1. Teil /
2. Teil Danny ist sich nicht sicher, ob das hier eine gute Idee ist.
Aber Steve wollte das Grab seines Vaters besuchen, also stehen sie auf dem Friedhof, Seite an Seite.
Über ihnen brennt die hawaiianische Sonne, der Wind treibt den Geruch nach Salz und Tang und Blumen zu ihnen hinüber, und Danny will Steves Hand nehmen und kann nicht.
Er fühlt sich noch immer aus dem Gleichgewicht gebracht, hat noch nicht wieder ganz zu sich zurück gefunden, seit sie heute früh zusammen schwimmen waren.
Steve hat ihn angefasst, und es hat sich so gut angefühlt, aber der Moment, als er ihn losgelassen und so schrecklich viel Distanz zwischen sie gebracht hat - ein Schlag ins Gesicht hätte sich auch nicht schlimmer für Danny anfühlen können.
Steve steht neben ihm, seine Haltung so aufrecht und starr wie es nur die eines Soldaten sein kann, der Ausdruck in seinen Augen traurig und wild und mehr als einfach nur gefährlich.
Amnesie-Steve hat den Tod seines Vaters nicht verarbeitet, nicht einmal in Ansätzen, und Danny weiß, wie gefährlich Steve in diesem Zustand ist, weil er ihn erlebt hat, weil er sich daran erinnert, weil sie das alles schon durchgemacht haben.
Danny kann nicht sagen, ob diese Tatsache sich von Vorteil erweisen wird, oder ob er schlicht nicht die Kraft hat, Steve ein weiteres Mal von seinem selbstzerstörerischen Kurs abzubringen.
„Ich will wieder anfangen zu arbeiten“, sagt Steve plötzlich, und in seiner Stimme schwingt so viel eiserne Entschlossenheit mit, dass Danny nicht einmal versucht, ihm zu widersprechen. Er wüsste auch gar nicht, wie. Steve hat seine Reha hinter sich, körperlich fehlt ihm nichts mehr.
Aber Danny spürt Steves Wut in Wellen um ihn peitschen, und als er es nicht mehr aushält, tritt er einen Schritt dichter an Steve heran und legt ihm die Hand auf die Schulter.
Steve zuckt vor ihm zurück.
Steve hat erwartet, dass es sich anders anfühlen würde. Weniger real.
Aber er blickt auf das Grab seines Vaters hinab, und er kann nicht anders, als die volle Bedeutung seiner Umgebung auf sich wirken zu lassen.
Er hat versagt.
Er ist zur Navy gegangen, um die schützen zu können, die er liebt, und jetzt ist sein Vater tot, und Steve konnte nichts tun, nicht das Geringste, trotz all des Trainings, all der Jahre, die er getrennt von seiner Familie, getrennt von Mary und seinem Vater, verbracht hat.
Es war alles umsonst.
Er kann sich nicht einmal an den Verantwortlichen rächen, weil er das schon getan hat.
Aber er kann nicht länger nichts tun. Die Zeit im Krankenhaus war schlimm genug. Er will sich wieder erinnern. Danny hat gesagt, dass sie gute Zeiten hatten - und Steve will sie zurück haben, will wieder arbeiten.
Und obwohl er ahnt, dass Danny ihm widersprechen wird, weil er ihm immer widerspricht, teilt Steve ihm diesen Entschluss mit.
Danny reagiert nicht sofort, und Steve ballt seine Hand zur Faust, bis seine Fingerknöchel weiß unter seiner Haut hervortreten, und dann legt Danny ihm plötzlich die Hand auf die Schulter und es fühlt sich so gut an - und Bilder blitzen vor Steves geistigem Auge auf, von Danny und ihm in der Garage seines Vaters, ihre Waffen aufeinander gerichtet … Danny und ihm in einem heruntergekommenen Wohngebiet, beinahe einem Slum, und er hat Dannys Arm hinter seinem Rücken verdreht, und als er ihn loslässt, fährt Danny zu ihm herum und verpasst ihm den härtesten Kinnhaken aller Zeiten … und dann sitzen sie hinter seinem Haus, trinken Bier zusammen, und die Sonne taucht alles in ein goldenes Licht, und als sie miteinander anstoßen …
Steve zuckt vor Danny zurück und keucht, kann nicht mit den Emotionen umgehen, die ihn plötzlich überfluten, dem widerwilligen Respekt, der Euphorie, der Zuneigung.
