Teil 1 Zu sagen, die Stille sei unangenehm, hieß die Sache stark untertreiben. Dean versuchte seit geraumer Zeit, die richtigen Worte zu finden, aber das Universum schlotzte ihm jede halbfertige Formulierung direkt aus dem Kopf wie ein von Dämonen besessener Staubsauger. Sam erging es nicht viel besser. Und er hatte nicht mal die merkwürdige Metapher mit dem Staubsauger.
Alles was er hatte, war ein Wust an einander widersprechender Emotionen, und keine davon sprach zu ihm.
Die Stille zwischen ihm und Dean hatte sich mittlerweile derartig ausgedehnt, dass in ihren Ausläufern das erste Leben entstand. Noch ein paar Evolutionsstufen weiter, und Krieg würde unausweichlich sein.
Das Allerschlimmste, entschied Dean, war wie gut er sich fühlte.
Sein Verstand mochte bereuen, vielleicht sogar verabscheuen, was geschehen war, aber sein Körper … sein Körper schrie nach einer Zugabe, wenn möglich mit Feuerwerk.
Und in ihrem grässlich winzigen Motelzimmer gab es nicht das Geringste, womit er sich ablenken konnte. Nicht mal Pornos, obwohl die (zugegeben) höchst kontraproduktiv gewesen wären.
Alles, was es gab, war Sam - mit seinen blöden Haaren und den Augen und … und den Händen, den Händen … Dean machte ein ersticktes Geräusch am Grund seiner Kehle und dachte kurz über Selbststrangulation nach. Aber wie er Sam kannte, würde der versuchen, ihn aufzuhalten, und dazu würde er ihn anfassen, und dann … Deans Kehle wiederholte den erstickten Laut.
Dean hörte Sam einen mühsam kontrollierten Atemzug tun.
Sie mussten früher oder später darüber reden - selbst die berühmt berüchtigte Winchester’sche Verdrängung hatte ihre Grenzen - aber er wusste einfach nicht, was zum Teufel er sagen sollte.
Er konnte Sam kaum die Schuld dafür geben, was passiert war. Er wollte ihm nicht mal die Schuld geben.
Schuld war einzig und allein der Efeh, aber der war nicht da. Da war nach wie vor der Glitter, inzwischen erstreckte er sich über ihrer beider Körper, und zwar komplett, und Dean hatte das düstere Vorgefühl, dass wenn er Sam zu nahe kam, das peinliche Geglitzer wieder losgehen würde.
Er hörte Sam erneut tief durchatmen - auf gar keinen Fall handelte es sich bei Sams respiratorischen Übungen um Stöhnen - und Dean kniff die Augen zu.
Sein Körper gab ihm eindeutige Impulse, und Dean wusste, dass sein Verstand in einer Debatte mit seinem Instinkt sang und klanglos untergehen würde. Es würde bedeuten, einen Mops gegen einen Dobermann antreten zu lassen. Der Mops hatte einfach keine Chance, trotz der O-Beine.
„Dean“, sagte Sam plötzlich, und Dean bekam augenblicklich eine derartig intensive Gänsehaut, dass es schon beinahe schmerzhaft war. Seine Brustwarzen zogen sich so fest zusammen, dass er sich auf die Zunge beißen musste, um nicht laut aufzustöhnen.
„Was?“ brachte er hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Komm her“, sagte Sam leise.
Dean riss die Augen auf. „Bist du verrückt?“
„Bitte, Dean.“
Deans Kopf ruckte herum, und er sah Sam an - sah ihn wirklich an - und schluckte trocken. Sam war verschwitzt, das Haar hing ihm wirr in die Stirn, und seine Augen waren zu groß und dunkel in seinem bleichen Gesicht. Sam sah aus, als sei er auf Entzug.
„Bitte, Dean, bitte“, wiederholte er flehentlich, und Dean war vom Bett aufgestanden und einen Schritt auf Sam zugegangen, bevor ihm einfiel, dass das eine verdammt dumme Idee war. Blöder großer Bruder Komplex.
Aber Sam streckte die Hände nach ihm aus - die Hände, sanft und warm und so groß - und Dean spürte, wie er hart wurde.
