Teil
1 - Teil
16 „Entschuldigt die Verspätung“, sagt Phil betriebsam und blickt entschieden niemandem am Küchentisch direkt ins Gesicht. Genau so wenig versucht er, einen Grund für diese Verspätung anzugeben.
„Was haben wir verpasst?“ erkundigt Clint sich bei der Tischrunde und blickt sich um. „Ist Bruce schon in sein Labor verschwunden?“
Natasha brummt zustimmend. „Tonys Befähigung zum Vater scheint ihn schwer getroffen zu haben.“
Phil hält darin inne, sich den Stuhl neben Clint zurückziehen zu wollen. „Was?“
„Hört endlich auf, so gemein zu Tony zu sein“, beschwert Darcy sich jetzt zu allem Überfluss. „Er war bloß nett zu mir.“
„Du bist ab jetzt mein offizieller Liebling“, informiert Tony sie ernst. „Allerhöchstens vielleicht nach Thor.“
„Ach komm“, sagt Clint mit einem Schnauben, greift sich die letzten Brötchen und macht sich daran, eines davon für Phil aufzuschneiden, während Phil doch noch neben ihm Platz nimmt. „Wir alle wissen, dass Steve deine große Liebe ist.“
Steve gibt ein überfordertes Ächzen von sich.
„Meine große Liebe ist augenblicklich damit beschäftigt, das Geld zu verdienen, das es dir ermöglicht, hier in Saus und Braus zu leben, Barton“, informiert Tony ihn bissig. „Steve hat sich heute früh über mein Einfühlungsvermögen entsetzt gezeigt und ist dementsprechend nicht länger der Stern meiner Existenz. Hah. Stern.“
Steve setzt einen absolut unfairen Hundeblick auf. Vermutlich nicht mal mit Absicht.
Sir, meldet JARVIS sich plötzlich mit besorgtem Unterton zu Wort, Doktor Roberts befindet sich in der Lobby.
Clint hebt ruckartig den Kopf. „Was? Wieso?“
Phil runzelt die Stirn. „Du hast ihn rein gelassen?“
Er hat um ein Gespräch mit Master Bruce gebeten, erwidert JARVIS entschuldigend. Master Bruce hat sich mit seiner Bitte einverstanden erklärt.
„Du hast Bruce schon Bescheid gesagt?“ Jetzt klingt Clint geradezu entsetzt.
Das ist korrekt, Agent Barton, er befindet sich in diesem Moment auf dem Weg zur Lobby.
Clint ist von seinem Stuhl aufgesprungen und aus der Küche gerannt, noch ehe JARVIS seinen Satz ganz beendet hat. Tony und Phil erheben sich ebenfalls.
„JARVIS, wenn ich ganz offen sprechen darf, das war eine dämliche Idee“, setzt Tony ihn in Kenntnis, während er Seite an Seite mit Phil den Flur hinab eilt.
Ich bitte um Verzeihung, Sir, erwidert JARVIS, und er klingt tatsächlich schuldbewusst. Master Bruce wirkte völlig ausgeglichen, als er dem Gespräch zugestimmt hat.
„Und jetzt ist er das nicht mehr?“ hakt Phil nach und beschleunigt gleichzeitig mit Tony seinen Schritt.
Seine Herzrate hat sich alarmierend beschleunigt, lautet JARVIS’ knappe Antwort.
Tony stößt einen leisen Fluch aus - und dann haben sie die Lobby erreicht.
Der Anblick, der sie dort empfängt, ist nicht der, den sie erwartet haben. Zunächst mal ist Bruce noch Bruce. Clint hängt an ihm wie ein besonders liebevolles Faultier, und reibt ihm mit beiden Händen über den Rücken. Doktor Roberts steht zwei Schritte von beiden entfernt, und scheint sich nicht entscheiden zu können, ob er das Lächeln zulassen, das versucht, sich über sein Gesicht auszubreiten, oder ob er weiter auf seinem Gesichtsausdruck trauriger Unsicherheit beharren soll.
Tony bleibt ruckartig stehen, atmet tief durch - und macht auf der Stelle kehrt. „Ich geb die Entwarnung.“
Damit verschwindet er zurück in Richtung Küche.
„Clint“, ertönt Bruces leicht gedämpfte Stimme. „Es geht mir gut. Du kannst mich loslassen.“
Clint tut dies mit deutlichem Zögern. Dann dreht er sich langsam zu Doktor Roberts um. Phil hat ihn noch nie jemanden derartig drohend anstarren sehen.
Das Wissen, dass er es für Bruce tut - dass er nicht um seiner selbst willen auf Konfrontationskurs geht, löst ein schon beinahe schmerzhaftes Ziehen in Phils Brust aus.
Clint wird so gut wie nie aggressiv, wird kaum jemals laut. Phil bewundert ihn dafür. Manch anderer in Clints Situation - mit seinen Kindheitserfahrungen - würde ein Ventil darin suchen, würde die Erniedrigung und die Gewalt und die verletzenden Worte weitergeben wollen, die er so reichlich erfahren hat.
Aber Clint hat sich selbst versprochen, dass er besser ist als das, dass er nicht zum Abbild seines Vaters werden würde. Phil ist unglaublich stolz auf ihn, dass er den Unterschied machen kann - dass er für Bruce die Grenze sehen und gerade so weit überschreiten kann, wie er für nötig hält.
