Beim nächsten Mal muss ich mir gut überlegen, ob ich wieder von
sportlichen Unternehmungen oder anderen Erlebnissen berichte. Wer konnte denn ahnen, dass
califor_nia's und
cricri_72's Idee, dass ich darüber doch eine T/B-Story schreiben könnte, in so einem schwierigen Unterfangen enden würde. ;)
Titel: Stellungsspiel
Inhalt: Boerne erklärt Thiel das Golfspielen, und Thiel lernt, dass es dabei vor allem auf die richtige Stellung ankommt.
Länge: ca. 2900 Wörter
Genre: Humor, Sport, Romanze
Rechtserklärung: Thiel und Boerne gehören dem WDR. Ich habe sie mir nur mal kurz ausgeliehen.
Anmerkung: Ich kann kein Golf spielen. Wie Thiel hatte ich exakt eine Schnupperstunde, aber mit einem signifikant anderen Ende. Aber es gibt ja hilfsbereite Betaleserinnen, wie
notcolourblind, die einem mit vielen tollen Tipps zur Seite stehen. Vielen lieben Dank!
Stellungsspiel
Thiel beäugte den kurz geschorenen Rasen, der so akkurat aussah, als ob man ihn nicht betreten dürfte. „Green“, würde Boerne ihn natürlich verbessern, wenn er seine Gedanken hören könnte.
In dem Moment, als Thiel im Eingangsbereich des Golfclubs die erste karierte Hose und den ersten Pullunder gesehen hatte, wäre er am liebsten auf der Stelle umgedreht. Aber natürlich würde Boerne ihm das mindestens die nächsten sechs Monate vorhalten. Da war es wahrscheinlich doch das kleinere Übel, die Übungsstunde, die Boerne ihm aufgeschwatzt hatte, über sich ergehen zu lassen.
Oder vielleicht auch nicht, dachte Thiel, als er Boerne auf sich zukommen sah. Der trug in der einen Hand eine Tasche, die vermutlich mehr Schläger enthielt, als Bernhard Langer je besessen hat, ein grünes Körbchen mit vielen weißen Bällen in der anderen Hand und dazu ein Grinsen auf dem Gesicht.
„Alles geregelt. Wir können loslegen“, sagte er und drückte Thiel das Körbchen in die Hand.
Thiel verfluchte sich dafür, dass es ihm manchmal einfach an Schlagfertigkeit mangelte, denn sonst hätte er sich auf jeden Fall herausgewunden, als Boerne vor einigen Tagen vorgeschlagen hatte, das Hobby des jeweils anderen kennenzulernen. Stattdessen gab Boerne ihm nun eine Golfstunde, und im Gegenzug würde Thiel Boerne zu einem Fußballspiel nach St. Pauli mitnehmen. Zugegeben, sie waren an dem Abend nicht ganz nüchtern gewesen, aber Thiel konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass sie trotzdem genau gewusst hatten, was sie taten.
Boerne stellte seine Tasche ab und musterte Thiel von oben bis unten. „Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, dass Jeans auf dem Platz nicht gestattet sind. Aber da Sie ja mit mir unterwegs sind, wird die Clubleitung darüber sicher ausnahmsweise hinwegsehen.“
Das wurde ja immer besser. „Und mein Hemd? Ist das denn genehm?“
Boerne nickte. „Da es einen Kragen hat, entspricht es absolut der Kleiderordnung. Wenn Sie allerdings eines Ihrer St. Pauli-Shirts -“
Thiel winkte ab. „Lassen Sie es gut sein. Es ist ja nicht so, als ob ich noch öfter hierher kommen werde.“
Boerne zog die Augenbrauen hoch. „Das wissen Sie doch noch gar nicht. Vielleicht gefallen Ihnen ja meine Instruktionen. Apropos, wir beginnen da drüben auf dem Putting-Green.“ Er zeigte auf eine Rasenfläche mit vielen Fähnchen, ergriff seine Tasche und marschierte los.
Thiel folgte ihm langsam in der Hoffnung, das Unvermeidliche noch eine kleine Weile hinauszögern zu können. Aber kaum war er bei Boerne angelangt und hatte das Körbchen abgestellt, hielt der ihm schon einen Schläger hin.
Das Ding war nun nicht allzu beeindruckend. Eigentlich sah es aus wie ein Minigolfschläger, aber wahrscheinlich fehlte Thiel nur der richtige Blick dafür.
„Das ist ein Putter“, sagte Boerne auch prompt. „Den nimmt man zum Einlochen.“
„Aha“, sagte Thiel, während Boerne bereits ein paar Bälle in einiger Entfernung zu einer der Fahnen aufreihte.
