Bingo-Story: Eine schöne Bescherung

Feb 21, 2014 10:54


Titel: Eine schöne Bescherung - Kapitel 4
Adventskalernder-Prompt: Weihnachtsmarktbesuch
Bingo-Prompt: hurt / comfort
Genre: Freundschaft, etwas Humor, h/c, etwas Action/Krimi
Zusammenfassung: Wenn Thiel auch nur ansatzweise geahnt hätte, was passieren würde, er hätte Boerne in ein richtiges Restaurant eingeladen...
Anmerkungen: Oh mein Gott, es lebt! Wer hätte das gedacht. Jahaaaaaa, suuuuuper, eine Weihnachtsmarkt- und Adventszeitstory im vorfrühlingshaften Februar weiterzuposten. *headdesk* Aber ihr müsst da jetzt durch, denn ich bin mehr als froh, dass ich endlich mal wieder etwas weitergetippt habe! *jubel* (auch wenn sich wahrscheinlich keiner mehr an den Anfang erinnert... *hüstel*)
Wie immer ohne Beta, weiß der Geier, was sich da noch für Fehler tummeln.
Wörter: ~7500

„Ich glaub‘, ich hab noch Nudeln irgendwo rumfliegen.“ Thiel schauderte kurz und versuchte etwas ungeschickt, mit immer noch zu kalten Fingern den Schlüssel in sein Schloss zu friemeln. „Bringen Sie ´n paar Tomaten mit? Und Zwiebeln. Und Kochschinken! Und Sahne wär nicht verkehrt, oder ´n Löffel Brühe zur Not.“
Bei seinen letzten Worten hatte er die Tür erfolgreich geöffnet, doch als er eintreten wollte, wurde ihm bewusst, dass Boerne nicht geantwortet hatte.  Er warf einen kurzen Blick über die Schulter und stellte fest, dass der Professor reglos im Türrahmen stand. „Is' was?“ Er hatte Mühe ernst zu bleiben bei dem verblüfften Gesichtsausdruck, mit dem Boerne ihn anstarrte.

„Sonst noch Wünsche?“, platzte es förmlich aus dem Professor heraus.
Nun konnte Thiel sich sein Grinsen nicht mehr verkneifen. „Nö.“
„Erstaunlich. Ich war drauf und dran mir eine Liste anzulegen.“ Boerne hatte zu seinem alten Zynismus zurückgefunden und warf ihm mit hochgezogener Augenbraue noch einen seiner patentierten Blicke zu, bevor er sich zu seiner Tür umwandte und ebenfalls aufschloss.

„Soll ich tragen helfen?“, rief Thiel ihm in einem spontanen Anfall von Hilfsbereitschaft hinterher; wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, war aber wohl vor allem die nicht unberechtigte Sorge der Antrieb, dass der Professor sein Essen für sich selbst behalten könnte, wenn er ihm jetzt nicht etwas entgegenkam.
Doch Boerne winkte nur mit der gesunden Hand ab, drehte sich nicht nochmals zurück. „Jetzt übertreiben Sie’s nicht Thiel, das kauft Ihnen eh keiner ab. Ich komme gleich rüber.“
„Ich lass offen.“ Zufrieden grinsend machte Thiel sich auf in seine Küche. Wenigstens sah es so aus, als würde es etwas Gescheites zu Essen geben nach diesem eher unbefriedigenden Tag.

Ein kurzer Blick in den Schrank zeigte ihm, dass dort tatsächlich noch eine gut halbvolle Packung Nudeln lagerte. Das war zwar nicht übermäßig viel, aber wenn Boerne noch Gemüse im Haus hatte, sollte es reichen.
Mit ein paar schnellen Schritten eilte er ins Wohnzimmer und stellte den Fernseher an, drehte dabei die Lautstärke fast bis zum Vollanschlag, sodass er den Ton in der Küche hören konnte. Dann warf er Winterjacke und Mütze in einen Sessel und marschierte zurück zum Herd, wo er das Nudelwasser aufsetzte und im Anschluss die kläglichen Reste im Inneren seines Kühlschrankes inspizierte. Während er stirnrunzelnd zwei einsame Möhren aus dem Gemüsefach klaubte, die ihren Aggregatzustand von eigentlich fest zu unappetitlich labbrig gewechselt hatten, brüllte es plötzlich direkt hinter ihm: „Ich dachte, die Beschallung des gesamten Hauses sei meine Aufgabe?“ Erschrocken fuhr er herum und starrte auf Boerne, der, einen Arm voller Lebensmittel, unbemerkt zu ihm in die Küche getreten war.
„Meine Fresse, müssen Sie sich so anschleichen?"
Boerne musterte ihn zum wiederholten Male mit ungläubigem Blick. "Anschleichen?"

