Ficathon:
write your darlingsFandom: among heavy skies, original
Characters: Nevid & Nivaan
Genre: hurt/comfort, fluff
Rating: P-12
Prompt: Confront your reflection | Smash what you see | And let's restart | Cause mirrors can't see our hearts von
tears_into_wine Sie schlafen.
Sie schlafen, wie normale Menschen es eben so tun - nach einem langen Tag.
Nevid kann es einfach nicht. Wenn er die Augen schließt und versucht, zur Ruhe zu kommen, wühlt das seinen Körper stattdessen so sehr auf, dass er letztlich doch wieder die Augen aufreißt und ins Leere starrt. Vielleicht ist das gut so. Er fürchtet sich vor den Alpträumen, die er vielleicht haben würde. Irgendwelche blassen Erinnerungsfetzen, die ihn heimsuchen, wenn er sich nicht wehren kann, und die wieder vergessen sind, sobald er die Augen öffnet.
Er blickt zu den beiden hinüber. Nivaan liegt wie eine Katze zusammengerollt auf einer alten Matratze, während sich Miraj auf dem Sofa ausgestreckt hat.
Nevid seufzt leise, steht vom Sessel auf und schleicht ins Badezimmer. Es ist nicht wirklich eins. Es gibt ein Klo, einen Spiegel und eine Stelle zum Waschen, wenn es mal Wasser gibt. Trinkbar ist es nicht, das hat Nevid schnell bemerkt. Aber für die Körperpflege ist es gut genug.
Er schließt die Tür hinter sich und macht das Licht an.
Seine Reflexion im Spiegel - sie ist noch immer befremdlich. Die Dunkelheit im Wohnzimmer hat seine Haut ganz dunkel werden lassen. Doch im blassen Licht der nackten Glühbirne verschwindet das Schwarz und wird durch ein mattes, helles Grau ersetzt. Es sind ein paar Sekunden, die es dauert. Sekunden, in denen ihm nach wie vor der Atem stockt. Und in denen der Drang, den Spiegel einfach kaputt zu schlagen, beinahe übermächtig ist. Er weiß noch, dass es fast passiert wäre, als er das erste Mal sich selbst gesehen hat - so direkt vor sich. Wäre Nivaan nicht ins Bad gekommen und hätte ihn aus seiner Trance gerissen, dann würde hier jetzt kein Spiegel mehr hängen.
Nevid hebt die Hände zum Saum seines Shirts und zieht es sich über den Kopf. Vorsichtig tastet er über seine Brust und seinen Bauch. Oft hat er nach Spuren gesucht, die ihm verraten, was mit ihm geschehen ist, aber da sind keine. Keine alten Verletzungen, keine Deformierungen - nichts. Nur diese seltsame, sich ständig verändernde Haut.
Du solltest vielleicht mal einen Arzt konsultieren, hat Miraj ihm vorgeschlagen. Was soll das bringen? Vielleicht will er gar nicht genau wissen, was dafür sorgt, dass er sich an jede Umgebung anpasst und nahezu unsichtbar wird. Vielleicht sollte er das alles einfach ruhen lassen.
Mittlerweile führt er ein halbwegs geregeltes Leben. Er hat eine Art Job, ein Dach über dem Kopf und nette Gesellschaft. Mehr kann man heutzutage kaum noch verlangen.
Aber diese Ungewissheit nagt. Nicht immer, aber in solchen Momenten wie diesem hier, ist es ein quälendes Gefühl.
»Nevid?«
Er zuckte zusammen, als die Stimme vor der Tür ihn aus seinen Gedanken reißt. Hastig tastet er nach dem Shirt, aber Nivaan ist schneller. Die Tür ist offen, der Raum definitiv zu klein für zwei Personen und kurz stockt ihm wieder der Atem. Flüchtig. Passend zu seinem kurz aussetzendem Herzschlag.
Schuldbewusst sieht er den Anderen an, der annähernd so groß ist wie er selbst - nicht so ein Hüne wie sein Bruder. Nivaan schläft mehr als wirklich wach zu sein und doch mustern die dunkelbraunen Augen Nevid ganz genau.