„Als erste Übung versuchen Sie mal, die Bälle hier in das Loch da vorn zu putten“, erklärte Boerne.
Thiel nickte.
„Ganz wichtig ist dabei die richtige Handhaltung. Ich mache sie Ihnen mal vor“, sagte Boerne und ließ seinen Worten Taten folgen. „Sehen Sie?“
Thiel nahm seinen Schläger und versuchte, seine Hände genauso zu platzieren, wie Boerne es tat. Bequem war das nicht, dachte er, aber wenn es denn half, ins Loch zu treffen.
Dann erklärte ihm Boerne so lange, in welchem Winkel er genau den Schläger halten musste und dass er auf gar keinen Fall seine Handgelenke abknicken durfte, dass Thiel fast schon ungeduldig wurde, nun tatsächlich einmal sein Glück versuchen zu können.
Endlich beendete Boerne seinen Monolog, und Thiel wollte gerade ausholen, als Boerne ihn schon wieder unterbrach. „Stopp, Sie stehen nicht richtig“, sagte er, und bevor Thiel reagieren konnte, hatte Boerne ihn von hinten an den Hüften gepackt und schob ihn ein paar Zentimeter nach rechts. „So, der Ball muss links von Ihrem Mittelpunkt liegen.“
Bei der Berührung war Thiel unwillkürlich zusammengezuckt. Er wartete darauf, dass Boerne seine Hände wieder wegnehmen würde. Vergeblich.
„Sie sind ja ganz steif. So wird das nichts“, stellte Boerne fest, und Thiel konnte dessen warmen Atem in seinem Nacken spüren. „Sie müssen leicht in die Knie gehen und den Oberkörper ein wenig nach vorn beugen.“
Thiel versuchte, sich auf Boernes Anweisungen zu konzentrieren, aber da er immer noch dessen Hände auf seinen Hüften fühlte, war das alles andere als leicht. Vorsichtig bemühte er sich, die geforderte Position einzunehmen, immer darauf bedacht, dabei nicht mit Boerne zu kollidieren.
„Na also, das sieht gut aus. Jetzt können Sie es mal probieren“, sagte Boerne schließlich und ließ ihn endlich wieder los. Thiel atmete erleichtert auf.
Der erste Ball rollte viel zu weit. Wer konnte auch ahnen, dass die Bälle solch eine rasante Geschwindigkeit auf dem Rasen entwickelten? Aber schon beim dritten Schlag blieb der Ball nur wenige Zentimeter vom Loch liegen.
Als auch der vierte, fünfte und sechste Ball nah am Loch ausrollten, bekam Thiel langsam Spaß an der Sache. Das war jetzt doch wie Minigolf. Nur die Hindernisse fehlten.
Er blickte auf und sah in das verblüffte Gesicht Boernes. „Ist was?“
„Nein, nein. Das war erstaunlich … gut.“
Thiel konnte förmlich sehen, wie schwer Boerne das letzte Wort über die Lippen kam, und grinste. „Sie vergessen wohl, dass ich regelmäßig auf dem Schießstand trainiere.“ Er hielt seinen Schläger hoch. „Das hier ist zwar kein Revolver, aber mit meiner Hand-Augen-Koordination ist alles in Ordnung.“
Boerne starrte ihn für einen Moment ausdruckslos an, bevor er sagte: „Aber immer schön dran denken, locker in den Knien zu bleiben.“
Na klar. Die Bemerkung musste jetzt wohl sein. Es konnte ja auch nicht angehen, dass Thiel tatsächlich Geschick oder Talent für etwas besitzen sollte.
Er biss die Zähne aufeinander und ging zu den Bällen hinüber, die er nahe dem Loch platziert hatte. Mit kurzen, knappen Schlägen versenkte er sie einen nach dem anderen, während ihm Boerne stumm zusah.
* * *
Nachdem er Boerne offensichtlich beim Putten hatte beeindrucken können, war das anschließende Chippen gar nicht gut gelaufen. Thiel hatte in erster Linie den Rasen umgepflügt, aber nur selten den Ball dazu gebracht, die wenigen Meter vom Vorgrün auf das Grün zu fliegen. Anscheinend war an ihm doch kein Golftalent verloren gegangen, aber zumindest hatte sich Boerne mit irgendwelchen Bemerkungen zurückgehalten.
Jetzt starrte Thiel auf die weite grüne Fläche vor sich. Fünfundsiebzig, hundert, einhundertfünfzig, zweihundert Meter stand auf den Schildern, die sich immer weiter dem Horizont annäherten. Aber irgendwie hatte er keine Hoffnung, dass er den Ball auch nur zwanzig oder dreißig Meter weit schlagen können würde.
