Tag 72: Das liebe Geld [Zwischenbericht]

Nov 06, 2010 01:10

72 Tage im chinesischen Exil, und ich genieße es immer noch. 72 Tage, das sind 2 Monate und 11 Tage, oder etwas mehr als 10 Wochen. Ich habe in der Zeit nicht nur Blog geschrieben, sondern trage auch ständig ein kleines Notizbüchlein mit mir herum, in das ich allerlei Dinge hineinschreibe und -zeichne bzw. mir reinschreiben und -zeichnen lasse. Und jeden Abend kalkuliere ich - in typisch deutscher Gewissenhaftigkeit und Präzission - wie viel Geld ich am jeweiligen Tag ausgegeben habe. Gestern waren das zum Beispiel 15,1 Yuan (das sind 1,59 €), für das ich eine große Portion 宫爆鸡丁炒饭 (gōngbàoīdīng chǎofàn = Bratreis mit Huhn, Gemüse und Erdnüssen), ein Körbchen Baozi (bāozi, wir erinnern uns) und einen mittleren Becher 菠萝奶昔 (bōluó nǎixí = Ananas-Milchshake) bekommen habe. In Deutschland hätte das gleiche sicherlich etwa das 8-fache gekostet, jedenfalls mindestens 10 Euro.




Zurzeit fällt der Yuan recht rapide. Während bei meiner Ankunft 1 € noch 8,6 ¥ entsprach, so sind es jetzt 9,5 ¥. Der Einfachheit halber rechne ich immer mit einem Umrechnungskurs von 1:10, da kommt man dem sehr nahe. Ich denke, in ein paar Wochen wird der Kurs sogar so stimmen. Im Bild oben befinden sich 183,7 Yuan, also nur wenig mehr als 19 Euro. Soviel Geld hab ich gerade in der Tasche und das dürfte noch einige Tage reichen.

Fast alles ist hier wesentlich billiger als bei uns daheim in Deutschland. Allen voran natürlich das Essen, das fast immer superlecker bis wohlschmeckend ist. In der Mensa bekommt man für umgerechnet etwa 50 Cent ein recht akzeptables (doch leider meist schon kaltes) Essen, dass man sich auch selbst zusammenstellen kann. Immer mit Reis. Auswärts bekommt man z.B. einen leckeren Korb voll Baozi für 40 Cent, einen vollen Teller mit Bratreis und Gemüse und Fleisch für etwa 50 bis 70 Cent, je nach dem, wo man is(s)t. Bei McDonald's (麦当劳, Máidāngláo) bekommt man ein Menü mit BigMac, Pommes und 'nem Getränk für knapp 2,50 Euronen. Und man kann mit 6 bis 8 Personen Feuertopf essen und bezahlt insgesamt am Ende etwas mehr als 10 Euro für alle zusammen. Kurzum: ein Essen hier kostet selten mehr als ein Euro.


Wie ist das mit Süßigkeiten und Knabbergebäck? Antwort: Auch so. Eine Packung Kekse kosten etwa 30 Cent, die berühmten Oreo-Kekse (die schwarzen mit Creme) allerdings teure 60 Cent (siehe Bild links). Es gibt auch leckere einheimische Dinge, wie etwa Sonnenblumenkerne, die fast gar nichts kosten, oder diese leicht scharfen Chips links im Bild für 20 Cent. Ich schätze, die hätten in Deutschland sicherlich um die 80 Cent gekostet, also das Vierfache. Es gibt aber auch teure Kekse, für z.B. 80 Cent, die sind aber auch sehr lecker. Ich kauf sie mir aus Geiz nur aller paar Wochen. Nüsse gibt's hier übrigens auch, z.B. Cashewnüsse und Erdnüsse, deren Preise sind aber mit den deutschen vergleichbar.

Obst gibt's auch, und es kommt mir auch billig vor, da ich mir aber in Deutschland nie Obst kaufe, hab ich da keinen Vergleich. Ich mag Honigmelone und für eine geschnittene viertel Honigmelone muss man höchstens 50 Cent blechen. Müsst ihr mal überlegen, ob das billig ist oder nicht. Zwei Liter Orangensaft (mehr als 15 % Fruchtsaftgehalt haben die leider nie) kostet 70 Cent.