»Was treibst du hier drinnen?«
»Ich ... musste pissen?«
»Halbnackt?«
Nevid blickt an sich hinunter, zu dem Stoff in seiner Hand. »Hm ...«
In diesem Moment ist Nivaans Haut dunkler als seine eigene. Finger legen sich auf seinen Unterarm und streicheln die Haut vorsichtig. »Du hast dich wieder im Spiegel angestarrt, nicht wahr? Was bringt dir das? Du kannst nicht ändern, wer du bist und wie du aussiehst.«
»Das ... weiß ich«, gibt Nevid kleinlaut zu und entzieht sich der Berührung. Sie löst seltsame Dinge in seinem Inneren aus, die ihn fast noch mehr verwirren als das, was er eben noch im Spiegel gesehen hat. Der hängt nun hinter ihm und erfährt keine Beachtung mehr. »Aber was soll ich die ganze Zeit machen, wenn ihr schlaft?«
»Ebenfalls schlafen?«
»Das ... versuche ich, aber es geht nicht. Ich glaube, ich habe zu lange geschlafen. Vielleicht wurde ich auch nicht dafür gemacht, zu ...«
»Nevid«, unterbricht Nivaan ihn, ehe er etwas Dummes sagen kann. Das ist schon so oft passiert, dass der fernöstliche Sprössling einer ehemaligen Akademikerfamilie schon ein Buch darüber schreiben könnte, wenn er nur den Elan dafür finden würde. »Hör auf damit. Du wurdest nicht gemacht! Du bist irgendwann genau so auf die Welt gekommen wie jeder Andere von uns auch. Es mag eine ganze Weile her sein und du weißt nichts mehr von deinem Leben vor dieser Sache, aber ich bin mir sicher, dass nichts an dir irgendwie unnormal ist. Das mit deiner Haut kann sonst was sein, aber nicht hundertprozentig erschaffen oder zusammengebastelt, wie du es dir einreden willst.«
»Das ...« Nevid unterdrückt ein Seufzen. Wahre Worte und doch ... beruhigen sie ihn in keiner Weise. »Danke ...«
»Und jetzt komm wieder ins Wohnzimmer. Wir können uns die Matratze teilen, wenn du magst. Vielleicht kannst du besser einschlafen, wenn jemand neben dir liegt, der dir ein bisschen Wärme spendet.«
»Das sagst du nur, weil du jemanden zum Kuscheln brauchst.«
Nivaan neigt den Kopf ein wenig und grinst dann schelmisch. Er sieht so müde aus, dass sein Blick nichts Keckes mehr an sich hat, sondern eher wirkt, als hätte er nichts gegen etwas mehr als einfaches Kuscheln. Dessen ist er sich sicher nicht einmal bewusst. »Ja, vielleicht. Und jetzt komm!«
Beherzt zieht Nivaan Nevid aus dem Bad und der schafft es noch in letzter Sekunde, das Licht zu löschen. Sofort ziehen Schatten über seine Haut. Nivaan stört sich daran nicht. Sanft drückt er den Zögernden auf die Matratze hinunter und setzt sich neben ihn.
»Und jetzt schlafen wir. Glaub mir - du willst nicht, dass Miraj wach wird. Er wird unausstehlich, wenn man ihn weckt.«
»Okay.«
Was soll Nevid auch dazu sagen? Es fühlt sich seltsam an, sich hinzulegen und dann plötzlich einen warmen Körper neben seinem zu haben und einen fremden Atem im Nacken zu spüren. Und irgendwann, als Nivaans tiefe Atemzüge langsam in ein leises Schnarchen übergehen, ist da ein schwerer Arm, der sich auf seine Hüfte legt und dort bleibt. Der stellt ihn ruhig, verhindert, dass er wieder aufsteht und als Nevid dieses Mal die Augen schließt, fühlt er sich tatsächlich ein wenig entspannter. Es ist kein Schlaf. Es ist ein einfaches Ruhen.
Und es tut seltsam gut.