Nicht jede Gleichung ist eindeutig lösbar - Kapitel 4

Nov 07, 2009 20:41

Titel: Nicht jede Gleichung ist eindeutig lösbar

Beta: riannon1978

Genre: Humor/Romance

Rating: P-18-Slash

Warnings: slash, boys love, Lemon, language

Widmung: kuyami4 alles für dich ^.^

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Kapitel 4

Die Erkenntnisse des Wochenendes schienen Basti zu beflügeln.
Als er am nächsten Montag zur Schule ging, war alles weniger schlimm. Nils’ Verhalten war noch immer ein Ärgernis, aber Basti kam sich nicht mehr wie ein Aussätziger vor, wie es die Woche zuvor der Fall gewesen war. Ihm genügten diejenigen Kontakte, die er hatte.
Und er sehnte den Dienstag herbei an dem er wieder Matheunterricht hatte.
Er wusste selbst nicht genau, wie er das Ganze anstellen sollte, aber er war sich noch immer sicher, dass er Andreas für sich gewinnen wollte.
Seine Chancen schätzte er gar nicht so schlecht ein, denn schließlich hatte Andreas mit ihm geflirtet und das obwohl er sauer auf ihn hätte sein sollen.
Die Tuscheleien der Mädchen, die sich über Andreas unterhielten waren ebenfalls weniger nervtötend. Die Szenerie war tatsächlich amüsant, wo er nun wusste, dass all ihre Bemühungen erst gar nicht ihr Ziel erreichen konnten.
Als Andreas den Unterricht begann, wirkte er nervös und der Eindruck verfestigte sich im Laufe der Stunde.
Er verlor den Faden, als er etwas erklärte, verwechselte zwei Ergebnisse miteinander und ließ einmal tatsächlich den Zeigestock fallen.
Basti fragte sich, was mit ihm los war, ob es wirklich daran lag, was am Wochenende passiert war. Vielleicht hatte er trotz allem die Befürchtung, dass Basti ihn verraten würde, vielleicht machte ihn auch nur die Tatsache, dass jemand anwesend war, der wusste, dass er schwul war, nervös.
Basti wusste es nicht, aber allein der Fakt, dass seine Anwesendheit Andreas aus dem Konzept brachte, gefiel ihm.
Der Lehrer sah nicht zu Basti, was er auch sonst nicht oft getan hatte, aber Basti änderte sein Verhalten. Hatte er sich sonst grundsätzlich mit etwas anderem beschäftigt, im besten Fall mit den Zusatzaufgaben, die Andreas ihm gegeben hatte, so verfolgte er nun den Unterricht.
Es war nicht so, als hörte er tatsächlich zu, über was Andreas redete, aber er fand Gefallen daran einfach seine Stimme zu hören und ihm zuzusehen.
Obwohl Andreas kaum oder gar nicht zu Basti herübersah, schien es so, als ob er seine Aufmerksamkeit spürte, denn seine Nervosität steigerte sich noch.
Die folgende Pause nutzte Basti, er ging nach vorne zum Lehrer-Pult.
„Herr Rehlke?“ Die Anrede fühlte sich jetzt schon fast seltsam an, nachdem er sie gedanklich nicht mehr benutzte. Endlich sah Andreas ihn an.
„Basti, was gibt es?“ Er wirkte alles andere als erfreut. Aber so einfach würde Basti es ihm nicht machen.
„Ich habe die Aufgaben von letzter Woche gelöst, aber bei einer Aufgabe hatte ich Probleme.“ Er legte den Zettel vor und zeigte Andreas seine falsche Lösung. Der nahm einen Stift in die Hand und ging die Lösung durch. Seine Stirn war gerunzelt und Basti betrachtete ihn, zum ersten Mal realisierte er die intensiv-grüne Farbe der Augen.