„Ich will schwer hoffen, dass er dich nicht aufgeregt hat“, sagt Clint jetzt leise und schickt einen weiteren unfreundlichen Blick in Richtung Roberts. Bruce legt ihm die Hand auf die Schulter. „Er hat mich nicht im Geringsten aufgeregt. Er hat sich bei mir bedankt, Clint.“
Phil hebt beide Augenbrauen vor Verwunderung, Clint verschränkt die Arme vor der Brust. „Ach so?“
Roberts nickt. „Mein gestriges Verhalten war unentschuldbar, Agent Barton. Hätte Mr. Banner mich nicht aufgehalten -“
Alle Aggressivität weicht auf einen Schlag aus Clint und er lässt die Schultern hängen. „Sie haben nur Ihren Job gemacht.“
Roberts sieht aus, als leide er körperliche Schmerzen. „Das habe ich weiß Gott nicht getan. Von dem Moment an, als ich dieses Haus betreten habe, habe ich meinem Beruf Schande bereitet, und Sie ganz und gar falsch behandelt. Sie haben Besseres verdient, Agent Barton.“
Clint sieht aus, als habe Roberts versucht, sich auf Suaheli mit ihm zu unterhalten. Er beißt sich auf die Unterlippe. „Sind Sie für eine weitere Sitzung hier?“
Phil stellen sich die Nackenhaare auf. Wenn Roberts auch nur daran denkt, dann -
„Das bin ich nicht“, sagt Roberts leise. „Ich bin ganz offensichtlich noch lange nicht wieder dienstfähig. Ich bin hier, um mich bei Ihnen zu entschuldigen - und um Ihnen die Karte einer Kollegin hier zu lassen.“
Er zieht die besagte Karte aus der Innentasche seiner Jacke und hält sie Clint entgegen. Clint akzeptiert sie wie in Trance. Dann macht er sich plötzlich sehr gerade. „Es tut mir sehr leid für … für ihren Sohn.“
Phil muss seine rechte Hand zur Faust ballen und seine Nägel in seinen Handballen bohren. Eine derartige Beileidsbekundung aus Clints Mund ist … es ist so ein riesiger Schritt für ihn.
Roberts scheint das zu realisieren. Selbst wenn Clint in ihren Sitzungen nie sonderlich kooperativ war, so hat er dem Mann doch mehr anvertraut als manch Anderem.
„Vielen Dank, Agent Barton“, erwidert er leise, sichtlich berührt. Ein paar Sekunden lang kämpft Clint darum, den Blickkontakt zu ihm aufrecht zu erhalten, dann starrt er ruckartig zu Boden.
„Sie haben mich gestern an ihn erinnert, Agent Barton“, sagt Roberts mit geistesabwesender Stimme. „Mein Bruder hat ein ziemliches Temperament. Kyle war manchmal der Einzige, der ihn beruhigen konnte.“
Phil kann sich nicht entscheiden, wen dieser Vergleich mehr zu treffen scheint - Clint oder Bruce.
Roberts räuspert sich. „Sie werden feststellen, dass Doktor Scotts nicht auf SHIELDs Gehaltsliste steht“, sagt er mit bemüht professionellem Tonfall. „Aber sie ist eine der Besten ihres Fachs und …“ Er zögert einen Moment, atmet tief durch. „Und ich glaube, dass ihre Methoden Ihnen gut tun werden, Agent Barton.“
Clint stellt sein Studium des Fußbodens kurzfristig ein, und sieht Roberts fragend an. „Ach so?“
Roberts wagt ein kurzes, unsicheres Lächeln. „Ich denke schon. Ich weiß allerdings nicht, ob Direktor Fury sie sich leisten kann. Die Situation im Hauptquartier ist augenblicklich ein wenig … angespannt.“
Clint schluckt trocken, räuspert sich. „Im Notfall habe ich … wohlhabende ... Freunde.“
Er blinzelt, scheint nicht fassen zu können, dass das Wort in diesem Zusammenhang tatsächlich über seine Lippen gekommen ist. Phil geht es ähnlich. Besonders, weil er ganz offensichtlich von Tony gesprochen hat.
Roberts’ Blick ist plötzlich so durchdringend, wie er es vor der Invasion und dem Tod seines Sohnes war. „Dann muss ich mir um Sie keine Sorgen mehr machen, wie es scheint.“
Steve erhebt sich vom Tisch und kommt Tony entgegen, als er die Küche betritt. „Ist alles in Ordnung?“
Dieses eine Mal ist er so leise, dass tatsächlich nur Tony ihn hören kann.
Tony nickt ihm zu. „Bruce hat sich nicht über Roberts aufgeregt - zumindest nicht so sehr, dass wir uns Sorgen machen müssten.“
Steve entkommt unwillkürlich ein erleichtertes Seufzen, dann strafft er die Schultern. „Was will Roberts von ihm?“
Tony fixiert seinen Blick auf den Fußboden. „Das weiß ich nicht. Für eine Erklärung bin ich nicht lange genug geblieben.“
Steve runzelt die Stirn, legt leicht den Kopf schief. „Hat sie dich nicht interessiert?“
Tonys Haltung spannt sich ein wenig an. „Ich finde nicht, dass es mich etwas angeht. Barton scheint nicht zu wollen, dass wir wissen, wer genau Roberts ist.“
Steve bleibt einen Moment lang still, betrachtet eingehend Tonys Gesicht, ehe er meint, eine befriedigende Antwort formuliert zu haben. „Ich glaube wirklich nicht, dass Clint es dir übel nähme, wenn du ihn danach fragst.“
Tony hebt den Blick, sieht ihm in die Augen, und Steve legt ihm unwillkürlich die Hand auf die Schulter. „Aber ich glaube außerdem, dass er deine Zurückhaltung zu schätzen weiß.“
Tony lächelt ein bisschen. „Ach ja?“
Steve gibt das Lächeln zurück - ein wenig selbstbewusster, aufmunternd. „Selbst wenn nicht - Ich weiß sie zu schätzen.“
Tony lehnt sich leicht in seine Richtung. „Du willst dir bloß deinen Platz am Firmament meiner Zuneigung zurück erschleichen.“
„Du hast mich glatt durchschaut“, erwidert Steve lächelnd. „Funktioniert es?“
Über Tonys Gesicht gleitet ein liebevolles Grinsen. „Ich mag leicht zu haben sein, Steven, aber ich bin nicht so leicht zu haben.“
„Oh mein Gott - ihr seid ja herzallerliebst“, reißt Darcys Stimme sie aus ihrer trauten Zweisamkeit. „Ist das normal für euch?“
„Völlig normal“, sagt Natasha trocken. „Ich bewundere Pepper dafür, mit welcher Gemütsruhe sie ihre Romanze toleriert.“
Thor wirft ihr einen verwirrten Blick unter gerunzelten Brauen zu. „Ich verstehe nicht. Ist Antony der Lady Pepper nicht in Treue ergeben?“
Ein Schatten zieht über Tonys Gesicht auf, und Steve räuspert sich alarmiert.
