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FFde Fandom: Harry Potter
Relationships: Roger Davies x Oliver Wood x Percy Weasley (x Cedric Diggory)
Abstract:
Die Geschichte, in der Roger ein Kommunist ist, Percy ein gewissenhafter Träumer, Oliver die Liebe jeden Lebens und Cedric sogar einen ganzen Satz sprechen darf.
aka: "Roger Davies Is A Communist, Pass It On," Says Local Man Who Has Never Heard Of The Term Anarcha-Feminism, And Thinks Communism And Socialism Are The Same Thing
Anmerkung:
struktur homerischer epen zu stehlen und aristoteles zu enttäuschen, indem seiner definition homerischer epicness nicht gefolgt wird, ist so was wie mein kink. kleine proömien zu schreiben, beflügelt meine seele.
es ist, wie immer, eine ehre für
lady_hastur zu schreiben. dies war ursprünglich für das letztjährige weihnachtswichteln geplant, jetzt ist es ein geburtstagsgeschenk und ich kann nicht mal sagen, dass sie mein chris-twichtel ist, happy birthday <3
danke an vermis für das stopfen meines größten plotholes und die vergesellschaftung unseres marketplace of ideas, damit ich die vignette von percys und olivers beziehung mit olivers peinlichen versuchen, zu flirten, füllen konnte. (ich hab, glaube ich, szenen 4-7 komplett von vermis geklaut, oops)
CN: Alkohol (konsumiert von Minderjährigen), Essen, Fettfeindlichkeit/Body Shaming (referenziert), Queerfeindlichkeit (referenziert), Sex (erwähnt)
mehr zu den content notes im ersten kommentar (stelle auch gern editierte versionen ohne cn zur verfügung, just hmu)
iv.
Vergemeinschaftung hin oder her, denkt Percy sich, während er die Kopfhörer etwas fester in seine Ohren drückt und ein Stoßgebet an alle Götter sendet, sich ein Zimmer zu teilen, sollte nicht das Schlimmste an der Universität sein. Er hat sich schließlich den Großteil seiner Existenz das Zimmer mit einem, teils sogar mehreren, seiner Brüder geteilt. Er ist gewöhnt, dass Kleidung auf dem Boden herumfährt, von der nicht klar ist, ob sie bereits getragen oder nur noch nicht zusammengelegt worden ist. Ein von Tassen und Tassen überladener Schreibtisch, auf dem sich Müll anhäuft, weil der darunter stehende (dafür vorgesehene!) Eimer bereits überläuft, hat seinen Schrecken irgendwann verloren. In irritierender Regelmäßigkeit einen anderen Körper im eigenen Bett zu finden und in das ungemachte Bett am anderen Ende des Zimmers zu schlüpfen, weil es leer geblieben ist, ist etwas, mit dem Percy sich ab einem bestimmten Punkt arrangieren konnte. Sogar kleinere und größere Explosionen und der leichte, immerwährende Geruch nach Schwefel sind irgendwann zur Hintergrundkulisse geworden, von der sich Percy nicht hatte stören lassen.
Das alles und noch ein bisschen mehr ist Percy von zuhause gewöhnt; Rons Unordnung, Charlies absolute Abneigung gegen persönlichen Raum, Bills Hortertendenzen, Freds und Georges Experimentiererei. Darauf hat er sich eingestellt. Vielleicht hätte er sogar mit allem zeitgleich leben können. Doch Roger Davies ist eine ganz andere Art von Übel. Roger Davies ist ein Vergesellschafter. Er entprivatisiert ihre Stube, kollektiviert sein Bett und, um dem Geist seiner vermutlich sozialistischen Vorbilder treu zu bleiben, expropriiert Percy seiner Privatsphäre.
Percy kann sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal allein in ihrem Zimmer gewesen ist. Das liegt nicht daran, dass Davies jede Sekunde jeden Tages in ihrem Zimmer verbringt und nicht in seine Vorlesungen geht. Nein. Es liegt daran, dass sein Bett und der spärliche Platz davor selbst dann in Benutzung sind, wenn er sich gar nicht im Gebäude befindet. Percy hasst es so sehr.
