caedes & andré » there's a hole in my heart where you used to be

Jan 24, 2018 03:52

Story: RPG Storyverse (Canon)
Genre: ???? angsty shit ????
Warnings: implied emotional abuse; implied vampirism
Rating: P16
Charaktere: Caedes & André

Challenge: not over
Prompt: [121]; Zitat aus "You Be Tails, I'll be Sonic" von A Day To Remember

Sonstiges: Na ja. Die versprochen Kleinigkeit zu André/Cae. Spielt kurz vor dem Plot um Aviens Ermordung.

Projekt: Adventskalender 2017

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there's a hole in my heart where you used to be
Caedes & André

I miss your family and I miss all our friends
If you had to do it over, would you do it over again?
Cause I would, it means something more to me
There's a hole in my heart where you used to be



»Denkst du manchmal noch an früher?«

Ich nämlich schon. Ich denke gern an damals, als noch kein Loch in meinem Herzen war, dort, wo eigentlich du sein solltest.

Ein leichter Regenschauer prasselt auf das Blätterdach, unter dem sie sich durch den Wald bewegen. André hat keine Ahnung, wohin sie gehen, aber er geht neben Caedes her, ohne sich Gedanken darüber zu machen, und es fühlt sich gut an - ein bisschen wie das früher, das er vielleicht nicht hätte ansprechen sollen. Andrés Stimme verklingt, geht unter in der dichten, grauen Dämmerung, die wie Nebel durch den Wald zieht, und Caedes sieht ihn nicht an und antwortet nicht.

»Entschuldige«, sagt André nach einer Weile. »War 'ne blöde Frage.«

Sie gehen immer weiter, ohne Ziel und ohne Eile.

(Und es fühlt sich gleichzeitig nach früher an und als würden sie vor dem, was sie im Hier und Jetzt eigentlich sagen wollen, weglaufen.)

x

»Ich denke ständig an früher.« Es ist eine verspätete Antwort und eine offensichtliche Wahrheit; etwas, was nicht ausgesprochen werden muss. Caedes tut es trotzdem, und André spürt ein Lächeln, das an seinen Mundwinkeln zupft, als er das realisiert.

Sie sitzen an einer Klippe, ihre Beine baumeln über die Kante, und André fragt sich im Stillen, ob Caedes dasselbe denkt wie er: Dass es schön wäre, sich wieder vor dem Fall fürchten zu können.

»Ich vermisse es nicht«, fügt Caedes hinzu, bevor André etwas erwidern kann.

Ich schon, denkt André, aber er sagt es nicht. Er hat nicht den Mut, das Offensichtliche auszusprechen; hatte nie den Mut, das zu sagen, was er in seinem Kopf und in seinem Herzen so sicher weiß, dass es ihm redundant vorkäme, es in Worte zu fassen.

»Das kann ich verstehen«, sagt er stattdessen.

»Aber es gibt einen Teil von früher«, fährt Caedes fort, als hätte es gar keine Antwort gegeben, »der aus der Reihe fällt, weißt du?«

André weiß genau, was er meint. Es ist das früher zwischen Flucht und Tod. Das früher zwischen Freundschaft und Verrat. Das früher, das irgendwann, vor vielen Jahren, die sich anfühlen wie eine Ewigkeit, nur ihnen gehört hat.

Und André versteht. Er selbst vermisst das alles - die ungnädigen Straßen der französischen Städte, die heimlichen Blicke, die spielerischen Streits mit Alyssé, die Zeit, in der er Avien noch hassen konnte, die Katz-und-Maus-Spielchen mit den Stadtwachen, das Gefühl von Zugehörigkeit (nicht zu jemandem, sondern zu einem Ort, zu einer Zeit, zu einem Lebensgefühl) und die königliche Familie, der ein Straßenjunge niemals hätte so nah kommen dürfen, und alle Freunde von damals, und all das, was früher für ihn bedeutet, das früher, das er seine Heimat nennt.

Aber wenn er sich ein früher aussuchen könnte, das er zurückbekäme - ein einziges nur -, dann wäre es dasselbe, von dem Caedes gerade gesprochen hat.

Der Regen hat aufgehört, aber der Boden unter ihnen fühlt sich noch kalt und feucht an. Es stört sie nicht, nicht im Geringsten. Baumwipfel säumen den Horizont, ragen wie Pfeilspitzen in die undurchdringlich wirkende Front aus rauchschwarzen Wolken hervor.