„Er ist ihr in völliger Treue ergeben“, sagt Natasha dann leise. „Ich wollte nichts andeuten, Tony.“ Sie dreht ihren Kopf in seine Richtung. „Entschuldige bitte.“
Sein antwortendes Lächeln ist ein wenig gequält. Thor wirft Natasha einen vorwurfsvollen Blick zu. „Es schickt sich nicht, über die Gefühle eines Kriegers für seine Kampfgefährten zu spotten. Sie mögen sich mit denen für seine Herzensdame vergleichen lassen, mögen die gleiche Treue und Ergebenheit in ihm inspirieren - aber die Beständigkeit eines Mannes gegenüber seiner Geliebten ist unantastbar.“
„Lieber Gott“, sagt Tony schwach und drückt sein Gesicht an Steves Schulter, die trotz Steves Bemühungen, nicht zu lachen, leichten Zuckungen unterworfen ist.
„Das ist richtig“, sagt Jane, die inzwischen drei Tassen Kaffe inhaliert hat, mit einer nicht zu übersehenden Aura von Besitzerstolz. „Und er ist mein lieber Gott.“
„Wenn ihr nicht sofort damit aufhört, hier Liebe und Einigkeit zu verbreiten“, sagt Darcy mit einem Hauch von Entrüstung in der Stimme, „dann wird mir nichts anderes übrig bleiben, als mich Natasha an den Hals zu werfen.“
Clint wirkt noch immer ein wenig geschockt, als Roberts sich schon längst von ihnen verabschiedet, und Tonys Auffahrt verlassen hat. Er steht noch immer da, wo Roberts ihn zurückgelassen hat, mitten in der Lobby, Doktor Scotts Visitenkarte in der Hand, und starrt auf das Stück rechteckige Pappe hinab, als würde es in fremden Zungen zu ihm sprechen.
Phil wartet geduldig darauf, dass er aus seiner Trance erwacht.
Bruce scheint nicht ganz so geduldig zu sein. „Stimmt etwas nicht mit der Karte?“
Clint blinzelt, hebt den Blick an, und seine Augen sind ein wenig verwirrt, viel zu verletzlich. „Hier steht, dass Doktor Scotts Spezialistin für Kinderpsychologie ist.“
Phil tauscht einen kurzen Blick mit Bruce. Bruce räuspert sich leise. „Und?“
Clint dreht die Karte in seinen geschickten Fingern. „Ich bin kein Kind.“
Bruce verlagert sein Gewicht vom rechten aufs linke Bein und wieder zurück. „Darf ich die Karte mal sehen?“
Clint überreicht sie ihm mit bereitwilliger Selbstverständlichkeit. Phil kann sich nicht länger beherrschen, tritt an ihn heran und legt ihm seinen Arm um die Hüfte.
Bruce studiert derweil die Visitenkarte als weise sie den Weg nach El Dorado. „Hm“, macht er schließlich und hebt leicht die Schultern. „Ich schätze, sie ist nicht ausschließlich Kinderpsychologin.“ Er gibt Clint die Visitenkarte zurück.
„Aber warum würde Doktor Roberts mir jemanden empfehlen, dessen Spezialgebiet die Kinderpsychologie ist?“ fragt Clint leise.
Phil und Bruce tauschen einen weiteren Blick. Clint stößt prompt seine Hüfte gegen Phils. „Oh, hört schon damit auf. Ich bin kein Kind!“
„Das nicht“, gibt Phil bereitwillig zu.
„Aber man könnte durchaus sagen, dass du dir deinen jungenhaften Charme bewahrt hast“, sagt Bruce mit einem vorsichtigen Lächeln.
„Deine jugendliche Frische“, stimmt Phil ihm zu.
„Deine kindliche Unbeschwertheit“, ergänzt Bruce - und jetzt ist sein Lächeln nicht mehr ganz so vorsichtig. Jetzt leuchtet es schon beinahe.
Clint starrt sie an, abwechselnd, lässt seinen Blick zwischen ihnen hin und her schweifen. „Ihr denkt wirklich, dass das hier eine gute Idee ist?“
Phil reckt den Hals und küsst ihn auf die Schläfe. „Ich denke, dass Roberts Verständnis für deinen Charakter bei weitem nicht so miserabel war, wie du mir des Öfteren weismachen wolltest.“
Der Rest des Vormittags vergeht ohne besondere Vorkommnisse. Jane verfolgt Bruce in sein Labor und löchert ihn mit Fragen, bis er nicht mehr weiß wo ihm der Sinn steht. Aber wenn er ehrlich ist, dann genießt er ihr Interesse. Besonders, als sie damit anfängt, ihre eigenen Theorien vor ihm auszubreiten, und ihn um seine Meinung befragt.