Trotz seiner Musik, die er eigentlich gar nicht hören möchte, während er eine Hausarbeit schreibt, weil sie ihn zu sehr von dem ablenkt, worüber er versucht, nachzudenken, kann er noch immer die Stimmen von Rogers Gästen hören, die aus alten Kartons Protestschilder für irgendeine Demonstration basteln. Den grünen Wasserfarbtöpfchen und den wütenden Worten nach zu urteilen, machen sie sich bereit, beim morgigen globalen Klimastreik ihren Unmut kundzutun. Vermutlich genauso lautstark, wie sie im Moment über den Sieg der Tories lamentieren.
Am liebsten würde Percy sich zurückziehen und in die Bibliothek gehen und dort schreiben, aber es ist vorlesungsfreie Zeit und seine Teilbibliothek hat bereits vor drei Stunden ihre Tore geschlossen. (Bis vor ein paar Monaten hätte er mit seinem eigenen Schlüssel einfach zu jeder Tages- und Nachtzeit zurückkommen können, doch weil sie aufgrund von Sanierungsarbeiten in einem anderen Gebäude sind, passt sein Schlüssel nicht und er muss mit seinem überfüllten Zimmer vorlieb nehmen - und den Kopfhörern, die Charlie ihm bei seinem letzten Besuch in die Hand gedrückt hat, damit er die Zugfahrt ebenfalls zum Arbeiten nutzen kann und nicht durch die Gespräche fremder Leute abgelenkt wird.)
„Vielleicht sollten wir uns wieder auf die Sache konzentrieren, für die wir hier sind“, sagt Penny, bevor sie sich die lockigen Haare aus dem Gesicht streicht und mit dem abgerundeten Ende ihres Pinsels auf das Pappschild direkt vor sich klopft. „Wir treffen uns morgen erst bei der Demo, ja?“ Kollektives zustimmendes Gemurmel ertönt. „Roger und ich gehen danach noch in den Tanzenden Phönix, wo wir uns mit den anderen treffen. Ihr könnt euch ja überlegen, ob ihr mitkommen wollt.“
Suzie greift nach dem Pinsel in Pennys Hand und fährt ein paar Buchstaben noch einmal mit Farbe nach, vielleicht weil sie sich nicht genug vom kartonbraunen Untergrund abheben. Ohne aufzublicken, richtet sie das Wort an Penny: „Schauen wir nachher noch Ballycastle Bats gegen Tutshill Tornados? Du könntest bei mir übernachten und wir gehen morgen gemeinsam zur Demo?“ Bevor Penny irgendeine Chance hat, auf Suzies Angebot einzugehen, richtet Jarrett sich schwungvoll auf und ruft: „Brudi, ich wusste nicht, dass ihr auf Fußball steht! Steile Sache, da klink ich mich doch ein!“
Sogar Percy, der nicht wirklich eine Ahnung von den Beziehungsdynamiken im Raum hat, spürt, wie sich eine unangenehme Stimmung ausbreitet, während Jarrett noch immer vorfreudig (und ehrlich gesagt auch nichts ahnend) zwischen Suzie und Penny hin- und hersieht. Jarretts Blick fällt auf den Wecker, der auf Rogers Nachttischchen steht, und ruft aus: „Dann müssen wir aber los, Leute!“ Das T in seinem Leute klingt ganz weich in seiner Aufregung. „In nicht mal zwanzig Minuten fängt das Spiel an und wir müssen doch noch rüberlaufen! Und hast Du überhaupt was zum Snacken, Suzers?“ Er versucht aufzustehen, schubst aber nur Eddie halb von sich und stolpert dann über ihn. „Es geht hier um die Tutshill Tornados!“
Der Pinsel landet im Wasserglas und Suzie wirft Roger einen hilflosen Blick zu, bevor sie langsam nach ihrer Jacke greift und jede der anwesenden Personen die Zahnräder in ihrem Kopf drehen und drehen sehen kann. Es vergeht bestimmt eine halbe Minute, in der kein einziges Wort gesprochen wird und Jarrett nicht bemerkt, in welches Fettnäpfchen er getreten ist. Und dann ist es noch nicht einmal Roger, der die Stille unterbricht, sondern Eddie, der sich aufsetzt und Jarrett anvisiert: „Wie wäre es, wenn wir Snacks holen und Penny und Suzie schon vorausgehen?“ Suzie formt ein stummes Danke mit ihren Lippen und greift nach Pennys Hand, ohne darüber nachzudenken. (Nachdem Penny ihre Hand ergriffen hat, um sich nach oben ziehen zu lassen, breitet sich Röte auf Suzies Wangen aus, als wäre ihr gerade erst klar geworden, dass sie Penny tatsächlich berührt.)
