Beautiful Lie

Nov 06, 2011 21:17



Kapitel 4:

Underneath Your Clothes
There's an endless story  
(Underneath Your Clothes - Shakira)

Am nächsten Morgen beim Frühstück war ich noch immer etwas geladen.
Ich bemühte mich, meine miese Stimmung nicht an Harry oder Ron auszulassen. Sie konnten ja nun einmal nichts für meinen unausstehlichen... ‘Nachbarn‘.
Welch schreckliches Wort für eine solche Person.
Ich drehte meinen Kopf und sah zu Ron und Harry, die neben mir saßen. Ron aß bereits sein fünftes Wurstbrot, während ich meinen Magen einmal wieder nur zu einem Joghurt bewegen konnte. Die Beiden unterhielten sich gerade über die erste Verwandlungsstunde, in der ich wieder anwesend war.
Wegen meiner Abwesenheit hatte die Professorin McGonagall eine Zensur benötigt und somit kurzerhand beschlossen, mich vor der Klasse zu prüfen.
Natürlich hatte sie mir keine Gelegenheit gegeben, mich vorzubereiten. Wozu auch?
Hermine Granger konnte doch immer alles.
Letztendlich war es Rons verträumter Blick auf seine Schreibfeder, der mich daran erinnerte, den ‘Wingardium Leviosa’ mit einem ‘Wutschen und Schnipsen’ auszuführen.
Es wäre wohl sonst das erste Mal in allen Verwandlungsstunden der Siebtklässler gewesen, dass Hermine Granger eine Aufgabe nicht korrekt löste.
Ich seufzte tief und nahm einen roten Apfel von der goldglänzenden Obstplatte.
Als ich hereinbiss, hörte man das erste Flügelschlagen und Hunderte von Eulen stürtzten durch die Halle auf der Suche nach ihren Besitzern.
Ich wandte meinen Blick Neville zu und wie erwartet ließ sich eine Eule neben seinem Teller nieder und streckte ihm demonstrativ ihr Bein entgegen. Also bekam er auch jetzt immer noch die vergessenen Dinge von Zuhause nachgeschickt.
Plötzlich tapste eine Eule neben meinem Teller herum und ich runzelte schon die Stirn, als sie sich Ron zuwandte und ihn aufmunternd beschuhute.
Ron griff nach dem Brief und Harry und ich erkannten sofort die Schrift von Mrs. Weasley.
“Was gibt’s denn, Ron?”, fragte Harry nach einigen Augenblicken und wedelte mit seinem Löffel in Richtung des Briefes und des kleinen Päkchens.
“Mum wünscht dir alles Gute, Hermine.” Er hob seinen Blick von dem Pergament und sah mich an. “Ich frage mich bloß, woher sie weiß, dass du schon wieder hier bist. Naja, vielleicht hat Ginny ja wieder geplaudert.” Ron wandte sich wieder dem Brief zu und wurde plötzlich eine Spur bleicher. “Und... sie schickt mir Socken.”
Er verzog die Mundwinkel und legte den Brief beiseite, um das eingewickelte Päkchen aufzureißen. Als er die Pappstreifen zur Seite schob, kam ein khakifarbenes Paar Socken zum Vorschein.
Jetzt schnaubte er.
“Ron?”, murmelte ich verwirrt.
“Oh ja, Mum. Wir versuchen Du-weißt-schon-wen fertigzumachen und du schickst mir Socken. Wie einsichtig von dir!” Er begann hysterisch zu lachen, um von einer Sekunde auf die Andere wieder aufzuhören.
Ich schüttelte den Kopf.
“Ron, vielleicht ist jetzt nicht die angenehmste Zeit deines Lebens, aber das heißt nicht, dass wir den Kopf verlieren dürfen.” , sagte ich so leise, dass es nicht einmal Harry mitbekam, der nun in ein Gespräch mit Neville verwickelt war.
Ron schüttelte nur den Kopf.
“Natürlich! Das sagst DU mir... Bei dir läuft schließlich auch nie etwas schief. Das Wort ‘Versagen’ kennst du überhaupt nicht. Das Wort ‘nutzlos’ gibt es nicht in deinem Leben. Und so etwas wie Hass empfindest du als schier ungesund.”
“Ron!”, keuchte ich entsetzt, woraufhin einige Gryffindors aufsahen.
“Du weißt, dass das nicht stimmt, und du weißt, dass du nicht nutzlos bist.”, fügte ich leise  hinzu und atmete tief durch.
“Habe ich das gesagt?”
Ich zog es bei meiner geladenen Stimmung vor, zu schweigen.
Als ich auf meinen Apfel starrte, fiel mir auf, dass ich keinen Hunger mehr hatte.