Es versetzt ihn in die Zeit vor seinem Unfall zurück, in die Zeit vor dem Hulk - als er Wissenschaftler war und nichts sonst.
Steve begibt sich mit Clint, Natasha und Tony zur Trainingsanlage. Thor geht ebenfalls mit, selbst wenn er das letzte Lebewesen auf der Erde ist, das etwas so Unwürdiges wie Training benötigen würde. Da Jane anderweitig beschäftigt ist, hat er schlicht nichts Besseres zu tun.
Natasha schlägt vor, dass er Steve ein wenig das Leben schwer macht, und der Donnergott widmet sich dieser Aufgabe mit bemerkenswertem Ernst. Die ersten zwanzig Minuten lang kommen Clint, Tony und Natasha kaum dazu, selbst etwas zu tun, weil sie die ganze Zeit inne halten und starren müssen.
„Wenn er Steve umbringt“, zischt Tony Natasha schließlich leise zu, „dann ist das deine Schuld.“
Ihre Antwort besteht darin, ihn mit einem Schulterwurf auf die Matte zu befördern. Clint leistet begeisterten Szenenapplaus und springt aus dem Weg, als Tony nach ihm tritt.
Weit ab von all der Aufregung und wissenschaftlichen Debatte sitzt Phil Coulson auf seinem üblichen Platz auf dem Sofa, ein Stark Pad in der Hand, eine Tasse Kaffee auf dem Beistelltisch zu seiner Rechten - und Darcy Lewis auf dem Sofa zu seiner Linken.
„Natasha hat gesagt, es wäre der perfekte Job für mich“, behauptet sie stur. Phil hebt eine zweifelnde Augenbraue. „Selbst wenn sie das gesagt hat - und ich möchte keinesfalls andeuten, dass sie damit Unrecht hat - Ich brauche schlicht keine Assistentin, Miss Lewis.“
Darcy rollt mit den Augen. „Vornamen, Phil. Wir wohnen im selben Haus.“
Er räuspert sich. „Ich benötige keine Assistentin, Darcy.“
Sie lässt ihre Lider herabsinken, bis nur noch ein Drittel ihrer Augen unter ihren langen Wimpern sichtbar ist, und zieht ihm eine skeptische Schnute. „Ach nein?“
Er räuspert sich. „Nein.“
Sie bleibt einen Moment lang still, taxiert ihn unter ihren Wimpern heraus, und Phil ahnt, dass sie ihn durchschaut hat.
„Ich bin ein wenig überrascht“, sagt sie dann auch leise. „Ich hatte diese Reaktion von Steve erwartet - aber ganz bestimmt nicht von dir.“
Er starrt sie an. „Steve hält es für eine gute Idee, dass du SHIELD beitrittst?“
Sie räuspert sich. „Es stellt sich raus, dass Steve genügend Verantwortungsbewusstsein und Pflichtgefühl hat, dass es für drei Leute reichen würde. Er findet es gut, dass ich meinen Teil leisten möchte.“
Phil muss ihrem Blick ausweichen. „Es ist ein gefährlicher Job, Darcy.“
Sie stöhnt leise auf. „Das weiß ich! Deswegen will ich ihn doch machen! Nein, halt“, unterbricht sie sich und hebt die Hand um ihn auszubremsen, als Phil einen strengen Blick aufsetzt. „Das ist falsch raus gekommen.“
Phils Blick wird dementsprechend bedeutend weniger streng und stattdessen so geduldig wie nur möglich, und sie fährt aufgeregt fort. „Ich will vorbereitet sein. Ich will wissen, was in der Welt vor sich geht. Ich will mich verteidigen können. Ich will Teil dieses Teams sein.“
Phil seufzt leise auf. „Aber du bist -“
„Erwachsen genug, um das entscheiden zu können“, unterbricht sie ihn vehement. „Aber ich bin kein Teil dieses Teams. Ich bin ein unterhaltsames Anhängsel. Ich will kein unterhaltsames Anhängsel sein. Ich kann verstehen, wenn du mich nicht als Assistentin willst - aber bei SHIELD bewerben werde ich mich auf jeden Fall. Und ich möchte an dieser Stelle angemerkt haben, dass ich mein Politikwissenschaftsstudium mit wehenden Fahnen bestanden habe - ich war die Zweitbeste meines Jahrganges. Abgesehen davon bin ich unschlagbar mit meinem Taser. Frag Thor.“
Phil muss einmal tief durchatmen. „Wenn du denkst, dass ich dich einem anderen Handler und einem anderen Team überlasse, dann musst du völlig realitätsfremd sein.“
Sie grinst plötzlich. „Ich wusste, dass diese Masche ziehen würde.“ Sie fördert ein Stark Pad zutage, dass wesentlich schnittiger aussieht als Phils. Es ist außerdem knallgrün.
Phil mustert es fasziniert. „Woher hast du das?“
Sie grinst noch ein wenig breiter. „Von Tony, woher sonst? Für meinen ersten Tag im Job - und als Ersatz für meinen iPod. Er hat’s mir nach dem Frühstück zugesteckt.“
Phil nimmt einen weiteren dringend benötigten stärkenden Atemzug. „Er ist nicht wirklich dein Vater, oder? Bitte sag mir, dass du nicht seine Gene in dir trägst.“
Darcy zuckt mit den Schultern. „Wer weiß? Wenn ich den Geschichten glauben kann, war meine Mutter im College ein ziemlich heißer Feger. Außerdem hat mein Dad oft genug behauptet, dass ich unmöglich von ihm abstammen kann. Meistens, wenn ich unanständige Witze über Captain America gemacht habe.“
Phil weiß darauf nichts zu sagen, und sie wirft ihr Stark Pad an. „JARVIS, bitte synchronisiere Phils Pad mit meinem - zumindest die Daten, die einem Neueinsteiger nicht das Hirn sprengen.“
Sehr wohl, Miss Darcy.