Jacken werden angezogen, Verabschiedungen ausgesprochen und Luftküsschen ausgetauscht, dann schließt sich die Tür und Percy ist ganz allein mit Roger, der sich wieder hat auf den Bettvorleger fallen lassen. Plötzlich ist die Musik in seinen Ohren viel zu laut und Percy zieht die Hörer heraus, in der Hoffnung, zumindest ein wenig Ruhe vorzufinden, nun da sie allein sind.
„Du solltest uns auf die Demo begleiten“, ertönt es nach ein paar Minuten vom Boden her (Percy hat genau acht Worte geschrieben, seit sich die Tür hinter der Genossenschaft geschlossen hat), „dann kommst Du vielleicht auch mal unter Leute.“ Percys Kopf wendet sich Roger mit einer Heftigkeit zu, dass sein Nacken ein erschöpftes Knacken von sich gibt. Aber Roger sieht ihn noch nicht einmal zurück an. Er betrachtet nur die Fingernägel an seiner Hand, die er über sich in die Luft gestreckt hält. „Penny sagt, sie kennt Dich noch aus der Schulzeit. Das hast Du nie erwähnt.“ Nachdenklich rümpft Roger die Nase, was Percy mehr aus dem Gleichgewicht bringt, als er zugeben möchte, weil sein Gehirn einfach nicht richtig verarbeiten will, dass es Menschen gibt, die über zwanzig sind, und trotzdem süß aussehen können. (Süß, aber nicht infantil.) „Nicht, dass wir besonders oft miteinander sprechen würden, aber durch dich kann ich an all die geheimen Infos kommen, die Penny mir nicht erzählen möchte. Es ist so unhöflich von ihr. Aber gut.“ Seine Stirn legt sich in Falten und er schürzt die Lippen. „Vermutlich kennst Du-“
Es klopft leise an der Tür, sodass weder Roger zu Ende sprechen noch Percy irgendetwas erwidern kann. Nach einem lauten „Herein“ von Roger, öffnet sich die Tür und Oliver Wood steht im Rahmen. Er wirft seine Jacke auf den Schreibtischstuhl, Roger sagt „wenn vom Teufel gesprochen wird“ und Percy denkt, dass gerade nicht Oliver Wood in ihre Stube gekommen ist, um sich neben Davies auf den Boden zu setzen. Niemals. Nein.