„Danno“, entfährt es ihm, und er weiß nicht warum. „Danno, Danno …“
Und dann steht Danny direkt vor ihm und zieht ihn an sich, schlingt seine Arme um ihn und hält ihn fest, und alle Aufregung, aller Tumult, alle Verwirrung legt sich, wird zu grenzenloser, endloser, völliger Ruhe.
Danny Williams ist sein Freund und sein Partner, und Steve kneift die Augen zu, als er feststellt, dass die Umarmung dieses Mannes bewältigt, wozu nichts anderes in der Lage war - sie lindert den Schmerz.
Die Fahrt zum Hauptquartier gestaltet sich schweigsam.
Steve hat Danny gesagt, dass er angefangen hat, sich zu erinnern, und Danny hat … Danny hat gelächelt.
Steve fängt langsam an, anzunehmen, dass mehr mit ihm nicht stimmt als einfach nur partieller Gedächtnisverlust.
Eben noch war er Soldat, hat funktioniert, hat mitangesehen, wie um ihn herum jedes einzelne Mitglied seines Teams niedergestreckt worden ist, hat mitangehört, wie sein Vater erschossen wurde … und jetzt ist er … immer noch Soldat, aber er funktioniert nicht mehr, die Teile passen nicht mehr zusammen, das Getriebe fällt auseinander, einzelne Zahnräder drehen sich, ohne einen ersichtlichen Zweck zu erfüllen, werden schneller und schneller und schneller, und Steve versteht genug von Motoren, um zu begreifen, dass hier bald etwas in die Luft fliegen wird.
Auf einer gewissen Ebene kann Steve nachvollziehen, dass das Lächeln eines Freundes etwas ist, das eine gewisse Wirkung auf ihn haben sollte - aber Dannys Lächeln, der Ausdruck in seinen Augen, die feinen Lachkränze um sie herum … Sehnsucht. Das hat Dannys Lächeln in ihm ausgelöst. Sehnsucht.
Steve fällt auseinander, und Danny ist der Grund dafür.
Wäre Dannys Umarmung nicht etwas, das ihn problemlos wieder zusammenfügt, beschließt Steve, ohne auch nur einen Gedanken an Logik zu verschwenden, wäre alles nur halb so schlimm.
„Ah, Boss“, sagt Kono, und schenkt Steve ein vage beunruhigendes Lächeln. „Willkommen zurück!“
Sie verlässt ihren Platz an einem wirklich beeindruckenden Computertisch, kommt auf Steve zu - und dann fängt ein Hund an zu bellen. Der Hund hat bis eben unter dem Tisch gelegen, aber jetzt kommt er hastig auf die Beine, setzt sich in Bewegung … schießt auf Steve zu.
Es ist ein großer Hund. Groß und schwarz mit braunen und weißen Flecken, und Steve ist im Begriff, instinktiv zurückzuschrecken und seine Waffe zu zücken, aber dann fängt der Hund an zu winseln, wirft sich vor ihm auf den Boden, drängt sich mit dem ganzen Körper an seine Beine, zittert und bebt und windet sich, und Steve starrt fassungslos auf ihn hinab.
Danny geht kommentarlos neben ihm in die Hocke, streichelt dem sich windenden Monstrum über den Kopf, und der Hund stellt sein Winseln mit einem abschließenden herzzerreißenden Fiepen ein.
„Ich habe einen Hund?“ fragt Steve, weil es schlicht die einzige Erklärung für das merkwürdige Verhalten des Vierbeiners ist.
„Wir haben einen Hund“, korrigiert Danny sanft. Steve kann nicht genau sagen warum, aber diese minimale Abweichung von dem, was er erwartet hat, bringt ihn ganz fürchterlich aus der Bahn.
„Mhm“, macht er, und dann geht er neben Danny in die Hocke.
Der Hund rollt sich sofort herum, schiebt Steve seine Schnauze ins Gesicht und beschnüffelt ihn, winselt wieder, wedelt unsicher.
„Er heißt Buster“, wird Steve von Danny informiert.
Buster leckt Steve über die Hand. Steve findet sich damit ab. „Ok.“
„Er hat euch unglaublich vermisst“, sagt Kono. „Aber er war brav. Hat bloß einmal versucht, meinen Badezimmerläufer zu fressen, abgesehen davon gab es keinerlei Zwischenfälle. Soll ich noch länger auf ihn aufpassen, oder -“
„Wir nehmen ihn heute zurück“, unterbricht Danny sie sanft. „Wo ist Chin?“
Steve sieht das merkwürdig traurige Lächeln, mit dem sie sich Danny zuwendet, und runzelt die Stirn.