Phil beschleicht die leise Ahnung, dass er im Begriff ist, ein Monster zu erschaffen.
Tony ist in seiner Werkstatt und steckt bis zu den Ellenbogen in den neuesten Designs für seinen Anzug, als Fury wie angekündigt um zwei Uhr nachmittags im Foyer aufschlägt.
Steve leistet ihm Gesellschaft - weit ab von allem, was Feuer fangen oder explodieren könnte - und zeichnet. Nicht, dass Tony sich dessen bewusst wäre. Er ist im vollen Erfinder-Modus, blind und taub für alles, was nichts mit dem Iron Man Anzug und all der damit verbundenen Herrlichkeit zu tun hat.
Bruce und Jane sind noch immer im Labor, und mehr oder weniger kurz davor den Durchbruch im interplanetarischen Tourismus zu schaffen. Es kann sich nur noch um Stunden handeln.
Thor und Natasha nehmen nach wie vor den Fitnessraum in Beschlag. Man kann sagen, dass Thor ein gewisses Maß an Schwierigkeiten damit hat, sich gegen Natasha zu behaupten. Sicher, er könnte sie relativ mühelos umbringen - aber da diese Option einfach mal wegfällt, muss er sich tatsächlich anstrengen. Besonders, weil sie nicht davor zurückschreckt, ihn an den Haaren zu ziehen.
Dementsprechend fällt es Clint zu, den Direktor aus dem Foyer abzuholen und zu Phil zu führen. Tony hat strenge Anweisungen gegeben, den Mann nicht für eine Sekunde unbewacht in seinem Haus herumschnüffeln zu lassen, und dieses eine Mal hat Clint vor, genau das zu tun, was Tony von ihm will.
Hauptsächlich, weil es Fury so wunderbar aufzuregen scheint, wie er um ihn herum schleicht. „Agent Barton“, sagt er dann auch gereizt, etwa drei Meter vorm Ziel, „ich weiß nicht, was Sie denken, was mein schändlicher Plan sein soll, aber lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich keinen habe - weder schändlich noch andersgeartet.“
„Das ist glatt gelogen, Direktor“, gibt Clint prompt zurück. „Sie haben immer einen Plan.“
„Vielen Dank für das Kompliment“, brummt Fury, zumindest ein kleinwenig beschwichtigt, und Clint blickt ihn über die Schulter an, als er die Tür zum Wohnzimmer öffnet. „Es sollte keines sein.“
Damit betritt er das Wohnzimmer und geht zu Phil hinüber, überlässt es Fury, ihm zu folgen oder auch nicht. Clint hat nicht vor, es dem Mann leicht zu machen. Es ist nicht so, als habe Fury ihm jemals den Gefallen getan.
Phil erhebt sich von seinem Platz auf dem Sofa, Darcy an seiner Seite, und Clint ist ein wenig überrascht, festzustellen, dass sie noch immer im Zimmer ist. Er ist davon ausgegangen, dass Phil ihr die traumatische erste Begegnung mit Nick Fury so lange ersparen wollen würde wie irgend möglich.
Aber sie ist noch da, erhebt sich ebenfalls, als Fury durch die Tür marschiert, und mustert den Mann mit sichtlichem Interesse - allem Anschein nach weder eingeschüchtert noch über die Maßen beeindruckt. Trotz der Augenklappe. Clint überkommt plötzlich die Angst, dass sie ihn mit den Worten „Hallo, Sie alter Pirat“ begrüßen wird.
Fury ignoriert sie zunächst, geht auf Phil zu und nimmt seine Hand, fasst ihn mit der Linken am Ellenbogen und unterwirft ihn dem prüfendsten Blick seit Menschengedenken. „Agent Coulson.“
Phil nickt ihm zu, seine Miene glatt und ausdruckslos. „Direktor.“
Furys sonst so stählerne Schultern senken sich um ein paar Zentimeter. „Wie geht es Ihnen, Agent?“
Phil legt leicht den Kopf schief. „In Anbetracht der Tatsache, dass die offizielle Mitteilung vor ein paar Tagen noch gelautet hat, ich sei tot, geht es mir hervorragend, Direktor.“
„Woah“, macht Darcy und hebt beide Hände in der universellen Geste der Selbstverteidigung. „Noch ein bisschen eisiger und wir frieren am Teppich fest, Phil.“
Fury wendet sich daraufhin ihr zu, anscheinend dankbar für den Zwischenruf. „Miss Darcy Lewis, nehme ich an?“
Sie deutet ein Lächeln an und reicht ihm ihre Hand - und er führt sie tatsächlich an seine Lippen und haucht einen Kuss über ihre Fingerknöchel.
Darcy grinst ihn zurückhaltend an. „Nichts gegen Sie, Direktor, aber es ist wesentlich aufregender, wenn Thor sowas macht.“
Um Furys Lippen zuckt sowas wie ein Schmunzeln. „Das kann ich mir sehr gut vorstellen.“ Er richtet sich auf. „Wenn ich Sie jetzt darum bitten dürfte, uns allein zu lassen, Miss Lewis, Agent Coulson und ich -“
„Sie bleibt“, sagt Coulson, ruhig und gelassen und mit unerschütterlichem Nachdruck. Clint will ihn jedes Mal küssen, wenn er so ist. Zugegeben, er will Phil praktisch immer küssen, aber das tut nichts zur Sache.