Thiel schnaubte belustigt, als sein Kollege nur ergeben den Kopf schüttelte und dann in einer etwas ungelenken Bewegung seine erfreulich reichliche Fracht auf der Arbeitsplatte ablegte und eine Flasche Wein dazustellte.

"Warum um alles in der Welt läuft Fußball?“ Boerne rief eher als dass er sprach, um die aus dem Wohnzimmer dröhnende Stadion-Geräuschkulisse zu übertönen. "Haben Sie sich nicht noch kürzlich erst in einem für Ihre Verhältnisse schockierend langen Monolog darüber beklagt, dass die Bundesliga in die Winterpause gegangen ist?"
"Nachholspiel!" Thiel konnte sein fröhliches Grinsen beim besten Willen nicht aus dem Gesicht wischen. "Pauli gegen Köln. Hat grad‘ erst angefangen. Super, oder?"

"Ich kann meine Begeisterung kaum in Worte fassen", brummte Boerne wenig euphorisch. Dann schälte er sich einigermaßen mühselig aus seinem Mantel und hielt ihn Thiel anklagend unter die Nase. "Nun sehen Sie sich das mal an! Ist das zu glauben?"
Thiel machte unwillkürlich einen Satz zurück, als der Professor ihm das Kleidungsstück fast ins Gesicht rammte. „Herrgott Boerne, wird’s denn gehen?“ Unwillig schob er den Stoff beiseite, der ihm so nah vor die Augen gehalten wurde, dass er anfing zu schielen. „Was is'n damit?"

"Sehen Sie das nicht? Die Naht ist aufgeplatzt! Das ist heute Mittag bei dem Sturz passiert. Jetzt muss ich morgen auch noch beim Schneider vorbei." Boerne klang ehrlich erzürnt, als er ihm den Mantel wieder aus den Händen riss und ihn über eine Stuhllehne hängte.

Thiel konnte sich ein ungläubiges Seufzen kaum verkneifen. Er hatte den Mantel überhaupt nicht richtig in Augenschein nehmen können, aber wenn er das jetzt auf die Schnelle richtig erkannt hatte, waren an der Naht allerhöchstens ein paar Fädchen lose. Das würde wahrscheinlich kein Mensch bemerken. Er ersparte sich allerdings jeglichen Kommentar, um der unweigerlich darauffolgenden Diskussion von vornherein pfiffig aus dem Weg zu gehen. Stattdessen wies er Boerne an, sich um die Nudeln zu kümmern - die ab und an umzurühren sollte er auch mit einer Hand schaffen. Er selbst bereitete in der Zeit die Sauce zu. Dabei lauschte er mit einem Ohr dem enthusiastischen Redeschwall des Fußballreporters und mit dem anderen den sarkastischen aber wie immer treffenden Bemerkungen, mit denen Boerne die Begeisterung des Berichterstatters kommentierte.

Nach einer guten Viertelstunde war das Essen fertig. Thiel hatte seinem schwadronierenden Kollegen allerdings schon einige Minuten zuvor einen Gefrierbeutel mit Eiswürfeln in die Hand gedrückt und ihn, mit der Aufforderung den verletzten Arm hochzulegen und zu kühlen, auf die Couch gescheucht. Boerne hatte sich eher widerspenstig gezeigt, aber als er den Mann energisch an sein Versprechen Frau Haller gegenüber erinnert hatte, hatte der Professor sich tatsächlich ins Wohnzimmer getrollt. Was er dabei in seinen Bart gemurmelt hatte, hatte Thiel aufgrund des lauten Fernsehers zwar nicht hundertprozentig ausmachen können, aber er meinte etwas wie übertrieben und schlimmer als meine Mutter verstanden zu haben.