„Ach, verdammt.“
Er sah Sam sich aufsetzen und konnte sich nicht rühren, konnte nur reglos dastehen und seinen Bruder dabei beobachten, wie er hastig über das Bett rutschte, näher kam, sich vor ihm auf das Ende des Bettes kniete, beide Hände nach ihm ausstreckte und -
„Aah …“
Sams Berührung allein genügte, um Dean in der Enge seiner Jeans sofort sehr viel härter werden zu lassen.
Sams Hände glitten auf seine Hüften, und Dean verfolgte sie mit seinem Blick, biss sich auf die Unterlippe, als er sah, wie die langen, schlanken Finger seine Hüften beinahe völlig umspannten. Weißes Licht schimmerte zwischen ihnen hervor.
Deans Knie wurden weich.
„Bitte, Dean“, murmelte Sam heiser, sein Atem heiß gegen Deans Schlüsselbein. Es reichte aus, um ein paar schwache Funken aufglimmen zu lassen.
Dean hob den Blick, sah Sam in die Augen, und nickte. Der Ausdruck gequälter Verzweiflung verschwand von Sams Zügen, und Dean lächelte unwillkürlich, beugte sich vor und küsste ihn. Sams Lippen teilten sich unter seinen, weich und nachgiebig, und Dean zögerte nicht, seine Zunge dazwischen gleiten zu lassen.
Sie stöhnten gleichzeitig, hilflos und gierig, und Dean packte Sam bei den Schultern und zerrte ihn enger an sich heran, damit er sich an ihm reiben konnte. Er brauchte den Kontakt, musste Sams harten Leib an seinem eigenen spüren, während seine Zunge Sams warme Mundhöhle erforschte.
Dean vergrub die linke Hand in Sams Haar, unterdessen glitt seine rechte über Sams Rücken, krallte sich schließlich in sein Hemd und hielt daran fest.
Der Kuss war überraschend … zärtlich.
Dann begann Sam damit, seine Daumen in gefährlicher Nähe zu Deans Erektion auf und ab reiben zu lassen. Dean biss ihm auf die Unterlippe, Sam grollte. Die Vibration, direkt übertragen von Sams Brustkorb, stellte interessante Dinge mit Deans Libido an.
Sie verlangte mit einem Mal nach nackter Haut, möglichst warm und vielleicht sogar überzogen mit Glitter.
Dean löste die linke Hand aus Sams Haar und gab ihr den Auftrag, Sam sein Hemd auszuziehen. Selbstverständlich konnte seine Hand diesem Befehl nicht nachkommen, ohne zahlreiche Zwischenstopps zu machen.
Aber irgendwann fand er sich nackt auf dem Bett wieder, der Länge nach an Sam gepresst, und es fühlte sich so gut an, dass er hätte schreien können. Stattdessen küsste er Sam, langsam, bedächtig und schon beinahe … schon beinahe liebevoll. Sams Hände glitten über seinen Rücken und seine Schultern; er zog mit den Fingerspitzen seine Wirbelsäule nach, und Dean war so entspannt wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Hätte er sich die Zeit gelassen, darüber nachzudenken, er hätte es nicht begriffen.
Aber Dean dachte nicht nach, ließ sich einfach gehen, presste seine Hüften an Sams und genoss das Gefühl, dessen Erektion an seiner eigenen zu spüren.
Es war so anders als mit den Frauen, die er gehabt hatte, und das nicht allein des unbestreitbaren Umstands wegen, dass Sam keine Frau war. Sam hielt ihn, hielt ihn fest, und seine Hände waren so … sie waren einfach so groß. Dean stöhnte leise, löste seine Lippen von Sams, zog den Kopf ein Stück zurück und schlug die Augen auf.
Sam erwiderte seinen Blick, ein wenig unsicher aber aufmerksam, und Dean vergrub sein Gesicht an Sams Halsbeuge und leckte über die warme Haut, die er dort fand. Er fühlte sich sicher.
Als Sams Hände seinen Hintern fanden, zuckte er weder zusammen noch verkrampfte er sich - er presste sich ihnen entgegen. Und da sie miteinander aufgewachsen waren, ohne je miteinander zu reden, benötigte es auch an dieser Stelle keiner Worte.