»Nur, damit du es weißt: Ich würde es wieder tun. Selbst in dem Wissen, dass es so endet, wie es geendet hat.«

Caedes' Worte hängen zwischen ihnen in der Luft wie ein feiner Dunst, der sich unsichtbar, aber deutlich spürbar auf ihre Haut legt und aus demselben Stoff gemacht scheint wie das Glücksgefühl, das André einen wohligen Schauer über den Rücken jagt.

Ich würde es wieder tun.

(Ein Satz nur, und plötzlich fühlt sich alles so viel leichter an; selbst das Gewicht der Schuld, das schwer auf seinen Schultern lastet, kann André einen Moment lang völlig ausblenden.)

x

»Du hast damals gesagt, dass du es nicht kannst.« Es ist einer von vielen Sätzen, die Erinnerungen wecken; eins von vielen Themen, die einfach so aufkommen, weil das Gespräch genauso schnell und selbstverständlich dahinfließt wie die Zeit, die sie gemeinsam verbringen. Als hätte es das jahrzehntelange Nichts zwischen ihnen nie gegeben.

Vor Andrés innerem Auge spielt sich die Geschichte noch einmal ab; das Gespräch mit seinem Lehrmeister, der nicht mehr als ein müdes Lächeln und ein Nicken für seine Entscheidung übrig hatte; das Gespräch mit Caedes, der, zu Andrés Überraschung, auf Anhieb verstand und nicht urteilte. Das leichte Gefühl ums Herz, das tagelang nicht mehr verschwinden wollte, damals, als er beschlossen hatte, dass das Leben, das er für das seine hielt, nicht für immer sein Leben bleiben muss, und ihm trotzdem erhalten blieb, was ihm am wichtigsten war: Caedes. Er, und all das, was sie für einander bedeuteten, irgendwann damals, vor einem halben Leben oder vielleicht mehr.

»Das stimmt immer noch«, entgegnet er, ein wenig nachdenklich. »Gewissermaßen. Ich kann es nicht aus eigenem Antrieb. Und nicht ohne triftigen Grund.«

»Tötest du für sie?«, will Caedes wissen. Er fragt, als sei es eine Nebensächlichkeit, aber es reißt André augenblicklich aus seinen Gedanken und bringt sein Herz zum Rasen. Nicht auf die angenehme Art.

»Ja«, antwortet er leise. »Manchmal schon.«

Caedes nickt, als hätte er die Antwort eigentlich gar nicht hören müssen, um sie zu kennen.

Sie schweigen sich an und die Wahrheit liegt vor ihnen, tut sich auf wie der Abgrund, an dessen Rand sie es sich gemütlich gemacht und von dem sie sich seit Stunden nicht mehr wegbewegt haben, als sei es der normalste Ort der Welt, um sich über die Vergangenheit und die Gegenwart zu unterhalten, weil man die Zukunft, die langsam, aber sicher auf einen zukommt und die man nicht ertragen kann, um jeden Preis zu verdrängen versucht.

»Du hast damals gesagt, dass du es nicht willst«, sagt André nach einer Weile in die angespannte Stille hinein.

»Daran hat sich nichts geändert.« Ein Lächeln umspielt Caedes' Lippen, als André sich kurz zu ihm umdreht.

»Aber manchmal tust du es.« André beißt sich selbst auf die Lippe, kaum dass er den Satz zu Ende gesprochen hat. Er merkt, worauf er selbst hinaus will, und eigentlich will er nicht, aber die Frage - Tötest du für sie? - hat Wunden aufgerissen, von denen er noch nicht einmal wusste, dass er sie hat, und das Bedürfnis, im Gegenzug dazu ähnlich schmerzhafte Erinnerungen wachzurufen, ist zu stark, als dass er ihm widerstehen könnte.

