu ihr gehört, und das ist mehr, als irgendjemand sonst - irgendjemand aus dem Ermittlerteam oder dem Kreis der vertraulichen Quellen - bisher geschafft und überlebt hat.
»Das spielt keine Rolle.« Leraikha sperrt hinter sich ab und steckt den Schlüssel in ihre Jackentasche. »Du sollst hier nicht einziehen, sondern nur ab und an vorbeikommen, damit ich dich ungestört vögeln kann.«
Alessia rollt mit den Augen. »Ich wollte nur nett sein.«
Leraikha hängt ihre Jacke an die Garderobe und lacht. Es ist ein aufrichtiges Lachen, so als hätte Alessia überraschend einen wirklich guten Witz gemacht. »Seit wann treffen wir uns, um nett zueinander zu sein?«
Auch wieder wahr.
Leraikha grinst, während sie durch den schmalen Flur auf Alessia zukommt, und Alessia erwidert das Grinsen unwillkürlich.
IX.
»Kannst du schießen?«, fragt Leraikha, während sie über die schmale Treppe hinauf eilt, Alessia dicht hinter ihr.
»Was?« Für einen Moment erstarrt Alessia regelrecht, doch dann ermahnt sie sich dazu, einfach weiterzurennen. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über ihre Rolle nachzudenken.
»Ob du schießen kannst, verdammt«, zischt Leraikha und wirft ihr über die Schulter hinweg einen genervten Blick zu. »Falls du es nicht mitbekommen hast: Wir sind unter Beschuss. Ich weiß ja nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich für meinen Teil würde mich ganz gern verteidigen. Und lebend aus der Sache herauskommen.«
Nun … Das ist Alessia nicht entgangen. Vielleicht, weil sie gerade aus einer halb zerschossenen Wohnung geflohen sind. Leraikha in Dessous, Alessia in übergroßem T-Shirt und Boxershorts. Über eine Feuertreppe. Richtung Dach. Ob der Weg Richtung Dach wirklich als Flucht zählt, ließe sich wohl bestreiten, aber …
»Kannst du es oder kannst du es nicht?«, schreit Leraikha sie an.
Sie sind endlich auf dem Dach angekommen und vor ihnen liegt die Stadt im morgendlichen Nebel. Die Konturen der Häuser heben sich nur vage voneinander ab, graue Silhouetten und unzusammenhängende Fragmente, die kein klares Bild ergeben. Leraikhas Brustkorb hebt und senkt sich schnell, während sie von der Seite auf das Schloss eines Metallcontainers zielt und einen Moment später darauf schießt. Das blonde Haar hat sich teils aus ihrem Zopf gelöst, fällt lose um ihr Gesicht herum und über ihre Schultern.
»Ja«, sagt Alessia, obwohl sie weiß, dass sie das nicht sagen sollte, weil Alice Caldwell es definitiv nicht sagen würde. Ihr Hals fühlt sich mit einem Mal rau und trocken an und ihre Hände sind ganz klamm. »Ja, ich kann schießen.«
X.
»Das kann nicht euer beschissener Ernst sein«, flucht Leraikha. Sie umklammert ihr Glas so fest, dass Alessia befürchtet, es könnte jede Sekunde zerspringen - oder von ihr gegen die nächstbeste Wand gedonnert werden, ungeachtet des honigfarbenen Whiskys, der sich noch darin befindet. »Bitte sag mir, dass das nicht dein Ernst ist, Pavel.«
Alessia kann sich - wie so oft in letzter Zeit - nur mit Mühe davon abhalten, ihre Nervosität durchscheinen zu lassen. Anstatt an ihrer Nagelhaut zu kratzen oder an ihren Fingernägeln zu knabbern, gräbt sie ihre Nägel immer fester in ihre eigenen Handflächen und versucht, zu vergessen, mit wem Leraikha da gerade telefoniert. Dass sie anwesend ist, während die beste Scharfschützin der Daenoxa ihren Boss anruft und ihn verbal zusammenfaltet.
