those nights without meaning - Part II

Jun 10, 2018 15:20


Ficathon: write your darlings

Fandom: these are the ruins, original

Characters: Mischa & Noy

Genre: drama, angst, hurt/comfort

Rating: P-18 Slash

Warning: violence, blood, mention of homophobia, nightmares, mental issues, abuse, kind of rape/noncon

Note: Fortsetzung von no more fucks given, leider in Parts geteilt, weil LJ nichts über 10k posten will (Part 1 - https://schattenmahr.livejournal.com/49248.html)

Prompt: Wenn man aufwacht, ist die Nacht schwarz wie das Pech | Statt der Großstadtromantik der Boden voller Dreck von tears_into_wine

3

Eine Stimme in seinem Kopf sagt ihm permanent, dass er einfach aufhören soll. Doch mit was - darüber bewahrt sie Stillschweigen. Mischa hört nicht auf. Er bringt die Prüfungen für den theoretischen Bullshit hinter sich, ohne groß für das Lernen seine Zeit verschwendet zu haben. Er nimmt wieder an mehr Workshops teil und mehr und mehr gewöhnt er sich daran, dass Noy noch immer ständig in seiner Nähe ist, aber zu seiner Erleichterung keine weiteren Versuche unternimmt, um ihn besser kennenzulernen oder aber ihn ins Bett zu bekommen, denn einen anderen Grund kann sich Mischa für das Interesse des Jüngeren nicht vorstellen. Sie werden alle durch seine Kunst auf ihn aufmerksam. Bleiben tun sie jedoch alle nur, weil sie ihn wollen … und nicht seine Bilder. Sie kriegen erst flinke Füße, wenn er ihnen zeigt, wer er wirklich ist. Noy musste ihm nicht einmal so nahe kommen, um diese Seite kennenzulernen und sie hat ihre vollste Wirkung entfaltet. Bleiben nur noch viele der anderen Studenten und sie brechen wie eine Flut über ihn herein, als er beschließt, das Ölgemälde von Killuas Dasein nach Hause zu transportieren.

Du hast es gemalt? Es ist so wunderschön!

Ich will auch so malen können. So viel Ausdruck!

Erzähl mir, was dich inspiriert hat!

Die rote Farbe sieht aus wie Blut!

Der Fußboden wird gleich zu einem Blutbad, ist alles, was Mischa dazu einfällt, während er stoisch weiterläuft und spürt, wie sich die Atmosphäre verändert. Die bewundernden Aussagen werden zu herablassenden Bemerkungen und Beleidigungen.

Was für ein arrogantes Arschloch!

Darf man Schuleigentum eigentlich einfach mit nach Hause nehmen?

Ich bin sicher, er hat bereits einen Käufer dafür. Sieh dir doch dieses erhabene Gesicht an! Hält sich für etwas Besseres!

Gut … so toll ist das Bild eigentlich gar nicht.

Die Worte perlen wir Wasser an ihm ab und Mischa ertappt sich dabei, wie er idiotisch vor sich hin grinst. Was bleibt ihm auch anderes übrig? Er kann sie nicht alle töten. Dass es draußen angefangen hat zu schneien, bringt ihn da schon mehr aus dem Takt. Mit gerunzelter Stirn blickt er zum Himmel hinauf und dann zu dem Bild hinunter, dass er gerade so balancieren kann. Ölfarbe geht schlecht aus den Klamotten raus und verdammt … er mag diesen bunten Pullover doch so. Nun … vermutlich würden mehr Flecken darauf gar nicht auffallen. Trotzdem sieht er zu, dass er so schnell wie möglich zur Metro kommt. Um diese Zeit ist sie voll und sein Bild trifft nicht auf Akzeptanz und Bewunderung, sondern sorgt eher für schlechte Laune, was seiner eigenen kein bisschen zu gute kommt. Tief ein- und ausatmen. Durchhalten. Es sind nur ein paar Stationen. Wenn es jetzt schon anfängt zu schneien, dann wird er nicht umhin kommen, sich seine Jacke zurückzuholen. Er hat nur diese eine und ihm fehlt das nötige Kleingeld, sich eine neue zu kaufen. Ein paar Bilder für den Verkauf hätte er zur Verfügung, allerdings sind die alle noch nicht trocken und gerade bei Ölbildern kann das Wochen dauern. Dem Bild in seiner Hand hätte es auch nicht geschadet, hätte es noch einige Tage in der Uni verbracht, aber er ist es leid, dass sich die Leute das Maul darüber zerreißen und vielleicht noch jemand auf den Gedanken kommt, da irgendetwas zu verändern.

Als er aussteigt, ist der Schneefall stärker geworden und er zieht sich die Kapuze über den Kopf. Den Schlüssel findet er auch nicht gleich. Weiter durchatmen. Ruhig bleiben. Wenigstens scheint Pjotr nicht zu Hause zu sein. In den letzten Tagen hat der Pianist immer abgepasst, wenn Mischa nach Hause gekommen ist und hat versucht, ihm auf die Nerven zu gehen. Warum müssen sich manche Männer immer mehr auf etwas einbilden, was da gar nicht ist? Nun … vielleicht sind seine Standards einfach nicht normal. Das würde sehr vieles erklären.