Er stellte das Körbchen mit den Bällen auf den Boden und wartete darauf, dass Boerne mit seinen Erklärungen begann.
„So, Thiel, jetzt kommen wir zum Höhepunkt, denn der Drive ist das Schönste am Golfspielen.“ Boernes Augen fingen an zu glänzen, als er weitersprach. „Dieses unverkennbare ,Pock', wenn man den Ball perfekt getroffen hat, und wenn der dann durch die Luft fliegt, bis man ihn kaum noch sehen kann. Es gibt kaum ein befriedigenderes Gefühl.“
Thiel unterdrückte ein Schnauben. Ihm würden auf Anhieb mehrere Dinge einfallen, die ganz bestimmt befriedigender waren.
Aber natürlich ließ sich Boerne nicht beirren. Er vollführte mit der Hand eine Kreisbewegung, die die Rasenfläche vor ihnen und den Unterstand, in dem sie sich befanden, umfasste. „Dies ist die Driving-Range. Hier übt man die Drives. Wissen Sie noch, wie der zweite Handgriff geht, den ich Ihnen gezeigt habe? Den brauchen Sie jetzt wieder. Oder soll ich -“
„Nein, nein. Ich weiß noch, wie der geht“, antwortete Thiel schnell. Er brauchte wirklich keine Wiederholung dessen, was vorhin beim Chippen passiert war. Da hatten sie minutenlang praktisch Händchen haltend auf dem Übungsplatz gestanden, weil Boerne gar nicht mehr aufgehört hatte, seinen Griff zu korrigieren.
„Gut“, sagte Boerne langsam, als ob er erwartete, dass Thiel es sich noch einmal anders überlegen würde, drückte ihm dann aber doch einen Schläger in die Hand. „Das ist ein Eisen 7. Sehen Sie die Neigung der Schlagfläche? Die ist für Anfänger optimal.“
„Aha“, sagte Thiel. „Und warum ist das hier alles abgeschirmt und überdacht? Damit einen niemand sieht, wenn man sich blamiert?“
Boerne seufzte. „Also wirklich, Thiel, die Hütten sind nur dazu da, damit man auch bei schlechtem Wetter trainieren kann. Es scheint ja nicht immer so schön die Sonne wie heute.“
Boerne nahm sich auch einen Schläger und platzierte einen Ball vor sich auf der kleinen Rasenfläche. „Gehen Sie mal einen Schritt zur Seite. Ich zeigen Ihnen jetzt, wie so ein Drive aussieht. Achten Sie vor allem auf meine Schultern und meine Hüften.“
Thiel lehnte sich gegen die Trennwand und sah gespannt zu Boerne hinüber. Jetzt konnte Boerne mal zeigen, ob er wirklich was drauf hatte. Die bisherigen Schläge, die er ihm vorgeführt hatte, waren ihm nicht allzu außergewöhnlich erschienen.
Boerne stellte sich bereit, hob die Arme an, schwang den Schläger nach oben, und dann sauste der Schläger auch schon wieder nach unten und traf den Ball.
Ob der Ball überhaupt flog, nahm Thiel nur am Rande wahr, denn stattdessen starrte er gebannt auf Boerne. Seine Bewegungen waren so schnell gewesen, dass Thiel den Ablauf kaum nachvollziehen konnte, aber es war nicht zu übersehen gewesen, mit welch einer Eleganz er den Schlag ausgeführt hatte.
Ohne sich zu ihm umzudrehen, fragte Boerne: „Wollen Sie es noch einmal sehen?“
Thiel nickte erst stumm, bevor er ein krächzendes „Ja, bitte“ hinterherschickte.
Und wieder bewegte sich Boerne so fließend und mit einer Geschmeidigkeit, dass Thiel die Luft wegblieb. Die Erkenntnis, was für ein anmutiges Bild Boerne abgeben konnte, traf Thiel so unerwartet, dass er für einige Momente Raum und Zeit vergaß und Boernes freudige Ausrufe über seine Weite - „180 Meter, Thiel!“ - kaum in sein Bewusstsein drangen. Erst als Boerne direkt vor ihn trat, fand er wieder in die Gegenwart zurück.
„Thiel? Jetzt sind Sie an der Reihe. Sie werden mir doch nicht kneifen. Lassen Sie sich von meiner Weite nicht einschüchtern.“
„Nein, nein.“
„Sehr schön. Dann zeigen Sie mal, ob Sie aufgepasst haben“, sagte Boerne und stellte sich an die Rückwand, wo Thiel zuvor gestanden hatte.