»Ja«, erwidert Leraikha wenig freundlich auf irgendetwas, was Pavel anscheinend gesagt hat. »Ja, ich weiß, wie er ist. Das macht es nicht besser, verdammt. Byleth kann nicht einfach -«
Alessia ist ein Bisschen beeindruckt davon, dass die Stimme am anderen Ende er Leitung nicht ein einziges Mal lauter wird. Eins muss man Pavel Sikora lassen - er ist die Ruhe in Person, wie es scheint. Selbst dann, wenn eine wütende Waffennärrin ihn gerade durchs Telefon anmault und dabei so aussieht und vor allem klingt, als würde sie ihm am liebsten gleich den Schädel wegpusten.
»Es ist mir sowas von scheißegal, ob ihr wieder vögelt oder hei-« Leraikha schnaubt entnervt und leert ihr Glas in einem Zug, stellt es dann ab und beginnt, sich mit der freien Hand selbst den Nacken zu massieren. »Das. Ist. Mir. Egal«, zischt sie in den Hörer. »Sieh zu, dass du ihn unter Kontrolle hältst, verdammt. Du hast nur eine beste Freundin und - ohne irgendwem zu nahe treten zu wollen - nur eine Scharfschützin wie mich.«
Mit einem letzten wütenden Schnauben legt sie auf, wirft das Haustelefon achtlos aufs Sofa und kommt auf Alessia zu. Sie setzt sich nicht neben sie, sondern einfach direkt rittlings auf ihren Schoß, und Alessia hält für einen Moment den Atem an. »Es gab da ein Problem«, säuselt sie, wobei sie nicht den Eindruck macht, als wolle sie jetzt über Probleme sprechen. »Tut mir leid, dass du da mit reingezogen wurdest.«
»Ein Problem namens Byleth?« Alessia zieht eine Augenbraue hoch und sieht sie skeptisch an, aber sie kann sich auch nicht davon abhalten, ihre Hände an Leraikhas Hüften zu legen und den Kuss, den die Blonde ihr aufhaucht, zu erwidern.
»Der Kerl ist ein einziges wandelndes Problem«, knurrt Leraikha. »Aber lass uns nicht darüber reden. Das sind berufliche Angelegenheiten. Es war … ein Missverständnis.«
Als wüsste Alessia nicht, dass Byleth - wie auch immer sein echter, vollständiger Name lauten mag - ein wandelndes Problem ist. Von allen bekannten Mitgliedern der Daenoxa ist er derjenige, der bisher am meisten Aufsehen erregt hat. Und trotzdem ist es noch niemandem gelungen, ihn auch nur in Untersuchungshaft zu stecken. Er ist vor einigen quasi Jahren aus dem Nichts aufgetaucht und beherrscht es wie kein zweiter, genauso spurlos wieder zu verschwinden, wann immer es nötig ist. Es kostet Alessia einiges an Selbstbeherrschung, ihr Wissen nicht durchscheinen zu lassen. Offiziell weiß sie nicht, wer Lorraine Lacour wirklich ist. Offiziell hat sie keine Ahnung, welcher Beruf das sein soll, der sie beide soeben in höchste Gefahr gebracht hat.
»Ein ziemlich gefährliches Missverständnis«, erwidert sie, mit leicht unsicherem Unterton, in der Hoffnung, dass es klingt, als sei sie tatsächlich besorgt (und nicht daran gewöhnt, dass man plötzlich mit scheinbar tödlicher Absicht auf sie schießt).
»Lass uns jetzt nicht darüber reden«, wiederholt Leraikha.
Alessia beschließt, dass es besser ist, sie nicht zu drängen. Ob um ihrer Tarnung Willen oder bloß, weil Leraikha ihren Mantel abstreift und plötzlich nur noch in Dessous auf Alessias Schoß sitzt, spielt dabei eigentlich gar keine so große Rolle.
XI.
Das Haus, in dem sie nach der Flucht aus Leraikhas Apartment untergekommen sind, muss jemand anderem gehören, denkt Alessia. Als sie in der Nacht aufsteht und barfuß die Treppe hinuntergeht, um sich ein Glas Wasser zu holen, betrachtet sie im Vorbeigehen die holzverkleideten Wände, die goldenen Lampen, die Landschaftsfotografien an den Wänden. Den roten Teppich vor dem Bett, die dünnen beigefarbenen Vorhänge in der Küche. Alles an diesem Haus schreit Pavel.
