roger davies is a communist, pass it on (2)

Nov 19, 2020 09:47

AO3 | FFde

Fandom: Harry Potter
Relationships: Roger Davies x Oliver Wood x Percy Weasley (x Cedric Diggory)

Abstract:
Die Geschichte, in der Roger ein Kommunist ist, Percy ein gewissenhafter Träumer, Oliver die Liebe jeden Lebens und Cedric sogar einen ganzen Satz sprechen darf.

aka: "Roger Davies Is A Communist, Pass It On," Says Local Man Who Has Never Heard Of The Term Anarcha-Feminism, And Thinks Communism And Socialism Are The Same Thing

CN: Alkohol (konsumiert von Minderjährigen), Essen, Fettfeindlichkeit/Body Shaming (referenziert), Queerfeindlichkeit (referenziert), Sex (erwähnt)

mehr zu den content notes im ersten kommentar (stelle auch gern editierte versionen ohne cn zur verfügung, just hmu)

[ Part 1 ]



i.

Festivitäten sind nichts für einen Menschen wie Percy, Dichter könnten von Musen beflügelt Epen darüber fertigen. Bisher hat diese Annahme auf den Geburtstagsfeiern beruht, die seine Brüder zuhause veranstalteten und zu denen Percy anstandshalber eingeladen wurde und zu denen Percy anstandshalber ging. Die Musik entsprach nicht seinem Geschmack, die Gespräche waren uninspiriert und die Menschen gänzlich uninteressiert an allem, was Percy potenziell hätte sagen können. Und auch hier verhält es sich nicht anders. Percy kennt die meisten Personen auf dieser Feier seit der sechsten Klasse und die wenigen Menschen, die er nicht kennt, wird er heute auch nicht mehr kennenlernen.

Patricia Stimpson hat die Hälfte ihres Wassers über sein linkes Hosenbein geschüttet und sich tausend Mal entschuldigt, aber seine Existenz prompt wieder vergessen, kaum dass Peregrine Derrick sie mit ausholenden Winkbewegungen zu sich gerufen hatte. Das passierte ungefähr sieben Minuten, nachdem Percy Olivers Haus betreten hatte. (Nicht freiwillig, keineswegs, doch seine Mutter hat Anstand und sie zwingt Percy ebenfalls dazu, Anstand zu haben. Kaum hatte sie die Einladungskarte in die Finger bekommen, hatte sie Percy mit strenger Stimme ermahnt, dass Olivenzweige keine Dekoration seien und er schleunigst damit beginnen solle, sich ein passendes Geschenk für ‚diesen äußerst netten jungen Mann‘ auszudenken. Das hat Percy getan, aber er ist sich dennoch ziemlich sicher, dass er nicht Olivers Geschmack getroffen hat. Was vermutlich daran liegt, dass er Oliver so gut wie gar nicht kennt.)

Schritt für Schritt tastet Percy sich vom Klavier, neben dem er sich bis eben in Sicherheit gewähnt hat, tiefer in die Party hinein, in der Hoffnung, in der Menge unterzugehen. Zumindest, denkt er, dass es schlimmer nicht werden kann. Was er allerdings nur so lange denkt, bis diese Hoffnung ziemlich schnell zerstört wird und Gabriel Truman mit ausgestrecktem Finger auf ihn zeigt und einige Meter auf ihn zukommt. Er ruft: „Du! Ja, Du! Statt nur wie Kitsch in der Gegend rumzustehen, könntest Du Dich nützlich machen und Dich zu uns setzen.“

Percy weiß nicht viel über Gabriel Truman, was inzwischen niemanden mehr schockieren sollte. Er denkt, dass er vielleicht Klassensprecher geworden wäre, wenn er dieselbe Zielstrebigkeit, Popularität zu erlangen, und denselben Charme gehabt hätte, die Gabriel Truman seit jüngster Kindheit an den Tag legt. Aber Percy ist Percy und Bill hat den gesamten Weasley-Charme für sich gepachtet, weswegen für ihn nun einmal nur beständige Besserwisserei und Landplagen ähnliche Fettnäpfchentreterei übriggeblieben sind.

Gabriel Truman hat die Eigenart, auf unverschämteste Weise anderen Leuten seinen Willen aufzubürden, ohne dafür als eigennützig oder herrisch wahrgenommen zu werden. Eigentlich sieht Percy das ganz anders, weil Percy hinter Gabriels mit Sommersprossen gesprenkelte Fassade blicken kann und sich nicht von seinen warmen, braunen Augen oder dem herablassend verzogenen Mund, der einen dazu bringen möchte, ihn zum Lächeln zu bringen, täuschen lässt. Dennoch zeigt er vorsichtig mit dem Zeigefinger auf sich selbst, was Gabriel dazu veranlasst, seine Augen zu verdrehen, und geht dann in den Nebenraum, aus dem Gabriel gerade eben noch gekommen ist.

Gabriel kämpft sich noch durch die anderen Gäste, die sich im Wohnzimmer befinden, um eine passende Gesellschaft für … was auch immer zu finden, und überlässt Percy ganz sich selbst. Dies wäre unter normalen Umständen Percys präferierte Verhaltensweise aller hier Anwesenden, aber unter diesen? Schrecklich, grässlich, furchtbar. Er weiß nicht, wohin mit sich, ob er sich wieder an den Rand des Raumes stellt und so wenig Platz einnimmt, wie ihm nur möglich ist, oder ob er sich in den losen Kreis auf dem Boden setzen soll, wo sich schon andere Gäste eingefunden haben; vielleicht sogar auf Gabriels Geheiß.

Augustus Pye und Brevis Birch sitzen unter anderem auf dem Boden und unterhalten sich über ein Brettspiel, das Augustus gekauft hat und bei ihrem nächsten Spieleabend mitbringen möchte, damit sie es zusammen ausprobieren können. - Percy denkt, wenn er sich zu den beiden setzt, dann fällt er vielleicht gar nicht auf, weil: Was ist schon ein Streber mehr, wenn die anderen beiden sich verhalten, als gehörten sie ganz einfach zur Gruppe dazu?

Also macht er sich langsam auf den Weg, schiebt sich an Olivers Schreibtisch vorbei (denn das hier ist Olivers Zimmer, worüber Percy gar nicht so genau nachdenken möchte, weil er Angst hat, sich komplett in dem Gedanken zu verlieren, wie intim es ist, das Zimmer einer Person zu betreten, den Ort, an dem sie schläft, zu sehen, wenn sie doch noch nicht einmal wirklich miteinander befreundet sind) und sinkt unauffällig neben Brevis auf den Boden, den Rücken gegen die Wand, sodass er sich theoretisch anlehnen könnte, was er ja aber sowieso nicht tun wird, weil er viel zu angespannt ist.

Für ein paar Minuten lauscht er Augustus und Brevis, wie sie versuchen, einen Plan für ihren nächsten Spieleabend zu entwerfen (wer kocht, wer bringt Snacks, bei wem wird überhaupt gespielt, es ist Meaghan McCormack absolut verboten, ihren großen Bruder mitzubringen; oh, Gott, hat er das gehört? Nein, er ist nicht im Raum, nochmal Glück gehabt) und wirft währenddessen einen Blick auf die restlichen Teilnehmenden ihrer illustren Runde. Da sind Amanda Eekins und Robert Hilliard, die auf eine amüsiert wirkende Katie Bell einreden, die zwar offensichtlich zuhört und pointierte Kommentare in die Flut an Informationen und Anekdoten einwirft, aber gleichzeitig geistesabwesend mit den Ringen an Alicia Spinnetts Hand herumspielt. (Percy kennt Robert nur als Einserschüler, ruhig und reserviert, nicht unähnlich zu Percy. Aber er ist trotzdem irgendwie beliebt, hat Menschen, die sich um seine Aufmerksamkeit bemühen und seine Meinung zu allem offenbaren und in ihre Abwägungen und Bedenkungen einbeziehen müssen. Er hat diese unnahbare Art, die dazu auffordert, seine Gunst zu gewinnen. Ein bisschen wie Gabriel, nur dass er keinerlei Interesse daran zu haben scheint, Freundschaften zu knüpfen und Verbindungen zu schaffen. Er hat einen Zehnjahresplan - wie Percy - und alles andere ist Staub unter dem Mikroskop der Nichtigkeiten.)

