Etwas Unerwartetes geschieht

Jul 08, 2008 14:50

Etwas Unerwartetes geschieht eigentlich ständig in China. 7371 km Abstand von der Heimat garantiert etwas Fremdheit, und selbst, wenn man sich darauf vorbereitet, hält Chinas einiges an Überraschungen für den westlichen Besucher bereit.

Mal sehen, was so los ist

Wer noch nicht genug an Photos und Informationen aus Peking hat, dem sei yanhuas Journal ans Herz gelegt, in dem man unzählige (wirklich unzählige) Photos und Berichte von ihrem Aufenthalt hier ansehen und nachlesen kann. Dort findet sich unter anderem auch eine Anmerkung dazu, daß Chinesen es mögen, scheinbar grundlos irgendwo am Straßenrand eine Sitzgelegenheit aufzustellen und auf die Straße zu sehen - zur Not auch stundenlang. Neben den Straßensitzern gibt es auch die Straßensteher und die Straßenlieger, je nach Erschöpfungsgrad und Ausstattung. Das in Deutschland auf tantenhaftes Fenstergucken reduzierte Starren lebt in China zu nahezu sportlicher Disziplin auf.

Gleich werde ich aber wütend! ... Oder auch nicht.

Bei einem so lebhaften Volk, wie es die Chinesen in Peking sind, kommt es natürlich nicht selten zu Meinungsverschiedenheiten. Die treffen den ausländischen Beobachter oft sehr unvermittelt. Ein Beispiel sei genannt: Im beliebten Pandahaus im Pekinger Zoo drängen sich die Massen. Eine Frau läßt es gezwungenermaßen zu, daß sich einige Leute vor sie drängen, um dann PLÖTZLICH wie vom Spieß gestochen zu zetern anzufangen und eine andere Frau zu beschuldigen, sich vorgedrängelt zu haben. Daraus entwickelt sich ein handfester Schreiwettbewerb, in den nach und nach alle anderen Familienmitglieder (und sicher auch einige Außenstehende) einsteigen. Man schreit seine guten fünf Minuten und geht dann wieder beruhigt seiner Wege.
Eine Begebenheit der besonderen Art war in der letzten Woche in der Beida zu beobachten. Die große Veranstaltungshalle, in der auch die Abschlußzeremonien für die Graduierten stattfindet, war zwar geöffnet, aber eine Seitentür geschlossen. Eine Graduierte mit ihren Eltern trat auf und begab sich zur Tür. Man rüttelte kurz daran um festzustellen, daß sie tatsächlich zu war. Die Tochter sagte also, daß die Tür zu sei, worauf die Mutter noch einmal Hand anlegte und an der Tür rüttelte. Damit fertig, kam die Tochter wieder an die Reihe und rüttelte, schüttelte, trat schließlich sogar zu, so daß das Schloß zu zerspringen drohte. Unbefriedigt von der Tatsache, daß es doch nicht nachgab, machte die Mutter sich wieder ans Werk und rüttelte mit vollem Körpereinsatz weiter. Das ganze zog sich etwa 10 Minuten hin. Bemerkenswert war aber, daß bei der ganzen Aktion, die ich vorerst als Wutanfall interpretiert hatte, nicht ein einziges Wort des Ärgers gesprochen wurde. Die Familienmitglieder vergingen sich an der Tür, die anderen sahen stumm zu oder redeten über andere Dinge.

Zeigt her eure Bäuche

Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß es in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Tabus oder Schamempfindungen gibt. So ist es in China unüblich, als Frau einen tiefen Ausschnitt zu tragen, kurze Hotpants oder Miniröcke sind dagegen häufiger zu sehen als in Deutschland. Der männliche Oberkörper hingegen ist Allgemeingut, das gerne zu Schau gestellt wird. Besonders beliebt bei den Herren ist das Aufrollen des T-Shirts bis kurz unter die Brust, so das der Bauch sichtbar wird, über den man sich dann gerne die ganze Zeit streichelt.
(Auch hier kann ein Blick in yanhuas Journal für Illustration sorgen. Ein Klassenkamerad hat auch ein kleines Video gedreht.)

Wer unter der Dusche singt, ist ein Feigling

Eine der liebenswertesten Eigenschaften besonders der Pekinger gehobenen Alters ist das (für den Ausländer) unerwartete Lossingen. Ob im Park oder auf der Straße werden Volks- und Opernlieder mit oft schöner und weittragender Stimme gesungen. Aber auch jüngere Angestellte in Läden oder Restaurants singen oft und gerne, selbst, wenn sie gerade bedienen. Es kommt vor, daß ein Ausländer, Subjekt ewigwährenden Interesses, lange Zeit aus kurzer Entfernung mit den Augen verfolgt wird, während der Mund ein fröhliches Melodiechen dazu singt.

Peking ist, wie sophie_luise, die auch gerade hier studiert, treffend bemerkte, wie eine Wundertüte. Man kann zwar schütteln und Vermutungen aufstellen, aber man weiß nie, was drin ist.

beijing:leben

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