Nicht so wirklich, dachte Thiel, aber Boerne zu bitten, ihm den Schlag noch einmal vorzuführen, schien ihm keine gute Idee zu sein.
Er stellte sich an den Abschlag, legte sich den Ball bereit und holte einmal tief Luft. Dann holte er ohne weiter nachzudenken aus und traf zu seiner eigenen Verblüffung den Ball, auch wenn dieser nur einige Meter weit über den Rasen segelte.
„Mhm“, erklang es in seinem Rücken. „Gleich noch einmal, Thiel.“
Der zweite Schlag ging daneben, aber beim dritten Mal kam der Ball tatsächlich leicht ins Fliegen.
„Was habe ich Ihnen über Ihre Knie gesagt?“
Thiel verzog das Gesicht, ging aber trotzdem leicht in die Knie, bevor er zum vierten Schlag ansetzte. Erneut legte der Ball höchstens zwanzig Meter zurück, und Thiel guckte sehnsüchtig auf das Fünfundsiebzig-Meter-Schild. Das würde wohl nichts werden.
„Sie verdrehen sich zu sehr“, raunte es plötzlich direkt hinter ihm, und er ließ vor Schreck den Schläger fallen.
„Genau, lassen Sie uns den Bewegungsablauf als Trockenübung durchgehen“, fuhr Boerne fort und legte schon wieder seine Hände auf Thiels Hüften. Thiel hielt den Atem an, als Boerne sich so dicht hinter ihn stellte, dass sich ihre Körper berührten. „Bei der Ausholbewegung dürfen Sie nur die Schultern drehen, aber die Hüften drehen sich nicht mit. Haben Sie das verstanden?“
„Ich denke schon.“
„Dann holen Sie jetzt mal aus.“
Thiel versuchte, zu vergessen, dass Boerne ihm so nah war, was sich aber als Ding der Unmöglichkeit erwies, weil Boerne seine Hüften umso fester ergriff, als er Schwung nahm.
„Merken Sie den Unterschied, Thiel? Jetzt haben Sie Ihre Hüften viel weniger verdreht.“
Thiel nickte nur, denn er glaubte nicht, dass er im Moment einen Ton herausbringen würde.
„Dann noch einmal.“
Um die Übung schnell hinter sich zu bringen, zögerte Thiel nicht lang, sondern holte schwungvoll aus, was sie in noch engeren Kontakt zueinander brachte und Boerne einen atemlosen Laut entlockte.
Gerade als er dachte, Boerne würde nun von ihm ablassen, legte der ihm seine Hände stattdessen auf die Schultern.
„Aber ich merke, dass Sie wieder völlig verkrampft sind, Thiel. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie locker in den Knien bleiben müssen“, sagte er und presste Thiel leicht nach unten, „und dass Sie sich mehr vorbeugen müssen.“ Boerne platzierte eine Hand auf Thiels Rücken und drückte ihn ein wenig nach vorn. „So ist es richtig. Aus dieser Position versuchen Sie es nun noch einmal.“
Thiel spürte mehr, als dass er hörte, wie Boerne zurücktrat, und ihm lief ein Schauer über den Rücken - vor Erleichterung. Natürlich nur vor Erleichterung.
Er atmete ein paar Mal tief durch, um sich wieder zu sammeln, bevor er erneut einen Ball vor sich hinlegte. So ganz wollte er an Boernes Anweisungen nicht glauben, aber er holte aus … und tatsächlich, zum ersten Mal flog der Ball deutlich weiter.
Auch die nächsten Versuche verliefen wesentlich besser, und einmal erklang sogar ein verhaltenes „Pock“. Thiel drehte sich zu Boerne um, der wieder an der Wand lehnte.
Er nickte Thiel zu. „Sehen Sie, jetzt wird es langsam.“ Er griff nun auch zum Schläger und fing an, ein paar Meter weiter ebenfalls zu trainieren.
Ermuntert von diesem überschwänglichen Lob schlug Thiel ein paar weitere Bälle, und nachdem er erneut ein leises „Pock“ vernommen hatte, packte ihn doch ein wenig der Ehrgeiz. Ball über Ball ließ er über den Rasen fliegen und war sich ganz sicher, dass er zumindest einmal die Fünfundsiebzig-Meter-Marke geknackt hatte.
Nur einmal ließ Thiel sich kurz in seiner Konzentration stören, nämlich als er bemerkte, dass Boerne innegehalten hatte und sich nun seines Pullunders entledigte und die Ärmel seines Hemds hochkrempelte.