Sam zog Deans Pobacken auseinander, strich zwischen ihnen auf und ab, und die halb erstickten Laute, die Dean gegen seine Halsbeuge ausstieß, jagten eine Gänsehaut über Sams kompletten Rücken.
Er presste zwei Finger gegen Deans Anus, und er war derjenige, der erzitterte, er war derjenige, der zusammenzuckte, als Dean die Beine für ihn spreizte und ihn gewähren ließ.
Sein rudimentäres Wissen über die menschliche Anatomie ließ Sam erahnen, dass es anzuraten wäre, sich an dieser Stelle nach einer Form von Gleitmittel umzusehen, aber dann drang sein Zeigefinger derartig mühelos in Dean ein, dass ihm gleichzeitig mit diesem ein überraschtes Keuchen entwich.
Dean öffnete sich mühelos für ihn, hielt ihn in keiner Form zurück, und Sam kniff die Augen zusammen, während sein Finger tiefer und tiefer in Dean hinein glitt.
Er spürte Deans Atem an seiner Halsbeuge, spürte jedes hastige Luftholen, jedes Keuchen, und als er Deans Prostata fand, spürte er ihn zubeißen.
Sam stöhnte erschüttert, rieb mit der freien Hand über Deans verschwitzten Rücken, und obwohl er die Augen geschlossen hielt, nahm er das Glühen war, das von ihren erhitzen Körpern ausging.
Er ließ seinen Finger in Dean kreisen, fand wieder und wieder den sensiblen Lustpunkt, ließ Dean wieder und wieder in seinen Armen erbeben, und er konnte selbst nicht sagen, warum er sich noch immer so seltsam … unzulänglich fühlte.
Die Situation war genug, um ihn in einen fiebrigen Zustand der Ekstase zu versetzen, und noch immer wollte er mehr, selbst wenn er kaum sagen konnte, woraus dieses Mehr bestehen sollte.
Dann griff Dean um ihn herum, packte mit beiden Händen seinen Hintern, zog seine Pobacken auseinander, und Sam verdrehte die Augen hinter geschlossenen Lidern. Beinahe wäre er gekommen.
Er keuchte auffordernd, und Dean schob zwei Finger gleichzeitig in ihn, die plötzliche Dehnung beinahe zu viel für seinen übersensibilisierten Körper, und Sam konnte ein Wimmern nicht unterdrücken. Die Balance zwischen Schmerz und Lust war zu perfekt, das Gefühl, von Dean ausgefüllt zu sein, zu intensiv.
Ihre Erektionen, zwischen ihnen eingeengt, rieben aneinander, während sie das völlig neue Gefühl auskosteten, einander auf diese Art zu befriedigen. Das Glühen, das von ihnen ausging, blendete inzwischen so sehr, dass sie die Augen fest geschlossen halten mussten.
Sams Hüften zuckten wieder und wieder, und er konnte sich nicht entscheiden, ob er sie nach vorn gegen Deans heißen Körper oder nach hinten gegen die ihn penetrierenden Finger treiben sollte. Er schob einen zweiten Finger in Dean hinein, dann einen dritten, und er bekam einfach nicht genug von den hilflosen, erregten Lauten, die über Deans Lippen kamen.
Er hatte erwartet, dass Dean im Bett wesentlich lauter, wesentlich profaner sein würde, aber alles, was sein Bruder tat, war hin und wieder leise zu stöhnen. Und dann stöhnte er seinen Namen, presste gegen seine Prostata, wisperte im selben Augenblick leise und liebevoll „Sammy“ - und Sam kam mit einem erstickten Schrei der Überraschung.
Sein Orgasmus ließ ihn kraftlos und keuchend zurück, aber noch immer erforschte Dean sanft seine heiße Enge, noch immer verteilte er sanfte Küsse entlang seiner Kinnpartie, und Sam wusste jetzt, was er wollte - besser noch, er wusste, was er brauchte. Er zog seine Finger aus Dean zurück, lächelte beinahe, als daraufhin ein entschieden unzufriedener Laut über Deans Lippen kam - und schlug die Augen auf. Es sollte ihn vermutlich überraschen, dass die Luft um sie herum von weiß glühenden Funken erfüllt war, tat es aber nicht. Es waren schon merkwürdigere Dinge erblickt worden, wenn auch nicht von zuverlässigen Augenzeugen.