Fury richtet einen konzentrierten Blick einäugiger Unzufriedenheit auf Phil, und Phil lässt ihn in den Genuss seines ausdruckslosesten Agentengesichts kommen. „Sie ist meine Assistentin, Direktor, und sie bleibt.“
„Sie haben sie rekrutiert?“ erkundigt Fury sich, offensichtlich alles andere als unzufrieden, und jetzt entkommt Phil ein kleines Lächeln. „Sie hat sich selbst rekrutiert.“
Er gestikuliert in Richtung eines freien Platzes. „Setzen Sie sich, Direktor.“
Fury kommt der Aufforderung prompt nach. „Ich muss sagen, dass ich unverhältnismäßig froh bin, Sie bei derartig guter Gesundheit anzutreffen, Coulson. Ich hätte Sie nur äußerst ungern verloren.“
Clint blinzelt überfordert. Phil hingegen wirkt völlig unberührt. „Vielen Dank, Direktor.“
Darcy, Clint und Phil lassen sich synchron auf ihr eigenes Sofa sinken, woraufhin Darcy sich prompt hinter Phils Rücken zu Clint hinüber beugt. „Ist Phil nicht klar, dass das praktisch eine Liebeserklärung war?“ wispert sie mit dringlichem Unterton.
„Ich weiß doch auch nicht, was los ist“, gibt Clint angemessen aufgeregt zurück.
„Wir haben Doktor Roberts aus unseren Diensten entlassen“, sagt Phil betont ruhig. Clint nimmt an, dass das seine Form der passiv-passiven Rache ist (Phil neigt nicht zu passiv-aggressivem Verhalten).
Fury räuspert sich. „Ja. Er hat mir einen Bericht abgegeben.“ Clint findet sich plötzlich im Zentrum von Furys Aufmerksamkeit wieder. „Ich muss mich dafür entschuldigen, seinen Einsatz abgesegnet zu haben. Bitte sprechen Sie Doktor Banner meinen Dank aus, dass er die Situation richtig eingeschätzt hat. Ich muss außerdem sagen, dass ich sehr beeindruckt davon bin, dass Sie Banner tatsächlich beruhigen konnten, Barton. So wie Roberts die Situation beschrieben hat, scheint es mir, dass er kurz davor stand, die Kontrolle zu verlieren.“
Clint blinzelt ihn an. Diesmal ist er es, der sich hinter Phils Rücken zu Darcy hinüber neigt. „Was war das gerade?“ wispert er ihr zu, und sie streckt die Hand aus und kneift ihm in die Nase. „Das“, erklärt sie ihm lächelnd, „war ein äußerst produktiver Gesprächsbeginn. Wenn wir ganz viel Glück haben, tauen in zehn Minuten unsere Füße vom Teppich los.“
Phil räuspert sich. „Wir sollten Pläne zur Rekrutierung neuer Agenten besprechen.“
Fury räuspert sich ebenfalls. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, Coulson, dass unser Budget im Moment ein wenig begrenzt ist. Die Grauen Eminenzen waren nicht erbaut darüber, wie ich mit ihrem Entschluss umgegangen bin, New York in einen atomaren Winter zu stürzen. Wenn wir nicht so viele Agenten durch Desertion verloren hätten, hätten wir sie vermutlich entlassen müssen.“
Zum ersten Mal seit dieses Gespräch begonnen hat, sieht Phil durch und durch schockiert aus. „Aber wir … wir haben gewonnen!“
„Das haben wir.“ Fury neigt sich leicht vor und verschränkt seine Hände, stützt seine Ellenbogen auf die Knie. „Mit der Hilfe eines außerirdischen Donnergottes, einer unkontrollierbaren Bestie -“
„Der Hulk ist keine verdammte Bestie!“ fährt Clint ihn an, in drei Sekunden von Null auf Hundertachtzig, und Fury hält inne, wendet sich ihm zu. „Ich versuche, klar zu machen, wie die Öffentlichkeit die Sache sieht.“
„Die Öffentlichkeit kann mich mal gern haben!“ knurrt Clint, nicht im Geringsten beschwichtigt, und wirft sich gegen die Sofalehne zurück, verschränkt die Arme vor der Brust.
Fury seufzt. „SHIELD ist im Begriff, Pleite zu gehen. Die Regierung hat Muffensausen gekriegt, als sie uns in Aktion gesehen hat. Sie hat uns beinahe sämtliche Unterstützung gestrichen.“
Darcy räuspert sich verhalten. „Was Sie sagen, Direktor, ist dass die Avengers gute Presse benötigen? Dass die Regierung sich von der öffentlichen Meinung beeinflussen lassen und uns unterstützen würde, wenn wir uns ein bisschen beliebt machen?“
Fury hebt eine Augenbraue. „So wie’s aussieht, wird die Truppe von Stark finanziert. Um die Avengers mache ich mir in der Hinsicht keine -“
„Die Avengers bestehen zu neunzig Prozent aus SHIELD Agenten“, fällt Darcy ihm brüsk ins Wort. Clint hat keine adäquaten Worte für den Mut dieser Frau - oder ihre mathematischen Unzulänglichkeiten.
