Titel: Teufelskreis
Teil: 2/7 plus Prolog & Epilog
Fandom: Elisabeth - Das Musical
Charaktere: Luigi Luccheni, Wiener Proletariat
Sünde: Gula - Völlerei
Word Count: 846
Rating/Warnings: PG - unbetaed; language
Summary: Es ist Nacht für Nacht dieselbe Geschichte. Immer und immer wieder, jede Nacht aufs Neue. Und obwohl sie jede Nacht endet, währt sie ewig.
Anmerkung: Stark an "Milch" angelehnt, aber irgendwie mag ich's. Ich liebe Lucchenis aufwiegelnden Charakter X3
Disclaimer: "Elisabeth" und seine Figuren gehören nicht mir, sondern zum künstlerischen Teil Michael Kunze und Silvester Levay; ebenso die verwendeten Liedzeilen. Die Figuren in dieser Story erheben keinen Anspruch auf authentische Charaktereigenschaften der realen Vorbilder. Zusätzlich ziehe ich keinerlei kommerziellen Nutzen aus dieser Geschichte.
Vorherige Teile:
Prolog: Ruhmsucht -
Trägheit Teufelskreis: Gula - Völlerei
Wann gibt’s endlich Milch?
Warum wird uns nicht aufgemacht?
Die Tür des Milchladens öffnete sich einen Spalt breit. Eine Hand erschien, hängte ein Schild nach draußen und verschwand so schnell wie sie gekommen war. Es war fünf Uhr morgens und noch dunkel, sodass die Menschen vor dem Laden nicht viel erkennen konnten, was auf dem Schild stand. Jemand hatte ein Streichholz, aber die meisten von ihnen konnten nicht lesen. Ein Mann drängte sich durch ihre Reihen und beugte sich hinab, um im Licht der Flammen die Schrift zu entziffern.
„Heute keine Lieferung!“
Ein empörter Aufschrei ging durch die Menge vor dem Laden. Ein paar der Männer trommelten gegen die Tür, als wollten sie sie einschlagen. Einige Frauen waren kurz davor in Tränen auszubrechen, andere schimpften wütend.
„Schon wieder!“, donnerte ein Mann. „Das ist schon das vierte Mal diese Woche!“
„Letzte Woche war es nicht anders“, erwiderte eine Frau. „Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal Milch gesehen habe! Ich habe zwei kleine Kinder zuhause, die ich ernähren muss! Wie soll das denn gehen, wenn wir nicht einmal Milch haben?!“
„Meine jüngste Tochter ist letzte Woche gestorben“, schluchzte eine andere Frau und eine weitere legte ihr tröstend die Hände auf die Schultern. „Meine anderen Töchter sind auch schon krank, was soll ich denn machen?“
„Ich stehe seit zwei Stunden hier“, meinte nun ein anderer Mann und trat gegen die Tür des Ladens. „Damit ich nicht mit leeren Händen nach Hause komme und dann DAS!“
„Sie verarschen uns! Nach Strich und Faden!“, machte ein Mann seiner Wut Platz. „Wer weiß, wo die Milch ist!“
„Ich weiß es!“
Lucchenis Stimme ließ ein weiteres Mal alle verstummen. Er stand immer noch bei dem Schild, das er zuvor vorgelesen hatte, und lehnte an der Tür. Als er nun die gesamte Aufmerksamkeit auf sich hatte, stieß er sich von der Tür ab und ging durch die Reihen der Menschen. Ungeduld machte sich breit.
„Wo?“, fragte der wütende Mann. Luccheni sprang auf ein Fass, bevor er antwortete, damit ihn auch jeder verstehen konnte.
„In den Palästen, wo sonst? Die Kaiserin braucht sie!“
Einen Moment herrschte verwirrte Ruhe in den Reihen, dann fragte die Frau, die ihre Tochter verloren hatte. „Für ihre Kinder?“
Luccheni starrte sie einen Moment an. Dann brach er in ein schallendes Gelächter aus.
„Für ihre Kinder?!“, rief er höhnisch. „Ihre Kinder kriegen sie nie zu Gesicht! Sie schert sich einen Dreck um die Kinder!“
„Wieso braucht sie dann die ganze Milch?“
„Sie badet darin!“
„WAS?!“, ging ein entsetzter Aufschrei durch die Menge.
„Ja“, lachte Luccheni spöttisch auf. „Sie badet in Milch und Honig und Rosenwasser! Sie lässt sich alles in den Palast liefern und dann badet sie ihren stinkenden Körper darin, weil sie es sich leisten kann, und es kümmert sie genauso wenig wie ihre Kinder, dass eure Kinder verrecken, weil es keine Milch für sie gibt!“
„Das kann nicht sein“, schluchzte die Frau mit dem verlorenen Kind. „Ich habe gehört, die Kaiserin soll eine freundliche Person sein...“
Die andere Frau schnaubte verächtlich. „Natürlich ist sie freundlich! In der Öffentlichkeit. Sie bemitleidet die Armen und Kranken und dann geht sie zurück in ihren Palast und labt sich an all den Sachen, die die Armen und Kranken nicht haben und freut sich noch darüber!“
„Genau“, stimmte Luccheni zu. „Und mit euren Steuergeldern lässt sie sich Obst aus den Kolonien bringen! Schokolade, Zucker, Salz. Dinge, von denen ihr nicht einmal wisst, dass sie existieren! Und ihr habt nicht einmal Milch!“
„Sie halten uns für dumm!“, rief einer der Männer stocksauer. „Sie denken, sie können alles mit uns machen!“
„Sie fressen sich voll und wir nagen am Hungertuch“, schrie ein anderer mit erhobener Faust. „Das sind doch keine Zustände!“
„Wisst ihr, was mit den Resten passiert?“, fragte Luccheni.
„Die Reste?“, empörte sich eine Frau.
„Natürlich! Jedes der drei Essen hat fünf Gänge!“
„Drei Essen? Fünf Gänge?“, drang aus verschiedenen Richtungen zu Luccheni. Die meisten der Leute, die dort standen, bekamen mit viel Glück eine anständige Mahlzeit am Tag.
„Ja! Von einer einzigen Palastmahlzeit könnte jeder von euch seine Familie eine Woche lang ernähren!“, hetzte Luccheni das Volk weiter auf.
„Das kann nicht sein!“
„Oh doch!“
„Was passiert mit den Resten?“, rief ein Mann.
„Die Hunde kriegen das Fleisch!“
„WAS?“
„Die Hühner das Korn!“
„NEIN!“
„Die Pferde den Salat!“
„WAS?“
„Die Katzen den Fisch!“
„NEIN!“
„Und alles andere wird weggeschmissen!“
Eine Frau kreischte. Männer und Frauen tobten und schrien.
„Das ist das Leben in den Palästen!“, fuhr Luccheni fort und seine Stimme hallte laut und ironisch durch die frühmorgendlichen Straßen. „Sie suhlen sich in ihrem Fressen und verschwenden es, während andere nicht satt werden! Das ist die österreichische Monarchie! Lang lebe die Kaiserin!“
Hitzige Diskussionen entbrannten. Tränen flossen, vor Entsetzen und vor Wut. Pläne wurden geschmiedet und Luccheni starrte mit einem zufriedenen Grinsen auf sein Werk hinab. Dort standen die zukünftigen Revolutionäre und das Kaiserreich würde eines Tages durch seine eigenen Sünden fallen!
Lucchenis bösartiges Lachen stachelte die armen Leute nur noch mehr an.
Kämpft um eure Menschenwürde!
Nieder mit den Palästen!
Freiheit für das Volk!
Die neue Zeit ist da!
3/9