Deans Haut schimmerte verführerisch, der Ausdruck in seinen Augen war hin und her gerissen zwischen liebevollem Vertrauen und verzweifelter Leidenschaft, und Sam rollte sich auf den Rücken und spreizte wortlos die Beine.
Dean konnte ihn nur anstarren.
„Komm“, sagte Sam also leise, seine Stimme tiefer und rauer als sonst, und Dean überlief ein Schauer, dann kam er der Aufforderung nach und kniete sich zwischen Sams Schenkel.
„Bist du sicher?“ erkundigte sich sein Blick, und Sam nickte stumm. Dean beugte sich vor und küsste ihn, zuerst sanft und … und dankbar, dann zunehmend gierig.
Er ließ Dean seine Hüften packen, hob sie bereitwillig an, und als Dean in ihn eindrang, vergaß er mehrere kostbare Sekunden lang, wie man atmete. Dean füllte ihn aus, heiß und drängend, und Sam versuchte gar nicht erst, das wollüstige Grollen in seiner Kehle zu unterdrücken.
„Alles ok, Sammy?“ fragte Dean ihn heiser, und er bejahte, packte Deans Hüften fester und zog ihn noch etwas tiefer in sich hinein. „Mach.“
Dean machte.
Sam hatte in seinem Leben schon oft Sex gehabt - nicht so oft wie Dean, aber noch immer oft genug - aber das hier war … er konnte nicht sagen, wie es war. Er hatte keine Vergleichsmöglichkeit.
Er war sich allerdings ziemlich sicher dass er sich dabei noch nie zuvor gleichzeitig hilflos und so unbeschreiblich sicher gefühlt hatte - und geil natürlich; das verstand sich von selbst.
Dean traf seine Prostata mit erstaunlicher Zielsicherheit - Anfängerglück, vermutlich - die Art und Weise, wie er sich in ihn rammte, hatte mit zärtlicher Zurückhaltung nicht das Geringste zu tun, und Sam liebte es. Also gab er sich hin, hielt nichts zurück, keuchte und wimmerte und stöhnte, und kniff die Augen so fest zusammen, dass bald Lichtpunkte inner- und außerhalb seiner Lider tanzten.
Über ihm war Dean schwer damit beschäftigt, nicht vor Geilheit zu sterben. Sam war fürchterlich eng, er war außerdem fürchterlich heiß - und die Laute, die er von sich gab, fürchterlich obszön. Es war himmlisch.
Das leise Klatschen, mit dem seine Lenden auf Sams Hintern trafen, machte die Sache nur noch besser, und irgendwann wagte Dean es tatsächlich, die Augen zu öffnen und auf Sam hinab zu sehen.
Der Anblick brannte sich in seine Netzhaut. Die schweißnassen Haare, die Röte auf Wangen und Stirn, der leicht geöffnete Mund … die schimmernde braune Haut.
Dean schluckte trocken.
„Sammy …“ wisperte er rau.
Sam schlug die Augen auf, sah ihn an, und Dean kam.
Peinlich berührtes Schweigen fühlte sich anders an, aber nicht sehr. Dean schämte sich ein wenig, nagte an seiner Unterlippe herum, und konnte sich doch nicht dazu bringen, seinen Arm zurückzuziehen. Er ließ ihn also, wo er war: um Sam geschlungen, und das einigermaßen fest.
Sam brummte zufrieden, drückte seine verschwitzte Stirn an Deans ebenso verschwitzten Hals und hielt die Augen geschlossen. Er war müde, erschöpft … und unter anderen Umständen hätte er seinen Zustand außerdem als widerlich besudelt bezeichnet. Unter diesen Umständen bezeichnete er ihn als gebranntmarkt und fühlte sich ziemlich gut damit.
Er war sich vage bewusst, dass die Luft um sie herum nach wie vor mit übernatürlichen Glühwürmchen angefüllt war, aber augenblicklich konnte ihm nichts egaler sein. Der einzige Gedanke, der seinen Verstand dominierte, war der, dass er Dean so bald wie möglich zurückzahlen musste, was sich soeben zwischen ihnen abgespielt hatte. Das hatte mit Rache nicht das Geringste zutun, selbst wenn Rache nie zuvor derartig süß gewesen wäre.