„Kamekona hat Hinweise über einen neuen Drogenring reinbekommen, also ist er ihn besuchen gefahren.“
Danny nickt, dreht sich zu Steve um und gibt ihm eine kurze, präzise Erklärung darüber, wer zum Teufel Kamekona ist. Er ist kaum mit dieser Erklärung durch, als Chin von seinem Ausflug zurückkehrt, sein Gesicht ernst und beunruhigt und, wie sich herausstellt, unfassbar wütend.
Steve braucht eine Weile, ehe ihm auffällt, dass er mit seinem Team vertraut genug ist, um selbst Chins und Konos Stimmungen lesen zu können. Die Realisation tut gut, selbst wenn Chins Neuigkeiten es ganz entschieden nicht tun.
Drogenhandel ist schlimm genug. Wenn Minderjährige als Packesel und Maultiere missbraucht werden, ist es noch ein bisschen schlimmer.
Steve weiß inzwischen, wie emotional Danny werden kann, wie explosiv sich sein Temperament mitunter äußert. Aber, so stellt sich heraus, Steve hat bisher lediglich die Spitze des Eisberges ausmachen können. Jetzt entpuppt sich der Eisberg als getarnter Vulkan.
Alles Eis platzt in einer einzigen, gigantischen Detonation ab, Magma schießt in alle Richtungen, und Danny tobt.
Steve kann nur daneben stehen, starren und … bewundern. Sobald Danny sich so weit beruhigt hat, dass er dazu in der Lage ist, in einigermaßen normaler Lautstärke zu sprechen, werden Pläne gemacht, Strategien entwickelt, so viele Informationen wie nur möglich gesammelt.
Erst, als Steve wieder mit Danny im Camaro sitzt, Buster selig hechelnd auf der Rückbank, fällt ihm auf, dass er ganz automatisch die Leitung dieser Besprechung übernommen hat, dass Chin und Kono und Danny ihm zugehört haben, dass er ihnen zugehört hat, dass ihr Team überraschend gleichberechtigt ist und es schlicht funktioniert.
Zum ersten Mal seit Steve im Krankenhaus aufgewacht ist, macht die Welt wieder ein wenig Sinn für ihn. Kameradschaft versteht er, Zusammenarbeit versteht er. Chin und Kono versteht er.
Danny hingegen … Danny versteht er immer noch nicht.
Vor allem versteht er nicht, warum Danny mit ihm befreundet ist.
Warum er mit Danny befreundet ist, ist ihm inzwischen allzu klar, aber anders herum … es macht einfach keinen Sinn.
Die nächsten Stunden vergehen langsam, die Ermittlungen verlaufen zäh, alles, was sie herausfinden, ist in seinem Kern widerlich und abstoßend, und lässt Steve an der Menschheit im Allgemeinen und ihrer Daseinsberechtigung im Speziellen zweifeln.
Der neue Drogenring sucht sich seine ‚Mitarbeiter’ auf Partys und in Clubs, verteilt Gratisproben, bis die Jugendlichen abhängig genug sind, um so ziemlich alles für das nächste High zu tun.
„Ich kann nicht mehr“, sagt Danny am Ende des Tages, und sein Gesicht sieht grau und krank aus. „Ich kann einfach nicht mehr.“
Sie sitzen wieder im Camaro, auf dem Rücksitz winselt Buster leise, und Steve weiß, wie der Hund sich fühlt, weil er sich ganz genau so fühlt, und wie merkwürdig ist das bitte?
Danny startet den Motor, legt den Gang ein und setzt das Auto in Bewegung. Aber anstatt sie nach Hause zu fahren, wie Steve es erwartet hat, schlägt Danny einen anderen Weg ein.
„Wo fahren wir hin?“ erkundigt Steve sich, als ihm aufgeht, dass Danny zu sehr darauf konzentriert ist, nicht auseinander zu brechen, als dass er auf die Idee kommen würde, von sich aus mit ihm zu reden.
„Zu Grace“, sagt Danny leise, und seine Stimme bricht beinahe, ist so weich und unsicher, dass Steve nie auf die Idee kommen würde, seine Bedenken anzumelden - dass er noch nicht so weit ist, dass er unerklärliche Angst vor dieser Begegnung hat, dass Grace zu treffen für ihn eine derartige Herausforderung darstellt, dass ihm der kalte Schweiß ausbricht.