Alessia denkt darüber nach, nach draußen zu gehen und ihren Vorgesetzten anzurufen. Sie hat keine Ahnung, welche Adresse dieser Ort hat, aber es wäre kein Problem, ihren Standort zu ermitteln. GPS sei Dank. Sie fragt sich, wieso sie zögert. Vielleicht, weil sie befürchtet, ihr bloßer Verdacht könnte nicht ausreichen. Vielleicht, weil sie sich ganz sicher sein will. Das ist es bestimmt.
Sie trinkt ihr Glas aus, stellt es in die Spüle, lehnt sich gegen die Küchentheke, hält den Atem an und lauscht. Kein einziges Geräusch, das über das Knarzen der Holzbalken im Dachgeschoss hinausgeht. Es ist mitten in der Nacht, Leraikha schläft ein Stockwerk weiter oben tief und fest, und außer ihnen ist niemand hier. Eigentlich spricht nichts dagegen, dass sie sich nach Beweisen umsieht. Außer die Tatsache, dass sie unbewaffnet ist. Ihre Dienstwaffe hat sie in der zerschossenen Wohnung einige Blöcke weiter zurücklassen müssen, und sie hat keine Ahnung, ob hier genauso Waffen versteckt sind wie in dem nach außen hin unscheinbaren Mietshaus, in das Leraikha sie am Vortag mitgenommen hat. Wenn etwas passieren sollte …
Wird es nicht, sagt sie sich im Stillen. Sei kein Angsthase. Eine bessere Gelegenheit kommt nicht mehr.
Alessia fasst sich ein Herz und schleicht auf leisen Sohlen durch den Flur. Zuerst die Zimmer im Erdgeschoss. Dann der Keller. Irgendetwas muss sie einfach finden. Selbst Pavel Sikora kann nicht gar keine Spur an einem Ort hinterlassen. Wenn er irgendeine Verbindung zu diesem Haus hat - oder vielleicht sogar hier ein und aus geht -, wird sie es herausfinden.
XII.
»Ja. Ja, ich bin jetzt gerade auf der Terrasse, Sir.« Alessia knabbert an ihrem Daumennagel, während sie mit der anderen Hand ihr Handy fest umklammert und an ihr Ohr presst. Sie spricht mit gesenkter Stimme und sieht sich immer wieder um, ob sich ihr nicht doch jemand nähert; jemand, der sich bisher in den Schatten versteckt hat. Doch nichts dergleichen geschieht. Ihr müsste hier draußen kalt sein in ihrem T-Shirt und ihren Boxershorts, ohne Socken, ohne Jacke, aber die Aufregung gleicht das wieder aus. »Ja, Sir. Ich glaube, dass es Pavel Sikora gehört. Genau, der Pavel Sikora.«
Alessia konnte Curió Eloy noch nie ausstehen. Sie hasst es, mit ihm zu telefonieren (oder sich überhaupt mit ihm auseinandersetzen zu müssen), aber es ist nun mal ihr Pflicht, neue Erkenntnisse zuerst mir ihm zu besprechen.
»Ja, es gibt Beweise. Nicht, dass es ihm gehört, aber auf jeden Fall - Nein, Sir. Es scheint ein Rückzugsort zu sein, ob geheim oder nicht, kann ich nicht sagen. Das Grundstück liegt ziemlich weit außerhalb, aber -« Alessia atmet tief durch und beißt sich auf die Zunge, um nicht bissig zu antworten, als er sie zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit unterbricht. »Die Scharfschützin hatte einen Schlüssel, Sir. Das in Kombination mit den Indizien, die ich - Ja, verstanden. Ja, ich schicke Ihnen meinen Standpunkt.«
Es ist so still um sie herum, dass Alessia ihre Stimme als unglaublich laut wahrnimmt, obwohl sie flüstert. Nervös blickt sie nach oben zu den Fenstern des zweiten Stockwerks, doch die Vorhänge sind noch immer zugezogen und es zeigt sich nicht die kleinste Regung. Sie schläft, erinnert sie sich in Gedanken. Tief und fest. Kein Wunder, nach dem Tag. Nun stell dich nicht so an.
