Kapitel 7 - Hard Times - Teil 1
Eine Woche später...
Es regnete in Strömen und Dean stand inmitten eines ausgehobenen Grabes. Der Feuerschein der verbrennenden Leiche erhellte sein Gesicht.
‚Schneller Job, nach diesen Monstergeistern mit Cas war der hier ja ein Kinderspiel.‘
Dean seufzte und stieg aus der Kuhle und begann sie wieder zuzuschütten.
‚Cas....‘
Er hatte sich nicht mehr bei Dean gemeldet und dieser machte sich nun langsam Sorgen.
‚Ach komm schon, Cas kommt schon klar, er ist immerhin ein Engel und außerdem...‘
Dean wurde von seinem Handy unterbrochen.
"Ja, hier Dean Winchester."
"Dean, ich bin es Castiel... wir müssen uns treffen."
Während Castiel die Adresse durchgab, packte Dean seine Schaufel und lief zum Impala zurück.
"Ja, das ist gleich bei mir um die Ecke, ich bin in zehn Minuten da."
Dean wartete auf eine Erwiderung, doch alles was er hörte, war ein Klicken und das darauf folgende Freizeichen.
Er verstaute die Schaufel sowie das Benzin in den Kofferraum und fuhr los.
Die Scheinwerfer beleuchteten Castiels Profil. Er stand direkt neben der Meilenmarkierung, so, als würde er dort schon immer hingehören, wie eine mahnende Statue.
Dean hielt rechts an, stieg aus und wollte Castiel begrüßen, doch er stoppte sich rechtzeitig, ihn anzufassen und nickte ihm stattdessen nur zu.
‚Ich sollte es ihm nicht schwerer machen als es ist.‘
Ein kleines leises verräterisches Stimmchen in ihm jedoch echote nur:
‚Oder mir...‘
Als Dean Castiel näher in Augenschein nahm, sah er, dass sein Mantel ziemlich lädiert war und auch der Rest seiner Kleidung war abgenutzt, als hätte er sich durch einen dichten Urwald gekämpft.
"Dean, wir haben ein Problem... nun ja, eher ich."
"Was ist denn los?"
"Die Engel... Sie haben mich geortet und ich kann nicht einmal mehr fliegen, geschweige denn andere Kräfte einsetzen, ohne dass bereits ein weiteres Dutzend von ihnen hinter mir her ist. Es scheint wohl so, als wollten sie mich nun endgültig und mit allen Mitteln ausschalten."
"Verdammt!"
Dean trat eine leere Dose über die Straße.
"Haben die denn nichts Wichtigeres zu tun? Was ist denn mit Luzifer?"
"Nur Michael kann Luzifer aufhalten und so lange du dich ihm verweigerst, sind ihnen in dem Punkt die Hände gebunden."
"Und was willst du jetzt machen?"
"Nun, da ich gezwungen bin sprichwörtlich nur noch auf Erden zu wandeln, kann ich meine Suche nach Gott nicht fortsetzen. Also dachte ich mir, dass ich dir helfe, den Colt zu finden."
Castiels Stimme wurde bei dem letzten Satz etwas kleinlauter und unsicher.
'Mist, er scheint sich immer noch unwohl wegen der Sache zu fühlen.
Und da ist er auch nicht der einzige...'
Dean kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
"Okay, ich hab sowieso ne neue Spur. Spring rein."
Castiel sah skeptisch auf das Dach des Impalas, dann beugte er sich runter und inspizierte die Tür.
"Dean, wie soll ich ...?"
Dean seufzte genervt.
'Alles muss der wörtlich nehmen, das kann ja noch was werden...'
"Cas, du sollst einsteigen! Man sagt das nur so."
Castiel guckte beschämt zu Boden und erwiderte nur sehr leise: "Oh, natürlich... Entschuldigung."