~*~

“Wie ist es eigentlich, die Schülervertreterin von Hogwarts zu sein?”
Harry sah mich an und grinste.
“Oh, wunderbar”, meinte ich und lächelte ihn selig an. “Du darfst vorrangig den Papierkram für Hunderte von Schülern machen und  kümmerst dich um die Kontakte zu anderen Magieschulen - und dieses Jahr kommen außerdem noch immense Vorbereitungen für das Trimagische Turnier hinzu. Du hältst regelmäßig Konferenzen mit den Vertrauensschülern und Notfallsanitätern ab; du darfst in präkären Situationen als Verantwortliche mit den missmutigsten Lehrern reden - nun, ich nenne lieber keine Namen .
Dazu triffst du dich regelmäßig mit Filch, um dir Vorwürfe anzuhören, sowie seinen ständig drängenden Wunsch, zu bewerkstelligen, dass die Schulregeln gelockert werden wie vor einigen Jahrhunderten, damit er endlich seine heißgeliebten, antiken Folterinstrumente von der Wand nehmen kann. Alles in Allem... ein entspannender Job, aber wenigstens habe ich dafür meine eigenen Räume.”
Harry und Ron sahen mich mit leicht verblüfften Gesichtern an.
“Das ist ja richtig anstrengend!”, meinte Ron mit weitaufgerissenen Augen.
“Nun ja, was hast DU denn erwartet?” Ich schnaubte. “Dass ich einen hübschen Titel bekomme und halbjährlich zum Kaffeetrinken mit den Lehrern spaziere?”
Als Ron mich noch verblüffter ansah, wusste ich, dass zumindest er es tatsächlich so erwartet hatte. Ich schüttelte den Kopf und öffnete die Tür des Klassenraumes für Verteidigung gegen die Dunklen Künste.
Dieses Jahr wurde Professor Slughorn wiederholt aus seinem Ruhestand zurückgerufen, um den Posten des Verteidigungsunterrichts zu übernehmen. Es war ja schon ein Wunder, dass er sich bereit dazu erklärte, die höheren Jahrgänge weiterhin in Zaubertränke zu unterrichten -nun gut, er hatte mal wieder Blut geleckt-, aber dass er tatsächlich den gefährlichen Posten des Verteidigung gegen die Dunklen Künste - Unterrichts annahm, hatte sogar mich überrascht.
Sicher, Professor Slughorn hatte immer auf der Seite der Gegner Voldemorts gestanden. Dazu ist er die Personifizierung eines Slytherins, intelligent, zielstrebig und machthungrig, und dennoch hatte er deutlich für seine Überzeugungen eingestanden und sich stets mit Muggelstämmigen wie mir oder Harrys Mutter Lily abgegeben.
Trotz allem, von ihm hätte ich es nicht erwartet. Aber somit hatten immerhin die höheren Klassen Verteidigungs- und Zaubertränkeunterricht, während die ersten vier Klassen sehen mussten, wie sie ohne Lehrer den Zaubertränkestoff aufholten.
Harry hatte viel über die letzten Monate von Professor Dumbledores Leben erzählt, jedoch konnte das, was er sagte, bei Weitem nicht alles gewesen sein.
Ich bin mir völlig sicher, dass Dumbledore bereits vor seinem Tod Vorkehrungen getroffen hat, um Hogwarts Gleichgewicht noch für einige Zeit zu bewahren.
Und dass Professor Slughorn diesen bedrohlichen Unterrichtsposten annahm, bestätigt meine Vermutung ungemein.