Während Percy noch damit beschäftigt ist, herauszufinden, ob das Gespräch zwischen Amanda, Robert und Katie von irgendeinem Interesse für ihn sein könnte (vermutlich nicht, vermutlich geht es um Sport; Amanda und Katie sind Fußballfans und Percy meint, das Wort Eishockey aus Roberts Mund vernommen zu haben), legt sich eine Hand auf Amandas Schulter und Angelina Johnson fragt, ob sie sich zwischen Amanda und Cassius setzen darf. Damit, und mit Gabriels Rückkehr, wird der Platz auf dem Boden vor Olivers Bett langsam dürftig, aber hinter Gabriel treten auch Kenneth Towler und Oliver Wood ein. (Oh, Gott, nein. Oliver Wood. Das ist schlimm, das ist so unfassbar schlimm. Leider muss ich gehen, haha, tut mir leid, darf ich durch? Darf ich da mal durch? Entschuldigung für die Umstände, ich muss das Land verlassen.)

„Leute, einen Kreis“, sagt Gabriel, die Arme vor dem Körper verschränkt in einer Zurschaustellung von Missbilligung, „wisst ihr nicht, wie ein Kreis aussieht?“ Es erntet ihm mehrere Lacher und Percy bleibt ratlos zurück, denn einer Gruppe junger Erwachsener zu unterstellen, dass sie einfachste geometrische Formen nicht kennen, entspricht nicht Percys Auffassung von Humor oder Höflichkeit.

Knie stoßen gegen Percys, während sich die Ansammlung von elf Leuten (ihn selbst ausgenommen, denn er hat sich schließlich wohlweislich hierhin gesetzt) versucht, auf dem wenigen Platz zu arrangieren. Wieder einmal versucht Percy, sich so unaufdringlich und platzsparend wie möglich zu präsentieren, während Brevis auf der einen und Kenneth auf der anderen Seite so nah an ihn heranrutschen, dass er sich wie ein Gänsehaut-Heftchen zwischen zwei Encyclopædia Britannica-Bänden fühlt. Beinahe direkt gegenüber von ihm versucht Oliver sich Platz zu machen, während Gabriel beginnt, auf dem Boden, ziemlich genau in die Mitte ihres unförmigen Kreises, einen Turm aus kleinen Holzquadern aufzubauen. Percy dämmert langsam, dass das hier vielleicht gar kein Spiel ist, bei dem er mitspielen möchte.

„So, Theydies und Gentlethem“, beginnt Gabriel und Percy hasst diese Art und Weise, Menschen zu adressieren, weil sie sich so forciert anfühlt, so binär, so auch nicht-binäre Menschen müssen weiblich oder männlich auftreten, um von mir als akzeptabel eingestuft zu werden. (Vermutlich ist es Unsinn, vermutlich ist es nur als nettes Wortspiel gemeint, aber es sitzt Percy dennoch ein wenig quer.) „Willkommen zu einer Runde: Wagemut-Jenga.“ Er grinst und die Spitzen seiner Eckzähne spiegeln das Licht der Deckenlampe für einen Moment auf eine unheilverkündende Art und Weise. „Dank der Großzügigkeit von Mervyns großem Bruder können wir endlich Augustus‘ Jenga-Set in seiner vollkommenen Pracht genießen.“ Gläser werden erhoben und es wird in Richtung der Tür geprostet, weil Mervyn Finwick sich im Wohnzimmer bei den anderen aufhält. - Was Percy jedoch gerade zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass Augustus wohl häufig genug bei solchen Festivitäten zugegen ist, dass nicht zum ersten Mal in Betracht gezogen wurde, sein Jenga-Spiel auszuprobieren. (Was Percys Theorie, dass es sich bei Augustus und Brevis um genau solche Streber handelt wie ihn, zunichtemacht. Sehr, sehr ärgerlich 1.)

„Die Regeln wie immer: Jede anwesende Person zieht der Reihe nach ein Teil aus dem Turm, liest, was auf der Unterseite steht, macht, was auf der Unterseite steht, und legt dann das Teil oben auf“, erklärt Gabriel ruhig, während er die letzten Teile auf das Türmchen legt. „Wer sich nicht traut, zu tun, was auf seinem Teil steht, die Feiglingskappe, bis die nächste Person sich der Aufgabenerfüllung verweigert, und muss trinken.“

Und das ist die Krux, nicht wahr, denn Percy hat in seinem Leben noch nie getrunken, und er hatte nicht vor auf einer Party voll postpubertärer Schulkamerad*innen damit zu beginnen. Er klammert sich an den Plastikbecher in seiner Hand, in der sich lediglich Soda befindet, weil er sich nicht getraut hat, die Küche zu suchen und sich Hahnenwasser zu holen. (Kurze Interjektion, um nicht zu viel Energie darauf zu verschwenden: Vielleicht sollte Percy die Feiglingskappe auf- und nie wieder absetzen. Es würde ihm so viel Zeit und Mühe sparen.)

„Oliver beginnt“, beschließt Gabriel, als sich keine Fragen auftun und auch kein Mensch den Anschein macht, als wolle er aufstehen und den Raum verlassen. (Percy hat seine Chance vertan.)

Oliver verdreht die Augen ein wenig, aber er grinst auch, während er sich nach vorne beugt und einen Holzquader aus dem Türmchen zieht, das er dann umdreht und laut vorliest: „Wie der Grinch Weihnachten stahl.“ Seine Augenbrauen ziehen sich verwirrt zusammen und er sieht Augustus an, der pflichtbewusst die Aufgabe hinter dem Stein erklärt: „Du musst Dir jetzt im Stillen ein Stichwort aussuchen, das Du uns nicht mitteilst. Wenn das Stichwort fällt, musst Du den Turm umschmeißen.“ Oliver nickt, schließt die Augen für einen Moment, nickt noch einmal, als wolle er sich selbst etwas bestätigen, und legt dann das Steinchen oben auf den Turm. Er sagt: „Okay.“

Ohne zu fragen, in welche Richtung sie spielen, beugt Cassius sich nach vorne, zieht ein Steinchen von ganz unten heraus, dreht es um und liest: „Cameladabalawabapp.“ Die Ps am Ende sind mehr ein feuchtes Geräusch, das Cassius mit der Zunge an seiner Oberlippe und viel heftig herausgepresster Luft erzeugt, als ein tatsächlicher Buchstabe. Die breite Masse im Raum scheint mit dem Begriff bekannt zu sein, während Percy nur fassungslos auf Cassius starrt, der sich an die Gruppe wendet: „Rot.“ Gabriel, Kenneth und Amanda, die alle mindestens ein rotes Kleidungsstück am Körper haben, trinken einen Schluck. Percy, der wie immer in behagliche Braun- und weiche Grautöne gekleidet ist, ist dankbar, nicht auf seine Mutter gehört zu haben, die versucht hat, ihn dazu zu überreden, ein bisschen mehr Farbe in seine Festivitätskleidung zu stecken.

Nachdem Cassius sein Teil auf dem Turm abgelegt hat, zieht Angelina einen Stein aus der Mitte des Gebildes. Langsam liest sie die Worte „Spazier nach Mordor“ und sieht zu Augustus für eine Erklärung: „Spazier nach Mordor und leg Dich mit Sauron an oder nimm drei.“ Als hätten sie sich abgesprochen, rufen Augustus, Brevis und Kenneth danach in unisono: „Man spaziert nicht einfach nach Mordor!“ Was ihnen verhaltenes Lachen einbringt. (Percy versteht die Reference, okay, danke für das Vertrauensvotum.)