„Überleg es Dir“, sagt Roger, Oliver begegnet Percys Blick und hält mitten in seiner Bewegung inne. Sie starren sich über Rogers geschlossene Augen hinweg an und es ist tatsächlich Sieben-Minuten-im-Himmel-Oliver, den Percy nicht mehr wiedergesehen hat, seit sie sich bei ihrer Abschlussfeier voneinander verabschiedet haben, nachdem Oliver seine Hand während der gesamten Zeremonie nicht losgelassen hatte. (Vielleicht hatte er Percy das Versprechen abgerungen, dass sie den Kontakt nicht verlieren würden, wenn sie erst einmal aus den Hallen heraus sind. Aber Percy hatte es als das erkannt, was es war: Mitleid mit dem Kerl, der als Klassenbester die Abschlussrede halten durfte, aber in seinem Leben genau auf einer Party eingeladen gewesen war - und zwar Olivers siebzehnter Geburtstag, auf den alle eingeladen waren. Alle. Sogar Peregrine Derrick, der manchmal ohne ersichtlichen Grund in Tränen ausbrach, und Cassius Warrington, der die Mädchen an den Haaren zog, als wäre er noch immer in der Grundschule und hätte nicht gelernt, dass Respekt anziehender wirkt als jede unnötige Demonstration von körperlicher Überlegenheit.) „Wir gehen um zehn hier los, damit wir uns noch einen Frühstückskaffee auf dem Weg holen können.“
Der Moment zwischen ihnen löst sich auf, Oliver sitzt gefährlich nah an Roger, seinen Rücken gegen den Bettkasten gelehnt. Percy wendet sich seiner Hausarbeit trotzdem nicht wieder zu. Er scheint komplett vergessen (und ehrlicherweise vergisst er sich selbst für einen Moment), als Roger die Augen öffnet, sich geschmeidig nach oben bewegt und Oliver zu sich herunterzieht. Sie küssen sich und Percy will sich abwenden, weil sein Herz so heftig anfängt zu klopfen. Du musst das verstehen, Perce klingt in seinen Ohren und seine Hand verkrampft sich um den Notizzettel, den er gerade ab- und in seine Hausarbeit einarbeiten wollte.
„Ich dachte, Du kommst erst später“, sagt Roger. „Ich wollte gerade damit beginnen, Percy nach Dir auszufragen. Du weißt schon, die ganzen kleinen und großen Skandale, die Du und Penny mir verschweigen wollt.“ Er tippt mit jeder Fingerspitze einmal gegen Olivers, bevor er ihre Hände ineinander verschränkt und statt seiner allein, ihre beiden Hände betrachtet. Obwohl Olivers Gesicht genau anzusehen ist, dass er mit der Entwicklung dieses Gesprächs nicht zufrieden ist, ist seiner Stimme nichts anzuhören, als er erwidert: „Percival würde mich nie verraten. Im Gegensatz zu Dir Klatschbase hat seine Mutter ihm Manieren und Anstand beigebracht.“
Dass Oliver ihn Percival nennt, ist ein neues Level an Entfremdung, mit dem Percy nicht gerechnet hat. Und wenn er ehrlich ist, hat er damit gerechnet, dass Oliver einfach so tut, als hätten sie sich in seinem Leben noch nie gesehen. (Percy? Ist das Dein Mitbewohner? Woher soll der mich kennen? Hmm, jetzt, da ich drüber nachdenke, bekannt kommt er mir schon vor, aber wir hatten so viele Rothaarige an unserer Schule, hätte vielleicht weniger geschmerzt. Oder zumindest nur auf einer Ebene, mit der Percy gerechnet hätte.)
„Meine Mutter ist eine phantastische Frau, das wirst Du auch sehen, wenn Du sie endlich kennenlernst, und ich denke, sie hat phantastische Arbeit abgeliefert, als sie mich hervorgebracht und aufgezogen hat“, entgegnet Roger jovial. „Außerdem hat sie mir beigebracht, dass ich mich immer absichern muss, ob die gutaussehenden Männer in meinem Umfeld tatsächlich an mir oder nur an meinem Hab und Gut interessiert sind.“
Oliver schnaubt.
„Kirchenklatsch am Sonntag vor dem Friedhof ist keine ernsthafte Recherche. Und wenn wir einen Moment ehrlich sind, besitzt Du nur fünf Tassen und ein paar Dekokerzen, was soll ich damit groß anfangen. Ich bin nur wegen Deines Körpers hier, ich dachte, das hätten wir bereits geklärt.“ Oliver spricht und Percy ist wieder vergessen.
Sie sind ein hübsches Paar, denkt Percy, denn was anderes könnten sie sein mit der Art und Weise, wie sie sich an den Händen halten und Spitzen austauschen und sich zur Begrüßung küssen, als wären sie ganz allein füreinander auf der Welt. Sie sind ein so hübsches Paar, dass Percy ein wenig schlecht wird bei ihrem Anblick. (Was ihn natürlich nicht davon abhält, weiter zu ihnen hinüber zu starren. Er möchte ja den Blick abwenden, aber er kann es nicht.) Es ist hypnotisierend, wie sich Oliver halb über Roger beugt und Roger sich auf seinen freien Ellenbogen stützt, sodass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander getrennt sind. Ihre Worte sind auf einmal nur noch einen Bruchteil so laut wie zuvor und offensichtlich nicht mehr für Percys (oder irgendjemand anderes) Ohren bestimmt.