Noch während er seine Wohnungstür hinter sich schließt und die Dunkelheit willkommen heißt, die durch die heruntergelassenen Rollläden das ganze Zimmer einhüllt, fällt all der Stress von ihm ab und als er das Bild an die Flurwand gelehnt und die Papptüte abgestellt hat, lässt er sich direkt auf den Boden sinken, faltet die Beine zum Schneidersitz und schließt die Augen. Existieren ist … anstrengend. Langsam zieht er auch den Rucksack von seinem Rücken und kramt in dessen Innerem nach seinem Handy. Natürlich ist es aus. Vielleicht ist das auch besser so. Zu viele Nachrichten, die ihn immer wieder an das erinnern, was passiert ist. Er weiß jetzt noch nicht, wie er das alles geschafft hat, aber momentan fordert es seinen Tribut ein. Ihm ist alles zu viel und doch … kämpft er sich irgendwie vorwärts. Warum eigentlich? Und wofür? Seine Hände beginnen zu zittern. Plötzlich brennt die Verletzung unter dem frischen Verband. Auch etwas, worum sich Pjotr gekümmert hat. Mischa hätte es einfach gelassen wie es ist. Fahrig reißt er an der Binde und starrt den schon zusammengeheilten Schnitt an, der dunkelrot seine Handfläche in zwei Hälften teilt. Das wird eine Narbe bleiben … vermutlich. Verletzungen an dieser Stelle heilen schnell. Die Haut ist da anders. Vielleicht bleibt nichts zurück, was man sehen kann. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand fährt er über den Schnitt und zuckt nicht zusammen bei dem ziehenden Schmerz. Er drückt noch fester zu, drängt den Fingernagel in den verheilten Spalt, bis es wieder blutet. Seine aufgeplatzten Knöchel sieht er gar nicht richtig. Sie färben sich schon leicht ins Purpurne. Mit einem Ruck steht er auf und geht zum Kühlschrank. Nichts. Er schaut in den zwei Schränken neben dem Fernseher nach, kramt auch in den hinteren Ecken, ehe er sich wieder auf den Boden sinken lässt. Warum hat er keinen Alkohol im Haus? Oder irgendetwas anderes, das ihn betäuben kann? Ganz kurz nur denkt Mischa an Pjotr. Der hat sicher irgendetwas da, was ihm helfen kann, aber er verwirft den Gedanken schnell wieder. Der ist eh nichts zu Hause und der Gedanke an eine weitere Nacht mit ihm, lässt Übelkeit in seinem Inneren aufsteigen. Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass er den ganzen Tag noch nichts gegessen hat. Aber der Kühlschrank ist nahezu leer und auf Einkaufen hat er keine Lust.

Gott … selbst hier gibt es nichts, das ihn auf andere Gedanken bringen kann. Er hat nicht einmal Zeichenzeug hier. Zumindest keine Leinwände. Da ist auch gerade nichts in seinem Kopf, das er auf Papier bringen könnte. Zu angespannt. Ihm fallen die Worte seiner Kommilitonen wieder ein. Nicht die der Bewunderung, sondern was sie gesagt haben, als er sie ignoriert hat. Manche Menschen sind so falsch. Damit kommt er nicht klar, dabei ist er genauso. Zumindest gegenüber den meisten. Vielleicht hätte er auch Noy einfach anlächeln und hübsche Augen machen sollen, dann würde es sich jetzt nicht so mies anfühlen, dass der Kerl jeden Tag seinen ganzen Kram mit sich herumgeschleppt hat, nur um ihn diesen wiederzugeben. Hah … was für ein lächerlicher Gedanke! Dieser Penner ist selbst Schuld. Hätte er ihn in Ruhe gelassen, dann wäre dieser ganze Aufwand gar nicht nötig gewesen und er selbst hätte sich nicht auf Pjotr einlassen müssen.

Mischa würgt kurz, steht auf und wankt ins Bad, befreit sich dort von den Sachen und steigt in die Dusche. Zu heiß - das Wasser. Der Dampf benebelt seinen Kopf, brennt auf der Haut und bringt ihn langsam ins Hier und Jetzt zurück. Als er aussteigt, fühlen sich seine Beine wie Pudding an und er muss sich auf das Waschbecken stützen. Harsch wischt er mit der Hand den Dampf vom Spiegel und starrt sich selbst in die im diffusen Licht grauen Augen. An seinem Hals sind noch zahlreiche dunkle Stellen zu sehen. Er presst die Lippen aufeinander, wendet den Blick ab und fällt nackt wie er ist auf das Bett.

Es ist, als würden die Wände näherrücken, kaum dass er die Augen schließt.

Rational betrachtet, weiß er, dass er sich das nur einbildet. Aber es fühlt sich nicht so an. Wieder aufstehen, etwas anziehen, das Handy ans Ladegerät hängen, funktionieren. Alles ist besser, als vier Wände, die einen zwischen sich begraben. Er ist schnell wieder aus der Wohnung raus, obwohl er eigentlich nur hatte schlafen wollen. Das macht alles keinen Sinn. Es war ein langer Tag. Er sollte sich nicht so mobil fühlen, sondern eine wandelnde Leiche sein. Doch was tut er stattdessen? Zählt das Geld, das noch in seinem Portemonnaie ist und wägt ab, was er sich dafür kaufen kann. Nicht nur Alkohol. Noch einmal schafft er so eine Eskapade nicht, ohne vorher etwas Ordentliches gegessen zu haben. Doch lange denkt er nicht darüber nach. Es schneit noch immer und die Temperaturen klettern Richtung Keller. Obwohl er ein Shirt, einen dünnen Pullover und noch einen Hoodie trägt, erfasst ihn die Kälte schon recht bald und seine Gedanken wandern zurück zu seiner Jacke. Nun … es kann nicht schaden, sie sich eben holen zu gehen, ehe er weiterzieht. Vielleicht in irgendeinen Club. Es ist Freitag. Da sollte sich was machen lassen, was Ablenkung angeht. Vielleicht für die ganze Nacht. Oder ein paar Stunden. Mit diesen Gedanken quetscht er sich in die Bahn. Voll. Er bleibt nahe der Tür stehen, damit ihm niemand zu nahe kommt und steigt in der Nähe des Pubs aus. Neben einigen anderen Fahrgästen. Die Kneipe scheint nicht schlecht zu laufen. Das letzte Mal als er hier gewesen ist, war sie schon so gut besucht.