„Hier ist das Problem, da haben Sie sich bei der Beweisführung mit dem Vorzeichen vertan.“ Er begann den Lösungsweg zu korrigieren und erklärte Basti dabei, worauf er zu achten hatte.
Mittlerweile hatten die anderen Schüler den Raum verlassen, selbst die Mädchen, die sich sonst immer viel Zeit ließen hatten sich letztendlich getrollt.
Andreas sah auf. „Basti, hören Sie mir zu?“
„Ich hör dir immer zu.“ In Wirklichkeit war er den Ausführungen nur am Rande gefolgt.
„Lass das.“ Andreas hatte seine Stimme gesenkt, obwohl sowieso keiner mehr im Raum war, der sie hören konnte. „Ich möchte meine Zeit hier nicht verschwenden.“
Basti beugte sich vor deutete auf die letzte Korrektur und wiederholte die dazugehörige Erklärung, zumindest sinngemäß. Er achtete darauf, dass er dabei möglichst nahe an Andreas heranrückte. Dann blickte er auf, sah direkt in die Augen seines Gegenübers. „Siehst du, ich hab dir zugehört.“
„Okay“, sagte er. „Du hast es dann wohl verstanden.“ Er machte einen Schritt zur Seite, bemüht, möglichst viel Abstand zwischen sie beide zu bringen.
„Ja, ich denke, ich hab es verstanden. Vielen Dank.“
Eine kleine Gruppe seiner Mitschüler betrat den Raum, Pausen waren definitiv zu kurz, aber wahrscheinlich hatte er Andreas’ Nerven bereits überbeansprucht.
„Francis, unser Mathelehrerliebling.“ Flo war allem Anschein nach auch unter Ihnen. „Wohl zu clever, um normale Freunde zu haben oder will etwa niemand sonst mehr etwas mit dir zu tun haben?“
Basti ließ sich auf seinen Platz fallen, Flo konnte seine Klappe einfach nicht halten. Heute ärgerte es ihn tatsächlich etwas, der Einwurf kam in der momentanen Situation bei Andreas nicht besonders gut an, das sah Basti an dem verärgerten Seitenblick, den Andreas in Flos Richtung warf.
„Da hab ich lieber keine Freunde, als sie mir mit selbstgedrehten Handyvideos, in denen ich Labellos fresse, erkaufen zu müssen. Das wäre tatsächlich unter meinem Niveau, mal davon abgesehen, dass es etwas seltsam ist, wenn man scheinbar die Vorliebe hat an langen, stabartigen Gegenständen zu lutschen.“
Flos Augen blitzten wütend auf. Basti war äußerst zufrieden mit sich, es war schwer Flo so sehr aus der Reserve zu locken, zu routiniert war er durch die jahrelange Übung ihrer Diskussionen. Und er sollte sich hüten Basti in Sachen Andreas einen Strich durch die Rechnung zu machen, das würde er bereuen. Flo setzte gerade zu einer Antwort an, aber er wurde unterbrochen. Andreas schien unter Beweis stellen zu wollen, dass er die Autoritätsperson im Raum war.
„Basti, Florian, es reicht jetzt, wir haben Unterricht.“
Basti grinste überheblich zu Florian rüber, der durch Andreas’ Einwurf nur noch wütender wurde, da er seine Antwort herunterschlucken musste.
Basti konnte sich wahrscheinlich auf  einen Schlagabtausch in der nächsten Pause freuen.