Gewaltsam und unter größter Kraftaufbietung reißt Percy sich von ihrem Anblick los und steckt sich die Kopfhörer wieder in die Ohren. Seine Musik hat die ganze Zeit weitergespielt, ohne dass er etwas davon bemerkt hätte. Aber das scheint sowieso ein wiederkehrender Topos zu sein.
iii.
Traum. Es ist ein Traum, ein Traum, ein Traum, o Christus, er träumt. Das muss er sich sagen, wieder und wieder, weil er es sonst vergisst. Er ist ein gewissenhafter Träumer, schon immer gewesen. Er hat sich trockene Socken erträumt und einen Regenschirm, der über beide ihre Köpfe spannt. Er erträumt sich die gelbbraunen Blätter des Herbstes, obwohl der erste Schnee bereits mehrere Tage zurückliegt. Er erträumt sich den leichtesten Nieselregen, der sein Gesicht benetzt und seine Handrücken. Und er erträumt sich die Hand, die seine hält. Die warme trockene Handfläche und die Wassertropfen, die an ihren Hautkontaktstellen entlangrinnen. Der sanfte Druck, der auf seine Finger ausgeübt wird. Der Mantelaufschlag, der dicke schwarze Stoff und die goldenen, auf Hochglanz polierten Knöpfe. Die kleinen Wassertropfen, die sich auf dem Ärmel zwischen den Fasern abgesetzt haben, und die Schulter, die wenige Zentimeter unter seiner endet und ebenfalls von goldfarbenen Knöpfen gekrönt ist.
Olivers Blick fällt auf Percy, oder zumindest träumt Percy davon, und ein kleines Lächeln stiehlt sich auf Olivers Gesicht, als ob er genau an der Stelle wäre, an der er sein müsste. Percy sieht weg, auf den matschigen und Laub bedeckten Weg, auf dem sie bereits eine Weile spazieren, und er träumt von roten Wangen und Wärme, die sich in seinem Magen ausbreitet. Er erträumt einen kurzen, festen Händedruck und die sanfteste Stimme, die ihm leise Worte zuflüstert, an die er sich nicht mehr erinnern möchte, wenn er aufwacht. (Die er aber niemals wieder aus seinem Herzen streichen kann, weil es keine Worte sind, die ihm gänzlich unbekannt sind; sondern weil es Worte sind, die Oliver so oder so ähnlich schon einmal zu ihm gesagt hat. Aber er hat auch Du musst das verstehen, Perce gesagt und sich einfach umgedreht, um zu gehen.)
Ihre Graduation ist gerade einmal eine Woche her und es ist keine einzige Nacht vergangen, in der Percy nicht von Oliver geträumt hätte. Es ist nicht immer derselbe Traum, indem sie vom Schloss zum See laufen und Oliver ihm nette Nichtigkeiten ins Ohr flüstert, die er selbst als Schäkerei interpretieren möchte, die aber letztendlich doch nur nette Nichtigkeit waren. Manchmal träumt er stattdessen, wie er an seinem Schreibtisch zuhause sitzt, in dem Zimmer, das ihm ganz allein gehört, seit Bill und Charlie ausgezogen sind, und den Brief zu Ende schreibt, den er noch am Abend ihrer Abschlussfeier begonnen hat. Dann träumt er von Tintenflecken neben den Worten, die ihm am schwersten gefallen sind aufzuschreiben, und von gewellten Kanten vom vielen in die Hand Nehmen und vielleicht Wegwerfen. Er träumt von der dampfenden Tasse schwarzen Tees neben sich und zwei, drei unangebissenen Haferkeksen auf einem Teller vor sich. Er erträumt sich den Geruch von Büttenpapier und Tinte, von Bibliotheksbüchern und dem Frühlingsregen, der draußen gegen sein Fenster plitsch-platscht.