Zum Glück hat er nicht vor zu bleiben.

Es dauert nicht lange, um Noy zu entdecken. Flink manövriert der Student ein Tablett mit leeren Gläsern um volle Tische und wild herumstehende Stühle und nimmt nebenbei noch weitere Bestellungen auf. Er ist so vertieft, dass er Mischas Ankunft nicht bemerkt. Der Tscheche hebt die Schultern und nähert sich dem Tresen, da nur dort noch ein Hocker frei ist. Dort fällt er dem Kellner auch direkt auf, als er die neuen Bestellungen an seinen Stiefvater weitergibt.

»Mischa … was machst du denn hier?«

»Ich brauche meine Jacke zurück. Es wird Winter. Hast du das noch nicht mitbekommen?«

Freundlich klingt das nicht und Noy hebt auch nur eine Augenbraue, anstatt loszurennen und dem Dreisten die Jacke zu holen. Dann zuckt er mit den Schultern. »Wie du siehst, ist ziemlich viel los. Ich kann jetzt nicht weg.«

Mischa unterdrückt ein frustriertes Seufzen, auch wenn er mit einer solchen Antwort schon gerechnet hat. Er ist schließlich nicht blind. Doch ehe er etwas sagen kann, kramt Noy in seiner Hosentasche herum und reicht ihm seinen Schlüsselbund. Irritiert mustert Mischa ihn. »Was soll ich …«

»Geh rauf! Du müsstest ja noch wissen, wo mein Zimmer ist. Sie hängt rechts neben der Tür an der kleinen Garderobe. Es ist der viereckige von den zwei großen Schlüsseln.«

Dann stellt er die frisch gezapften Biere und ein paar Shots auf das Tablett und verschwindet. Mischa sieht ihm nach, mustert dann den Schlüssel und fragt sich, wie jemand so gutgläubig sein kann. Innerlich den Kopf schüttelnd, geht er in Richtung der Toiletten und dort denen die Treppe hinauf, die ins obere Geschoss führt. Ihm fällt tatsächlich ein, welches Zimmer es war und auch den richtigen Schlüssel erwischt er prompt. Eigentlich will er nur durch den Türspalt greifen und sich seine Jacke schnappen, aber da dort mehrere hängen, muss er doch das Licht anmachen und den Raum ganz betreten.

Hier riecht es gut.

Das ist das Erste, was ihm auffällt und sein Blick wandert durch den Raum. Etwas chaotisch, an manchen Stellen aber doch aufgeräumt. Er hat sich an dem einen Morgen zwar schon grob umgesehen, aber da war es ihm nur wichtig gewesen, seine Klamotten zu finden und dann … welche von Noy, die ihm passen. Da hängen einige Bilder und Fotos an den Wänden. Vom Stil her sind es keine, die der Zimmerbewohner selbst gemalt hat. Allerdings fallen Mischa spontan nicht die Namen der Künstler ein. Bei den Fotos kann er seiner Neugier nicht widerstehen, deswegen tritt er näher und mustert sie. Noy scheint viele Freunde zu haben. Ein beliebter Junge. Das ganze Gegenteil von ihm. Das macht den Umstand, dass er tatsächlich Interesse an jemandem wie ihm hat, noch unglaubwürdiger. Ein abfälliger Laut dringt über Mischas Lippen, als er sich abwendet, die Jacke drüber zieht und gehen will. Der Schreibtisch fängt seinen Blick ein, ehe er es tun kann. Dort liegt ein Sketchbook. Es ist geöffnet und das Bild, das er da sieht, zieht ihn magisch an. Es zeigt eine Elfe, umringt von Schlangen und Dornenranken. Beinahe wie die Vorlage für ein Tattoo. So voller Details. Das ist … beeindruckend und Mischa ist nahe dran, noch etwas in dem Buch zu blättern, als es unten in der Bar lauter wird. Stimmen übertönen die irische Musik aus den Boxen und er runzelt die Stirn. Es ist noch nicht spät genug für Betrunkene, um Streit anzufangen. Nun … es klingt nach Ablenkung. Er greift sich einen Kugelschreiber vom Schreibtisch, dreht ihn auseinander und behält den Korpus bei sich, während er Feder, Mine und Aufsatz liegen lässt, zieht die Jacke wieder aus und wirft sie aufs Bett. Er kann es sich nicht leisten, dass das teure Stück dreckig wird, also wird er sie später holen.

Unten im Schankraum angekommen, sieht er das Problem sofort. Es ist eine Truppe junger Männer, die sich an den Tresen drängt und lauthals nach Alkohol verlangt. Sie scheinen kaum älter als Noy zu sein, der fast schon so tut, als würde er die lauten Bestellungen gar nicht hören, während der Wirt ruhig und eindringlich auf die Besucher einredet und was davon erzählt, dass er sie nicht bedienen darf, da sie hier Hausverbot haben.

Hausverbot bedeutet, dass diese Truppe schon einmal genug Ärger gemacht hat, um des Hauses verwiesen zu werden, mit der Bitte nie wieder herzukommen. Und nun waren sie hier und störten die anderen Gäste. Leider nicht wirklich etwas, in das sich Mischa einmischen musste … oder gar wollte. Das war nicht sein Problem. Bei einem Hausverbot konnten der Wirt oder Noy direkt die Polizei rufen, was sie beiden vermutlich schon getan hatten, deswegen waren sie wohl so nach außen hin gefasst und ruhig. Mischa hätte diese Geduld nicht. Ihm ist es schon zu viel, dass er die Jacke oben gelassen hat, in der Annahme, hier unten ein bisschen Spaß geboten zu bekommen. Falsch gedacht. Doch gerade als er sich wieder umdrehen und zurück nach oben gehen will, sagt einer der Störenfriede etwas, das ihn aufmerken lässt.

