Das erste Türchen des
Tatort- und Polizeiruf Adventskalenders 2023!
Genre: AU, Humor, Fluff
Handlung: Spielt drei Jahre nach dem Ende von „Der Neue“
A/N: Ich bin nicht ganz so zufrieden damit, aber besser wird’s nicht mehr. Die Geschichte ist ein Nachtrag zu meinem Tatort Münster AU „Der Neue“, man kann sie aber auch als Oneshot lesen, ohne das AU zu kennen. Wichtig ist nur zu wissen, daß das ganze 1987 spielt und die beiden in meiner Timeline zu dem Zeitpunkt 19 und 21 sind.
Statt zu schreiben habe ich meine Zeit mit der Recherche verschwendet, wie das mit der Wehrpflicht in den 80ern nochmal genau war. Und deshalb weiß ich jetzt, daß Frank als Polizist von der Wehrpflicht befreit ist (wenigstens etwas, wie Herbert sagen würde) und Karl wegen Medizinstudiums zurückgestellt. Und bis er mit dem Studium fertig ist, wird er schon noch was finden, um ganz drumrum zu kommen ;)
Länge: ~ 1.100 Wörter
***
Herbert packte gerade die letzte Lage Lebkuchen ein - nach einem Rezept seiner Oma, Franks Lieblingsplätzchen - als es an der Tür klingelte.
„Einfach aufdrücken!“
Er hörte das vertraute Quietschen seiner Wohnungstür, und ... „Du solltest wirklich nicht Tag und Nacht den Türschnapper auf offen stehen haben, das ist ein echtes Sicherheitsrisiko!“
„Ja, ja …“ Seit der Junge bei der Polizei war, war es wirklich unerträglich mit ihm geworden. Letztens hatte er ihm doch tatsächlich lang und breit von den Gefahren des Enkeltricks erzählt, für wie alt hielt der ihn eigentlich!
„Sind das Lebkuchen …?“
„Was denkst du?“ Er drehte sich um und hielt seinem Sohn ein Exemplar vor die Nase.
„Die hast du ja schon lange nicht mehr gebacken.“ Franks Augen leuchteten auf, während er sich den Lebkuchen schnappte und ihn ohne Umschweife in den Mund schob.
Herbert suchte nach einem Geschirrtuch, um sich die Hände abzuwischen. „Wann kommt Karl?“
„In einer halben Stunde oder so. Er muß noch was besorgen.“
Er grinste. „Wieder spät dran, hm?“
„Geschenke besorgen ist nichts seins ...“, gab Frank zu. „Aber dafür haben wir gestern Abend den Baum besorgt, den bringt er mit.“
„In der Ente?“
„Dachgepäckträger.“
„Dann kannst du mir ja schon mal bei den Vorbereitungen fürs Abendessen helfen.“ Er humpelte zum Schrank und zog den großen Topf für die Pellkartoffeln heraus. Teenager waren sie zwar nicht mehr, aber die Mengen an Kartoffelsalat, die die zwei verdrücken konnten, war immer noch eindrucksvoll. Vermutlich bekamen sie in ihren Studentenbuden das halbe Jahr nichts Ordentliches zu essen. Aber Frank hatte ja unbedingt ausziehen müssen, obwohl er inzwischen eine Wohnung in Münster hatte, die groß genug war für zwei. „Du kannst die Kartoffeln aus dem Keller holen.“
„Mach ich.“ Frank griff nach einer großen Plastikschüssel. „Und du setz dich hin und leg den Fuß hoch, sonst wird das nie besser. Ruhe, hat der Arzt gesagt.“
„Ja, ja ...“ Der fragliche Arzt war Karl mit seinen zwei Semestern Medizinstudium, aber er wußte selbst, daß ein verknackster Fuß vor allem Entlastung und Ruhe brauchte. Trotzdem dämlich, daß das so kurz vor Weihnachten hatte passieren müssen. Er humpelte zum Sofa und legte das Bein wieder auf dem Kissen auf dem Sofatisch ab. Das fühlte sich doch schon gleich besser an. Und wo Frank jetzt da war, konnte er ihn ja wirklich den Rest der Vorbereitungen übernehmen lassen. Kartoffelsalat würde er wohl schaffen, anders als Plätzchen backen, dafür fehlte ihm die Geduld. Essen tat er sie allerdings gerne, daran hatte sich in all den Jahren nichts geändert. Er zündete sich einen Feiertagsjoint an, natürlich just in dem Moment, in dem sein gesetzestreuer Sohn mit den Kartoffeln zurückkam und ihm einen mißbilligenden Blick zuwarf.