Aber wenn er wach ist, kommt er dem Brief nicht zu nahe, weil die Worte, die aus ihm herauszusprudeln drohen, gefährlicher sind als jedes Monster, das sich in einem der Schränke verstecken könnte, in den Fred und George ihn sperren könnten. (Das haben sie nur oft genug gemacht, bis Percy einmal laut genug geweint hat, um von ihrer Mutter gefunden zu werden, die so wütend darüber wurde, dass Fred heute noch manchmal darauf zu sprechen kommt: Wie wütend ist Mum? Auf einer Skala von Spinne in Ginnys Salatschüssel bis Schreckliches Schrankfiasko '06?)
Einmal hat er geträumt, er läge im Sommergras. Er erträumte sich den klarsten Sternenhimmel, den Schottland zustande bringt, und warme Brisen, die ihm das zu lang gewordene Haar aus der Stirn streichen. In seinem Traum war das Gras fast trocken gewesen und seine Finger hatten zwischen den Halmen nach etwas anderem als Erde gesucht. Er träumte, er hätte ein Trikot getragen, das nicht seines war, aber ihm gegeben worden war; nicht nur für diesen Moment, aber auch. Er erträumte sich leise Schritte, die sich ihm näherten und die leise Stimme Olivers, die über ihm erklang, bevor er ihn sehen konnte. In seinem Traum fragte Oliver ihn, ob er lange habe warten müssen, er sagte, er habe sich beeilt, er lachte und er sagte Du trägst es, als hätte es irgendeinen Zweifel darangegeben. Er träumte, Oliver hätte sich neben ihn gelegt und Percy hätte endlich gefunden, wonach er gesucht hatte.
Es gibt nicht viel, was Percy nicht tun würde, um nicht mehr von Oliver träumen zu müssen. Seine Kapazitäten sind ausgeschöpft und das einzige, das ihn über Wasser hält, ist die Tatsache, dass er Oliver nicht mehr wiedersehen wird. (Zumindest so lange nicht, wie er den Brief nicht abschickt, der ihm unter den Fingernägeln brennt.) Es gibt viele Universitäten, die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich dieselbe ausgesucht haben, geht gegen null, weil Percy aus sicherer Quelle (Fußnote: Ron Weasley 2011, am Tisch, als er nach seinen Zukunftsaussichten gefragt wurde) weiß, dass das Fußballteam seiner Universität Zitat ‚lachhaft‘ Zitat Ende ist.
Dass er früher oder später wieder von Oliver Wood hören würde, ist ihm bewusst. (Aber er weiß auch noch nicht, dass gerade einmal neun Monate vergehen werden, bevor er sich wieder mit ihm konfrontiert sehen wird.)
Es vergehen noch einmal vier Tage, dann kapituliert Percy. Vorsichtige Schritte tragen ihn zu seinem Schreibtisch und er starrt bestimmt mehrere Minuten nur auf das Papier, auf dem sich nicht mehr als zwei Sätze befinden, bevor er sich überwinden kann hinzusitzen und den Füller in die Hand zu nehmen, der verlassen auf seinem Schreibtisch herumgelegen hat.
Weitere Minuten verstreichen, in denen Percy abwechselnd die Worte liest, die er bereits geschrieben hat, und nach neuen sucht, die er dahinter einreihen kann. Alles, was er sagen möchte, hat sich so in ihm angestaut, dass er keine Möglichkeit findet, den ersten Schritt zu tun. Er setzt die Feder aufs Papier und sieht dabei zu, wie die Tinte langsam aufgesogen wird, während er sich nicht entscheiden kann, was er überhaupt sagen will.
Und dann denkt er, dass Oliver niemals lesen wird, was Percy geschrieben hat, weil er niemals geplant hat, den Brief zur Post zu bringen oder selbst einzuwerfen. Und dann schreibt er einfach alles.
v.