Es war aber auch wirklich ausgesprochen warm hier. Thiel war froh, dass er von vornherein nur ein kurzärmliges Hemd angezogen hatte.
Das Körbchen mit den Bällen war fast leer, als Thiel registrierte, dass Boerne wieder aufgehört hatte und stattdessen ihm zusah.
„Nicht schlecht, Thiel. Für jemanden, der noch nie Golf gespielt hat, haben Sie einige wirklich brauchbare Schläge gemacht.“
„Danke“, sagte Thiel, obwohl er schon fand, dass das Kompliment ein bisschen halbherzig klang.
Er rieb sich die linke Hand. Jetzt, wo er seine Übungen unterbrochen hatte, fiel ihm erst auf, dass sie schmerzte. Der Daumen und die Innenfläche waren warm und gerötet.
„Was ist los? Tut Ihre Hand weh?“, fragte Boerne und kam näher. „Dann haben Sie den Schläger zu fest gehalten.“
Thiel warf ihm einen bösen Blick zu. „Hätte Ihnen das nicht einfallen können, bevor ich hier dreißig Bälle geschlagen habe?“
„Zeigen Sie mal!“ Boerne griff nach seiner Hand und drehte sie so, dass er die Innenfläche betrachten konnte. Er fuhr leicht über die geröteten Stellen, und die Wärme breitete sich schlagartig überall in Thiels Körper aus.
„Tut mir Leid. Links trägt man einen Handschuh. Ich hätte Ihnen einen geben sollen“, murmelte Boerne und strich weiter sanft über Thiels Hand.
Thiel wusste nicht, was gerade passierte. Er wandte seinen Blick von Boernes Fingern ab, die nicht aufhörten, über seine Hand zu streichen, und konzentrierte sich stattdessen auf dessen Unterarme. Das half aber nicht gegen die Wärme, die Thiel immer weiter in sich ansteigen spürte. Er hob seinen Kopf und blickte geradewegs in Boernes Augen.
Boernes Pupillen waren geweitet, und in seinem Blick schien eine Frage zu liegen. Oder vielleicht war es auch eine Antwort, denn Thiel erfasste eine Ahnung von dem, was jetzt kommen würde, und er war sich nicht sicher, ob er sich davor fürchtete oder es herbeisehnte.
Boerne hielt immer noch seine Hand, und die Spannung zwischen ihnen war inzwischen beinahe unerträglich.
„Ich dachte, beim Golfspielen wird großen Wert auf Etikette gelegt“, platzte es aus ihm heraus. „Ist es da überhaupt erlaubt, so auf Tuchfühlung zu gehen?“
Boerne trat noch näher an ihn heran und schloss die Lücke zwischen ihnen. „Also Ihre Jeans ist wirklich unverzeihlich, aber das hier geht in Ordnung“, flüsterte er, bevor er sich vorbeugte und Thiel küsste.
Boernes Lippen waren warm und weich, und als sich ihre Zungenspitzen berührten, hatte Thiel keinerlei Zweifel mehr daran, dass er sich nichts mehr als diesen Kuss gewünscht hatte.
Ohne ihren Kuss zu unterbrechen, löste Boerne seine Hand von Thiels und schlang stattdessen seine Arme um ihn.
Thiel vergrub seine Hände ihn Boernes Haaren und vergaß alles andere um sich herum, als Boerne den Kuss noch weiter vertiefte.
Pock!
Thiel zuckte zusammen und wollte sich von Boerne losreißen, der ihn jedoch weiter umschlungen hielt.
„Pock“, machte es wieder, und ein Ball flog weit durch die Luft, ehe er in der Nähe des Zweihundert-Meter-Schilds aufschlug.
„Wir sind nicht mehr allein“, flüsterte Thiel. „Nebenan ist jemand.“
„Na und?“, antwortete Boerne. Er zog Thiel ein paar Schritte mit sich, sodass sie besser von den seitlichen Trennwänden abgeschirmt wurden.
Thiel musste lachen, wurde aber von Boerne unterbrochen, der seine Lippen wieder auf Thiels presste.
Na und, in der Tat, dachte Thiel, und dann dachte er noch, dass Golf eigentlich doch keine so üble Sportart war, bevor er lange Zeit an gar nichts mehr dachte.
Irgendwann löste Boerne den Kuss, und sie sahen einander atemlos an.
Und irgendwann zog ihn Boerne noch enger an sich und murmelte gegen seine Lippen: „Sag mal, wenn du nach St. Pauli fährst, ist das dann eigentlich immer mit Übernachtung?“