Darcy rollt ihre Augen in seine Richtung, als habe sie seine Gedanken gelesen. „Ich kann rechnen, Clint - das war situationsbedingte Übertreibung! Was ich sagen will, ist dass die Avengers und SHIELD unter einen Hut gehören. Und wenn es jemanden gibt, der gut darin ist, mit der Meinung der Öffentlichkeit zu spielen, dann ist das -“
„Ich will nicht, dass Stark auch nur das Geringste mit dieser Sache zu tun hat“, sagt Fury streng. Darcy bügelt rücksichtslos über ihn hinweg: „Captain America. Ich meine - haben Sie das Video von ihm und den Kätzchen mal gesehen? Dem Mann würde ich so gut wie alles abkaufen, solange er nur ein Kätzchen in der Hand hält und mich freundlich angrinst. Nur ein Golden Retriever Welpe wäre effektiver.“
Clint starrt sie an. Dann starrt er Fury an. Fury starrt sie ebenfalls an. Phil räuspert sich. „Egal, was ich dafür tun muss, Darcy“, sagt er mit nur der leisesten Andeutung eines Zitterns in seiner ansonsten perfekt ausgeglichenen Stimme, „aber du wirst in naher Zukunft eine Gehaltserhöhung erhalten.“
„Und das an meinem ersten Tag!“ sagt sie stolz, und reckt eine triumphierende Faust in die Luft. „Onkel Tony wird so beeindruckt sein!“
Furys Starren nimmt prompt alarmierte Züge an.
Die Besprechung mit Fury dauert lediglich zwei Stunden. Es ist möglicherweise die Kürzeste, der Phil je beigewohnt hat. Sie ist hauptsächlich deswegen so kurz, weil Darcy nach exakt einer Stunde und achtundfünfzig Minuten verkündet, dass es genug sei, und Phil sich nicht überanstrengen dürfe.
Kurz sieht Fury aus, als wolle er widersprechen. Aber rechts von Phil hebt Clint leicht das Kinn, während links von ihm Darcy ihr Gesicht zu einer strengen Schnute verzieht.
„Das nächste Mal“, sagt Fury mit ungewohnt erschöpftem Unterton, „bringe ich Maria mit.“
Phil kann nicht anders, als verhalten Grinsen. „Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee, Direktor.“
Er erhebt sich von seinem Platz auf dem Sofa, und Fury folgt seinem Beispiel. „Ich verlasse mich darauf, dass sie die Angelegenheit mit dem Team regeln.“
Phil nickt. „Ich werde das Thema beim Abendessen zur Sprache bringen.“
Fury scheint am ganzen Körper zu erstarren. „Die Avengers halten gemeinsame Malzeiten ein?“
Phil legt leicht den Kopf schief. „Ich fürchte, Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie sehr das Team in den letzten Wochen zusammengefunden hat, Direktor. Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Fotos an der Wand links von Ihnen lenken?“
Furys Kopf schwenkt prompt nach links. Es ist nur allzu klar, dass er seinem Auge nicht traut. Aber er tritt nicht dichter an die Wand heran, nimmt die Bilder nicht genauer in Augenschein.
„Die Fotos beißen nicht, Direktor“, macht Phil ihn geduldig aufmerksam.
Fury fasst ihn wohlwollend ins Auge. „Ich finde nicht, dass mich die Privataufnahmen dieser Leute auch nur das Geringste angehen, Coulson. Ganz abgesehen davon will ich nicht wirklich genauer sehen, wie Stark und Rogers miteinander schmusen. Ich will schwer hoffen, Stark nimmt sich keine Freiheiten mit dem Captain heraus?“
„Tony nimmt sich alle Freiheiten dieser Welt mit Steve heraus“, erwidert Darcy leichthin, als Phil keine passende Antwort einfallen will. „Steve scheint es aus vollen Zügen zu genießen.“
Fury atmet tief durch und richtet seinen Blick an die Zimmerdecke. „Ich weiß wirklich nicht, was ich mir dabei gedacht habe, als ich Rogers dazu geraten habe, hier einzuziehen.“
„Sie hatten eindeutig einen seltenen Moment des Mitgefühls“, sagt Phil trocken, und Fury taxiert ihn unter einer gehobenen Augenbraue heraus. „Mir scheint, Ihre Mitbewohner färben ungebührlich auf Sie ab, Agent.“ Er reicht Phil die Hand. „Versprechen Sie mir nur, dass Sie ein Auge auf Stark haben. Der Mann bringt es fertig, und stachelt Captain America zu Erregung öffentlichen Ärgernisses an.“
Schräg rechts hinter Phil gibt Clint ein unterdrücktes Ächzen von sich. Darcy ist nicht so zurückhaltend. „Ich scheitere daran, etwas Negatives an dieser Vorstellung auszumachen.“
Fury macht, dass er davon kommt.
„Was sagt mein Terminplaner für den Rest des Tages?“ erkundigt Phil sich bei Darcy, sobald die Tür hinter Fury ins Schloss gefallen ist, und sie zückt prompt ihre knallgrüne Monstrosität von Stark Pad. Phil wartet nur darauf, dass sie das Ding Bruce oder Hulk tauft. In gewisser Hinsicht ist das Mädchen Clint viel zu ähnlich.
„Du hast versprochen, Clint beizubringen, wie man vernünftige Cheeseburger macht“, sagt sie prompt, und Phil hebt eine beeindruckte Augenbraue.
Clint legt ihm die Hand auf die Schulter, drückt sanft zu. „Ist das nicht zu viel für dich?“
Phil dreht ihm den Kopf zu. „Ich habe gerade schadlos eine zweistündige Sitzung mit dem Direktor überstanden.“
Clint nickt. „Genau, worauf ich hinaus will.“
Phil lässt ein leises Schnauben hören. „Ich denke, ich werde es außerdem überstehen, zwei bis vier Cheeseburger herzustellen. Abgesehen davon habe ich vor, dich die ganze Arbeit machen zu lassen.“
Clint grinst und nickt zum Zeichen seines Einverständnisses. Phil blickt Darcy über seine Schulter hinweg an. „Wärst du so gut, Natasha ausfindig zu machen und zu mir zu schicken? Ich möchte sie um etwas bitten.“
Darcy neigt das Haupt und schickt sich zum Gehen an. Sie hat keine zwei Schritte getan, ehe JARVIS sich hilfreich zu Wort meldet. Agentin Romanov befindet sich in der Trainingshalle.