Bücher hab ich mir auch einige gekauft, auch deren Preise sind deutlich unter den deutschen. Das grüne kleine handliche Wörterbuch Deutsch-Chinesisch, Chinesisch-Deutsch, das wir auch in Deutschland benutzen kostet beispielsweise hier fast 3 Euro. In Deutschland 10, glaube ich. Ich hatte mir zwei Minderheitensprachenwörterbücher gekauft, einmal Chinesisch-Jingpho für 3 Euro und einmal Chinesisch-Hmong für 2 Euro. Das Buch Historical Linguistics: An Introduction (2nd Edition) von Lyle Campbell, das man auf Amazon (Deutschland) für 23,99 € bekommt, kostet im Buchladen um die Ecke 39 ¥ (also 4 €) und ist trotzdem auf Englisch, nur der Einband und das Vorwort sind auf Chinesisch. Das Linguistikbuch, das mit Huang Jin für meine ASJP-Recherchen geliehen hat, kostet ebenfalls weniger als 3 Euro. Ich werde mit Sicherheit, bevor ich heimfahre, noch meinen Bedarf an Wörterbüchern und Linguistikbüchern decken! Die Qinghua-Buchhandlung die Straße runter hat eine ganze Linguistikabteilung auf Englisch und Deutsch, alles spottbillig und dort ist wirklich das wichtigste zu finden, von Optimalitätstheorie über Chomsky und historischer Linguistik zu Phonetik (Ladefoged) und angewandter Translatologie. Und alle Bücher kosten 3 bis 5 Euro. Ein Traum!

Auch Gebrauchsgegenstände sind hier sehr billig, und Elektronikartikel teilweise ebenso, leider ist da die Qualität natürlich nicht so doll. Ich hab neulich eine Packung Fineliner (10 Stück + 10 Nachfüllminen) für unter 2 Euro gekauft, in Deutschland kostet ein Stift so viel, bei annähernd gleicher Qualität. Auf der Straße kann man sich eine Plastikfolie professionell auf allemöglichen Displays machen lassen, für auch unter einem Euro. Hausschuhe oder Badelatschen: ein Euro; Stadtplan: 50 Cent; Eintrittspreis im Tempel: 60 Cent; eine Busfahrt: 10 Cent(!!!); eine Nacht Karaoke bei 8 Personen etwa 2 bis 3 Euro pro Person; einmal Waschmaschine benutzen: 30 bzw. 40 Cent; einmal Kamera reparieren lassen: 17 Euro mit 3-monatiger Garantie und so weiter...

Meine neue Kamera, die ich neulich mit Haiyans Hilfe erworben habe, kostete allerdings 1860 Yuan, also etwa 190 Euro, ein angemessener Preis und ähnlich wie in Deutschland. Es ist übrigens eine Panasonic Lumix DMC-FX68 (schwarz), japanisches Produkt mit deutscher Linse, bin total zufrieden damit. Die Bilder sind auch schön. Auch Computer und solche Sachen kosten hier schon eher so das gleiche wie daheim. Software wie Windows 7 oder Office 2010 oder Spiele kriegt man hier auch, aber es sind alles Raubkopien und kosten daher auch (fast) nüscht. Davon lass ich lieber die Finger, Amila hatte damit neulich Probleme.

Teuere Dinge gibt es hier aber auch: Schokolade ist sehr teuer, kostet etwas mehr als in Deutschland oder genausoviel. Ebenso Shampoo und andere Körperpflegeprodukte (warum bloß?). Was auch sehr teuer ist, ist Pizza Hut (必胜客, Bìshèngkè): eine kleine Pizza kostet dort um die 7 €!!! Welcher Chinese kann sich das leisten?

Tägliche Ausgaben:
Wie viel gibt man also in etwa aus, pro Tag oder Woche? Leider weiß ich nicht, wie viel man üblicherweise in Deutschland zum Leben benötigt. Mein Stipendium bezahlt mir die Studiengebühren und die Wohnkosten hier im Wohnheim. Außerdem bekomme ich jeden Monat 1400 Yuan, also etwa 150 €. Ich weiß, dass das in Deutschland (wo ich ebenfalls keine Wohn- und Studiengebüren zahlen muss) hinten und vorne nicht reichen würde. Wie viel habe ich also bisher hier ausgegeben?

Abzüglich der Kamera (1860 Yuan), der Anmeldung zur HSK-Prüfung (250 Yuan), die Erweiterung des Visums (400 Yuan) und der ärztlichen Untersuchung (326 Yuan), die ich nicht so wirklich dazuzählen möchte, betrugen meine Ausgaben in den vergangenen 72 Tagen genau 3.227,8 Yuan ausgegeben - das sind pro Woche 313,8 Yuan und pro Tag 44,8 Yuan. Also knapp 5 € pro Tag und pro Woche eben um die 35 Euro, pro Monat also fast genau die 1400 Yuan, die ich vom Konfuzius-Institut/Hanban bekomme. Sehr gut kalkuloren, das ganze!
Wenn ich die oben abgezogenen Ausgaben für Kamera und Co. dann doch mit einberechne, komme ich übrigens auf fast das doppelte, nämlich 84,2 Yuan pro Tag (589,5 Yuan pro Woche; etwa 2600 Yuan pro Monat). Das wäre dann doch etwas mehr.

Eine größere Ausgabe plane ich noch für die nähere Zukunft: den Erwerb eines chinesischen Handys. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich mir ein billiges für 40 Euro holen sollte, oder ein richtiges (ungefälschtes) SmartPhone...

china, german

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