~~ooOoo~~

Basti war wirklich froh, dass er zugesagt hatte, als Andreas ihm den Vorschlag mit den Zusatzaufgaben gemacht hatte, denn es schien der einzig plausible Grund zu sein, den er hatte, um mit Andreas reden zu können.
Das Problem an der Sache war, dass doch irgendwo immer einer seiner Mitschüler auftauchte und Basti war gezwungen auf unterschwellige Botschaften zurückgreifen zu müssen, die Andreas entweder nicht registrierte, was Basti allerdings bezweifelte, oder aber mit der Zeit einfach ignorierte.
Basti wurde nach einiger Zeit ungeduldig, er kam kaum oder gar nicht weiter und hatte keine Ahnung, ob seine Bemühungen überhaupt wahrgenommen wurden.
Das einzig gute war, dass Andreas begann, lockerer mit der Situation umzugehen.
Vielleicht weil er bemerkte, dass Basti zumindest so vorsichtig war, dass niemand anderes etwas mitbekam. Vielleicht aber auch weil Basti einfach keine Chancen bekam, die über einfache, unterschwellige Flirtversuche hinausgingen.
Basti grübelte über die wirklich kniffeligen Differentialaufgaben, die Andreas ihm gegeben hatte. Er hatte sich an einen Tisch etwas abseits der anderen gesetzt, die in kleinen Gruppen zusammen arbeiteten, in denen sie jeweils eine andere Aufgabe bearbeiteten, um sie hinterher der restlichen Klasse erklären zu können.
Andreas ging zwischen den Gruppen hin und her, um ihnen zu helfen.
Zu Basti kam er nicht, was ihn noch zusätzlich ärgerte, nicht nur, dass die Aufgaben wirklich schwer waren und er nicht mal genau verstand, was er machen sollte. Andreas war auch dazu zurückgekehrt ihn größtenteils zu ignorieren. Es gefiel ihm nicht, dass er scheinbar keine Auswirkungen mehr auf ihn hatte.
Er meldete sich also und Andreas kam zu ihm, nachdem er fertig war einen der Deppen etwas zu erklären.
Bastis Wut legte sich, als der Lehrer zu ihm rüber kam.
„Was ist los?“
Basti schob den Block in seine Richtung. „Ich versteh nicht, wie ich das ableiten soll, wir hatten keine Ableitungsregeln für Sinus-Funktionen.“
Wie immer überflog Andreas Bastis bisherige Ansätze, die nicht wirklich viele waren. „Wo ist der Zettel mit den Formeln, den ich Ihnen gegeben habe?“
Basti suchte ihn heraus.
„Sehen Sie hier? Hier müssen Sie diese Ableitungsformel anwenden…“
Aber Bastis Konzentration wurde abgelenkt. Andreas hatte seine Hand, in der er das Formelblatt hielt auf den Tisch gelegt, während er sich neben den Tisch gehockt hatte, eine Angewohnheit von ihm, die er hatte, wahrscheinlich um mit den Schülern auf Augenhöhe zu sein.
In letzter Zeit kämpfte Basti nicht nur mit seinem eigenen Ego, weil er auf der Stelle trat, auch der Wunsch Andreas in solchen Situationen einfach berühren zu wollen wurde immer ausgeprägter.
Er folgte mit den Augen dem feinen Verlauf der Härchen auf Andreas Hand, die über das Gelenk verliefen und auf dem Arm stärker wurde. Er hatte heute seine Ärmel aufgeknöpft und bis zu den Ellenbogen hochgeschoben.
Basti schloss die Augen, um sich zu sammeln, dann strich er mit den Fingerspitzen über Andreas Arm. Nur kurz, denn der zog seinen Arm weg, sah Basti forschend an.
„Tschuldigung..“ Die kurze Berührung hatte seine Sehnsucht nicht wirklich gestillt, eher im Gegenteil. Er versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wo sie sich befanden. Andreas erklärte nach einem kurzen, fast fragenden Blick weiter.
Er verdeutlichte etwas an einer Zeichnung, die er auf Bastis Blatt zeichnete. Basti beugte sich vor, tat als würde er sich die Zeichnung genauer ansehen.
„Du warst dieses Wochenende nicht im ‚male`.“
Basti war dort gewesen, alle drei Tage, und hatte darauf gehofft, dass Andreas auftauchte. Aber er hatte vergeblich gewartet.
Andreas sah ihn an, er war sauer auf Basti, vielleicht, weil er ihn darauf ansprach, obwohl die gesamte Klasse anwesend war, obwohl Basti darauf geachtet hatte, dass er so leise sprach, damit nur Andreas ihn verstehen konnte. Vielleicht aber auch, weil Basti trotz allem dort gewesen war. Basti hoffte auf Zweiteres, das hieß dann wohl, dass Andreas sich um ihn sorgte und das wiederum hinterließ ein gutes Gefühl in ihm.
„Und ich werd da so schnell auch nicht wieder auftauchen, also kannst du dir die Kontrollbesuche sparen.“
Andreas hatte ebenso leise gesprochen wie er, aber dafür mit mehr Nachdruck. Und allein die Tatsache, dass er antwortete ließ Basti darauf hoffen, dass er tatsächlich besorgt um ihn war. Ohne sein zutun musste er lächeln, so ganz egal schien er Andreas ja nicht zu sein.
„Tut mir Leid.“
Andreas erhob sich wieder und sprach wieder in normaler Lautstärke. „Ich hoffe Sie haben das verstanden, ich werde es nicht noch mal erklären.“
Basti nickte.