Aber dann parkt Danny den Camaro neben einer protzigen Auffahrt, betätigt die Klingel neben dem schmiedeisernen Tor und verlangt mit beinahe flehendem Tonfall nach seiner Tochter.
Dann läuft Grace über die Auffahrt, wehendes braunes Haar und wehendes weißes Kleid, und Steve weiß, dass er dieses Kind liebt, selbst wenn er sich nicht an sie erinnern kann, und das macht alles irgendwie ein bisschen besser.
Grace kommt bei ihnen an, und Danny umarmt sie, hält sie fest, streicht ihr durchs Haar und küsst sie. Grace hält still, erwidert seine Küsse, und während Steve auf sie hinab blickt, kommen weitere Erinnerungen zurück.
Erinnerungen an ein Footballspiel, an Grace und Danny, Chin und Kono … und er sagt Grace, dass er sich freut, sie kennen zulernen, dass ihr Vater ständig von ihr spricht. Sie blickt zu ihm auf, unfassbar entzückend in ihrem weißen Tennisoutfit, sieht ihn an, und erwidert, dass Danny auch viel von ihm spricht.
Die Erinnerung ist stark, voller Farben und Emotionen, und Gracies Worte machen Steve glücklich, er lächelt, er fühlt sich gut, Kono lacht, und Chin gluckst, und Danny macht einen halbherzigen Versuch, sich herauszureden.
Im Hier und Jetzt, in der Abenddämmerung auf dieser für Steve fremden Auffahrt, entlässt Danny seine Tochter schließlich aus seinen Armen, und einen Moment lang ist Steve versucht, ihr die Hand zu reichen. Aber er kann nicht.
Stattdessen geht er neben Danny in die Hocke und nimmt sie in die Arme. „Hey, Gracie. Es freut mich, dich kennen zu lernen.“
Sie riecht nach Seife und Blumen, und Steve schließt die Augen und hält sie einen Moment lang fest, und ihr „Hey, Onkel Steve“ schickt einen Schauer durch seinen ganzen Körper.
Das Geräusch von Absätzen auf Pflastersteinen wird hörbar, und als Steve die Augen wieder aufschlägt, sieht er eine Frau vor sich, die er sofort als Gracies Mutter identifiziert, und von der er doch nicht recht glauben kann, dass sie mit Danny verheiratet war.
Nicht, dass sie zu gut für Danny wäre. Aber sie … sie ist so …
„Commander McGarrett“, begrüßt sie ihn mit einem Lächeln, das zu gleichen Teilen freundlich und traurig ist.
… Britisch, beendet Steve seine Analyse - an der er ohne jeden Zweifel dringend arbeiten muss.
„Danny“, sagt sie dann, leise und unglaublich sanft. „Ist mir dir alles in Ordnung?“
Danny deutet ein Kopfschütteln an.
„Möchtet ihr für einen Moment herein kommen?“
Danny seufzt und nickt. „Ja. Danke, Rachel.“
Ihre Antwort besteht aus einem mitfühlenden Lächeln.
Als sie an diesem Abend ihr Haus betreten, ist Danny mehr als einfach nur emotional erschöpft.
Ihr neuer Fall geht ihm an die Nieren, und Steve fängt an, sich an ihn zu erinnern, aber nicht an sie … und Danny ist müde.
Aber anstatt ins Bett zu gehen, nachdem er im Bad war, geht er in Pyjamahosen zurück ins Erdgeschoss, geht nach draußen auf die Veranda und setzt sich auf einen der Korbstühle.
Er hört Buster die Treppe hinunter und durchs Wohnzimmer tapsen, dann zeichnet sich der Kopf des Hundes einen Moment lang im Durchgang zum Wohnzimmer ab, gefolgt vom Rest seines Körpers. Buster, eindeutig der Meinung, Danny sollte um diese Zeit längst im Bett liegen, schnauft ungehalten und legt sich auf Dannys nackte Füße.
Danny beugt sich vor und krault ihm den Kopf. „Kontrollfreak.“
Rachel hat ihm beinahe den Kopf abgerissen.
„Wie kannst du es ihm immer noch nicht sagen?“ hat sie wissen wollen. „Wie kannst du ihm nicht helfen, sich zu erinnern? Er weiß doch jetzt, wer du bist!“
Danny weiß es nicht. Aber wenn er Steve sagt, dass sie zusammen sind, dass sie miteinander schlafen und fabelhaften Sex haben, und so ziemlich das kitschigste Liebespaar aller Zeiten sind … wenn er es Steve sagt, und Ablehnung und Verdammung in seinen Augen sieht …
Es macht keinen Sinn, soviel ist Danny klar.