Der nächste Morgen kam mit gnadenlosem Sonnenschein, der sich entschlossen durch die hinuntergelassenen Rollos schlängelte. Nicht, dass Dean davon auch nur die geringste Notiz genommen hätte. Er lag bereits seit Sonnenaufgang wach und versuchte in seinen Kopf zu bekommen, dass er jetzt anscheinend eine sexuelle Beziehung mit seinem Bruder hatte.
Abartig. Als wäre ihrer beider Leben nicht schon kompliziert genug. Und das dämliche Geglitzer hatte noch immer nicht aufgehört.
Aber so sehr Dean es auch versuchte, er konnte Sam nicht loslassen, konnte nicht von ihm abrücken oder sogar das Bett verlassen. Er wollte ihn halten.
Endlich fühlte er sich nicht länger überladen und überfordert, wenn Sam in seiner Nähe war. Endlich, endlich war dieses seltsame Gefühl der Enge aus seiner Brust verschwunden. Er konnte wieder frei atmen, wenn Sam bei ihm war - und was viel wichtiger war, er konnte ihn ansehen, ohne dass Schuld und Angst ihn zu überwältigen drohten.
Dean begriff nicht, wie das möglich war. Er hatte mit Sam geschlafen. Schuld und Angst sollten von nun an sein ständiger Begleiter sein, vielleicht sogar begleitet, ahaha, von Selbstvorwürfen und der allgegenwärtigen Frage, was ihr Vater dazu sagen würde. Liebe Güte.
Aber Dean konnte sich nicht dazu bringen, diese Dinge zu empfinden. Er war auf perverse und völlig falsche Art - soviel wusste er - lächerlich glücklich.
Offenbar gefiel es seiner verdorbenen Seele, Sex mit seinem Bruder zu haben, ganz egal, was der allmächtige John Winchester davon halten mochte.
Dean seufzte tief, drehte leicht den Kopf und drückte Sam einen Kuss auf die Stirn. Sam gab daraufhin ein amüsiertes Schnauben von sich, dass Dean darauf aufmerksam machte, dass der kleine Scheißer vermutlich schon seit Stunden wach war.
„Du bist noch da“, murmelte Sam gegen seinen Hals, und Dean bekam eine Gänsehaut, die er hinter überlegener Männlichkeit zu verbergen suchte.
„Ja, na und?“ grunzte er.
„Ich hatte halb und halb gefürchtet, du wärst inzwischen nach Mexiko ausgewandert“, gab Sam leise zu. Dean überlief ein kalter Schauer. Niemals.
„Wenn, dann Kanada“, sagte er entschieden. „Die sind da toleranter.“
Sam hob ruckartig den Kopf, sah ihm in die Augen, und sie kommunizierten - wie so oft - ohne Worte.
Ein Lächeln erblühte auf Sams Zügen, und diesmal hatte es nicht das Geringste mit Gänseblümchen zu tun. Diesmal waren Sonnenschein, Regenbögen, vielleicht sogar Einhörner involviert. Dean musste sich räuspern.
„Toleranz ist wichtig“, sagte Sam schließlich ernsthaft. Dean verdrehte die Augen, und Sam seufzte leise. Und dann reckte Sam den Hals, und sie küssten sich - einfach, weil sie’s konnten.
„A-ha!“
Hätte Dean zur Schreckhaftigkeit geneigt, wäre er schon vor Jahren an einem Herzkasper dahingeschieden. Dementsprechend entspannt drehte er sich jetzt um - und war überrascht, keineswegs den erwarteten Efeh in der dunklen Gasse hinter sich vorzufinden.
Zwar waren die Knopfaugen dieses Exemplars … nun ja … ebenfalls Knopfaugen, aber sie waren blau. Seine Haare waren dann auch keineswegs rot, sie waren blond. Außerdem war er in eine Jeans, ein weißes Hemd und eine verdammte Zimmermannsweste gekleidet. Mit Glitter überzogen war er trotzdem.
Dean spürte Sams vertraute Wärme an seiner Seite, neigte sich instinktiv in die entsprechende Richtung und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Aha?“ wiederholte er anklagend.