~~ooOoo~~

Basti kam also nicht weiter, wenn er sich auf mehr oder minder zufällige Begegnungen verließ, oder er konnte nicht wirklich sagen, was er wollte, weil die Gefahr erwischt zu werden zu hoch war. Das hieß er musste wohl seine Taktik ändern.
Zwei Tage später machte sich Basti auf die Suche nach dem schwarzen Ford auf dem Parkplatz hinter der Schule.
Er hatte Glück, Andreas hatte scheinbar länger Unterricht, als er selbst, denn der Wagen stand friedlich unter einem Baum.
Basti setzte sich auf eine kleine Rasenfläche nahe dem Auto, wo er gute Sicht hatte und wartete, während er Hausaufgaben erledigte.
Er wusste nicht wie lange er dort gesessen hatte, als er Andreas entdeckte.
Er fluchte, war der Mathelehrer doch in Begleitung von Frau Trantner, der ollen Schnepfe, Nebenberuflich seine Biologie-Lehrerin. Die beiden näherten sich dem schwarzen Ford in ein Gespräch vertieft und verabschiedeten sich nach kurzer Zeit voneinander.
Vielleicht hatte Basti Glück und sie würde schnell genug verschwinden ohne, dass sie Basti entdeckte und er konnte Andreas dennoch abfangen, der gerade begann seine Taschen auf dem Rücksitz des Wagens zu verstauen. Ansonsten sollte sich Basti ganz schnell eine Ausrede einfallen lassen.
Er hatte kein Glück. Trantner kam direkt in seine Richtung.
„Sebastian! Was machen Sie denn noch hier?“
Er schaute gelangweilt von seinem Block auf, möglichst abweisend. „Warten.“
„Warten? Worauf?“
Basti warf einen Blick zu Andreas, der die Szenerie skeptisch betrachtete.
„Meine Mutter wollte mich abholen, sie scheint sich zu verspäten.“
Die Trantner sah auf die Uhr und runzelte die Stirn. „Verspätung? Die letzte Stunde ist gleich beinahe ne dreiviertel Stunde vorbei. Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“
Basti zuckte die Schultern, war ja nett, dass sie sich sorgte, obwohl er bestimmt nicht ihr Lieblingsschüler war, aber jetzt konnte er das wirklich nicht gebrauchen. „Sie wird schon noch kommen.“
Er ignorierte, dass seine Bio-Lehrerin gerade dazu ansetzte, etwas zu erwidern, für ihn war das Gespräch beendet, er wandte sich lieber Andreas zu. „Herr Rehlke, ich mache gerade Mathe-Hausaufgaben, kann ich Sie etwas fragen?“
Andreas zog eine Augenbraue hoch. „Sicher doch, worum geht es?“
Die Trantner schien nicht wirklich überzeugt von Bastis Ausrede, hatte aber wohl keine Lust sich weiter mit ihm auseinanderzusetzen. Sie hob noch mal die Hand zum Abschied und zog endlich von dannen, während Basti an Andreas herantrat und seinen Block auf das Dach des schwarzen Fords legte.
Er beobachtete mit einem Seitenblick, wie die Trantner in ihr Auto stieg und den Motor startete.
„Wo ist das Problem, du hast die Aufgaben doch bereits gelöst.“
„Das hab ich ja auch gerade eben gemacht.“ Die Trantner bog gerade vom Parkplatz auf die Straße ab. Basti packte den Block ein.
„Du hast gesagt, du hättest ne Frage.“
„Hab ich auch. Nimmst du mich mit?“
„Ich dachte deine Mutter holt dich ab?“
„Ich hab gelogen.“
Andreas schloss das Auto auf und Basti ging herum auf die Beifahrerseite.
„Nein.“
Basti hatte bereits die Hand an dem Türgriff. „Was?“
„Ich werd dich nicht mitnehmen, fahr mit der Bahn.“
„Die ist schon weg.“
„Dann warte auf die Nächste.“ Andreas wollte ihn tatsächlich einfach hier stehen lassen, aber so leicht wollte sich Basti nicht abwimmeln lassen, jetzt wo er es fast geschafft hatte.
„Die kommt erst in einer Stunde.“
„Meinst du das kauf ich dir ab, Basti? Mach, dass du wegkommst, mir reißt langsam der Geduldsfaden.“