»Du kleine Schwuchtel bedienst also immer noch hier. Glaubst du wirklich, du kannst ewig vor uns davon rennen. Solche wie du sollten gar nicht existieren.«

Da zuckt Mischas Augenlid und seine Schritte frieren ein. Nein … so etwas gehört nicht ausgesprochen und das wird er diesem Jungspund demonstrieren. Ohne Eile führen ihn seine Schritte zu Tresen und er drängt sich ohne groß darüber nachzudenken zwischen die Neuankömmlinge, damit er neben dem Typen zum Stehen kommen kann, der diese unheilvollen Worte ausgesprochen hat. Er lächelt ganz freundlich, tut so, als würde er über den Disput hinweg etwas bestellen wollen, ehe er mit der Hand - und dem Plastikstück in ihr - ausholt und mit der kreisrunden, aber doch recht scharfen Öffnung, auf die sonst der Aufsatz geschraubt wird, in die Hand stößt, die sich ganz blass auf den Tresen presst, so angespannt ist der dazugehörige Mensch. Mischa hält die Hülle umschlossen und lächelt den Fremden noch immer an, der entsetzt auf seine Hand hinuntersieht und selbst zum Schreien zu gelähmt ist. Der Wirt keucht entsetzt. Noy sagt irgendetwas, das Mischa nicht versteht. Es interessiert ihn auch nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit ruht auf dem homophoben Typen.

»Ich habe mal gehört, dass die Männer, die Schwule am meisten hassen und verachten, die sind, die Probleme mit ihrem Outing haben. Soll ich dafür sorgen, dass du mit den Herren hier ungestört Zungenküsse austauschen kannst?«

Er ist selbst ein wenig fasziniert von seinem nahezu väterlichen Worten, während das Blut der Hand langsam auf den Tresen sickert und der Typ diese Verletzung auch endlich richtig zu spüren beginnt. Der Schock ist vorbei. Erst kommt da nur ein Wimmern über die weiß gewordenen Lippen, dann ein Brüllen und der Kerl fängt blind an drauf los zu schlagen. Natürlich nur mit der Hand, die er bewegen kann und da der Schmerz so intensiv ist, tut er das nicht sonderlich koordiniert. Mischa weicht dem Schlang aus, greift mit der freien Hand nach dem wirren Hinterkopf, krallt sich fest und lässt die mit Müll gefüllte Stirn auf die Theke krachen. Langsam werden die anderen Gäste unruhig, rufen etwas von der Miliz, doch Mischa hat noch gar nicht richtig angefangen.

»Mischa, hör auf!«

Noys Stimme. Irgendwo am Rand. Nicht laut genug, um bewusst zu ihm durchzudringen. Dem Angegriffenen ist die Augenbraue aufgeplatzt und das Blut rinnt an seinem Gesicht hinunter. Kein Grund aufzuhören. Das Bild löst sich auf, als jemand nach Mischa greift und ihn nach hinten zerrt. Dann kommt da ein unvermittelter Schlag von links - wohl platziert in seiner Magengegend. Er verschluckt sich kurz, atmet gegen den Schmerz, stemmt die Fersen in den Boden und nimmt alle Kraft zusammen, um sich nach vorn zu beugen. Einer der Vorteile, wenn man klein ist. Größere Körper lassen sich besser aushebeln und da der Verteidiger des Beleidigers nicht damit gerechnet hat, fällt es Mischa noch leichter. Der Kerl kracht mit dem Kopf auf die Fliesen, flucht laut und bringt direkt denjenigen zu Fall, dem Mischa wohl den Haken in die Magengegend zu verdanken hat. Er will zutreten. Direkt in die Gesichter. Noch mehr Blut. Aber so weit kommt es nicht. Die Tür zum Pub wird aufgerissen und einige Polizeibeamte stürmen ins Innere. Sie erfassen geschult das Geschehen und mischen sich ein. Das holt Mischa ins Hier und Jetzt zurück und da gerade er derjenige ist, der die Oberhand hat, wird er direkt zum Verursacher deklariert und spürt nur wenige Sekunden später, wie ihn jemand auf den Tresen drückt, seine Hände auf den Rücken zerrt und Handschellen um seine Gelenke legt. Das alles … nur Sekunden. Sie kommen ihm wie ein Film vor, in dem er selbst mitspielt, aber dessen Handlung er auch zusieht. Nur ganz kurz und doch reicht es, um festgenommen zu werden.

»Hey! Was soll das?«

»Sie sind hiermit festgenommen. Alles, was sie …«

»Ja, bla bla! Ich habe geholfen, diese Typen in Schach zu halten! Wieso werde ich festgenommen?«

Nicht nur er, was ein winziger Trost war. Wenigstens würde er für die Nacht im Knast Gesellschaft haben. Die freut sich sicher sehr über ihn. Was für ein Bullshit! Mischa sieht noch, während er abgeführt wird, wie der Wirt und Noy auf einen der Milizbeamten einreden, doch ohne Erfolg. Er wird weitergeführt und schließlich in einen Polizeiwagen gesetzt. Wow … da gehen sie dahin - seine guten Vorsätze. Und er hat es nicht einmal richtig mitbekommen.