„Guter Gott, immer noch?“ entfährt es Clint entsetzt. „Was treibt sie da unten?“
Natasha flechtet Thor die Haare. Er sitzt vor der Stemmbank auf dem Boden, auf der sie sich niedergelassen hat, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen und einen Ausdruck purer Entspannung auf dem Gesicht.
Natasha findet, es ist das Mindeste, das sie für ihn tun kann, nachdem er ihr die letzten Stunden so unermüdlich dabei geholfen hat, ihren eigenen Stress abzubauen und den Kopf frei zu bekommen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ein asgardischer Krieger sowas genießen würde“, bemerkt sie schließlich leise, und er öffnet das rechte Auge einen winzigen Spalt und blinzelt zu ihr auf. „Es ist in der Tat viele Jahre her, dass ich es mir zuletzt erlaubt habe.“
Natasha liest zwischen den Zeilen, wie sie es immer tut. „Dein Bruder hat das früher für dich getan?“
Thor macht das Auge wieder zu. „Und ich für ihn.“
Natasha fährt mit den Fingerspitzen durch Thors langes Haar, um es zu glätten. „Warum habt ihr damit aufgehört?“
„Wir haben aufgehört, Kinder zu sein“, erwidert Thor leise, kaum unterdrücktes Bedauern in der Stimme.
Natasha muss einen Moment lang ebenfalls die Augen schließen.
„Seine Gesellschaft war mir die liebste“, gesteht Thor schließlich behutsam - als habe er Angst davor, die Worte gehört werden zu lassen. „Ich vermisse es, ihn an meiner Seite zu haben. Trotz allem, was er getan hat. Ich vermisse es, seine Stimme zu hören - trotz all der Lügen, die er mir erzählt hat.“
„Ich nehme an, das ist nur natürlich“, sagt Natasha gelassen. „Ihr habt Jahrhunderte miteinander verbracht.“
Thor schlägt beide Augen auf und blickt sie nachdenklich an. „Du bringst ihm nicht den gleichen Hass entgegen wie die Anderen.“
Natasha hebt leicht die Schultern und zieht sanft an einem fertigen Zopf. „Ich kann ihn kaum dafür hassen, dass er Leute umgebracht hat. Er hatte eine Agenda, die er durchsetzen wollte. Wenn es etwas gibt, das ich ihm vorwerfe, dann ist es, was er Clint und Phil angetan hat. Darüber kann ich kaum einfach so hinwegsehen. Aber ich hasse ihn nicht, schätze ich.“
„Ich war ihm kein guter Bruder“, vertraut Thor ihr an, wendet seinen Blick von ihr ab und betrachtet stattdessen die gegenüberliegende Wand. „Ich habe ihn viel zu oft zugunsten von Kampf und Glorie vernachlässigt.“ Er hebt leicht die Schultern. „Das Treiben und der Ruhm des Kampfes waren mir wichtiger als alles andere.“
„Er ist nicht tot“, macht Natasha ihn mit überraschend strenger Stimme aufmerksam. „Du kannst ihm dein Bedauern anvertrauen. Es ist nicht zu spät.“
Thor seufzt. „Ich kann deine Sicherheit, was das angeht, nicht teilen.“
Natasha boxt ihn gegen die Schulter. „Ich bitte dich. Er hat Jahrhunderte gebraucht, um sich gegen dich zu wenden. Willst du mir erzählen, der treue Gefährte, der er dir all diese Jahrhunderte lang war, existiert nicht mehr? Selbst wenn er sich das einzureden versucht, wenn er behauptet, er bringt dir nichts als Hass entgegen - Thor, verdammt, er hat dich mit dem kleinsten Messer der Weltgeschichte angegriffen. Es war nicht mal vergiftet!“
Die Tür zur Trainingshalle öffnet sich, ehe Thor eine Entgegnung eingefallen ist, und Darcy betritt den Raum. Sie hält einen Moment inne, als sie sieht, was vor sich geht, dann marschiert sie entschlossen auf Natasha und Thor zu.
„Ich will nicht stören“, leitet sie die Erklärung für ihre plötzliche Anwesenheit ein. „Aber Phil hat mich geschickt.“
Natasha strafft ganz unwillkürlich die Schultern. „Ist alles in Ordnung?“
Darcy nickt beruhigend. „Wir haben Furys Besuch ohne bleibende Schäden überstanden. Ich weiß übrigens nicht, wieso ihr deswegen so einen Wirbel veranstaltet habt. Der Mann kann richtiggehend charmant sein - nach euren Reaktionen gestern hab ich mit Hannibal Lektor gerechnet.“
Natasha macht sich nicht die Mühe, klarzustellen, dass auch Hannibal Lektor überraschend charmant sein kann.
„Du warst bei der Besprechung dabei?“ fragt sie stattdessen und kann nicht sagen, warum sie so überrascht ist. Darcy scheint ihre Reaktion ebenfalls nicht nachvollziehen zu können. „Natürlich war ich dabei. Eine gute Assistentin ist bei allen wichtigen Gesprächen dabei!“
Sie grinst, voll von unverhohlenem Stolz, und Natasha drückt noch einmal Thors Schulter, ehe sie sich von ihrem Platz erhebt. „Und du bist jetzt hier, weil -?“
„Phil möchte dich sprechen“, sagt sie, ein wenig zerknirscht darüber, dass Natasha nachfragen musste. „Er ist mit Clint in der Küche.“
TEIL 18