Der Blondschopf grinste triumphierend. „Ihr leuchtet!“
„Ist uns aufgefallen, ja“, gab Dean betont gelangweilt zurück.
„Alter, jetzt tu nicht so blasiert! Ihr habt endlich gepoppt!“
Das hatten sie, und zwar ausdauernd. In allen denkbaren Stellungen und Variationen. Für Dean war das noch immer kein Grund, dass dieser Heini das so salopp rausposaunte.
„Wer zum Teufel bist du?“ verlangte er mit aggressivem Unterton zu erfahren. Der Blonde blinzelte ihn an. „Heh?“
Dann schien ihm ein Licht aufzugehen. „Oooh - das neue Outfit. Ja, ich hatte mal Lust auf was Neues. Beziehungsweise was Altes. Die roten Haare haben mir nicht länger gefallen und die bernsteinfarbenen Kontaktlinsen haben auch nur noch genervt. In Natura seh ich sowieso am Besten aus!“
Er warf sich in Positur.
Deans Augenbraue zuckte.
„Also bist du der Efeh.“
„Jopp. Naja, ein Efeh. Aber dafür ein ganz Toller! Du darfst mich den Chad nennen.“
„Den Chad?“
„Naja, ich bin ja DER Chad, nicht wahr?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Ich hab’s dir doch gerade gesagt!“
Dean gab auf. Für fünf Sekunden.
„Kannst du uns jetzt endlich sagen, was zum Teufel du eigentlich von uns willst?“
Der Chad musterte ihn kurz, als sei er ein besonders dämliches Exemplar eines humanoiden Mannes.
„Na, dass ihr poppt“, erklärte er dann sanft. Dean spürte, dass er einem Tobsuchtsanfall bedrohlich nahe war.
Warum Sam an seiner Seite so verdächtig ruhig bleiben konnte, verstörte ihn außerdem maßlos.
„Wieso das denn?“
„Weil’s euch glücklich macht“, lautete die schlichte Antwort.
Dean strengte sich an, völlig ungewohnte Denkprozesse in Gang zu setzen.
„Aber es ist falsch und unmoralisch“, sagte er ohne rechte Überzeugung, aber er dachte, er sollte es zumindest mal ausgesprochen haben.
„Warum das denn?“ Der Chad wirkte aufrichtig verwirrt.
„Weil wir Brüder sind?“ erwiderte Dean bissig. „Und Männer. Beide. Wir sind beide Männer.“
Der Chad winkte gelangweilt ab. „Komm mir jetzt bitte nicht mit homophoben Nichtigkeiten. Auf so eine Diskussion lass ich mich gar nicht erst ein. Und das mit den Brüdern: Ja und? Erstens ist nach euren ganzen Auferstehungen kaum noch was von euren originalen Genen unangetastet, und zweitens will ich sehen, wie ihr zwei zusammen genetisch belastete Kinder kriegt. Oder besser doch nicht. Passt einfach auf, dass ihr kein übernatürliches Wesen sauer macht, das so was in die Wege leiten könnte, ok? Alles prächtig.“
„Alles prächtig?!“ wiederholte Dean fassungslos, und Sam beschloss, dass dies der beste Zeitpunkt sei, sich endlich in das Gespräch einzumischen.
„Warum willst du, dass wir glücklich sind?“ fragte er leise.
Dean erstarrte. Der Chad nahm mit einem Mal eine wohlwollende Aura an, die Mutter Theresa hätte vor Eifersucht erbleichen lassen.
„Weil ich euch gut leiden kann“, sagte er aufrichtig. „Und weil ihr nach all dem Scheiß, den ihr durchmachen musstet, ein bisschen Glück und Frieden verdient habt - und sei doch mal realistisch: Ihr findet sowieso nie Weiber, die ihr mehr liebt als euch. Also. Gegenseitig.“
Dean war sprachlos, Sam lächelte ein wenig. „Du kannst uns gut leiden?“
„Alter!“ Der Chad wirkte peinlich berührt. „Jetzt reit nicht auch noch drauf rum!“
„Warum haben wir vorher noch nie was von dir gesehen?“ wollte Dean jetzt wissen.