„Komm schon! Ich muss mit dir reden, es gibt nicht so viele mit denen ich sonst reden könnte, wenn man es genau nimmt eigentlich nur dich.“ Sein Schwulsein war das letzte As in seinem Ärmel, es musste einfach ziehen und zu Bastis Erleichterung tat es das auch.
Andreas zögerte einen Moment, bevor er die Tür auf seiner Seite öffnete „Also gut, aber nur dieses eine Mal, wenn du noch mal hier auftauchst, dann lass ich dich stehen.“
Basti nickte erleichtert und stieg ein.
Jetzt wo er erreicht hatte, was er wollte, galt es den nächsten Schritt zu machen, aber der fiel Basti sehr viel schwerer als alles zuvor. Er hatte sich wenig Gedanken gemacht, wie er es letztendlich sagen wollte, nur dass er es wollte, das hatte er entschieden.
Aber so blieb es zunächst still, als Andreas den Wagen von dem Parkplatz lenkte. Basti hatte den Blick aus dem Fenster gerichtet spürte aber doch, dass Andreas zu ihm rüber sah.
„Basti, was ist los? Du hast doch das ganze Theater nicht nur gemacht, um ein bisschen spazieren gefahren zu werden.“
Schüchternheit passte so überhaupt nicht zu ihm, selbst wenn er in ungewohnten Situationen steckte, also gab er sich einen Ruck.
„Ich hab mich verliebt…in dich.“ Der direkte Weg war vielleicht auch der beste, Basti presste die Zähne aufeinander. Die Worte waren ruhig über seine Lippen gekommen, ließen nicht erahnen, wie sehr er tatsächlich unter Spannung stand.
Er hatte Angst davor, wie Andreas darauf reagierte, wobei er nicht mal genau wusste, was er erwartete oder worauf er hoffte.
Aber Andreas reagierte gar nicht.
„Willst du nicht irgendetwas dazu sagen?“
Andreas holte tief Luft, bevor er antwortete, was darauf schließen ließ, dass die Antwort nicht kurz ausfallen würde.
„Tut mir Leid, Basti, aber ich hab geahnt, dass das irgendwann kommen würde, wenngleich ich auch noch nicht so schnell damit gerechnet hätte. Ich respektiere deinen Mut, es mir so direkt zu sagen, aber ich denke nicht, dass es wirklich stimmt.“
„Du glaubst, ich lüg dich an?“
„Nein, das meine ich nicht, du glaubst das wirklich, aber es stimmt nicht.“
„Ich denke schon, dass ich am besten weiß, was ich fühle.“ Ihr Gespräch ähnelte gerade dem aus einer schlechten Soap und Basti ging das gefühlsduselige quatschen schon jetzt auf die Nerven, zumal ihm nicht passte, was Andreas da sagte. Lehrer erzählten letztendlich doch alle nur Müll.
„Schon, aber ich denke, das, was du glaubst zu fühlen geht auf eine, na ja, ungünstige Verkettung von Umständen zurück. Du warst in einer schwierigen Situation, weil du schwul bist und weil du deine Freunde eventuell verloren hast, und dann hast du herausgefunden, dass ich ebenfalls schwul bin und in mir eine Art Verbündeten gesehen.“
„Aha…“ Basti erahnte, was Andreas sagen wollte und er merkte, dass er sich bemühte, es so zu sagen, ohne dass es Basti verletzte. Es klappte nicht. Seine Gefühle auf eine ‚ungünstige Verkettung von Umständen’ zu degradieren tat weh. Basti fühlte sich scheiße und wünschte sich nicht hier im Wagen zu sitzen, obwohl er sich so sehr bemüht hatte überhaupt erst hier her zu kommen.
Er antwortete nicht weiter und blickte wieder aus dem Fenster. Sie waren fast da. Andreas bog gerade in die Straße ein, an der das Haus seiner Eltern lag.
Sie hatten noch immer kein weiteres Wort gesprochen, als er vor der Tür hielt. Basti wollte die Wagentür öffnen.
„Warte. Ich weiß, dass es mich nichts angeht, aber was ist eigentlich geschehen? In der Stufe mein ich? Ich hatte eigentlich, dass Gefühl, das du gut eingebunden warst, aber jetzt scheinst du kaum Kontakt zu den anderen zu haben.“