4

Mischa ist rausgegangen, um nicht nachdenken zu müssen. Was hat er dafür bekommen? Eine Nacht hinter Gittern, mit reichlich Zeit, um genau das zu tun, denn er ist nicht müde, er hat nichts um sich abzulenken. Das ist der worst case. Unruhig läuft er in der Zelle auf und ab, versucht sich irgendwelche Muster auf die weißen Wände zu denken, die er verschieben und neu anordnen kann, aber es hilft nicht. Sie scheinen ihn erdrücken zu wollen. In dieser sterilen Umgebung fällt er auf wie ein bunter Hund und doch rettet ihn das nicht. Es macht ihn nur noch unbedeutender. Er hat kein Fenster, um nach draußen zu sehen. Auch auf den Gang kann er nicht schauen. Ab und zu sind da mal Schritte, aber sie gehen vorbei. Er hasst weiße Farbe. Das erinnert ihn viel zu sehr an damals, aber da hatte er wenigstens andere Insassen, mit denen er sich hatte unterhalten können. Hier ist niemand. Die Anderen Unruhestifter sind auch in einzelne Zellen gebracht worden. Er kann sie fluchen hören. Geschieht ihnen recht. Solche Arschlöcher. Aber er ist nicht besser als sie. Bei homophoben Idioten verliert er viel zu schnell die Kontrolle. Was haben sie von Noy gewollt? Sind das alte Klassenkameraden von ihm gewesen?

Nun … soll ihm egal sein.

Trotzdem denkt er noch einmal an die Situation zurück. Der gequälte Ausdruck auf Noys Gesicht. Was hat er für Erfahrungen mit diesen Männern gemacht? Scheinbar keine guten. Er hat versucht, einen ruhigen und gefassten Eindruck zu machen, war dabei aber blass wie der Mond und das sagt so einiges aus. Doch was soll's. Es bestätigt die Ahnung, die er schon gehabt hat. Noy ist wie die anderen. Er zeigt Interesse an seinen Bildern, dann Interesse an ihm und schließlich an seinem Körper und naiv, wie der Junge zu sein scheint, wird er sich in ihn verlieben und damit alles zunichte machen. Kann er es verantworten, noch ein Herz zu brechen? Sicher. Will er es? Eigentlich nicht. Dass ihn die Menschheit in Ruhe lässt, ist ihm immer noch wichtiger als alles andere, aber wohin wird ihn das letztendlich führen? Er hat noch immer keine richtige Aufgabe. Wenn meistens auch nur aus der Ferne auf Killua ach zu geben, war etwas Sinnvolles. Sie waren auf einem Level, was so gut wie alles angeht. Killua war ihm … wichtig, was er weiß Gott nicht von vielen Menschen behaupten kann. Da ist noch einer, aber der ist außerhalb seiner Reichweite und dem hat er auch so weh getan, dass er sich nicht getraut hat, ihn noch einmal besuchen zu gehen. Gut … er kann es damit rechtfertigen, dass ihm das nötige Kleingeld für einen Flug in die Staaten fehlt, aber unterschwellig ist da noch viel mehr.

Gott … er will nicht nachdenken. Er will …

Da sind wieder Schritte und dieses Mal halten sie vor seiner Zelle an. Das Sichtfenster wird geöffnet, dann das Schloss entriegelt. Mischa blinzelt den Beamten an, der ihm die Zelle aufgeschlossen hat und versteht nicht ganz.

»Sie können gehen«, brummt der untersetzte Mann mit bereits tief hängenden Tränensäcken.

Der Tscheche rafft es immer noch nicht, aber er zögert nicht lange, tritt nach draußen und wird den Gang hinuntergeführt. Hinter der Sicherheitskontrolle werden ihm die Dinge ausgehändigt, die er bei sich getragen hat. Schlüssel, Geldbörse, die zerknautschte Packung Zigaretten und das dazugehörige Feuerzeug. Im Wartezimmer entdeckt er schließlich den Grund dafür, dass er eher rausgelassen wurde.

Noy springt auf, als er ihn sieht und Mischa runzelt die Stirn. »Ich werde dich nicht mehr los, oder?«

Der Angesprochene grinst schief. In der einen Hand einen Motorradhelm, in der andere den Schlüssel für das Fahrzeug, kommt er näher und drückt Mischa den runden Kopfschutz in die Arme. »Nein, vermutlich nicht. Mein Vater, ein paar Augenzeugen und ich haben die Sache aufgeklärt und sie haben sich tatsächlich drauf eingelassen.«

»Und wo sind die anderen?«

»Die sind schon wieder gefahren. Ich bin geblieben. Lass mich dich nach Hause fahren, ja? Als … nun ja … als Dankeschön dafür, dass du dich eingesetzt hast. Diese Typen sind anstrengend. Sie versuchen immer wieder, die Stimmung im Pub zu stören, damit wir schlechte Kritiken bekommen und irgendwann nichts mehr haben. Aber die Polizei kann nicht viel mehr machen, als Hausverbote durchzusetzen. Leider brauchen sie immer eine Weile, um vor Ort zu sein.«

Und kommen genau dann, wenn ich selbst Ärger mache. Mischa schüttelt leicht den Kopf und gibt Noy den Helm zurück. »Ich laufe nach Hause. Ich habe keinen Bock drauf, dass du weißt, wo ich wohne.«

Er geht an dem Anderen vorbei, tritt durch den Eingang und atmet die frische Luft draußen tief ein. Es hat aufgehört zu schneien, aber der weiße Dreck ist direkt liegen geblieben. In der Ferne hört er ein Räumfahrzeug und fragt sich doch, wie lange er eigentlich in der Zelle gesessen hat. Kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Hastige Schritte hinter ihm lassen ihn innehalten und als er sich fluchend umdreht, steht Noy direkt vor ihm, so dass er ein Stück zu ihm aufsehen muss. Wie nervig, aber doch gewohnt. »Bitte, Mischa. Ich habe dir nichts getan. Lass mich einfach dafür sorgen, dass wir quitt sind, wenn du schon nichts mit mir zu tun haben willst. Ich verstehe das zwar nicht, aber ich werde dich zukünftig in Ruhe lassen.«