Steve ist immer noch Steve. Steve war, beinahe von der ersten Sekunde an … überraschend tolerant. Steve ist ein gigantischer Softie. Steve ist, unter all seinem Soldaten-Gehabe, seinem Waffenwahn, seinen Kampftechniken und der Lizenz zum lautlosen Töten einer der sensibelsten, einfühlsamsten und zärtlichsten Menschen, die Danny überhaupt kennt.
Als Steve sich heute Nachmittag auf dem Friedhof an Danny gedrückt und sich von ihm hat umarmen lassen … Danny wusste, dass alles wieder gut wird, dass Steve auf dem Weg der Besserung ist.
Und er wollte Steve küssen, aber er konnte nicht. Weil Steve sich nicht an ihn erinnert. An sie.
Es macht keinen Sinn, aber das ändert nicht das Geringste an der Tatsache, dass Danny es ihm einfach nicht sagen kann.
Steve liegt im Bett und beendet seinen Tag, wie er ihn begonnen hat - er starrt an die Zimmerdecke.
Dannys Exfrau heißt Rachel, und sie ist in der Tat Britin … und Steve mag sie. Sie hat ihn an diesem Abend beschäftigt, während Danny seine Zeit mit Grace verbracht, und sich von seiner Tochter von ihrem grässlichen Arbeitstag hat ablenken lassen.
Rachel hat Steve erzählt, dass Danny wegen Grace auf Hawaii ist, dass er die Inseln zu Anfang gehasst hat … und plötzlich haben die Hemden und die Krawatten Sinn gemacht … und dann ist die Rede aus irgend einem ominösen Grund auf Ananas gekommen, und Danny … Danny mag keine Ananas.
Steve schließt die Augen, und die Erinnerungen überlappen einander - die an Dannys Tirade von diesem Nachmittag, und die an seine Tirade von vor über einem Jahr.
Ein Lächeln zerrt an Steves Mundwinkeln, ohne dass er es verhindern kann. Es war so erleichternd, Dannys Ausbruch mitzuerleben, ihn gestikulieren und sich aufregen zu sehen, nachdem er noch kurz zuvor so schrecklich still gewesen war.
Mittlerweile hat Steve sich sogar einigermaßen daran gewöhnt, wie gern er Danny hat. Immerhin, so hat er sich eingestanden, ist es nur natürlich. Danny ist ein guter Freund, ein fabelhafter Vater, und, so hat der Tag erwiesen, ein unglaublich fähiger Detektive.
Er ist immer noch relativ respektlos, emotional, aufbrausend … aber Steve denkt nicht länger, dass diese Eigenschaften in ihrer Partnerschaft von Nachteil sind. Denn sonst wäre es keine derartig gute Partnerschaft.
Sie ergänzen einander.
Steve seufzt, rollt sich auf die Seite, und schließt die Augen.
Er muss eingeschlafen sein, und er kommt mit einem Keuchen zu sich, geweckt von dem Gefühl, zu fallen.
Und er ist gefallen. Nicht jetzt, nicht heute, aber … damals.
Ist beim Klettern gestürzt. Danny hätte ihn sichern sollen, aber er hat ihm vorher nicht erklärt wie, und er ist gefallen.
Steve erinnert sich an seinen gebrochenen Arm, an Dannys aufgeregte, besorgte Rufe - daran, dass Danny meilenweit für ihn gelaufen ist, um Hilfe zu holen.
An das Herz, das Danny mit seinen Zeigefingern in die Luft gemalt hat.
Steve bleibt für einen Moment die Luft weg, und er erinnert sich an Gracies Stimme, als er sich heute von ihr verabschiedet hat, an ihren ernsten Gesichtsausdruck.
„Du musst dich um Daddy kümmern, Onkel Steve“, hat sie gesagt. „Er braucht dich.“
Er hat es ihr versprochen, ganz selbstverständlich hat er es ihr versprochen … Selbst wenn er nicht wirklich verstanden hat, worauf sie hinaus wollte.
Aber jetzt versteht er. Danny ist ein Vater, und ihr neuer Fall geht ihm mehr an die Nieren als dem Rest von ihnen, und … Steve schiebt seine Bettdecke beiseite, steht aus dem Bett auf und verlässt sein Schlafzimmer.