Die Tür schwang leise auf und Professor Slughorn schritt schwerfällig zum Pult hinein, während die restlichen Schüler verstummten - nichtwissend, was sie nun erwartete.
“Aber, aber, meine Lieben”, brummte der Professor mit belegter Stimme. “Ich bin kein böser Mann, der Sie im Verteidigungsunterricht quälen möchte. Bitte unterlassen Sie diese Gesichter, als ob Sie in sich in die Ecke gedrängt fühlen!” Er lachte kurz auf und wandte sich zu seinem Pult um.
“Oh - oh”, murmelte er.
Über dem Lehrerstuhl hing, immer noch seit dem letzten Jahr, der Umhang von Snape.
Professor Slughorn schritt mit zögerlichen Schritten auf den tiefschwarzen Stoff zu, der so unschuldig und unbedacht über der Lehne des Stuhls lag, als ob er schon immer dorthin gehört hatte.
Kurz blickte ich zu Harry und Ron, die genauso ausnahmslos wie jeder Schüler in diesem Raum zu dem Mann am Pult starrten. Die Atmosphäre in dem Klassenzimmer war mit einem Schlag von locker und gelassen zu angespannt und widerwillig gewechselt.
Ich runzelte die Stirn und wartete auf die Reaktion unseres Professors.
Mit sichtlichem Unbehagen schritt er auf den Stuhl zu und griff den Umhang mit drei Fingern, und verfrachtete ihn dann mit zwei Schritten auf ein Brett des klapprigen Regals in der Raumecke, wo er stumm neben dunklen Phiolen und Glasbehältern mit schimmernden Flüssigkeiten und unscharf wirkenden Objekten darin liegenblieb.
Dann wandte er sich um und rückte sich den Lehrerstuhl zurecht, um sich langsam darauf niederzulassen. Sein Blick wanderte in die Ferne und er schien sichtlich neben sich zu stehen.
Plötzlich schien ihm bewusst zu werden, dass er von allen Augenpaaren im Zimmer gemustert wurde. Er bückte sich etwas zu hastig  über die Lehne, die ihn leicht in der Bewegungsfreiheit einschränkte, welche er sich wohl gewünscht hätte, und zog den letzten Band der Verteidigungunterrichtsreihe aus seiner Tasche.
“Bitte schlagen Sie Ihre Bücher zu der Thematik der Inferi in dem dritten Kapitel auf. Lesen Sie sich einige Minuten lang die Grundlagen der Thermatik durch, die wir dann anschließend erläutern werden.”
Einige wenige Schüler kramten in ihren Taschen, die meisten hatten die Bücher bereits vor sich auf dem Tisch liegen. Eine Minute lang konnte man das Umblättern der Seiten und das Kratzen meiner Feder hören, als ich mir die Seiten notierte, die ich zusätzlich dem Thema begleitend durcharbeiten wollte.
Dann wurde es still.
Als der Gong erklang, bedeutete uns der Professor, unsere Bücher einzupacken und sortierte wieder etwas zu eilig seine Bücher in die alte Ledertasche zu seinen Füßen.
“Bitte machen Sie sich einige Notizen zu den Grundlagen der Inferibeschwörung. In der nächsten Stunde werden wir einige Zauber zur Abwehr derselbigen erarbeiten und proben. Auf Wiedersehen.”
Noch bevor der erste Schüler seine Tasche geschultert hatte, war Professor Slughorn aus dem Klassenzimmer gestürzt.

*
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