„Schmerztherapie.“
„Ja, klar ...“ Frank kippte das Fenster in der Küche. „Hoffentlich halten die Nachbarn das für irgendein exotisches Weihnachtsplätzchengewürz.“
Da er seinen Nachbarn an seinen Erträgen aus dem Schrebergarten teilhaben ließ, bezweifelte er das. Aber das mußte Frank nicht so genau wissen. Lieber ein anderes Thema suchen. „Wie geht es Karl in seiner neuen WG?“
Frank schnaubte amüsiert. „Wenigstens beschwert er sich nicht mehr über die mangelnde Reinlichkeit. Sind alles Frauen.“
„Naja.“ Er erinnerte sich noch gut an den Anfang seines eigenen Studiums. „Besser als so ein Wohnheimflur mit elf anderen ist das schon.“
„Ich geb's ja zu, ich hab's da auch nicht unbedingt gemütlich gefunden.“ Frank gab eine großzügige Portion Salz in den Topf mit den Kartoffeln und kam zu ihm. „Außerdem war's laut und die Wände dünn wie Pappe.“
Dazu sagte er mal lieber nix. Aber er konnte sich vorstellen, warum das ein definitives Minus gewesen war. So richtig verstanden, warum die beiden nicht zusammengezogen waren, hatte er ja nicht. Frank leistete sich von seinen Anwärterbezügen eine Ein-Zimmer-Wohnung, und Karl gab sein Geld für ein separates Zimmer aus - erst im Wohnheim, jetzt in einer WG. Andererseits ... vielleicht war es auch ganz gut, daß die beiden noch ihr eigenes Leben hatten. Und tatsächlich war er fast ein bißchen stolz, daß wenigstens Karl das echte Studentenleben kennenlernte und WG-Erfahrungen machte. Nach dem ganzen Ärger zuhause war es gut, wenn er neue Kontakte knüpfte und Freunde fand. Zum Glück unterstützte ihn wenigstens sein Großonkel finanziell, ansonsten wäre es schwierig geworden. BAföG konnte er sich bei den Eltern ja abschminken.
***
Bis Karl endlich auftauchte, hatte es schon zu dämmern angefangen. Eine extra große Schüssel mit Kartoffelsalat zog auf der Anrichte vor sich hin, und Frank hatte Tee gekocht und eine Auswahl von Plätzchen ins Wohnzimmer gebracht. Als es klingelte, riefen sie beide synchron „Einfach aufdrücken!“, aber die undeutlichen Laute von der anderen Seite der Tür brachten Frank dann doch zum Aufstehen und Öffnen. Eine weise Entscheidung, so konnte er gleich den Baum in Empfang nehmen und größere Schäden an der Inneneinrichtung verhüten. Die zwei hatten sich bei der Auswahl der Tanne etwas hinreißen lassen, kaum daß er mal nicht dabeigewesen war. Sie paßte gerade so ins Wohnzimmer, nachdem sie die Spitze um ein paar Zentimeter gekappt und nochmal ein Stück vom Stamm abgesägt hatten - war allerdings ein prachtvolles Exemplar, das mußte er neidlos zugeben. „Gute Wahl!“
Frank brummte etwas unverständliches, dafür war Karls stolzes Findest du? umso deutlicher zu hören.
„Ja, das habt Ihr gut gemacht.“ Er humpelte zu den beiden und umarmte Karl zur Begrüßung. „Schön, daß du da bist.“
Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Frank die Augen verdrehte, der olle Stoffel. War wahrscheinlich mal wieder der Meinung, daß er es übertrieb. Mit dem Zeigen von Gefühlen sowieso und mit dem Lob auch. Dabei wußte er doch selbst am besten, wie wenig von beidem Karl Zeit seines Lebens bekommen hatte. Es schadete überhaupt nichts, ihm hin und wieder zu sagen, daß er etwas gut gemacht hatte. Im Gegenteil. Herbert war ein Verfechter der Theorie, daß jedes Kind besser gedieh, wenn man es lobte. Auch wenn das Kind in dem Fall schon etwas größer geworden war.
„Du solltest dich lieber wieder hinsetzen … wir können uns auch um den Rest kümmern.“ Ein kurzer Blickwechsel zwischen den beiden, als ob er nicht ohnehin wußte, daß sie den Baum am liebsten alleine schmückten. Karl arbeitete mit Präzision und System, wie beim Sortieren einer seiner Sammlungen, während Frank einfach alles, was die Kisten an Christbaumschmuck hergaben, auf den Baum feuerte, ob das jetzt zusammenpaßte oder nicht. Es hätte nicht funktionieren sollen, aber es funktionierte, so wie jedes Jahr. Und so lehnte er sich entspannt zurück, trank seinen Tee und sah zu, wie der Baum nach und nach immer bunter wurde.
* Fin *