»Ich habe dir die ganze Zeit gesagt, dass du das tun sollst und trotzdem haben wir ständig miteinander zu tun.«

»Ich habe dir nur deine Sachen gebracht und in den Pub bist du gekommen, um deine Jacke zu holen. Es ist nicht so, dass ich mich aufgedrängt habe, oder?«

Darüber denkt Mischa tatsächlich nach und ja … im Grunde hat Noy schon recht, aber laut zugeben wird er das nicht. Fahrig greift er nach dem Helm und setzt ihn auf, während Noy ihn zufrieden lächelnd zu dem einzigen Motorrad führt, das auf dem Parkplatz herumsteht. »Du kannst mich in der Nähe vom Kulturpark rauslassen.«

Noy nickt, schwingt sich auf den Ledersitz und Mischa nimmt hinter ihm Platz. Da es nur eine kleine Maschine ist, hat er nicht viele Möglichkeiten, um sich festzuhalten, also bleibt ihm nichts anderes übrig, als nach der schmalen Taille des Anderen zu greifen. Sie fahren durch den kompletten Tverskoy Distrikt, dann auf den ersten Moskauer Ring und direkt bis zum Zielort. Nachts ist Moskau wunderschön. Mischa stellt das immer wieder fest. Die Lichter ziehen an ihm vorbei und werden irgendwann zu einem Meer, das er nicht mehr ganz selektieren kann. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Motorrad stoppt. Das ist nicht der Kulturpark. Noy ist noch ein Stück weiter gefahren, bis zum Ufer der Moskwa und Mischa weiß nicht recht, was er davon halten soll. Trotzdem steigt er ab, denn es stört ihn nicht, noch ein paar Meter weiter zu laufen. Dann fällt er wenigstens tot ins Bett und denkt nicht mehr nach. Als er den Helm jedoch abnimmt und sich mit einem trägen Winken verabschieden will, hält Noy ihn zurück.

»Warte … nur eine Sekunde, ja? Ich will dich noch etwas fragen.«

»Wie oft denn noch? Ich habe keinen Bock auf deine Fragen und werde sie dir so oder so nicht beantworten. Die Mühe kannst du dir also sparen.«

»Wer ist Killua?«

Den Namen von jemand anderem zu hören, ist befremdlich. Das Gefühl, das ausgelöst wird: Nicht gut. Mischa legt den Helm auf dem Motorrad ab und schüttelt den Kopf. »Niemand.«

»In der Nacht, als ich dich bei mir habe schlafen lassen, hast du dich herumgewälzt, geschwitzt und hast immer wieder seinen Namen gesagt. Und du hast gezittert, bist aber nicht aufgewacht, als ich dich wecken wollte. Da habe ich mich neben dich gelegt und du bist ruhiger geworden. Ist … er der von dem Bild?«

Zu viele Informationen. In Mischas Kopf rasen sie wie ziellose Synapsensignale hin und her und er kriegt sie nicht eingefangen, geschweige denn geordnet. Mit zittrigen Fingern fummelt er das Zigarettenpäckchen aus der Hosentasche und schüttelt eine Kippe heraus. Das Feuerzeug geht nicht. Er kriegt es einfach nicht an. Die Flamme eines weiteren flackert auf und wird ihm an die Spitze gehalten. Er blinzelt. Noy. Immer wieder Noy.

»Tut mir leid«, sagt der leise und lässt das Feuerzeug sinken. »Ich bin, glaub ich, nicht wirklich gut in diesen Dingen. Ich wollte dir nicht vor den Kopf stoßen.«

Mischa sagt nichts darauf, hebt nur die Schultern und zieht hastig an der Zigarette, ehe er auf den Fluss blickt, der sich elegant durch ganz Moskau schlängelt. Der Qualm tut gut, auch wenn die beruhigende Wirkung auf sich warten lässt. Bisher hat er mit niemandem so richtig darüber gesprochen, weil er es nicht für nötig hält. Und doch ist da gerade dieser Drang … und vielleicht hilft es ihm. Vielleicht … kann er danach wieder klar denken. Aber der Trotz hält sich wacker, genau wie sein Verstand, der ihm sehr eindringlich einredet, dass es den Jüngeren nichts angeht. Dass es niemanden etwas angeht.

»Er ist tot«, sagt er schließlich leise. »Er ist einfach … nicht mehr da. Alles, was ich in den letzten Jahren getan habe, war von ihm beeinflusst und jetzt ist da nichts mehr.«

»Hast du ihn geliebt?«

Mischa sieht den Anderen an, untersucht das Gesicht auf böse Absichten und Hintergedanken. Da ist nichts als Ehrlichkeit und er weiß nicht, was er davon halten soll. »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Er war schwierig. Ich bin schwierig. Deswegen sind wir wohl besser miteinander klargekommen als mit anderen.«

Noy nickt verstehend, denkt an das Bild zurück und wagt diesen weiteren Schritt. »Das Bild … das in rot, schwarz und weiß …«

»Ich habe es gemalt, um einen Abschluss zu finden. Etwas, dass mich immer an ihn erinnern wird und woran ich mich festhalten kann, aber es hat nicht funktioniert. Ich glaube, es hat alles noch schlimmer gemacht.«

»Vielleicht geht es dir besser, wenn du es verkaufst.«

Eine Möglichkeit, aber Mischa ist sich noch immer sicher, dass er das nicht über das Herz bringen wird. »Vermutlich. Aber ob ich das kann, weiß ich nicht.«

»Verkauf es mir.«

»Was?«

»Das Bild … ich kaufe es dir ab, dann weißt du, wo es ist und wenn dir danach ist, dann …«