Drei Schlucke aus ihrem Becher später und Angelina legt ihren Stein oben auf das Türmchen, bevor Amanda an einer anderen Stelle wieder eins entfernt. Eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen zieht sich nach oben und sie fragt: „Warum hasst mich Snape?“ Mit anklagendem Finger zeigt Augustus auf sie und ruft: „Sechs Punkte Abzug für Amanda Eekins!“ Und Amanda trinkt sechs Schlucke; mit verzogenem Gesicht und geschlossenen Augen, aber sie trinkt. Dann legt sie den Stein zurück.

Der Stein, den Robert aus der Mitte des Stapels herausfriemelt, zeigt eine krude Zeichnung eines menschlichen Daumens und Robert liest vor: „Du bist der Meister der Daumen.“ Alle Blicke wenden sich Augustus zu. Der zuckt mit den Achseln und erwidert: „Du bist der Meister der Daumen.“

„Und was ist der Meister der Daumen?“, fragt Robert skeptisch, seinen Blick auf den Daumen gerichtet, der an der unteren Längskante des Steines aufliegt. Das kleine Augenrollen, das Augustus für ihn bereithält, wird nur überboten durch das etwas herablassende: „Also, wenn Du nicht weißt, was der Meister der Daumen ist, dann kann ich Dir wirklich nicht helfen. Das ist nichts, was ich erklären sollen müsste.“ Daraufhin senkt sich eine kleine, oppressive Stille über den Raum, die schließlich von Robert gebrochen wird, als der den Stein zurücklegt und sagt: „Na, wenn das so ist.“

„Hodor“ steht auf dem Stein, den Kenneth aus dem Turm zieht und Augustus liefert freundlicherweise die Erklärung: „Wer flucht wird zu Hodor und darf nur noch Hodor sagen, bis jemensch anderes flucht.“

Und dann ist auch schon Percy an der Reihe. Er fühlt sich, als hätte er bisher unter dem Deckmantel der Unbeliebtheit Schutz suchen können, und als würden jetzt, da er spielen muss, alle Blicke sich auf ihn richten und manche im Kreis würden erst jetzt bemerken, dass er überhaupt anwesend ist. Mit zittrigen Händen langt er nach vorne und zieht einen Holzquader aus dem Teil, der so weit oben wie erlaubt liegt, heraus. Er dreht ihn um und liest, wenn auch mit ein bisschen Stolpern: „Smitty Werbenjägermanjensen.“ Ein Chorus, leicht dissonant und nicht gleichmäßig genug, um kanonisch zu sein, ruft: „Er war die Nummer Eins!“

Dann starren ihn alle an, als er sich nicht bewegt, sondern nur wie ein Reh im Scheinwerferlicht zurückstarrt. Brevis räuspert sich und sagt: „Das bedeutet, dass Du einen Schluck trinken musst.“

Percy nickt überfordert, hebt seinen Becher und trinkt einen Schluck, bevor er den Stein zurücklegt und die Bühne für Brevis räumt, der sich beinahe vibrierend vor Aufregung nach vorne beugt und einen Stein aus dem Turm zieht. Dramatisch liest er vor: „Ich bin Groot.“ Seine Nase kräuselt sich und er wirft einen minimal aufgebrachten Blick in Richtung Augustus. „Das endet, wenn der Turm fällt, ja? Brevis will nicht den ganzen Abend in der dritten Person von sich sprechen.“ Augustus nickt mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen. Brevis schnaubt und legt den Stein oben auf.

Die Zielstrebigkeit und Selbstsicherheit, mit der Augustus nach einem Stein greift und die Worte darauf vorliest, findet Percy (ganz im Stillen und heimlich) beneidenswert.

„Die Verliebten Mönche“, sagt Augustus, bevor er zu Brevis herüberblick, heftig mit den Augenlidern klimpert und mit der zuckertriefendsten Stimme fortfährt: „Ich nehme Gabriel.“ Reflexartig schlägt Gabriel mit seinem Handrücken gegen Augustus‘ Brust und schreckt damit ein taumelndes Lachen aus Augustus heraus.

„Du willst mich nur betrunken sehen“, wirft Gabriel ihm spielerisch vor und Augustus erwidert: „Tja, und wenn es so ist? Was willst Du tun?“ Aber Gabriel erwidert nichts, sondern wartet ab, bis Augustus seinen Stein zurückgelegt hat, und zieht dann seinen eigenen heraus.

„Kassandra und Trojas Fall“, liest er vor, dann fragt er: „Oh, warte.“ Er hebt seine Hand und zeigt Augustus seine Handfläche, um ihm Einhalt zu gebieten. „Lass mich raten: Ich muss irgendwas im Spiel vorhersagen, was absolut unmöglich ist, und wenn es stimmt, muss ich irgendetwas furchtbar Peinliches tun.“

Augustus‘ Grinsen ist während Gabriels Worten immer breiter geworden und er antwortet: „Betrachtlich, Gabriel. Sag uns doch bitte, wer den Turm umwirft. Und wenn Du Recht hast, darfst Du die Endstrafe auf Dich nehmen.“

Endstrafe? Endstrafe?! Es war nie die Rede von einer Endstrafe! - Percy ist sich nicht sicher, aber er glaubt, er hat einen kleinen Aussetzer, weil er sich nicht daran erinnern kann, welchen Namen Gabriel genannt hat (Kenneth, gefolgt von empörten Ausrufen eben jenes Kenneths), wie er den Stein zurückgelegt und wie Katie einen neuen Stein gezogen hat.

„Hashtag Feminismus, ihr Ficker“, verkündet Katie, Amüsement in ihrer Stimme. Sie fragt: „Wie viele, Augustus?“ Und als Augustus ihr die Zahl fünf nennt, zählt sie, ohne mit der Wimper zu zucken, auf: „Jeanne d’Arc, Marie Curie, Harper Lee, Frieda Kahlo, Judith Butler.“ Dann legt sie den Stein zurück.

Als nächstes ist Alicia an der Reihe, womit beinahe das Ende ihres ersten Durchganges erreicht wäre. Sie zieht einen Holzquader aus dem unteren Teil, weil sie anscheinend besonders risikofreudig ist, und liest vor: „Paranoia.“

„Katie muss Alicia eine Frage zuflüstern, die Alicia laut beantworten muss“, erklärt Augustus pflichtgetreu. „Dann muss Katie eine Münze werfen. Bei Kopf wird die Frage laut aufgeklärt, bei Zahl müssen wir alle akzeptieren, dass nur Alicia und Katie wissen, was sie miteinander besprochen haben.“ Er tippt seine Fingerspitzen verschwörerisch aneinander. „Spannend.“

Katie überlegt einen Moment, dann beugt sie sich zu Alicia, deren Hand sie noch immer in ihrer hält, und flüstert ihr leise ins Ohr. Alicia bellt ein Geräusch aus, das verdächtig nach einem Lachen klingt, dann sagt sie mit fester Stimme: „Robert. Eindeutig Robert.“

Blicke werden zwischen Alicia und Robert hin- und hergeworfen, aber die Münze, die Brevis aus seiner Hosentasche herausgekramt hat, verbietet Katie und Alicia, die Frage zu offenbaren. (Percy ist so froh, dass er nicht an Roberts Stelle ist. Er könnte nicht damit umgehen, seinen Namen als Antwort geliefert zu bekommen auf eine Frage, die er nicht kennt. Seine Nervosität und Unruhe würden ins Unermessliche steigen.)

Und dann ist Oliver wieder dran, der erste Durchgang beendet. Seine Fingerspitzen friemeln einen Stein aus dem Turm und er liest: „Wie stehen die Chancen?“

In einer wortlosen Geste zeigt Augustus auf Robert und dann auf Kenneth, der sein Handy aus der Hosentasche zieht.