Er erwartet halb und halb, dass Buster im Flur liegt und Wache hält, wie er es üblicherweise tut, erinnert sich an den Tag, an dem Danny ihn im Haus eines Verdächtigen gefunden hat.
Steve erinnert sich außerdem daran, dass er derjenige war, der beschlossen hat, den Hund zu behalten. Um Danny eine Freude zu machen. Es ist eine angenehme Erinnerung - wenn auch eine weitere von denen, die Steve langsam aber sicher davon überzeugen, dass er sich selbst doch nicht so gut kennt, wie er angenommen hat.
Er vermutet, dass Buster diese Nacht bei Danny schläft, geht über den Flur und zögert einen Moment, ehe er die entsprechende Tür öffnet.
Steve ist selbst nicht ganz klar, was er eigentlich vorhat, aber als er das Gästezimmer - Dannys Zimmer - leer vorfindet, überkommt ihn ein beklemmendes Gefühl. Er geht ins Erdgeschoss hinunter, findet Danny schließlich draußen auf der Veranda, Buster zu seinen Füßen.
Selbst durch die Dunkelheit kann Steve sehen, wie bleich Danny ist. Buster hebt den Kopf und wedelt erfreut, als er ihn bemerkt, und Steve macht einen Schritt auf die Veranda.
„Hey“, sagt er leise, vorsichtig.
Danny schließt einen Moment lang die Augen. „Hey.“
„Willst du nicht ins Bett gehen? Es ist spät.“
Danny schüttelt den Kopf. „Ich kann nicht. Die Alpträume wären apokalyptisch.“
Steve beißt sich flüchtig auf die Unterlippe. Er will Danny helfen, er will ihm wirklich helfen, aber er weiß nicht wie.
„Du musst schlafen, Danny. Der Fall wird kaum morgen zum Abschluss kommen. Du kannst nicht die nächsten zwei Wochen lang wach bleiben.“
„Denkst du wirklich, dass wir so lange brauchen werden, um diese Schweine zu stoppen?“
Danny klingt müde, verzweifelt und wütend, und Steve tritt zu ihm hinaus auf die Veranda, setzt sich ihm gegenüber in einen Korbstuhl. „Ich weiß es nicht. Ich hoffe nicht. Aber wenn doch …“
Danny schließt wieder die Augen, reibt sich mit der Handfläche über das Gesicht, und Steve steht wieder auf, beugt sich vor, nimmt seine Hand. „Komm.“
„Nein.“ Danny entzieht ihm seine Hand, sanft, langsam, aber er entzieht sie ihm.
„Bitte, Danno.“
Plötzlich starrt Danny ihn an, hellwach, suchend. Steve legt den Kopf schief. „Was?“
„Du hast mich Danno genannt.“
Steve runzelt leicht die Stirn. „Ich … ja? Ist das schlimm?“
„Wenn ich dich Danno nenne … Es ist ein Kosename.“
Es ist ganz ohne Zweifel seine eigene Stimme, aber Steve kann trotzdem nicht fassen, dass er das tatsächlich gesagt hat. Und Dannys Reaktion, sein Lächeln, die offizielle Erlaubnis, ihn jeden Tag so zu nennen, das Eingeständnis, dass er es mag … Allein die Erinnerung löst in Steve das Bedürfnis aus, den Mann in den Arm zu nehmen.
Steve greift ein weiteres Mal nach Dannys Hand, zieht ihn auf die Beine, ignoriert Busters empörtes Grunzen, hält Dannys Schultern fest. „Du hast gesagt, du magst es.“
Seine Worte entlocken Danny ein Lächeln. Es ist ein fabelhaftes Lächeln, und Steve gibt seinem ersten Impuls nach und nimmt ihn in die Arme, drückt ihn an sich, hält ihn fest.
Erst nach etwa zwei Minuten geht ihm auf, dass sie beide halbnackt sind.
Die Hitze, die dank dieser Realisation durch ihn hindurch schießt, ist unbeschreiblich. Aber er lässt Danny nicht los. Und Danny drückt ihn nicht von sich.
Also halten sie einander fest, minutenlang, mitten in der Nacht, und Steve … Steve fängt an zu begreifen, warum er Danny gezwungen hat, bei sich einzuziehen. Und, was im Prinzip viel wichtiger ist - Warum er ihn nicht hat wieder ausziehen lassen.
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