»Du bist wirklich ein verdammter Bastard …«

Noy blinzelt überrascht und neigt dann etwas irritiert den Kopf. »Warum? Mir gefällt das Bild wirklich sehr und der Gedanke, dass es entweder bei dir verstaubt oder bei jemand anderem an der Wand hängt, der es nicht zu würdigen weiß, ist unerträglich.«

Da ist sie wieder … diese Wut, die Mischa ständig spürt, wenn der Andere scheinbar nur in seiner Nähe ist, obwohl sie sich bis eben noch im Zaum halten ließ. Aber jetzt kann er gegen sie nicht mehr viel machen. »Was lässt dich glauben, ich würde es nicht zu würdigen wissen?«

»Du hast eben zugegeben, dass es dir nicht geholfen hat. Meinst du, das wird besser, wenn du es dir hinhängst?«

»Das heißt noch lange nicht, dass ich es dir einfach so überlasse!«

»Wie viel willst du dafür?«

»Darum geht es dir also die ganze Zeit? Um dieses verdammte Bild?«

Jetzt sieht der Andere verletzt aus, aber es spielt keine Rolle. Mischa wirft die Zigarette auf den Boden, tritt sie wütend aus und dreht sich um. Es ist nicht so, dass er sich irgendetwas anderes erhofft hat. Vielmehr stört ihn der Gedanke, dass Noy dieses Bild haben will, ja … fast schon besessen davon ist. So wie zu seinen Lebzeiten alle von Killua besessen waren … auf die ein oder andere Weise. Selbst er. Abermals hält Noy ihn auf und auch dieses Mal nimmt Mischa keine Rücksicht, auch wenn seine Faust noch immer schmerzt vom Schlag gegen die Wand und die andere Hand wegen dem schlecht verheilenden Schnitt. Der junge Mann bekommt den Hieb direkt ab. Noy kommt aus dem Gleichgewicht, strauchelt und fällt. Mischa setzt ihm nach, holt mit dem Fuß aus, doch der angepeilte Körper rollt sich in Sicherheit. Noy schwankt ein wenig, als er wieder auf die Beine kommt. Aus seinem Mundwinkel rinnt Blut, aber das hält ihn nicht auf. Wann hat er sich das letzte Mal geprügelt? Er weiß es nicht. Es war noch zu Schulzeiten - mit eben jenen Typen, die noch immer in ihren Gefängniszellen sitzen, während er Mischa rausgeholt hat. Vielleicht ist das ein Fehler gewesen. Im Moment kommt es ihm wie einer vor. Er kann sich die Stärke nicht erklären, die in dem doch recht klein geratenem Körper steckt und das würgt seine Neugier nicht ab, sondern verstärkt sie noch. Er will wissen, was Mischa so stark gemacht hat. Das lässt ihm keine Ruhe. Gerade ist er noch so froh darüber gewesen, dass sich ihm der Tscheche ein kleines bisschen geöffnet hat und dann macht er sich das alles selbst kaputt, indem er nach dem Bild fragt. Er ist ein Idiot. Aber sein Gegenüber auch. Mischa scheint es nur nicht zu interessieren. Wie so vieles nicht. Das macht auch Noy wütend und er ist nun wirklich jemand, den man als Ruhe in Person bezeichnen könnte. Viel Zeit um sich selbst zu analysieren, bleibt ihm jedoch nicht. Mischa geht wieder auf ihn los - mit einem stoischen Ausdruck im Gesicht, der ihn wirken lässt, als wäre er gerade gar nicht in dieses Geschehen involviert. So, als wäre sein Körper … selbstständig, ohne dabei Befehle vom Hirn zu erhalten. Dissoziiert. Als Noy das erkennt, wird es einfacher. Er weicht dem Schlag aus, nutzt seine Größe und sein Gewicht, indem er geduckt nach vorn springt und Mischa mit einer Finte von den Beinen holt. Sie landen auf dem blanken Asphalt und durch Mischas Körper geht ein Zucken, als sein Hinterkopf hart auf den verschneiten Boden knallt. Noy ist nicht schnell genug, um seine Fausthiebe wirklich platzieren zu können. Er wünscht sich, er wäre es. Vielleicht muss man Mischa ins Hier und Jetzt zurück prügeln, damit man wieder mit ihm reden kann. Vielleicht …

Keine Vielleichts mehr …

Schnell wird dem gebürtigen Iren bewusst, dass er hier der Unterlegene ist. Dass Mischa - warum auch immer - stärker und wendiger ist als er und sich aus dieser Situation herauswindet wie ein Aal und ihm alles doppelt und dreifach zurückgibt. Alles explodiert in einem Meer aus Schmerz und ein bisschen Blut und langsam wird es schwer, noch Luft zu holen. Flüssigkeit in seinem Mund. Er atmet sie ein, verliert durch das Husten noch mehr den Fokus und er bereut alles … einfach alles. Seine Worte, sein Interesse, seine Neugier …

Als er sich zur Seite zu drehen versucht, trotz dem Gewicht auf seiner Hüfte, hören die Schläge auf. Noy ringt nach Luft, hustet abermals, aber so nach und nach kommt auch wieder Sauerstoff in seinen Lungen an, auch wenn er durch das Husten einen Blutregen neben sich auf dem Schnee verteilt hat.

Atemlos lässt sich auch Mischa zur Seite fallen, starrt auf den Mann hinunter, der sich zumindest noch bewegt und dann auf seine Hände, die voller Blut sind. Er selbst schmeckt es auch. Irgendwann muss Noy ihn erwischt haben und das nicht zimperlich. Nun … das hat erschreckend gut getan. Ihm wird bewusst, dass er genau das gesucht hat, als er die Männer im Pub aufmischen wollte. Doch die Polizei war schneller. Dass nun einer allein das alles abbekommt, hat er nicht geplant. Aber er bereut es nicht. Er hebt einen Fuß vom Grund und stößt ihn leicht zwischen Noys Schultern.