Basti zuckte die Schultern. „Scheint, als hätte ich niemals Freunde gehabt… bis auf Nils und der will ja nichts mehr mit mir zu tun haben.“
„Und warum das nicht?“
„Na, warum wohl, weil ich ihm gesagt hab, dass ich schwul bin.“
„Das war mutig von dir.“ Es klang tatsächlich Anerkennung in Andreas’ Stimme mit, die er sich allerdings schenken konnte, nachdem er Basti so vor den Kopf gestoßen hatte.
„Ja, und saublöd noch dazu. Bei den anderen ist es mir egal, aber Nils fehlt mir. Ich kann mich zwar immer noch mit den Mädchen unterhalten, aber die reden auch nur den ganzen Tag davon, wie gut ihr Mathelehrer aussieht.“ Basti verdrehte die Augen. „Ich mein, es ist jetzt nicht so, als könne ich da nichts zu beitragen, aber ich behalt das lieber für mich, sonst denkt noch jemand ich will was von dem.“
Andreas schüttelte den Kopf. „Man kann sagen, was man will von dir, auf den Mund gefallen bist du jedenfalls nicht.“
„Soll ich das jetzt als Kompliment auffassen oder wie?“
„Wie du willst. Aber Basti, die Sache mit Nils, hab einfach etwas Geduld. Es ist nicht leicht plötzlich zu erfahren, dass der beste Freund schwul ist. Ich glaube sie haben Angst, dass in all dem, was man zusammen durchgemacht, bei uns dann etwas anderes dahinter gesteckt haben könnte, etwas Sexuelles. Sie müssen erstmal merken, dass auch wir nicht alles anfallen, was männlich ist.“
Andreas schien sich heute auch unbedingt als Hobbypsychologe versuchen zu müssen.
Basti musste an den Vorfall in Sommerferien denken, als er bemerkt hatte, dass er schwul war. Ja, perfekt, jetzt hatte er nicht nur herausgefunden, dass er schwul war, sondern auch noch für einen Schwulen äußerst notgeil war. „Ja, vielleicht“, antwortete er ausweichend, in der Hoffnung, dass Andreas nicht bemerkte, was in ihm vorging.
„Hab ich was Falsches gesagt?“ Das hatte ja super geklappt.
Basti seufzte, ihm blieb heut auch nichts erspart.
„Was kann ich denn dafür, dass der sich vor meinen Augen einen runterholt?“ Er grummelte, versuchte Andreas Blick auszuweichen, aber der schien ihn von der Seite anzublicken. Obwohl er sonst nicht genug von Andreas’ Aufmerksamkeit bekommen konnte, behagte ihm dieser Augenblick nicht.
„Hast du schon mal darüber nachgedacht, ob du vielleicht gar nicht in mich verliebt bist, sondern in Nils?“
Und in diesem Moment wusste Basti auch warum. Das konnte nicht sein ernst sein, ausgerechnet Nils? Der sich wöchentlich mindestens drei Körbe bei den Mädchen abholte? Er sah Andreas schon beinahe geschockt an.
„Ich bin 16, es ist wohl vollkommen normal, dass mich das scharf macht, egal um wen es sich handelt, selbst wenn es Flo ist, der sich einen von der Palme wedelt.“
Das nächste Bild, was sich in Bastis Gedanken formte, war alles, nur nicht erregend.
„Uärgs, okay, schlechtes Beispiel.“ Er versuchte das Bild zu verdrängen. „Für dieses furchtbare Bild und für das tiefsinnige Gespräch, hab ich mir aber jetzt wohl nen Abschiedskuss verdient.“
Er sah Andreas erwartungsvoll an, aber der schüttelte nur den Kopf, konnte das Lachen aber nicht ganz verbergen. „Nichts da, hau endlich ab, ich hab dich heute definitiv lang genug ertragen müssen.“
Basti öffnete schlussendlich tatsächlich die Tür. „Ich freu mich auf die nächste Mathestunde.“
Er sprang aus dem Wagen und warf Andreas eine Kusshand zu, nachdem er die Wagentür geschlossen hatte.
So schnell gab er nicht auf.

orig: nicht jede gleichung, original

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