„Wie stehen die Chancen, dass Du Percy mit ins Badezimmer nimmst und ihr sieben Minuten im Himmel verbringt?“, fragt Robert und Oliver erwidert: „Eins aus zehn?“ Kenneths Finger schweben einen Moment überlegend über der Tastatur, dann tippt er und Oliver sagt: „Acht.“

Dann dreht Kenneth das Display in die Runde und präsentiert die Acht, die er vor Olivers Aussage in seine Notizen-App getippt hat. Ein anrüchiges Ohh geht durch die Runde, während sich Percys Ohren rot färben und seine Wangen anfangen zu glühen. (Er hat von Sieben Minuten im Himmel gehört, okay, er kennt die Implikationen des Spiels und er ist nicht sehr erpicht darauf, teil an etwas zu haben, das so offensichtlich darauf ausgelegt ist, mindestens einen von ihnen zu demütigen. Und wie es aussieht, ist es Oliver, der hier gedemütigt werden soll, indem er dazu gezwungen wird, mit Percy sieben Minuten auf engstem Raum zu verbringen.)

Aber Oliver sieht nicht aus, als würde er irgendetwas Falsches an der Situation erkennen, als er aufsteht und Percy seine Hand über den Jenga-Turm hinweg entgegenstreckt. Ihm ist nicht ganz klar warum, aber er ergreift die Hand und lässt sich von Oliver auf die Beine ziehen. Eine weitere Welle von anrüchigen Ohhs bahnt sich laolawellenmäßig ihren Weg durch die anderen Teilnehmenden, während Percy um den Turm herumgeht und dann Oliver zu der Tür folgt, die von seinem Zimmer in das angrenzende Badezimmer führt.

Oliver klopft an der Tür, um sich zu vergewissern, dass keiner der anderen Gäste der Feier im Zimmer ist, der vielleicht vergessen haben könnte, die Tür hinter sich zu verschließen, dann zieht er Percy mit nach drinnen und lässt die Tür achtlos ins Schloss fallen. Und währenddessen hat er nicht für eine Sekunde den festen Griff um Percys Hand gelöst.

„Es tut mir leid“, stößt Percy hektisch aus, während er Olivers Hand loslässt und Oliver „Sorry dafür“ sagt. Sie starren sich ein paar Sekunden nur an, bis Oliver ein sanftes Lachen über die Lippen bringt und Percy somit aus seiner Schockstarre befreit. Oliver fragt: „Wofür entschuldigst Du Dich?“

„Dafür, dass Du“, beginnt Percy, dann räuspert er sich verlegen, bevor er sich dazu überreden kann, weiterzusprechen, „mit mir hier sein musst. Du würdest vermutlich lieber mit einer anderen Person sieben Minuten“, Missbilligung schleicht sich in seine Worte, „im Himmel verbringen.“

„Wie kommst Du denn darauf?“, fragt Oliver weiter, statt seinerseits zu erklären, wofür er sich entschuldigt hat. Die Finger von Percys rechter Hand, die eben noch in Olivers gelegen hat, finden ihren Weg zum Knopf an seinem linken Ärmel, den er daraufhin wiederholt aus dem Loch heraus- und wieder hineinschiebt. Dann sagt er nüchtern, obwohl sein Inneres wie verzweifelt gegen seine Rippen presst: „Wir kennen uns schließlich nicht wirklich.“

Das Bedürfnis, Olivers bohrendem Blick auszuweichen, ist groß, aber Percy widersteht ihm so gut es geht, bis Oliver das Schweigen zwischen ihnen bricht: „Ich find Dich süß.“ Peinlich berührt wendet Percy seinen Blick ab, der offene Knopf an seinem Hemdsärmel vergessen, die Wangen noch heißer als zuvor und sein Inneres krampfend, als säße er in einer Abschlussprüfung, für die er nicht gelernt hat. Als er den Mund öffnet, um Was? zu fragen, kommt kein Ton heraus und Oliver nimmt die Situation erneut in seine Hand: „Ich meine, ich hab kein Problem damit, mit Dir hier zu sein. Und, wenn ich ehrlich bin, hast Du die volle Entscheidungsgewalt, was wir die nächsten“, er schaut auf sein Handy, „sechs Minuten tun.“ Er schenkt Percy ein ermutigendes Lächeln. „Wenn Du willst, können wir uns einfach hinsetzen und uns unterhalten. Oder wenn Du darauf keine Lust hast, können wir schweigen.“ Dann hält er inne, als wäre er sich nicht sicher, ob er weitersprechen sollte. Anscheinend kommt er zu einem Ergebnis, denn er fährt, wenn auch etwas leiser und unsicherer, fort: „Aber ich hätte auch kein Problem damit, Dich sechs Minuten lang zu küssen.“

Für einen Moment sagt Percy nichts, weil die Gedanken in seinem Kopf sich so schnell auf ihrem Karussell drehen, dass er keine Chance hat, einen davon zu greifen und sich damit auseinanderzusetzen. Es hat ihm noch nie ein Mensch gesagt, dass er ihn gern küssen würde; schon gar nicht ein Mensch, der so gutaussehend und beliebt ist wie Oliver, der vermutlich genug andere Möglichkeiten hätte, zu küssen, aber trotzdem nicht abgeneigt ist. (Es ist kein enthusiastischer Konsens, aber Percy ist sich auch nicht sicher, dass er selbst in irgendeiner Weise enthusiastisch einwilligen könnte, weil er so nervös ist und sein Zwerchfell praktisch unter seinem Brustkorb vibriert.)

Ein Teil von ihm möchte Nein sagen, weil … weil? Ja, warum eigentlich? Es sind nur noch sechs Monate bis zu ihrem Abschluss und bis Percy keinen Menschen aus seiner Klasse je wiedersehen muss. (Klassentreffen sind für Leute, die gerne in Erinnerungen schwelgen und sich profilieren wollen vor Personen, die früher besser dastanden als sie. Er hat nicht vor, auf die zukünftigen Klassentreffen zu gehen. Sein Bedürfnis nach der Abschlussfeier ist schon gering genug.) Und was ist, wenn das seine letzte Chance ist? Oliver ist nett, außergewöhnlich nett sogar, er ist nüchtern und wenn Percy ehrlich ist, dann hat er schon öfter mit dem Gedanken gespielt, dass Oliver mehr als nur ein bisschen küssbar aussieht.

Percy atmet einmal durch, tief und bis runter in den Bauch, sodass sein Zwerchfell spannt. Dann sagt er: „Okay.“

Oliver blinzelt. Perplex vermutlich.

„Also, nicht um mir meine eigenen Chancen zu ruinieren“, sagt Oliver nach ein, zwei, sechs Wimpernschlägen, „aber ich möchte das nicht tun, wenn Du betrunken bist. Ich will keine Situation ausnutzen, in der Du nicht vollkommen einwilligen kannst, nur um Schindluder zu treiben.“

In Ähnlichkeit einer Grimasse zeigt Percy seine Zähne, bis er sich eines Besseren besinnt und mit einem neutraleren Gesichtsausdruck gesteht: „Ich hab nur Soda getrunken.“

Verschwörerisch lächelnd verringert Oliver den Abstand zwischen ihnen mit einem halben Schritt in Percys Richtung, während er selbstzufrieden entgegnet: „Ich auch.“ Und dann ist da plötzlich gar kein Abstand mehr, Percy ist das Gänsehaut-Heftchen zwischen der Badezimmertür und Olivers Körper, Encyclopædia Britannica-Konstanten, die ihn aufrechthalten im Angesicht der Nervosität, die sich den Weg aus seiner Magengegend freischaufeln möchte und wild gegen seine Rippen hämmert.

Olivers Lippen sind trocken, Gott sei Dank, und wider Erwarten hat Percy nicht sofort eine Zunge in seinem Mund, obwohl er davon überzeugt gewesen ist, dass Küsse so ablaufen müssen. Eine beteiligte Partei öffnet den Mund, die andere macht, nun, irgendwas mit der Zunge, Zähne abtasten und Zunge berühren und viel Speichelaustausch, was Percy ehrlich gesagt abschreckend findet. (Vielleicht hat er deswegen nie allzu viel über Küsserei nachgedacht, weil der hypothetische Gedanke, einem anderen Menschen so nah zu sein, zwar warme Gefühle in seiner Magengegend heraufbeschworen hat, aber jeder tiefergehende Gedanke an die physischen Abläufe eines tatsächlichen Kusses ihn auf unerklärliche Weise abgestoßen hat. Küsse in Büchern klingen chaotisch und nass und wie ein großer mundvoll an fremden Teilen in seinem Körper, die er dort gar nicht haben möchte.)