Klug zu sein, gehört zu Percys definierenden Charakteristiken. Nicht die vierstellige Multiplikationen in unter fünf Sekunden im Kopf lösen Art von klug, bei Gott nicht, aber doch klug genug, die meisten Dinge um sich herum durchschauen zu können. Und trotzdem reicht sein Intellekt gleich für mehrere Dinge nicht aus. Erstens, herauszufinden wie er am Freitagmorgen zum Weltklimastreik gekommen ist, und zweitens, warum er seitdem regelmäßig Zeit in Rogers und Olivers Nähe verbringt. Nicht innerhalb der Fast-Privatsphäre ihres Zimmers, sondern bei Spaziergängen über den verschneiten Campus und bei einem Heißgetränk im Uni-Café und einmal sogar in Olivers Zimmer, weil sein Mitbewohner Cedric über die Weihnachtsferien nach Hause gefahren ist.
„Es ist nicht fair“, stößt Roger aus, als Percy und er Olivers Zimmer betreten. „Cedric meinen Augen vorzuenthalten ist wie Kohle in meinen Socken! Es ist quasi ein Verbrechen an meiner Person!“ Nachdem er sich aus seinem Mantel geschält hat, lässt er sich auf Cedrics Bett fallen. Sein linker Unterarm liegt über seinen Augen und er seufzt. Percy setzt sich vorsichtig auf den Schreibtischstuhl auf Cedrics Zimmerseite, auf dem sich im Gegensatz zu Olivers' keine Kleidungsstücke stapeln, die erst mühsam entfernt werden müssten.
„Wir wissen alle, dass Du Cedric mir vorziehst, aber wenn er nicht da ist, könntest Du wenigstens so tun, als wäre ich nicht Deine zweite Wahl“, erwidert Oliver, der vor seinem eigenen Bett auf dem Boden sitzt und sich mit dem Rücken an den Bettkasten anlehnt. (Oliver sitzt immer auf dem Boden, wenn es sich einrichten lässt, ist Percy aufgefallen. Er versteht nicht, wieso. Vermutlich, weil er im Gegensatz zu Oliver nicht im Saustall aufgewachsen ist, und auch nicht versteht, warum Oliver bei jeder Gelegenheit seine Schuhe auszieht, als hätten sie ihn persönlich beleidigt. Es ist eine Dante-Eigenart, aber das sagt Percy nicht laut, weil er solche Bücher schließlich nicht liest.)
„Oliver, Liebling, Du bist die Liebe meines Lebens.“ Roger stützt sich auf seine Ellenbogen auf und starrt Oliver mit einer Intensität an, die Percy wieder einmal wissen lässt, dass er nicht mit im Raum ist. „Aber Du kannst mir nicht verübeln, dass ich ihn gerne ansehe. Er ist das Schönste, das ich ansehen kann, wenn kein Spiegel im Raum ist. Du musst das verstehen, Oliver.“ (Du musst das verstehen, Perce.)
Mit schief gelegtem Kopf zupft Oliver an dem kleinen Goldring in seinem linken Ohrläppchen, den er sich nur hat stechen lassen, weil Bill so gut damit ausgesehen hat. Bedächtig sagt er: „Nur weil sein Ohrläppchen die perfekte Länge für eine Frau mittleren Alters hat und Du einmal betrunken angefangen hast zu weinen, weil Cedrics Augenbrauen so schön sind und Du das nicht einmal mit minutiösem Zupfen nachahmen könntest, heißt das nicht, dass ich es Dir durchgehen lasse, so etwas zu sagen, wenn Du offensichtlich Unrecht hast.“ Seine Hand fällt nach unten und sein Kopf nickt in Percys Richtung. „Percy ist schließlich auch noch da.“ Es ist das erste Mal, seit sie sich unverhofft wiedergetroffen haben, dass Oliver ihn nicht Percival genannt hat, sondern Percy. (Es ist noch nicht Perce, aber es ist auch nicht mehr Percival. Es räumt die Möglichkeit ein, dass alles wieder gut zwischen ihnen wird. Oder wenigstens so gut, wie es eben geht.)