Alessia lässt Curió Eloys abschließende Worte über sich ergehen, ungeduldig, endlich wieder reingehen und sich noch für eine kurze Zeit hinlegen zu können. Auch sie ist ziemlich erschöpft von den Strapazen des vergangenen Tages und sie will keinen Verdacht erregen, falls Leraikha in der Zwischenzeit aufwachen sollte. »Verstanden, Sir. Ich werde hier sein«, beendet sie das Gespräch dann schließlich. Mit laut pochendem Herzen und zittrigen Händen legt sie auf und geht wieder nach drinnen.
Als sie zurück ins Schlafzimmer kommt, liegt Leraikha auf der falschen Seite des Bettes und hat die Hälfte der zweiten Bettdecke auch noch für sich beansprucht, schläft aber nach wie vor seelenruhig. Alessia kann sich nicht gegen das Lächeln wehren, das bei diesem Anblick sich auf ihre Lippen schleicht.
XIII.
Als Alessia aufwacht, spürt sie zuerst das mittlerweile sehr vertraute Gewicht eines Körpers über sich. Dann kühle Finger an ihren Lippen. Und dann eiskaltes Metall.
Als sie die Augen öffnet, sieht sie Leraikha, die über ihr kniet, mit einem seltsam erwartungsvollen Blick auf sie hinabsieht und ihr gerade den Lauf einer Pistole zwischen die Zähne geschoben hat, bevor sie sich dagegen wehren konnte.
»Deine Blicke reden mehr als du, weißt du das eigentlich?«
Alessia versucht, ihre Hände zu bewegen, realisiert aber schnell, dass diese über ihren Kopf am Bettgestell fixiert sind und fragt sich, wie zur Hölle sie das verschlafen konnte. Sie denkt darüber nach, trotzdem einen Versuch zu starten, Leraikha von sich herunterzubefördern, aber wahrscheinlich hätte die Scharfschützin dann schneller abgedrückt als Alessia auch nur einmal tief durchatmen könnte.
»Deine Blicke erzählen spannende Dinge. Manchmal stellen sie auch Fragen. Gerade haben sie mir verraten, dass es dich ganz brennend interessiert, welchen Fehler du begangen hast. Was dich verraten hat. Stimmt das?«
Tatsächlich Alessia sie sich nicht sicher, wieso oder wann genau ihre Tarnung aufgeflogen ist. War es zu leichtsinnig, Leraikha gegenüber zuzugeben, dass sie mit Waffen umgehen konnte? Sie herauszufordern, den wahren Grund ihrer Anwesenheit auf der Gala herauszufinden? Hat Leraikha doch etwas von ihrem Telefonat mitbekommen? Hat sie irgendwann anders einen Fehler gemacht, eine Kleinigkeit, die Leraikha aus unerfindlichen Gründen aufgefallen ist?
»Die Antwort lautet: Es gab keinen Fehler. Nichts hat dich verraten. Ich wusste seit unserer zweiten Begegnung, wer du bist.«
Irritiert blinzelt Alessia sie an. Leraikha erwidert den Blick mit stoischer Ruhe und einem kühlen Lächeln.
»Alessia Fierieux. Ein verdammter Undercover-Cop, der die Dreistigkeit besitzt, sich ausgerechnet mir an die Fersen zu heften. Eigentlich bin ich fast schon ein Bisschen beeindruckt, muss ich gestehen.« Leraikha lacht leise auf. »Wenn ich die hier wegnehme -« Sie nickt in Richtung der Waffe, die sie immer noch festhält. Ihr Griff lockert sich keine Sekunde lang, der Finger am Abzug genauso ruhig wie der Tonfall ihrer Stimme. »- versprichst du mir, dass du nichts Dummes tust? Wir sollten uns unterhalten. Aber das funktioniert nur, wenn du keine Dummheiten anstellst.«
Alessia schnaubt, nickt dann aber trotzdem. Vielleicht fällt es ihr ja leichter, die Situation genauso gelassen zu nehmen wie Leraikha, wenn sie erst mal nicht mehr mit einer entsicherten Waffe bedroht wird, denkt sie mit einem Hauch von Selbstironie.
XIV.