Letztendlich ist alles an dieser Situation so ganz anders als Percy es sich in seinen wagemutigsten Träumen vorgestellt hat. Olivers linke Hand legt sich sanft auf Percys Wange und die andere auf seinen Rücken, die Handballen federleicht auf seiner Taille aufliegend, gerade so als wollten sie Walzertanzen und sich unter den Augen hunderter Fremder im Dreivierteltakt um sich selbst drehen. Was er mit seinen eigenen Händen tun soll, ist Percy ein wenig ein Rätsel, weil er immer noch zu verarbeiten versucht, dass Oliver Woods Lippen auf seinen liegen, leicht geöffnet, aber gar nicht hektisch oder fordernd. Also, denkt sich Percy, kann er sich vermutlich ebenso viel Zeit nehmen, wie Oliver ihm einzuräumen scheint.

Seine linke Hand landet auf Olivers Oberarm und sein rechter Unterarm in Olivers Nacken, aber noch zieht er ihn nicht näher. Stattdessen legte er die rechte Hand auf die Schulter, die zum Oberarm gehört, den er bereits umfasst hält. Es ist seltsam, Percy hat noch nie auf dieser Seite des Walzers gestanden, aber er fühlt sich nicht weniger in Kontrolle als sonst.

Percys Lippen teilen sich ein wenig, als Oliver sich ein bisschen zurückzieht und mit schräger gelegtem Kopf wieder näherkommt.

Es bleiben Küsse mit geschlossenem Mund, ruhig und rücksichtsvoll und behaglich, auch wenn Olivers Zähne manchmal Percys Unterlippe streifen und Percy das Gefühl hat, Oliver konstant in die Nase zu atmen, was nicht so angenehm sein kann, auch wenn Oliver sich nichts anmerken lässt.

Vermutlich sind gerade erst zweieinhalb oder drei Minuten vergangen, aber Percy reißt sich dennoch von Olivers Lippen los, weil ihm nun erst klarzuwerden scheint, was Oliver vorher eigentlich gesagt hat.

„Du findest mich süß?“, fragt Percy atemlos, während Oliver weitere Küsse auf seinem Kiefer und an der weichen Stelle unter seinem Ohr verteilt und sich Hitze ihren Weg auf Percys Gesicht bahnt. An der Art und Weise, wie Oliver innehält und kalte Spuren auf Percys Haut hinterlässt, weil er überrascht die Luft einzieht, glaubt Percy zu erkennen, dass Oliver nicht damit gerechnet hat, noch einmal darauf angesprochen zu werden. Wahrscheinlich war es nur ein dahingesagter Spruch, den Percy sich nicht zu Herzen nehmen sollte, weil er schließlich auch nicht von Herzen gekommen ist.

Womit Percy nicht rechnet, ist das zuerst zögerliche Nicken an seinem Nacken, das schnell bestimmter wird. Oliver sagt: „Sehr süß sogar.“ Dann haucht er weitere Küsse auf Percys Haut, sich den Umstand zunutze machend, dass Percy größer ist als er und er sich nicht nach unten beugen muss, um Percys Halsschlagader zu erreichen.

„Du hast nie etwas gesagt“, wirft Percy ein, aber er dreht seinen Kopf zur Seite, um Oliver mehr Platz zu bieten. Dessen Wangenknochen stößt gegen Percys Hemdkragen und Percy denkt sich, vielleicht wäre es in Ordnung, den obersten Knopf aufzumachen. Nur den obersten, damit Oliver sich etwas wohler fühlen kann.

Der warme Atem an seiner Haut lenkt Percy fast von den federleichten Berührungen von Olivers Lippen ab, als der antwortet: „Ich bin schüchtern.“

„Du bist nicht schüchtern“, erwidert Percy, während ein atemloses Lachen seine Lunge füllt und seine Zunge träge macht. Langsam wallt in ihm die Angst auf, dass das hier doch nur ein riesiger Scherz ist, auf den er sich in Unwissen eingelassen hat, und dass Oliver sich später köstlich über ihn amüsieren wird, während das hier für immer Percys Erinnerung an seinen allerersten Kuss sein wird.

Oliver hält inne, als wolle er Percys Lachen in sich aufnehmen und ganz nah an seinem Herzen tragen, dann sagt er so voller Ernst „schöne Jungs machen mich immer schüchtern“, dass Percy gar nicht anders kann, als ihm Glauben zu schenken.

(Er glaubt nicht plötzlich, dass er schön ist oder Anziehungskraft und Charme besitzt, das wäre Unsinn, aber er glaubt, dass Oliver zumindest momentan so fehlgeleitet in seinem Geschmack ist, dass er tatsächlich und wahrhaftig denkt, Percy könnte eine viable Option für eine Knutscherei im Badezimmer sein. Ein nicht sehr wahrscheinliches, aber zumindest nicht unmögliches Szenario - denn sie befinden sich ja gerade mittendrin.)

„Dir passiert so etwas also öfter“, stellt Percy mit neckischem Schalk fest, während Oliver sich seinen Weg zurück zu Percys Lippen bahnt.

„Oh, ja, definitiv.“ Olivers lächelnder Mund presst Küsse auf Percys Mundwinkel. „Jeden Geburtstag muss ich mich in meinem Zimmer einsperren, während meine Mutter etwaige Freier mit einem Besenstiel davon abhält, in unsere Wohnung zu kommen, damit ich nicht in die prekäre Lage komme, schöne Jungs küssen zu müssen, die ich sonst niemals ansprechen würde.“

„Du hättest mich ansprechen können“, versucht Percy das Gespräch wieder zurückzusteuern. „Warum hast Du es nicht getan?“

„Wenn ich ehrlich bin“, beginnt Oliver, nachdem er Percy einen Kuss neben den linken Nasenflügel gedrückt hat, „hast Du mich einfach eingeschüchtert. Du hast immer so wütend ausgesehen, wenn Du an mir vorbeigelaufen bist.“

Percy runzelt die Stirn, während er vorsichtig (und ein wenig apologetisch) entgegnet: „Du bist mir nicht aufgefallen.“

Ein melodramatisch verletztes Geräusch stiehlt sich aus Olivers Mund, der immer noch dabei ist, die federleichtesten Küsse auf Percy zu verteilen. Dann klagt er zwischen zwei, drei weiteren Berührungen: „Weh mir! Und bis eben dachte ich, dass sich die Köpfe in den Fluren nach mir umgedreht hätten.“

Oliver holt tief Luft, unweigerlich um sein Lamento wieder aufleben zu lassen, aber Percy denkt, dass sie nur noch eine Minute oder vielleicht zwei haben, bevor sie zurück auf die Party gehen müssen; und dass er die mit Sicherheit nicht damit verbringen will, sich anzuhören, dass Oliver denkt, dass er heißer ist als geschnitten Brot. Also beugt er sich nach vorne und erstickt Olivers Worte im Keim, indem er seine Lippen mit seinen eigenen verschließt.

Tatsächlich sind es noch hundertvierunddreißig Sekunden gewesen, und Oliver wäre nicht Oliver, wenn er einfach akzeptieren würde, was ihm von der Gegenspielpartei vorgelegt wird. Die Finger, die bis eben noch sanft und locker auf Percys Rücken geruht haben, die Spitzen auf dem Schulterblatt aufliegend, spreizen sich und Percy wird näher an Oliver herangezogen.