Rogers Kopf dreht sich zu Percy und Percy sieht sich plötzlich zwei starrenden Anfangzwanzigern gegenüber, die jeden Millimeter seines Gesichts und Körpers analysieren, als müssten sie die kommenden Tage mit einem Überraschungstest rechnen. Roger schwingt seine Beine aus dem Bett, setzt sich auf und geht zu Percy, um ohne eine Vorwarnung die Brille von seinem Gesicht zu ziehen. Ein paar abschätzende Geräusche, dann landet die Brille wieder auf Percys Nase. Auf einmal sitzt Roger neben Oliver und sie flüstern sich in übertriebener Lautstärke gegenseitig in die Ohren.
„Ich sehe, wo Du herkommst“, flüsterschreit Roger und muss sich ein Lachen verkneifen. Seine Unterarme sind verschränkt vor seinem Bauch und seine eine Hand bewegt sich nach oben, um seinen Mund halb zu bedecken. „Was für schöne Augen! Gute Augen! Möchte sagen, dass die Brille die Farbe abstumpft, aber tut sie eigentlich nicht. Dachte, sie macht die Wimpern so lang, aber nein, nein, das sind Wimpern bis zum Himmel.“ Er klingt wie der Moderator einer Dauerwerbesendung und Percy befürchtet für eine irrationale Sekunde, dass gleich ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet wird und sich der Boden unter seinem Stuhl beginnt, langsam zu drehen, damit Oliver und Roger noch einen besseren Blick auf ihn haben.
„Die Brille gibt ihm den Charme eines Bibliothekars, der mich rügen möchte, weil ich mein Buch zu spät abgegeben habe“, schreiflüstert Oliver zurück. Seine Daumen und Zeigefinger bilden einen Rahmen und er kneift ein Auge zu, als würde er durch eine Kameralinse sehen. „Hätte, ehrlich gesagt, freiwillig nachgesessen, wenn mein Aufsichtslehrer ausgesehen hätte wie Percy. Aber ich hatte nur den Binns und ich bin mir nicht sicher, ob der jemals in seinem Leben jung gewesen ist.“ Oliver und Roger werfen sich einen Blick zu; schnell, sodass Percy es beinahe übersehen hätte. Percys Stirn legt sich in Falten. „Kriegst Du auch, wenn er Dich so skeptisch anschaut, das Bedürfnis, ihn Sir zu nennen und Dich zu entschuldigen?“
Während sich Entrüstung heiß ihren Weg über sein Gesicht bahnt, öffnet Percy seinen Mund, um den beiden ihre eigenen zu verbieten, aber Roger kommt ihm raunender Weise zuvor: „Er hat so grade Zähne.“ Percys Mund schnappt wieder zu und seine Wangen brennen noch ein bisschen mehr. „Bitte sag mir, dass das das Werk einer Zahnspange ist. Ich könnte nicht leben mit dem Wissen, dass irgendein Mensch mit so schönen Zähnen einfach auf die Welt gekommen ist.“
„Zahnspange. Die ganze achte und die Hälfte der neunten Klasse hindurch.“ Oliver starrt Percy noch immer durch seine Rahmenfinger hinweg an, und Percy wird heiß und kalt. (Ihm ist nicht bewusst gewesen, dass er Oliver in der achten Klasse genug aufgefallen ist, dass er wissen konnte, wann er seine Zahnspange bekommen und wieder verabschiedet hat. Sie hatten bis zur Oberstufe die wenigstens Kurse geteilt und, natürlich, Oliver war ihm aufgefallen, aber Percy hätte gedacht, dass Oliver höchstens bemerken würde, was die anderen bemerkt hatten: Seine zählebige Anwesenheit.)
„Er könnte mir Richard Siken vorlesen und ich würde schmelzen, da bin ich mir sicher“, setzt Roger die Segel in eine andere Richtung, als würde er spüren, dass sie ihre Zehen in Wasser stippen, das tief unten ein Ungeheuer beherbergt, für das sie noch nicht bereit sind. (Du musst das verstehen, Perce.)
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Part 2 ]
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Part 3 ]