Dean ging um den Wagen herum und öffnete die Tür. Bevor er einstieg, blitzte es mehrmals heftig über ihm, und der Regen schien noch an Intensität zuzunehmen. Doch was Dean innehalten ließ, war der kurze Augenblick, in dem er das Feld erleuchtet sah. Alle Halme waren umgeknickt, als wäre in der Mitte etwas detoniert. Im Zentrum lagen sechs Gestalten. Obwohl es wahrscheinlich nur für den Bruchteil von einer Sekunde zu sehen war, hatte sich das Bild in Deans Netzhaut eingebrannt. Es waren Engel gewesen. Allesamt getötet auf äußerst brutale Weise. Die wenigsten hatten noch alle ihrer Gliedmaßen, wiesen großflächige Fleischwunden auf und er glaubte auch ein paar Organe herumliegen gesehen zu haben. Die Schatten ihrer Flügel hatten sich auf den Boden eingebrannt. Sie standen alle in einem äußerst unnatürlichen Winkel ab, was auf großes Leiden während ihres Todes schließen ließ.
'Heilige Scheiße was ist hier passiert?! War das etwa Cas? Nein das kann nicht sein....'
Das Donnern riss ihn aus seinen Gedanken und er stieg endlich ein. Castiel schien nichts aufgefallen zu sein. Doch während der gesamten Fahrt in die nächste Stadt sprachen sie kein Wort. Castiel schaute einfach aus dem Fenster. Schien in Gedanken versunken. Dean hatte sogar vergessen das Radio einzuschalten denn er war viel mehr damit beschäftigt, sich die Gänsehaut nicht anmerken zu lassen, die ihn in Beschlag genommen hatte.
Dean fuhr auf den Parkplatz des Motels. Er hatte eine Information erhalten, dass sich in dieser Stadt ein Dämon befand, der Lilith sehr nahe gestanden hatte und der vermutlich wusste, wo der Colt war. Doch es sollte heute wohl nicht sein Glückstag sein.
"Es tut mir leid Sir wir haben im Moment nur noch Einbettzimmer“, antwortete die zittrige Stimme der alten Dame.
"Was? Das darf doch nicht wahr sein! Gibt es noch andere Motels in dieser Stadt?"
"Nein wir sind das einzige."
"Großartig..." Dean wollte gerade wieder gehen, als Castiel zur Rezeption trat.
"Wir nehmen das Zimmer."
Die Motelinhaberin guckte ihn mit großen Augen an. Dann lächelte sie auf einmal.
"Oh, ich verstehe. Na dann ich wünsche Ihnen eine Gute Nacht."
"Danke, ich Ihnen auch...", erwiderte Castiel freundlich.
Dean wusste nicht mehr wo oben und unten war.
'Will Cas mich hier verarschen? Hat der mir das etwa vorhin nur erzählt um mit mir... Nein so hinterlistig ist er nicht...oder?.'
"Cas, nein! Wir werden nicht hier schlafen."
"Dean, ist doch in Ordnung, ich brauche sowieso keinen Schlaf."
Die Moteldame trat nun schon mit einer leichten Röte und einem eindeutig schelmischen Grinsen auf Dean zu, den Schlüssel in ihrer Hand haltend.
"Sie müssen sich nicht schämen. Wir sind hier sehr tolerant."
"Was, i- ich, ich bin, wir wir sind nicht schwul."
Dean wurde puterrot und wedelte nervös mit den Armen und stand etwas auf verlorenen Posten. Dann griff Castiel um seine Schulter und Dean schloss verzweifelt die Augen und betete stumm:
'Nein, egal, was er sagt, er wird es schon nicht schlimmer machen. Bitte, lass es ihn nicht schlimmer machen...'
"Nein, Sie missverstehen, ich werde heute Nacht bestimmt nicht schlafen."
"Natürlich nicht, und zur Information die Räume sind sehr gut isoliert also brauchen Sie sich nicht zurückhalten um die Nachbarn zu schonen, die werden nichts mitbekommen."
Sie zwinkerte den beiden zu und Dean schämte sich etwas, weil er sich fragte, ob er der kleinen alten Lady mit einer Hand die Luft abdrehen könnte, damit sie endlich die Klappe hielt.
"Dean, das ist doch sehr gut, denk doch an unseren *_Gast_*, wenn wir ihn fesseln wird er bestimmt nicht leise sein."
Castiel betonte das Wort Gast ganz besonders und zwinkerte Dean dabei übertrieben stark zu.