„Du bist wirklich schön, weißt Du“, flüstert Oliver zwischen zwei Küssen, während Percy versucht, sein rennendes Herz zu beruhigen, weil das hier schließlich nur Oliver Wood ist, für den Percy schon immer ein bisschen geschwärmt hat, auch wenn er sich immer und immer wieder aktiv versucht, davon abzubringen, oder es zumindest versucht zu leugnen. (Oliver ist unerreichbar, okay, er ist so furchtbar nett und so schrecklich ehrgeizig und er ist so unfassbar schön auf seine Fußballspielerart, was Percy normalerweise abschrecken würde, aber irgendwie trotzdem immer wieder seinen Blick anzieht. Oliver hat einen regen Freundeskreis und er ist clever, auch wenn seine Noten nicht von allzu viel Lernzeit sprechen. Oliver ist hilfsbereit und gestikuliert in ausholenden Bewegungen, wenn er über die Dinge spricht, die er liebt, und er lässt sich, scheint’s, nie darin beirren, dass er Oliver Wood ist, dessen Interessen nicht von jedem Menschen geteilt werden, aber dem jeder gerne zuhört, weil sein Enthusiasmus ansteckt und sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Oliver ist so viel, das Percy gerne wäre oder in seinem Leben ganz nah an sich hätte. Oliver birgt Multituden, eine Vielfalt an Vielfältigkeiten, eine Mannigfaltigkeit an Splitterpuzzlestücken, die Percy in die Finger piksen und seine Haut aufritzen, wenn er versucht, sie zu greifen und Ordnung in sie zu bringen, weswegen ihm nur ein Meer aus reflektierenden Oliverteilchen bleibt, vor dem er sich hilflos und verloren fühlt.) „Ich kann nicht glauben, dass Du tatsächlich hier bist.“

Und das ist noch so eine Sache, nicht wahr? Dass Percy sich nicht nur von seiner Mutter hat überreden lassen, auf eine waschechte Feier zu gehen und dass Gabriel ihn in ein Party-Spiel involviert hat, als wäre Percy sang- und klanglos Teil ihrer Gruppe, sondern auch dass er jetzt mit Oliver hier steht und sich, in Ermangelung einer besseren Formulierung, den Verstand aus dem Kopf küssen lässt … Percy kann es auch nicht glauben, und er ist wortwörtlich Hauptfigur in diesem seltsamen Drama. (Percy möchte auf die letzte Seite vorblättern, will nachsehen, ob er sich in einer Tragödie oder einer Komödie befindet, ob er den Mut besitzt, Oliver ebenso leise zuzuflüstern, dass Oliver wirklich schön ist und dass Percy nicht glauben kann, dass sie tatsächlich hier sind, oder ob ihm sein Herz in abertausend Oliverteilchen gebrochen wird. - Er möchte nur einen kleinen Blick hinter die Kulissen werfen oder ins Drehbuch auf die Regieanweisung. Weil er von sich aus nicht weiß, wie weiter zu verfahren sein müsste.)

„Du hast die perfekte Größe“, stellt Oliver plötzlich fest, als seine Finger sich in Percys Haaransatz im Nacken graben, um ihn noch näher zu ziehen, und bringt Percy unerwartet zum Lachen.

„Du meinst, weil ich im Gegensatz zu Dir tatsächlich die Größe eines Fußballspielers habe?“, hakt Percy ein wenig atemlos nach, bevor er feststellt, dass sich irgendwann seine Hände an die Handgelenke von Oliver verirrt haben und diese lose umfasst halten und er gerade wohl Olivers Versuch, ihn zu komplimentieren, komplett abgeschossen hat.

Oliver lehnt seine Stirn gegen Percys, leises Lachen in Stößen über seine Lippen stolpernd, und erwidert: „Ich meine, autsch, aber eigentlich eher, weil ich das sonst nicht machen könnte.“ Und dann zieht er Percys Lippen wieder zu seinen, bevor der auch nur daran denken kann, zu sagen, dass gerade einmal zwölf Prozent der europäischen Fußballspieler unter einem Meter fünfundsiebzig sind, woraufhin Oliver ihm mit einem Augenrollen erklärt hätte, dass er genau einen Meter fünfundsiebzig ist, bitte Dankeschön. Und Percy hätte vielleicht Frosch wie Kröte gesagt, weil ihm egal ist, wie groß Oliver eigentlich genau ist, weil nur wichtig ist, wie Oliver sich ein bisschen auf seine Ballen stellen muss, damit er seinen Kopf nicht zu sehr in den Nacken legen muss, um Percy bequem küssen zu können.

Noch dreiundsiebzig Sekunden im Himmel. (Nicht, dass einer von ihnen auf die Uhr sehen würde. Nicht, dass einer von ihnen gerade noch daran denken würde, dass sie nur eine einzige Tür von Olivers Geburtstagsfeier trennt, auf die sie gleich zurückkehren müssen. Nicht, dass einer von ihnen auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwenden würde, was nach diesen dreiundsiebzig Sekunden geschehen wird.)

1 Der Autor möchte an dieser Stelle festhalten, dass die Wendung vorhersehbar gewesen wäre, hätte Percy um den Umstand gewusst, dass Brevis Teil der heimeigenen Schulmannschaft ist und damit als „Sportler“ gilt. [ return to text ]

vi.

Chaos ist ein fester Bestandteil von Roger Davies, bei Gott, Percy wünschte wirklich, es wäre anders. Seit er das Zimmer mit Roger teilt, hat Percy Kontakt zu Leuten, mit denen er sonst niemals verkehren würde (Oliver Wood), er hat keinen geregelten Tagesablauf mehr dank der tausendundein Menschen, die jeden Tag ein- und ausgehen in ihrem Zimmer (Jarrett, Eddie Carmichael, Suzie Fawcett, Penelope Clearwater und so viele, so viele mehr), und er wird inzwischen sogar Nacht um Nacht um seinen Schlaf gebracht (Roger, der auf der anderen Seite des Zimmers um halb drei morgens Skype-Gespräche führt mit Menschen auf der anderen Seite der Welt. Roger, der Filme schaut und Musik hört und unbemerkt von sich selbst mitsingt. Roger, der nicht schlafen kann und auf leisen Sohlen zu Percys Bett schleicht und Percys Namen flüstert, bis Percy seine Decke anhebt und zur Seite rutscht.)

„Percy?“, flüstert Roger, der nicht schlafen kann und auf leisen Sohlen zu Percys Bett geschlichen ist und nun darauf wartet, dass Percy seine Decke anhebt und zur Seite rutscht. „Ich kann nicht schlafen, Percy.“

„Du bist unerträglich aufdringlich, seit Du weißt, dass ich Oliver kenne“, murmelt Percy erschöpft, weil er im Gegensatz zu anderen Personen im Raum tatsächlich seinen Schlaf benötigt, aber er hebt trotzdem pflichtbewusst seine Decke und spürt kurze Zeit später, wie Roger sich zuerst auf seine Bettkante setzt und dann die Beine nach oben schwingt, bevor er unter Percys Decke verschwindet.

Leise sagt Roger in die Dunkelheit: „Nein, es ist, weil Du nicht mehr so unnahbar wirkst.“ Roger presst seine warmen Füße an Percys Knöchel, die im Vergleich auch Eiszapfen sein könnten.

„Warum kannst Du nicht schlafen?“, fragt Percy, weil er sich nicht so genau damit auseinandersetzen will, warum Roger ihn für unnahbar hält.

„Okay, das klingt vielleicht seltsam, jetzt“, antwortet Roger nach einem zögernden Moment, „aber Cedric ist schon viel zu lange weg. Es ist erst eine Woche, aber es kommt mir so ewig vor.“ Die linke Hand, die Roger dafür benutzt hat, an der Bettdecke herumzunesteln und sie in die richtige Position zu zupfen, beginnt abwesend, auf Percys Oberarm ein Muster zu malen. „Ich hab kein Schmetterlingsherz, weißt Du, es flattert nicht bei jedem. Oliver versteht das manchmal nicht.“ Es sind Blumen, vereinfacht und schematisiert wie der Versuch, Ideen zu bannen. „Aber bei Cedric, da flattert es, verstehst Du?“ Roger seufzt. „Und dann postet er ein Bild heute von sich und seiner besten Freundin. Und mein Herz, mein verdammt vereinnahmtes Herz, hat Sehnsucht. Das ist peinlich, oder?“

Percy möchte sagen, dass es das nicht ist, aber sein eigenes Herz sehnt sich auch so sehr, und wie oft hat er sich selbst gescholten, dass es sich absolut blamabel aufführt.