»Früher«, sagt Caedes, und es klingt, als hätte das Wort einmal mehr einen bitteren Beigeschmack. »Aus Blutdurst, als ich noch keine Kontrolle darüber hatte.«

»Und manchmal auch aus Rache.« André weiß, dass er das nicht sagen sollte. Er weiß, er sollte dringend aufhören, seine Worte wie Waffen zu benutzen - wie Waffe und Rüstung zugleich. Solange ich dir mehr wehtun kann als du mir, fühle ich mich sicher. Das scheinbar undurchdringliche Schweigen kehrt zurück, und André weiß, dass sein Hieb getroffen hat, aber er bereut es sofort. Als er es nicht mehr ertragen kann, rüttelt er mit fester Stimme an der Mauer, die sich plötzlich wieder zwischen ihnen aufgebaut hat. »Es tut mir leid, ich hätte nicht -«

»Du hast recht.« Wieder tut Caedes so, als hätte André gar nichts weiter gesagt. André fragt sich flüchtig, ob die zeitverzögerten Antworten noch dasselbe bedeuten wie früher: Dass Caedes nicht wirklich da ist, sondern mindestens zur Hälfte in sich selbst verloren. »Du hast recht«, wiederholt er. »Manchmal töte ich aus Rache.«

Die Worte verklingen und die beengende Stille kehrt zurück, als hätte Andrés Versuch, sie zu durchbrechen, nicht mehr bewirkt als ein zaghafter Windstoß gegen einen meterhohen Wachturm ausrichten könnte. André dreht sich zu Caedes um und mustert ihn aufmerksam. Seine Haltung und seine Mimik verraten nichts. Alles an ihm ist seltsam ruhig -

Und plötzlich trifft die Erkenntnis André wie ein einschlagender Blitz. Sein Herz macht einen Satz, seine Augen weiten sich, und er kann seinen Blick nicht mehr von Caedes abwenden. Sein Körper reagiert auf den Schock; aber tief in seinem Inneren, da ist es schon nach wenigen Sekunden wieder ruhig. Ganz ruhig. Als hätte die stoische Ruhe, mit der Caedes neben ihm in die Tiefen des Abgrunds starrt, sich auf ihn übertragen.

»Hast du deswegen einem Treffen zugestimmt?« Weil du eine Gelegenheit gewittert hast?

Langsam dreht Caedes den Kopf zu ihm um. Ihre Blicke treffen sich für den Bruchteil eines Moments - und in der nächsten Sekunde ist Caedes mit einem Satz bei ihm. André sieht die Bewegung trotz der übernatürlichen Geschwindigkeit, aber er weicht nicht aus. Caedes ist plötzlich über ihm, drückt ihn zu Boden und starrt auf ihn hinab, Blicke, die ihn durchbohren, wie es keine Waffe der Welt je könnte.

»Denkst du das?« Seine Stimme ist leise, sein Tonfall eindringlich, und André ist sich nicht sicher, weswegen er bei jeder Silbe erzittert - vor Wut? Vor Unsicherheit? Oder ist es ein Knurren, das sich langsam anbahnt? »Denkst du, dass ich dich töten will?«

André weiß nicht, was er denken soll; aber der Gedanke, dass Caedes ihn töten könnte - jetzt gleich, im nächsten Augenblick, wenn er es wollte - ist ihm ganz unwillkürlich gekommen. Und zugleich der Gedanke, dass es gerechtfertigt wäre.

André fühlt sich immer noch ruhig. Seltsam ruhig. Eigentlich noch ruhiger, jetzt, da er Caedes plötzlich so nah bei sich spüren kann. Es fühlt sich nicht an wie eine Bedrohung; eher wie ein Fragment vergangener Zeiten, ein ganz kleines bisschen so wie vergangenes Glück, das für einen Augenblick zurückkehrt.

»Du dürftest«, stellt er fest. »Ich weiß, dass du keine Erlaubnis brauchst, aber … ich würde dich lassen. Wir hätten es beide verdient.«

Er hat immer gewusst, dass es so sein würde - Avien oder Caedes, nichts und niemand anderes auf der Welt könnte ihm einen angemessenen wahren Tod bescheren. Es fühlt sich merkwürdig an, sich damit schon abgefunden zu haben, sich gar nicht zu wundern und erst recht nicht zu wehren.

»Ist es das, was du willst?«

»Ich …« Ich will nicht sterben. Aber ich will wieder gutmachen, was ich dir angetan habe. »Ich weiß es nicht.« Es ist nur die halbe Wahrheit, aber es ist die beste Antwort, die André ihm geben kann.

Für einen furchtbar langen Moment sehen sie sich nur an. Stille, ein Blick, wohltuende und zugleich unerträgliche Nähe. Und André spürt genau, dass Caedes weiß, was er wirklich denkt; was er nicht sagen kann, aber meint, mit jeder Silbe, jedem Atemzug, jeder verstreichenden Sekunde.