‚Oh Gott, natürlich kann Cas schlimmer... jetzt kommt er der alten Lady noch mit BDSM. Wie kann einer, der von nichts ne Ahnung hat, in jedes schwulen Klischee stapfen?‘
Dean war am verzweifeln, er wollte losrennen, egal, wie es aussah, doch Castiel hielt ihn ziemlich stark fest, so dass sein Fluchtversuch eher holprig ausfiel.
"Na, na, junger Mann schämen Sie sich nicht dafür was Sie sind. Mein Enkel selbst ist auch schwul. Und bei so einen hübschen Paar wie Ihnen..."
Sie lachte keck.
Dean wollte nur noch im Erdboden versinken. Er hatte schon Schusswunden und Knochenbrüche gehabt, die angenehmer waren als diese Situation.
"Also hier sind die Schlüssel...." Sie übergab Dean die Schlüssel. Dean bebte bereits schon vor Wut und es fehlte nicht mehr viel bis Dampf aus seinen Ohren käme.
Dann beugte sich die alte Dame zu Castiel und flüsterte: "... und die Gleitcreme ist im Nachtschrank, die geht aufs Haus."
Castiel bedankte sich bei der alten Lady und ließ Dean sich endlich losreißen, welcher nun voller Wut zum Zimmer stapfte.
‚Nenn das bloß nicht flüstern, perverse alte Lady.‘
Castiel folgte Dean und blieb stehen, als er dessen Gesicht sah.
"Was ist?"
"Wa, wa, WAS IST!?"
Dean schloss die Tür auf. Blickte Castiel fragend, schon fast flehend an.
"Ernsthaft Cas, warum hm, ich meine habe ich dir was getan oder warum willst du mich hier blamieren?"
Castiel runzelte die Stirn.
'Hm, hab ich was falsch gemacht? Ich hatte doch extra darauf geachtet, nicht Dämon zu sagen....'
"Die Frau war doch sehr nett. Ich versteh nicht, warum du so komisch bist."
Dean wurde noch röter, sein linkes Auge zuckte und auch eine Ader auf der Stirn pochte gewaltig.
"Ernsthaft, du fragst wirklich ernsthaft was mit mir ist?!"
"Ja, weil...."
"Ach weißte was, vergiss es einfach", unterbrach Dean ihn.
Er schritt ins Zimmer, warf seine Tasche auf das Bett und verzog sich ins Badezimmer.
Castiel stand etwas unschlüssig im Zimmer herum. Er blickte sich um. Betrachtete das Zimmer.
'Das sieht genauso aus wie das letzte Motelzimmer in dem ich war... nur die Tapete ist anders.'
Castiel schloss die Tür. Dann sah er sich die Fernbedienungen an.
'Es ist wirklich interessant, so zu reisen...'
Auf einmal fiel ihm der Nachttisch ins Auge. Neugierig steuerte er darauf zu.
Dean trocknete sich grob die Haare vom Regen und hatte sich schnell neue Sachen übergeworfen. Er wusch sich das Gesicht und sah in den Spiegel.
‚Komm schon, Dean, reg dich nicht so auf, bei Sammy und dir gab es dutzende Male solche Verwechslungen und du warst noch nie so verkrampft deswegen gewesen.
Dann hörte er es wieder. Ein kleines Stimmchen, welches aus seinem Hinterkopf zu kommen schien.
‚...ja, aber ich habe Sammy ja auch nie geküsst.‘
Dean verdrehte die Augen. Selbstkonflikte waren das letzte was er jetzt gebrauchen konnte.
'Es war ja nur ein Unfall... ein Missgeschick.'
'Ja klar, zweimal hintereinander...'
"Okay, genug für heute, ich brauch dringend Schlaf", murrte Dean zu sich selbst.
Als Dean aus dem Bad kam, saß Castiel auf der Bettkante und schien in irgendetwas vertieft zu sein.
'Verdammt der tropft mir hier alles voll... ich muss nachher doch in dem nassen Bett pennen...'