Mit zwei großzügig gefüllten Tellern in den Händen folge er dem Professor kurz darauf nach. Boerne saß tatsächlich auf dem Sofa und hatte das Eis brav auf die verbundene Hand gepackt. Er war tief in die Kissen in seinem Rücken gesunken und starrte auf den Fernseher ohne zu blinzeln und, wie Thiel das Gefühl hatte, auch wohl ohne wirklich wahrzunehmen, was auf dem Bildschirm geschah. Er schien kurz davor, einzunicken, seine Augen wirkten ganz glasig. Er schreckte regelrecht zusammen, als der Kommissar das Essen auf dem Tisch abstellte und sich dann neben ihm auf die Couch fallen ließ.
„Na, müde?“, stichelte Thiel und beobachtete amüsiert, wie sein Nachbar sich mühsam in eine sitzende Position kämpfte und sich dann den Nacken rieb.
„Unsinn, müde. Machen Sie sich nicht lächerlich! Männer wie ich sind nicht müde, Thiel. Es ist dieses Fußballspiel, das ist langweiliger als Zehennägel schneiden! Da verfällt man ja unfreiwillig in einen Stupor...“, grummelte Boerne leise, während Thiel nach der Fernbedienung griff und die Lautstärke der Tatsache anpasste, dass sie jetzt nicht mehr über den Krach der Dunstabzugshaube in der Küche zu verstehen sein musste.

Das dank Boernes etwas besser organisierter Vorratshaltung doch noch erstaunlich reichliche und leckere Abendmahl war innerhalb weniger Minuten vollständig verschwunden. Sogar der Professor hatte seinen Teller bis auf den letzten Rest geleert, nach dem nur halb genossenen Mittagessen schien auch er mächtigen Hunger verspürt zu haben. Für den Wein ließen sie sich allerdings etwas mehr Zeit.

Nach dem Abpfiff des sehr lebendigen Spieles nahm Boerne schließlich den letzten Schluck aus seinem Glas, dann lehnte er sich zurück und rieb sich mit einer Hand durch das Gesicht. Dabei gelang es ihm nicht ganz, ein leises Seufzen zu unterdrückten.
Thiel, der gerade aufgestanden war und nun Teller und Besteck zusammenstapelte, warf ihm einen kurzen Blick zu. „Alles ok?“
„Selbstverständlich.“ Boerne sah auf die Uhr und pflückte dann die Tüte mit den Eiswürfelresten von seinem Handgelenk. „Aber ich denke, ich werde mich nun hinlegen. Morgen wartet viel Arbeit auf mich.“
Er kam auf die Füße machte Anstalten, die Weingläser abzuräumen, doch Thiel schüttelte den Kopf. „Lassen Se mal, ich mach das schon. Is‘ ja nich‘ viel.“
Boerne nickte dankend und ging ihm dann voran in die Küche. „Soll ich Sie morgen mitnehmen ins Präsidium?“, fragte er, als er seinen Mantel von der Stuhllehne nahm. „Es soll glatt werden und im Laufe des Tages schneien.“
„Jau, wär‘ vielleicht nicht schlecht.“ Thiel stellte die Teller in die Spüle und folgte Boerne, der nun in den Flur getreten war. Das Wetter war für Radfahrer im Moment wirklich nicht besonders angenehm.
„Gut. Viertel nach sieben?“
Thiel nickte bestätigend als Boerne ihn fragend ansah und daraufhin trat der Professor ins Treppenhaus. „Alles klar. Gute Nacht, Thiel.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, drehte er sich um und marschierte auf seine Wohnung zu.

Thiel, der seine Tür gerade hatte schließen wollen, zog verwundert die Stirn kraus, als sein Nachbar nach nicht einmal einem Meter plötzlich erstarrte. Die Verwunderung wandelte sich aber innerhalb eines Sekundenbruchteils in Sorge, als Boerne nur ein heiseres „Thiel…“ herauspresste.
Einen solch bestürzten Tonfall hatte er von Boerne noch nie gehört.
„Was??“ Mit zwei schnellen Schritten war er neben ihm und im gleichen Augenblick sah er auch schon, was der Grund für diese Fassungslosigkeit war. Boernes Wohnungstür hing schief in den Angeln, jemand hatte sie offensichtlich brutal eingetreten. Und dem Durcheinander auf dem Fußboden des Flures nach zu urteilen, das man hinter der leicht offenstehenden Tür erahnen konnte, war die Wohnung durchwühlt und komplett verwüstet worden.

t.b.c.

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