„War ein bisschen schwer, an euch ran zu kommen“, gestand der Chad zerknirscht. „Jedes Mal, wenn ich’s versucht hab, war da ein Dämon, oder ein Werwolf, oder ein Engel, der euch voll und ganz beansprucht hat. Apropos: Cas lässt schön grüßen.“
Dean fiel die Kinnlade runter. „Du kennst -“
Der Chad ließ ihn nicht aussprechen. „Alter, ich kenn sie alle. Ich könnte euch Sachen erzählen - da stehen einem die Haare zu Berge. Werd ich bei Gelegenheit mal tun. Aber jetzt muss ich los. Da gibt’s zwei Kerle in’ner Parallelwelt, die einfach nicht zu Potte kommen. Sind füreinander geschaffen, aber ob ihr’s glaubt oder nicht, der eine ist seit sieben Jahren verheiratet. Mit ner Frau. Und der andere weigert sich hartnäckig, zu ihm zurück zu kehren. Schauspieler. Mein kniffligster Fall bisher.“
„Schauspieler?“ echote Dean, im gleichen Augenblick, als Sam „Parallelwelt?“ wiederholte.
„Also, nicht, dass ich was gegen Schauspieler hätte“, beeilte sich der Chad, zu versichern. „Bin ja praktisch selber einer. Und eure Alter Egos - Mann, das war leicht. Musste praktisch nichts dazu tun. Deswegen mag ich euch auch so. Ihr seid in jeder Dimension für einander bestimmt. Und jetzt muss ich los - bis die Tage!“
Es machte diesmal ein wenig lauter Puff als üblich, außerdem meinte Dean einen leisen Hauch von Glockengebimmel zu vernehmen. Er wandte sich zu Sam um, während Goldfunken auf ihn hinab regneten, und hob eine abwartende Augenbraue. Sam lächelte auf hin hinab. „Ja?“
„Er hat gesagt“, begann Dean langsam, „dass wir füreinander bestimmt sind.“
Sam zuckte mit den Schultern. „Und?“
„Er hat gesagt“, versuchte Dean es ein weiteres Mal, „dass wir in einer Parallelwelt Schauspieler sind.“
„Und?“
„Ich kann mich nicht entscheiden, was schlimmer ist.“
Sam grinste.
„Ich mag ihn.“
„Ja, das glaub ich. Du hast dich schon immer zu Idioten hingezogen gefühlt.“
Dean hielt inne, als ihm bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. Dann schmollte er. Sam lachte laut auf.
„Da werd ich dir mal nicht widersprechen.“
Dean rammte ihm liebevoll seinen Ellenbogen in die Rippen. Daraufhin seufzte er seelenvoll.
„Was machen wir denn jetzt?“ wollte er wissen - womit er darauf anspielte, dass er sich nach wie vor ganz fürchterlich zu Sam hingezogen fühlte und im Prinzip nichts dagegen hatte, dass Sam und er offenbar füreinander bestimmt waren.
Sam zuckte mit den breiten Schultern und lächelte.
„Ich finde“, begann er nachdenklich, „dass wir’s zur Abwechslung mal mit glücklich Sein versuchen könnten.“
Ende
*
Meeresleuchten, meist durch einzellige Organismen (in der Nordsee z. B. von Noctiluca miliaris), aber auch durch Krebstiere oder Manteltiere erzeugtes, zumeist blaues, manchmal auch grünes Leuchten an der Meeresoberfläche (siehe Leuchtorganismen). In bestimmten Organen oder Zellen wird mittels chemischer Prozesse Licht erzeugt. Zwei Stoffe, Luciferin und Luciferase (ein Enzym), die normalerweise isoliert voneinander vorliegen, erzeugen bei Zusammentritt unter Vorhandensein von Sauerstoff Licht. Dabei werden über 90 Prozent der Energie in Licht umgewandelt, dies ist wesentlich effektiver als im Fall technischer Leuchtkörper. Meeresleuchten kann sowohl tagsüber als auch nachts beobachtet werden, es wird durch den mechanischen Reiz leichter Wellenbewegung ausgelöst.
Microsoft ® Encarta ® Enzyklopädie 2005 © 1993-2004 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.