»Man rächt sich nicht an jemanden, dem man längst verziehen hat«, sagt Caedes dann. Und André glaubt, das Lächeln, das sich auf seine Lippen schlecht, ausnahmsweise auch in seinen Augen wiederzuerkennen. »Und dir habe ich längst verziehen.«

Während die Anspannung, die ihm gerade eben noch angehaftet hat, von Caedes vollkommen abgefallen ist, fühlt André sich mit einem Mal gar nicht mehr ruhig oder entspannt. Zu viel Verwirrung, zu viel Unglauben wütet in seinem Inneren; ein Sturm aus Gefühlen, der die Ruhe, die der sichere Tod mit sich gebracht hätte, mit einem kräftigen Stoß weggefegt hat. »Du … hast mir verziehen?«

»Wie könnte ich nicht? Ich weiß, wie sie manipuliert.« Caede' Lächeln nimmt einen bitteren Zug an. »Und ich glaube dir, dass du sie liebst, aber ich glaube nicht, dass du freiwillig damit angefangen hast.«

Mich hast du auch geliebt, sagen seine blaugrünen Augen, die Gefühle darin ebenso wässrig wie deren Farbe, und auch in der Stimme klingt mit, was er denkt, wie so oft, wie früher schon so oft; aber es bleibt ungesagt. Mich hast du zuerst geliebt. Früher, irgendwann. Von ganzem Herzen. Erinnerst du dich noch daran?

»Das … ist keine Entschuldigung«, bringt André mühsam hervor. Es ist ungewohnt, sich mit jemandem zu unterhalten, der Avien noch viel besser kennt als er. (Und noch viel ungewohnter, sich mit jemandem zu unterhalten, der ihn selbst viel besser kennt als er.)

»Wofür?« Caedes klingt ernsthaft überrascht, obwohl sie beide nur zu gut wissen, wovon André redet. »Du hast doch nichts schlimmes getan.«

Nur dein Leben zerstört, denkt André. Aber er weiß, wann es keinen Sinn mehr hat, mit Caedes zu diskutieren.

(Und seine einzige Antwort ist ein dankbares Lächeln, das - so hofft er zumindest - all das sagt, was er nicht in Worte fassen kann.)

x

Als André sich wieder aufrichtet und sich mit beiden Handflächen auf dem schmutzigen, felsigen Grund aufstützt, ist er Caedes plötzlich so nah, dass es ihm für einen Moment den Atem verschlägt.

Auch Caedes scheint für einen Moment innezuhalten; rührt sich keinen Millimeter; weicht nicht zurück und kommt nicht näher, und es scheint fast, als sei die Welt in diesem kleinen Moment zwischen Überraschung und aufgeregter Erwartung stehengeblieben.

Caedes löst sich als erster aus der Starre. Seine kalten Fingerspitzen berühren Andrés Wange, ganz kurz nur, während er ihm das halblange Haar aus dem Gesicht streicht. Eine Berührung, die kaum eine Berührung ist, und doch -

»Tu das nicht«, murmelt André. Sie sind sich so nah, dass ihre Oberkörper sich an einigen Stellen flüchtig berühren, so nah, dass es nur eine kleinste Bewegung bräuchte, damit ihre Lippen aufeinanderliegen.

»Was?«, fragt Caedes gespielt unwissend.

»Das«, knurrt André. »Du … du weißt genau, was du da gerade tust.«

»Was tue ich denn?« Dieser unschuldige Tonfall. Dieser Blick - als könnte er kein Wässerchen trüben. Aber das Lächeln verrät ihn. Das neckische Lächeln, das er nicht zurückhalten kann.

»Du bist mir zu nah«, erklärt André noch, aber es ist nur ein halbherziger Protest. Sie wissen es beide - was gleich passieren wird, und dass er nicht widerstehen kann, selbst wenn er es wollte.