„Das ist es wohl“, sagt er also laut. (Nicht zu laut, weil er die Dunkelheit nicht stören möchte.)

„Gib mir Deine Hand“, erwidert Roger und bevor Percy sich davon abhalten kann, gräbt er seine Hand aus den Tiefen seiner Decke heraus und umfasst Rogers, als wäre es ein Überlebensbedürfnis, zu tun, worum Roger ihn bittet. Als er seine eigenen Finger um Percys Hand gelegt hat, fährt Roger fort: „Viele verstehen das nicht, dass ich Cedric mag und Oliver und irgendwie auch Dich. Dass ich keine Hierarchisierung betreibe, von wen mag ich mehr und wen am liebsten. Ich sehe keinen Grund, Entscheidungen zu treffen, die nicht sein müssen.“

Und dann sagt Percy etwas, das zwar wahr, aber auch absolut kitschig ist, aber das die Müdigkeit über seine Lippen bringt, als wäre er eine Art Keats: „Du vergesellschaftest Dein Herz.“

Es bringt Roger zum Lachen, die Schultern bebend und leises Schnauben gegen Percys Halsschlagader. (Und vielleicht hat Percy damit doch mehr getan, als er selbst erwartet hätte.)

„So könnte es bezeichnet werden“, atmet Roger irgendwie zwischen seine kleinen Lachsalven. „Auch wenn ich mich selbst nicht als Vergesellschafter sehen möchte.“ Percy versteht die Haarspalterei nicht. Vergesellschafter, Vergemeinschafter, Kommunist, Entprivatisierer, Enteigner - wie Roger sich auch nennen möchte, es ändert nichts an seiner Natur als Botschafter der Expropriation. Die philosophisch-ideologischen Nuancen, die Roger vielleicht erfühlen kann, sind Perlen, die an Percy als Sau verschwendet sind.

„Cedric ist warm und weich und Balsam für meine Seele“, sagt Roger plötzlich. „Und Oliver bricht in Bruderschaften ein mit mir, er schubst mich beim Fußball und rückt mir den Kopf zurecht. Und mit Jarrett kann ich feiern gehen, ich kann Glitzer auf den Sofas fremder Wohnung verteilen.“

Der Druck, den Rogers Hand auf Percys ausübt, ist fast so stark wie der Wunsch, zu fragen, was Roger in Percy sieht. Welch rosarote Worte Roger finden könnte, um Percy in ein Licht zu rücken, das Percy vielleicht für den Moment (einen einzigen Moment) glauben machen könnte, dass Percy die sanften Berührungen wert ist, die Roger ihm zuteilwerden lässt.

„Ich halte Freundschaften nah an meinem Herzen“, sagt Roger und zieht Percys Aufmerksamkeit wieder auf sich, „und jede andere Art von Beziehung auch.“

„Du könntest bei Oliver sein“, erwidert Percy, weil er nicht weiß, was er sonst sagen soll. Weil er nicht so gut mit emotionalen Ausbrüchen umgehen kann, weder seinen eigenen noch denen von anderen.

„Ich bin hier, weil ich hier sein will“, antwortet Roger. Der Griff um Percys Hand lockert sich ein wenig und Roger zeichnet mit seinem Daumen neue Blumen. „Neben Dir schlaf ich am liebsten.“

Das sollte Percy nicht so warm ums Herz werden lassen, nicht wahr? Eine weitere Peinlichkeit, die sich zu all den anderen Unannehmlichkeiten gesellt. Aber es ist etwas Besonderes, oder nicht? Dass Cedric Balsam für die Seele ist und Oliver Kopfzurechtrücker, aber Percy derjenige ist, zu dem Roger sich legen möchte. Als würde Percy ihm Ruhe verschaffen. Als wäre Percy kein Trostpreis, keine Teilnehmendenurkunde, sondern ein warmer, milder Herbsttag nach zweiwöchigen Stürmen; eine letzte Gelegenheit, die Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren, bevor der Winter hereinbricht; ein kleiner Augenblick Friede.

„Warum versteht Oliver das nicht?“, rudert Percy zurück, um das Thema zu wechseln, teils um von seiner eigenen Unbehaglichkeit, mit so viel Nähe konfrontiert zu werden, abzulenken und teils um zu verstehen, wie Roger irgendetwas an Oliver gefunden haben kann, das nicht außergewöhnlich und gut ist. „Das mit dem Schmetterlingsherzen und dem Flattern.“ Er zögert, weil er nicht so wirklich verstanden hat, was Roger ihm da vorher erzählt hat; dass er doch sieht, wie Roger mit all diesen Menschen umgeht, als schlüge sein Herz nur für sie, obwohl er doch mit Oliver zusammen ist und die beiden ein so gutes Paar abgeben, dass es schon fast an Lächerlichkeit grenzt.

Roger seufzt, brunnentief bis auf seine Knochen, dann scheint er Sätze in seinem Mund hin- und herzuschieben, aber nicht die richtigen zu finden. Er sagt: „Es ist wie … ach, okay, in Ordnung, wenn wir davon ausgehen, dass … nehmen wir an … okay, wenn mein Herz ein Stück Land wäre, dann dürfte jeder Mensch darauf leben. Es gibt Häuser, die aneinander angrenzen oder ihren Garten teilen, und wenn nicht das richtige dabei ist, dann wird ein neues gebaut.“ Er hält inne, plustert frustriert die Backen auf. „Nein, das ist ganz schlecht. Das ist viel zu kommunistisch.“

Percy lässt ihm die Zeit, seine Gedanken zu sammeln, aber er hätte auch nicht mehr beizutragen gehabt, als Roger verwirrt zu fragen, was er damit eigentlich meint.

„Okay, also. Das Ding ist: Ich mag Menschen. Und ich glaube, ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass Menschen mich auch mögen, ja?“ Roger wartet nicht auf eine Bestätigung. „Und ich weiß, ich fühle mich oft zu Menschen hingezogen, aber, was Oliver dabei nicht versteht, ist, dass es meistens nicht romantisch ist. Oder ich zumindest denke, dass es nicht romantisch ist. Ich sehe diese Person an und ich habe diesen Drang, mit ihr befreundet zu sein. Oder ich lerne diesen Menschen kennen und ich kann nicht aufhören, daran zu denken, wie unfassbar schön er ist. Und Oliver, er denkt, ich verliebe mich an jeder Ecke in ein lächelndes Gesicht oder eine hilfsbereite Hand. Aber das, das stimmt so nicht.“

Wieder hält Roger inne, ein wenig frustriert mit sich selbst, oder vielleicht auch mit Oliver und mit diesem Bild von sich, gegen das er sich stemmen muss.

„Oliver ist so ein Alles Oder Nichts-Typ, denke ich“, fährt Roger schließlich fort. „Ich denke, dass Oliver mehr denkt, dass wir exklusiv sein müssen, als dass er tatsächlich exklusiv sein will. Verstehst Du? Oliver hat diese Aktenschränke in seinem Herzen und jeder von denen hat seine eigene Farbe, hat sein eigenes Label, hat seine eigene Gedankenblase an Was muss und Darf nicht. Und ich sitze hier in meinem Zettelhaufen, der viel zu groß ist und immer, wenn ich ihn sortieren möchte, vom Wind durcheinandergebracht wird, und ich weiß nicht, was ich mit all den halbgaren Notizen und Stichworten anfangen soll.“

Rogers Atem trifft schwer auf Percys Halsschlagader und Percy ist so unendlich froh, dass er nicht in Rogers Gesicht sehen kann und Roger nicht in seins, weil Percy nicht wüsste, welchen Gesichtsausdruck er auflegen müsste, um zu vermitteln, was die richtige Reaktion auf Rogers Wasserwortfall wäre. (Er weiß nicht, welche Mine er jetzt gerade zieht, aber er spürt die Anspannung zwischen seinen Augenbrauen und um seinen Mund.)