Dean ging um Castiel herum wollte er doch auch wissen, was dieser so faszinierend fand. Neugierig schaute er ihm über die Schulter, stöhnte entnervt auf und verdrehte die Augen
"CAS!!!" Er entwand ihm die Gleitcreme.
"... das werden wir ganz sicher nicht brauchen!" Er stellte das Gleitmittel in sicherer Entfernung ab.
Castiel stand auf und er hatte wieder diesen Ausdruck im Gesicht.
'Oh bitte frag mich jetzt bitte nicht, bitte! Sag einfach gute Nacht!'
"Dean...?"
Dean atmete aus und schloss die Augen, während er den Kopf leicht hängen ließ, ahnte er doch zu genau was jetzt kommen würde.
"...Wozu brauchen Menschen so etwas?"
'Bingo!'
Er sah Castiel an, sah in seine blauen Augen, sein Gesicht, welches von kindlicher Neugier gezeichnet war.
"Also das ist so..."
Dean war das hier mehr als peinlich. Er kratzte sich nervös am Nacken, wie er es immer tat, wenn er sich unwohl fühlte.
"... bei manchen Sachen wollen Menschen, dass es flutscht. Und manche brauchen auch das Zeug, damit man erst etwas machen kann."
Castiels Gesicht zeigte keinerlei Verständnis.
'Gut, dann eben auf die harte Tour.'
"Man benutzt es für Sex, damit man an Stellen rankommt die sonst zu trocken sind und es wehtun würde."
"Achso, ich verstehe..." Cas nickte und lächelte.
"Aber warum hat mir die Hoteldame dann das gesagt?"
Dean seufzte, und schaute Castiel verlegen an. Dieser schien so langsam zu verstehen, denn eine leichte Röte schlich sich auf seine Wangen.
"Oh! Sie dachte, dass wir das ..." Castiel schaute beschämt zu Boden.
"Entschuldigung, Dean... ich, ich wusste nicht, ich hatte nicht daran gedacht. Es tut mir leid. Ich kenne mich doch mit so was nicht aus."
Castiel stand nun unsicher vor ihm. Er konnte Dean nicht ansehen, hatte er ihn doch so blamiert... schon wieder. Doch in Dean ging etwas gänzlich anderes vor.
'Verdammt er tut mir irgendwie Leid. Das alles hier... es ist so neu für ihn.'
Plötzlich kam das Stimmchen wieder und es sprach nun deutlich eine andere Sprache.
'Aber Warum sieht Cas so verdammt heiß aus wenn er verlegen ist...?'
Dean wusste nicht, wie ihm geschah, bevor er seinen Gedanken abschütteln konnte, meldete sich Deans Südregion zu Wort. Denn sein Blut geriet mächtig in Wallung, als er Castiel so verloren in diesem Zimmer stehen sah, so verletzlich und einsam.
'Ich wünschte, ich könnte ihm helfen.'
"Nun, ich denke ich werde jetzt gehen, Dean, wir sehen uns dann morgen."
Castiel wollte gehen, doch plötzlich hier er mit einem äußerst erschrockenen Gesichtsausdruck inne. Dean wurde auf der Stelle ernst.
"Was ist? Werden wir angegriffen?!"
Cas erwiderte nichts. Er hob nur seine Hand, den Zeigefinger warnend nach oben gestreckt.
Dean wartete gespannt, was jetzt kommen würde. Es war totenstill im Zimmer. Dean versuchte, sich umzublicken, die Feinde auszumachen, sich nicht zu bewegen. Einige Sekunden vergingen und dann...
"HAAAATSCHIIEE!!!", nieste Castiel auf einmal und zwar so laut, dass Dean fast das Herz stehen geblieben wäre.
"Was sollte das!", krächzte Dean und hielt sich noch immer sein klingelndes Ohr.
"Ich weiß nicht? Was war das eben?"
"Du hast noch nie geniest?"
Plötzlich fielen Dean Castiels glasige Augen auf, und auch dessen Atmung war auffallend kurz und flach. Noch bevor Dean eine Schlussfolgerung ziehen konnte, schritt Cas an ihm vorbei und wurde ohnmächtig, kurz bevor er die Tür erreicht hatte. Er klappte einfach zusammen und blieb am Boden liegen.