»Lebst du noch?«

»Scheiße … lass mich bloß in Ruhe …«, ist die gemurmelte Antwort, die rote Blasen wirft und Noy würgen lässt. Der Geschmack von Blut ist nichts für ihn.

»Für 75.000 Rubel gehört es dir.«

Ächzend dreht sich Noy auf den Rücken. Sein hektischer Atem lässt Schwaden über seinem Kopf tanzen. Es ist kalt geworden, aber keiner von ihnen friert. »So viel … hab ich nicht.«

»Dein Problem.«

Mischa steht langsam auf, klopft sich den nassen Schneedreck von der Hose und dem Pullover, ehe er sich abermals eine Zigarette aus der Packung fischt. Die leise Frage nach einer für Noy dringt an sein Ohr und er blickt zu dem blutig Geschlagenem hinunter, der die Augen geschlossen hat. Jetzt geht sein eigenes Feuerzeug und er zündet die Kippe an, geht neben Noy in die Hocke und schiebt sie ihm mit dem Filter voran zwischen die Lippen, ehe er für sich noch eine anmacht. Da ist diese Packung nun auch leer und er wird die nächsten Wochen als Nichtraucher zubringen, bis es ihn wieder mal überkommt.

»70.000.«

»Immer noch zu viel …«

Mischa setzt sich wieder. Sein Blick wandert über das glitzernde Wasser der Moskwa. Nachts sieht sie nicht so schmutzig aus wie tagsüber. Wäre der Gorki Park auf der anderen Seite des Flusses nicht, dann wäre diese Stelle hier pechschwarz. Friedlich ist es trotzdem. Außer man sucht Ärger und bekommt ihn. Aber der Moment ist vorbei und Mischa fühlt sich zum ersten Mal seit Wochen etwas besser. Vielleicht sollte er Noy dafür danken. »Wie viel hast du denn?«

Noys Arm zittert ein wenig, als er seine Hand zu seinem Gesicht schiebt und nach einem schmerzhaften Zug die Kippe von seinen Lippen löst. »Keine Ahnung. Vielleicht so … 40.000 Rubel - nach ein paar Extraschichten im Pub.«

»Und das ist dir all das hier immer noch wert? Nur wegen diesem verdammten Bild?«

»Vielleicht kommst du mich dann ab und an besuchen und wir können plaudern, während du es dir ansiehst.« Mischa beobachtet skeptisch, wie sich der Andere mit Mühe und Not in eine sitzende Position bringt und Blut auf den Boden neben sich spuckt. »Das Bild … ist da nur Mittel zum Zweck.«

Der Typ muss ein Masochist sein.

Mischa schüttelt den Kopf. »Nach all dem, was du heute erlebt hast, willst du mich immer noch kennenlernen? Was stimmt mit dir nicht?«

»Ich weiß es nicht. Alles, vermutlich. Ich habe lange niemanden mehr getroffen, der mir keine Ruhe gelassen hat. Erst das Bild, dann diese gemeinsame Nacht und der Name und dann das, was du im Pub getan hast. Ich weiß nicht. Ich will eigentlich gar nichts wissen, aber … hier sind wir nun.«

»Dir ist bewusst, dass ich mich nicht für andere Menschen interessiere, ja? Dass du dir auf nichts irgendetwas einzubilden brauchst?«

Noy hebt nur die Schultern. »Was soll ich mir denn einbilden?«

»Das weißt du ganz genau. Das muss ich dir nicht erzählen. Und jetzt steh auf und fahr nach Hause. Du siehst scheiße aus.«

»Ja … gleichfalls.«

Noy greift nach der Hand, die Mischa ihm hinhält und lässt sich hochziehen. Er wankt gefährlich von einer Seite zur Anderen. So kann er kein Motorrad mehr fahren und Mischa ist nicht im Besitz des passenden Führerscheins und auch so ist er noch nie eins gefahren. Das würde für sie beide tödlich enden. Toll … nun hat er sich selbst ein Ei gelegt. Der Pub, über dem Noy lebt, ist am anderen Ende der Stadt - gar nicht so weit entfernt von dem Gefängnis, aus dem ihn der Idiot rausgeholt hat. Seine eigene Wohnung ist aber nur ein paar hundert Meter weit weg. Er könnte Noy in die Metro setzen und das Motorrad bei sich unterstellen, aber ob der Student dann noch rafft, wo er aussteigen muss, wo er doch scheinbar selbst mobil ist und nicht auf den Personennahverkehr angewiesen ist?

»So kannst du nicht nach Hause fahren«, stellt Mischa nüchtern fest als er sich entschieden hat und er nimmt den Motorradhelm an sich, ehe er weitergeht. Noy folgt ihm, ohne zu fragen, was sie jetzt tun werden. Er will nicht darüber nachdenken. Sein Motorrad kann er nicht stehenlassen, also schiebt er es hinter Mischa her, auch wenn es ihm schwerer vorkommt als sonst. Dass der Andere ihm so zusetzen würde, hat ihn wirklich überrascht. Dass Mischa ihn jetzt anscheinend mit zu sich nach Hause nimmt, kommt aber noch viel unerwarteter. Das wird ihm erst auf dem Weg so richtig bewusst. Was hat die Meinung des Anderen plötzlich geändert? Hat er Angst davor, dass ihm auf dem Weg etwas passieren könnte? Macht er sich tatsächlich Sorgen?

All die Fragen türmen sich auf und finden letztendlich die einzig mögliche Antwort: Mischa, der in einen Supermarkt geht und mit einer Flasche Wodka wieder heraus kommt.

Ja …

Das macht fast schon mehr Sinn als alles, was in den letzten Stunden passiert ist.

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