»Du kannst mein schmutziges, kleines Geheimnis sein«, sagt Leraikha. Sie nippt an einem Glas Whisky und lehnt sich ein wenig vor, die Ellenbogen auf den Teakholztisch gestützt, den Blick direkt auf Alessia gerichtet. »Solange alles, was du über uns herausgefunden hast, auch dein Geheimnis bleibt.«
Alessia massiert sich mit zwei Fingern die Schläfen, hinter denen ein dumpfer Schmerz gegen ihren Schädel pocht. Auch sie trinkt einen Schluck Whisky, obwohl sie weiß, dass das nicht gegen ihre Kopfschmerzen hilft, geschweige denn gegen die Frustration, die diese verdammte Situation in ihr aufkommen lässt. »Und was, wenn ich rein zufällig keine Informationen zurückhalten will, die zur Ergreifung einiger international gesuchter Schwerverbrecher führen könnte?«, gibt sie in einem schneidend sarkastischen Tonfall zurück.
»Dann werde ich das wissen. Und ich weiß nicht, ob man dir deine werten Kollegen von der Polizei dir das gesagt haben, bevor man dich auf mich gehetzt hat, aber ich bin nicht gerade dafür bekannt, meine Ziele zu verfehlen, wenn du verstehst, was ich meine. Und für mein gutes Herz und mein reumütiges Wesen auch nicht. Wobei ich sagen muss … « Sie streckt eine Hand nach Alessia aus und versucht, ihr über den Arm zu streicheln, aber Alessia weicht schnell vor ihr zurück und wirft ihr einen Blick, der eigentlich töten sollte, zu. »Eigentlich wäre es schon ein Bisschen schade.«
Alessia knirscht mit den Zähnen und wägt kurz ab, ob sie sagen soll, was ihr auf der Zunge liegt. Sie entscheidet sich dafür, obwohl sie weiß, dass es ein gewisses Risiko mit sich bringt. »Mein Boss weiß, dass ich hier bin. Und was ich herausgefunden habe.«
Doch entgegen ihrer Erwartungen ringt sie Leraikha damit erst mal nur ein Lachen ab. »Liebes …«, beginnt die Scharfschützin dann, ehe sie ihr Glas leert und sich gleich wieder etwas einschenkt. »Dein Boss wusste das schon lange vor dir.«
Es dauert einen Moment, bis die Bedeutung dieser Worte wirklich bei Alessia angekommen ist. Sie starrt Leraikha einige Sekunden lang an, während sie die Erkenntnis sacken lässt, und dann trinkt sie mit einem Seufzen ebenfalls aus. »Wärst du so freundlich, mir auch noch einen auszuschenken?«
»Wenn dir das dabei hilft, zu akzeptieren, dass du knietief in der Scheiße steckst - klar. Meinetwegen.« Leraikha zuckt mit den Schultern und tut, worum Alessia sie gebeten hat. Sie beobachtet Alessia, während diese wieder an ihrem Glas nippt. »Also«, sagt sie dann. »Haben wir einen Deal?«
»Wir müssen noch mal genauer über die Bedingungen dieses Deals verhandeln«, murrt Alessia.
Leraikha grinst, und in ihren hellgrünen Augen blitzt es wieder auf - dieses Irgendwas, dieser gewisse Funken, der nicht recht zu allem anderen passt und der Alessia jedes Mal aufs Neue irritiert. »Darüber lässt sich streiten. Ich finde die Bedinungen außerordentlich fair. Du hältst die Klappe, ich halte die Klappe. Das ist ein guter Deal.«
Alessia überlegt für einen Augenblick, ehe sie den Kopf schüttelt. »Wenn sich darüber streiten lässt, dann würde ich diese Möglichkeit gerne in Anspruch nehmen.«
»Wie du willst«, entgegnet Leraikha mit einem Schmunzeln. »Aber ich garantiere nicht dafür, dass dieser Streit nicht entweder tödlich oder sexuell endet. Vielleicht auch beides.«
Alessia wünschte, sie hätte Widerworte und einen bösen Blick parat. Aber alles, was sie zustande bringt, ist ein Lächeln - und die schlichte Antwort: »Irgendwie habe ich gar nichts anderes erwartet.«
XV.
Die Sache ist die: Vielleicht hätte Alessia wirklich nicht mit Leraikha schlafen sollen. Aber die Einsicht kommt reichlich spät, und jetzt, da sie es sowieso schon getan hat, spricht nur wenig dagegen, es noch einmal zu tun.