Caedes lehnt sich noch weiter vor, und André kann sein Flüstern beinahe auf seinen Lippen spüren, als er entgegnet: »Näher als irgendwer sonst. War ich schon immer. Das hat dich früher nie gestört.«

Ich habe nicht gesagt, dass es mich stört, verdammt. Nur, dass es nicht so sein sollte. André unternimmt einen letzten kläglichen Versuch, das alles zu stoppen - einen letzten, kläglichen Versuch, sich selbst einen Moment zu verwehren, nachdem er sich jahrzehntelang gesehnt hat, ohne zu wissen, ob er jemals kommen würde. Er legt eine Hand an Caedes' Schulter, versucht, ihn von sich wegzudrücken; aber Caedes' bedeckt Andrés Hand bloß mit seiner eigenen, lässt sich nicht von der Stelle bewegen, und Andrés Herz schlägt unglaublich schnell, als er dabei zusieht, wie Caedes seine Fingerspitzen an seinen Hals führt. André sieht dabei zu, als würde es nicht ihm selbst passieren. Als sei es ein Bild, das er in einem hübschen Rahmen an einer Wand hängen sieht.

Und dann spürt er Caedes' Puls unter seinen Fingerkuppen. Schwach, viel schwächer als damals, als sie beide noch Menschen waren, aber immer noch genauso tröstlich, genauso vertraut. Der stetig pochende Puls. Die kühle Haut, die sich unter seiner Berührung anfühlt, als sei sie für nichts anderes geschaffen. Die Nähe, die ihm ein bisschen so vorkommt wie Heimkehr.

»Darf ich?« Ein letztes Mal … André fragt, bevor er nachdenkt. Seine Gedanken rasen, überschlagen sich, aber es interessiert ihn nicht mehr. Sein Herz geht viel schneller. Seine Gefühle gehen in Flammen auf, steigern sich binnen Sekunden zu einem Inferno, und die Gedanken, nur ein schwacher Regenschauer im Vergleich, machen keinen Unterschied mehr.

Caedes atmet so tief ein und wieder aus, dass André die Bewegungen seines Brustkorbs deutlich spüren kann, schließt die Augen und … nickt.

»Bist du dir sicher?«

Wieder ein Nicken. »Vollkommen sicher.«

André glaubt ihm. Genauso, wie er sich selbst glaubt. Es ist nicht die richtige Entscheidung, das wissen sie beide; aber es ist die, die sich richtig anfühlt.

(Und wie könnte es sich nicht richtig anfühlen, die einzige Person zu küssen, die er jemals lieben wollte?)

x

Das getrocknete Blut fühlt sich an wie eine feine, bröckelnde Schicht Rost auf seinen Lippen.

Über ihnen war der Himmel zwischenzeitlich klar, doch mittlerweile ziehen wieder neue Gewitterwolken über ihnen auf, und innerlich zählt André schon die Sekunden, bis ein neuer Schauer sich über ihnen ergießt und den Bach am Boden des Abgrunds aufs Neue füllt, die Felsen rutschig macht und den duftenden Waldboden aufweicht.

»Ich sollte gehen«, sagt Caedes.

André küsst seine Schulter - die blasse Haut mit den vielen alten Narben und der einen neuen, die noch rötlich schimmert, ganz frisch noch, von gerade eben. Es wird keine Narbe bleiben, nicht für immer, vielleicht noch nicht einmal bis zum Ende dieser Nacht, und doch fühlt André sich auf eine seltsame Art … zufrieden, während er die Male betrachtet, die er hinterlassen hat.

»Hat es dich je interessiert, was du solltest?«, entgegnet er mit einem leisen Lachen.

»Manchmal schon.« Caedes dreht sich um und lächelt, bevor er einen Kuss auf Andrés Lippen haucht, so flüchtig, dass sich Andrés Herz jetzt schon schmerzhaft zusammenzieht, weil er plötzlich weiß, was dieser Kuss bedeutet.

Jetzt bringt früher nicht zurück, und vielleicht hat André sich zu viel von all dem erhofft, aber als Caedes geht und André nicht den Mut hat, ihm nachzulaufen, fühlt die Enttäuschung sich schrecklich schwer und kalt an. Klebriges, kaltes Blut auf seiner Haut und das Gefühl, niemanden mehr zu berühren, wenn da bis gerade eben noch jemand gelegen hat, das ihn noch mehr herunterzieht als das zurückkehrende Gewicht der Schuld.

Ich hab dich schon einmal verloren, denkt André. Ich sollte daran gewöhnt sein. Doch da ist immer noch ein Loch in seinem Herzen, wo Caedes vor vielen Jahren seinen eigenen Platz hatte, und vielleicht ist es so, dass manche Dinge - nur manche, nur die ganz besonderen - einfach niemals aufhören, wehzutun.

(Und vielleicht ist das die Rache, die man sich selbst antut, wenn man keine Vergebung verdient hat.)

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