Story: Sylène-Reihe (pre-canon)
Genre: Dark Fantasy, kind of gore
Warnings: Ehm … Der Prompt sagt alles? Slightly graphic, also, keine graphic on-page Gewalt, aber die Geschehnisse sind schon sehr eindeutig dargestellt & das Thema wird nicht sonderlich sensibel behandelt. Oh, und es kommt ein ableistischer Slur vor, den der Char zwar für sich selbst verwendet, aber ich wollte es trotzdem anmerken.
Rating: P18
Charakter: Lilith
Ficathon:
not overPrompt: [333]; Zitat aus "Mordlust" von Nachtblut
Sonstiges: Kate hat sich eine Kleinigkeit über Lilith gewünscht, also, hier - 7x 100 Worte über einen meiner liebsten Nebenchars aus der Sylène-Reihe. :>
Projekt: Adventskalender 2017
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Die Mutter und die Jägerin
Lilith
Und ich sehe ein junges Mädchen, sie ist ganz allein
Ein Teil von mir wünscht sich, nett zu ihr zu sein
Doch der andere Teil fragt sich unentwegt
Wie ihr abgetrennter Kopf auf einem Stock aussieht
I.
Ich streife oft alleine durch die Straßen. Das ist nichts besonderes; ich war schon immer lieber allein, lieber gefürchtet als beliebt, und seit ich in der Menschenwelt lebe, habe ich noch seltener Lust auf Gesellschaft als damals in der Hölle.
Eins muss ich dieser Welt lassen: Die Nächte sind wundervoll. In der Hölle gibt es nichts dergleichen, überhaupt keine Tage, keine messbare Zeit, nur allgegenwärtige Dunkelheit. Hier gibt es Nächte. Und die sind etwas ganz Besonderes. Sie lassen die Welt leer und ruhig zurück, und sie machen die Menschen schwach und ängstlich.
Angst. Ich liebe es, wenn Menschen das empfinden.
II.
Ich sehe was, was sonst niemand sieht. Geht das Spiel so? Ich habe keine Ahnung. Ich kenne mich nicht aus mit Menschendingen. Ich weiß nur: Ich sehe ein junges Mädchen, und aus irgendeinem Grund denke ich plötzlich an dieses Spiel. Das Mädchen ist ganz allein. Ich bin mir sicher, dass mein Blick der einzige ist, der ihr durch die leergefegte Straße folgt.
Ein Teil von mir will sie fragen, ob sie sich verlaufen hat. Auf die nette, hilfsbereite Art. Der mütterliche Teil.
Ein anderer Teil von mir will dieselbe Frage stellen. Aber mit einer ganz anderen Absicht.
Unmöglich, die beiden.
III.
Ich schleiche dem Mädchen lange nach, während die zwei gegensätzlichen Seiten, die ich in mir vereine, sich wortlos in meinem Inneren streiten.
Ich lasse sie das in Ruhe ausdiskutieren; die letzten Jahrhunderte (ich habe mir sagen lassen, dass die Menschen meine Lebenszeit so berechnen) haben mich gelehrt, dass ich kaum Einfluss darauf habe, wann die Mutter gewinnt und wann die Jägerin. Und dass die Entscheidung, auf die die beiden sich einigen, meistens gut ist.
Deshalb empfinde ich nichts, als ich endlich die Stimme erhebe und in die klare Winternacht flüstere: »Hast du dich verlaufen?«
Es wird schon richtig so sein.
IV.
Es stellt sich heraus, dass das Mädchen sich nicht verlaufen hat. Sie weißt nur nicht, wohin sie gehen soll. Traurig für sie. Umso besser für mich.
Ihr Haar fühlt sich an wie nasses Stroh, als ich ihr über den Kopf streichele. Ihre Hand, die sie in meine legt, ist kalt wie Eis.
Die Mutter bedauert sehr, dass ich das Mädchen nicht einfach mit nach Hause nehmen und umsorgen kann. Dieser Teil von mir möchte sie baden, füttern und in ein warmes Bett mit dicken, weichen Decken legen. Ihr Haar kämmen und ihre Stirn küssen.
Aber die Jägerin hat andere Pläne.
V.
Manchmal finde ich die Mutter anstrengend. Sie würde am liebsten alle kleinen, wehrlosen Wesen der Welt - dieser und jeder anderen Welt - unter ihre Fittiche nehmen. Das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen, dieses ständige Sehnen nach etwas, wofür sie sorgen kann.
Die Jägerin finde ich dafür manchmal ziemlich pervers. Jetzt zum Beispiel. Das Mädchen geht plaudernd neben mir her und ich nicke hin und wieder, als würde ich ihr zuhören. Die Jägerin kann unterdessen nicht aufhören, darüber nachzudenken, wie das hübsche kleine Köpfchen wohl aussehen würde, würde man es abtrennen und aufspießen.
Unmöglich, die beiden. Und völlig verrückt.
VI.
Es tut mir nicht leid, dass die Jägerin ihren Willen bekommt. Ich teile ihr perversen Vorlieben nicht, aber als Königin mag ich Angst eben sehr; die Angst anderer Lebewesen erinnert mich daran, dass ich mächtig bin, und das schmeichelt mir zugegebenermaßen.
Die Mutter hat sich zeitweise aus meinem Bewusstsein verflüchtigt. Ist auch besser so. Ihr würden die Schreie und das Wimmern nicht gefallen.
Für mich sind das, ehrlich gesagt, auch eher Störgeräusche; aber der Jägerin gefällt es, und ich lasse ihr das kleine Bisschen Spaß. Viel davon hat nicht mehr in dieser Welt, das muss ich - zu meiner Schande - gestehen.
VII.
Irgendwie hatte sie recht: Manche Köpfe sehen auf angespitzten Stöcken wirklich besser aus als auf Körpern. Könnte daran liegen, dass Blut jeden Anblick besser macht. Davon gibt es hier mittlerweile eine Menge.
Dass die Jägerin zufrieden ist, merke ich daran, dass auch sie verschwindet.
Einerseits bin ich dankbar dafür, mein Bewusstsein wieder für mich zu haben. Die Königin teilt nicht gerne.
Andererseits bedeutet das, dass die unliebsamen Aufgaben mal wieder an mir hängenbleiben. Die Entsorgung und sowas.
Aber es hilft ja alles nichts. Mit einem Seufzen mache ich mich an die Arbeit.
Wirklich unmöglich, die beiden. Ich sag's ja.