„Vielleicht liegt es daran, dass ich Dich so wenig kenne“, hängt Roger dann hintenan, als Percy noch immer nichts erwidert, „aber es ist anders mit Dir. Vielleicht bist Du auch ein Aktenbeschrifter und Gefühlesortierer, aber Du fühlst Dich an wie ein Stichwortinterpret, ein Notizennovize wie ich.“

Und das ist es, realisiert Percy, Roger denkt doch tatsächlich, Percy sei wie er. Dass sie dieselben seltsamen Überzeugungen teilen und Percy am Ende noch mit Roger in die Container großer Supermarktketten klettert, um Müll zu durchwühlen und Essen zu finden. Aber Percy ist nicht so, wie Roger sich das vorstellt. Percy hat Aktenschränke und verschiedenfarbige Ettiketiermaschinenbänder, in Kapitälchen beschriftete Registerkarten und Büroklammern en masse. (Aber Percy hat auch Zettel und Blätter und Post-Its voller Silben und halber Wörter, gespickt mit Satzzeichen und Präpositionen, die Percy nicht in Ordnung bringen kann. Seine Versuche, zu sortieren, zu beschriften und in Relation zu setzen, scheitern. Aber das kann er nicht laut sagen, das kann er nicht zugeben, weil Roger nicht wissen darf, dass Percys Kopf und sein Herz nicht aussehen wie sein Schreibtisch.)

(Weil Roger dann auch herausfinden könnte, dass Percy auch keine hierarchischen Strukturen in seinem Herz finden kann, egal, wie sehr er versucht, sie zu erzwingen. Dass er kein Label auf das kleben kann, was er für Roger empfindet, weil es warm und angenehm und voller peinlicher Flatterigkeit ist, aber so ganz anders als das, was ihn dazu gebracht hat, Oliver zu küssen und zu küssen für fünf volle Minuten. Mag er Roger wie einen Freund, weil Roger sich verhält wie ein Freund, oder kommt all das Flattern seines Herzens von der Tatsache, dass Roger so schön ist, dass Percy manchmal seinen Blick abwenden muss, oder sind Percy platonische Zuneigungsbekundungen so fremd, dass er gar nicht anders kann, als Gefühle für Roger zu entwickeln, die er in weniger glanzvollen Stunden vielleicht als Schwärmerei bezeichnen würde.)

„Weißt Du“, sagt Roger in die Stille hinein, ein sanftes Lächeln in der Stimme, das Percy sofort vor Augen hat, „es ist wirklich unehrenhaft, wie kläglich ich dabei scheitere, meine eigene Anziehung in Worte zu fassen. Es fühlt sich ein bisschen an, als würde ich mich selbst nicht kennen. Als wäre alles in mir ein bisschen Chaos, dass ich nur fassen kann, wenn ich nach Details greife. Aber das volle Bild? Das kann ich einfach nicht erkennen.“

Vielleicht ist das Chaos, das Roger in Percys Leben bringt, nur die überschüssige Unordnung, die aus seinen Poren tropft, weil sein Körper keine weiteren Unsicherheiten und Wankelmütigkeiten mehr beherbergen kann. (Und es ist nicht Percys Aufgabe, und vermutlich ist es auch ein absolutes Ding der Unmöglichkeit, aber Percy wird den Wunsch nicht los, mit akribischer Genauigkeit in Rogers Leben zu wühlen, bis er Rogers Gefühle besser versteht als seine eigenen. Weil er eventuell, wenn er Roger klassifizieren und einordnen kann, die gleichen Messwerte an all die Unordnung in seinem Kopf anwenden kann.)

ii.

Freunde. Wenn Percy sich weit aus dem Fenster lehnen würde, und bei allem, was ihm heilig ist, einmal möchte Percy sich aus dem Fenster lehnen, auch wenn er droht herauszufallen: Oliver und er sind Freunde. (Kameraden. Mehr oder minder gute Bekannte.) Es ist keine geradlinige Konklusion, das muss Percy zugeben, es setzt sich aus singulären Momenten zusammen, die sich in Registern zu einer Vignette ihrer Beziehung zusammenschließen. Was war und was ist verschmilzt zu einer unauflöslichen Einheit und sorgt für einen Stillstand der Zeit.

Szene 1 (Register 1, links)

Percy ist fünf Jahre alt und Oliver Wood ist der schlimmste Mensch, den er jemals kennengelernt hat. Natürlich, seien wir ehrlich, er hat nicht viele Menschen kennengelernt bisher in seinem kurzen Leben, aber gemessen an seinen jüngeren und seinen älteren Geschwistern und den Nachbarskindern und Klassenkamerad*innen, die mit denen rumhängen, glaubt Percy mit Fug und Recht behaupten zu können, dass Oliver vielleicht sogar der schlimmste Mensch auf dem Planeten ist.

Denn es ist nun einmal so: Percy muss sich auf seine Noten konzentrieren, er muss auf dieselbe weiterführende Schule kommen wie Bill, er darf sich vor Charlie nicht blamieren, er muss Fred und George ein gutes Vorbild sein. Die Lehrkräfte kennen seinen Namen, während er versucht, nicht dabei aufzufallen, dass er ihn schon selbst schreiben kann. Schließlich kann er nicht bereits am Anfang die Erwartungen so hochschrauben, dass er sie bald nicht mehr erfüllen können wird.

Und Oliver sitzt neben ihm, er hat seine kleinen, pummeligen Hände an seine Backen gelegt, die Ellenbogen auf dem Tisch, aber das Gesicht hat er nicht der Lehrkraft zugewandt, sondern Percy. Er möchte, dass sie Freunde werden, aber Percy hat keine Zeit, Percy muss sich konzentrieren, Percy kann sich nicht damit aufhalten, Freundschaften zu schließen, wenn die Lehrkraft doch gerade versucht, ihnen das Alphabet nahezubringen. (Natürlich kann er das Alphabet schon, aber sicherzugehen, dass er es nicht falsch gelernt hat oder plötzlich die Reihenfolge vergessen hat, kann nicht schaden.)

Szene 2 (Register 1, mitte)

Die Zahnspange ziept, aber es ist nicht annähernd so schlimm, wie Bill ihm weisgemacht hat. Der hat von Kopfschmerzen gesprochen, die einen tagelang flachlegen würden, jedes Mal wenn sie die Drähte nachziehen, aber letztendlich ist es nur eine Spannung, die von seinen Zähnen ausgeht und an jeder Haarwurzel zieht. Und das ist ja nun wirklich nicht so schlimm.

Das ist auch der Hauptgrund, warum es ihn so frustriert, dass er sich einfach nicht auf den Matheunterricht konzentrieren kann. Das bisschen Kopfschmerzen sollte locker zu händeln sein, aber es macht nur seine Gedanken schwammig und wanderlustig und die Stimme der Lehrkraft zu einem weißen Geräusch, das Percys Gehirn noch weiter einnebelt.

Ohne, dass er es beabsichtigt hätte, wandert sein Blick durch den Klassenraum über die Gesichter von Angelina und Katie, Mervyn und Oliver, Patricia und Katie und Oliver, und Oliver, und Oliver. Sein Blick wandert nicht mehr, er hängt an Oliver Wood und es ist so peinlich und unangenehm, weil Percy zuerst nicht bemerkt, dass er Oliver einfach anstarrt und anstarrt - und Oliver seinen Blick mit einem kleinen Lächeln auffängt.

Szene 3 (Register 1, rechts)

Olivers Hände in Percys Nacken, die Finger getrennt voneinander durch Haarsträhnen. Eine Badezimmertür in Percys Rücken und seine eigenen Hände in Olivers Handgelenke gekrallt. Da sind Küsse, die getauscht werden gegen die sanftesten und vorsichtigsten Sympathiebekundungen, beinahe als wären sie Verliebte.

Das Register ist voll.

[ Part 3 ]

warning: anxiety, genre: friendship, hashtag: alternate universe, hashtag: geburtstag, hashtag: pansexuality, au: college/university, rating: p-12 slash, character: oliver wood, hashtag: perogiveric, hashtag: homoromantism, fandom: harry potter, character: roger davies, fanfiction: fun with flags (abolish the , hashtag: polygamy, genre: romance, character: percy weasley

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