Chasing Ted - Fremde [13/21]

Dec 17, 2005 13:47

Prolog 1 | Prolog 2 | Fetzen | Erinnerung | Schmerz | Verhandlung | Neuigkeit | Risiko | Nacht | Psyche | Zwischenspiel | Zeit | Fremde | Gewissen | Treffen | Rache | Besuch | Öffnung | Fragen | Epilog 1 | Epilog 2

CHASING TED - FREMDE

Sie hatte ihn ins Retro geschleppt, einen Club, der anscheinend vor kurzem erst hier am Pioneer Square eröffnet hatte, denn man konnte neben Rauch, Alkohol und Schweiß auch noch einen Hauch von frischer Farbe in der Luft wahrnehmen.

Chiara schien sich hier sofort heimisch zu fühlen. Sie schäkerte bereits am Eingang mit dem Türsteher und steuerte dann schnurstracks auf die Bar zu. „Um sich einen Überblick zu verschaffen,“ wie sie Ted, über den Lärm der Musik hinweg, erklärend ins Ohr schrie. Als sie sich darauf jedoch umwendete, schien sie ihn bereits wieder vergessen zu haben. Sie winkte ein paar stämmigen Kerlen, die an der Bar saßen. Als diese, scheinbar freudig überrascht, zurück winkten, musste er sich beeilen, um nicht von ihr abgehängt zu werden. Ja, Chiara schien der Laden hier ernsthaft zu gefallen.

Im Gegensatz dazu fühlte Ted sich hochgradig unwohl. Chiara hatte ihn schließlich überredet, Turnschuhe, eine schwarze, weite Jeans und das hellblaue HERO-T-Shirt anzuziehen. Und er kam sich lächerlich darin vor. Er hatte es nach langem Hin und Her lediglich angezogen, um ihr etwas zu beweisen. Was das genau war, fragte er sich inzwischen selbst. Wohl hatte er sich in diesem Aufzug von der ersten Sekunde an nicht gefühlt.

Nervös rauchte er eine Zigarette nach der anderen. Immer wieder blickte er sich um. Viele der Menschen hier waren ihm nicht besonders geheuer. Viel zu viel Alkohol machte die Runde. In einer dunklen Ecke meinte er sogar ein paar zwielichtige Gestalten mit illegalen Drogen handeln zu sehen. Nervös versuchte er, nicht hin zu sehen. Sein Blick wanderte von einer Ecke in die andere. Alkohol, Gewalt, halbnackte Frauen,...

Er spürte seinen Puls heftig zur schnellen Musik pochen. Die Luft im Club wurde mit einem Mal heiß und stickig. Das Atmen fiel Ted schwerer denn je. Panik stieg in ihm auf. Stolpernd rempelte er auf seinem hastigen Weg nach draußen immer wieder Leute an. Eine gemurmelte Entschuldigung folgte auf die andere. Ted sah bereits flimmernde Sternchen vor seinen Augen tanzen.

Schließlich füllte die kühle Nachtluft seine Lungen, als er mit einem Mal spürte, wie ihn jemand unsanft am Kragen packte. Kraftlos ließ er sich ein paar Meter auf die Seite ziehen. Er kämpfte immer noch gegen die in ihm aufsteigende Schwärze an. Auch wenn er die wütenden Schreie über das Tosen in seinen Ohren nur erahnen konnte, konnte er nichts dagegen tun. Wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten worden waren, hing er im Griff des Anderen.

Bunte Lichtpunkte flackerten vor seinen Augen. Das Rauschen in seinen Ohren übertönte sogar sein pochendes Herz. So schlecht hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, kniff er nur noch entschlossen die Augen gegen die Schwärze zu. Er suchte fieberhaft seine Harmonie-Landschaft zu finden. Er musste sich beruhigen! Heftig rang er nach Atem.

Als es ihm endlich gelang, zwei tiefe Atemzüge zu nehmen, stellte sich auch eine seltsame, träge Ruhe in ihm ein. Sein Körper fühlte sich leicht an - irgendwie schwerelos... Als er die Augen öffnete, stellte er fest, dass er seine Umgebung wieder klar wahrnahm. Er war erstaunt, dass er sich immer noch draußen vor dem Club Retro befand. Seinem Gefühl nach schwebte er irgendwo schwerelos im Raum.

Verwundert spürte er, wie er seine Hände zu Fäusten ballte. Wie in Trance schien er sie zu heben und zielsicher in die Magengrube des Anderen zu versenken, welcher Ted auch prompt los ließ. Ted fühlte, wie seine Füße sich in Bewegung setzten - sicher, entschlossen - zurück in den Club hinein.

Vorsichtig lehnte er sich nicht weit von der Tür entfernt an die Wand und ließ seinen Blick über die Leute wandern. Es war ein wenig voller geworden; die Luft im Raum fühlte sich gegenüber draußen um noch ein paar Grad wärmer an. Die illegalen Geschäfte in der dunklen Ecke schienen besser denn je zu laufen. Als Ted abermals den Kopf abwenden wollte, gelang es ihm nicht. Gebannt sah er zu, wie kleine Tüten mit verschiedensten Pillen den Besitzer wechselten.

Gerade als er merkte, dass sich sein Körper in eben jene Richtung in Bewegung setzen wollte, verstummte die Musik und die Lichter im Raum gingen an. Aus dem Augenwinkel beobachtete er noch, wie hastig Tütchen weggepackt wurden, außer Sicht. Eine Stimme, die wohl dem hauseigenen DJ gehörte, tönte über die Lautsprecher. Doch als Ted den Worten zuhören wollte, kam Chiara mit leuchtenden Augen auf ihn zu.

„Ted, da bist du ja,“ sagte sie etwas lauter als nötig. „Hab dich schon gesucht. Komm, heut ist Karaoke-Nacht.“ Mit diesen Worten griff sie sich sein Handgelenk. Ihre Hand fühlte sich warm und verschwitzt an. Erst jetzt fiel Ted die Flasche Bier in Chiaras anderer Hand auf. Wie eine Puppe ließ er sich von ihr mitziehen in Richtung der kleinen Bühne, wo schon ein paar Leute ihre Namen auf eine Liste setzten. Als er Chiara ansah, sprach sie hastig weiter, „Komm schon, wir singen was zusammen.“

Was sollte er? Singen? Nein! Vor allen Leuten? Niemals! Mit Chiara zusammen? Oder vielleicht... Ted konnte die Schwärze schon beinahe spüren, wie sie ihn erneut übermannen wollte. Trotzdem hörte er sich selbst antworten, „Okay,“ und spürte ein Grinsen auf seinem Gesicht. Wieso tat er das nur? Wieso konnte er Chiara nur so schwer etwas abschlagen, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte?

deutsch, chasing ted, story

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