Die zehnten Hungerspiele im Kino

Apr 01, 2023 11:49


*Musik*

Erinnert ihr euch noch an das Buch von Suzanne Collins, das schon beinahe unauffällig in die Regale der Buchhandlungen geräumt wurde? Das 4. Hunger-Games-Buch, in der wir die Gedankenwelt des jungen - noch nicht Präsidenten - Snow eintauchen, um am Ende festzustellen, dass er schon immer ein grausamer Mann war? Das Buch über Lucy Gray, die um ihr Überleben kämpft, das Buch, was den Song "Hanging Tree" erklärt? Das Buch mit dem superlangen Titel, der selbst abgekürzt wenig einprägsam ist?

The Ballad of Songbirds and Snakes aka TBOSAS.

Dieses Buch wird nun verfilmt und kommt im November diesen Jahres in die (englisch-sprachigen) Kinos. Hier ist das Cover:





Und hier der Trailer (oder Teaser oder Reveal, wie es die Firma Löwentor betitelt).

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Und hier habe ich über die Bücher geschrieben (natürlich mit Spoiler).

Ich werde mich mit ihnen noch einmal hier im Blog beschäftigen, da ich mir Romane wieder zu Gemüte führe (als Hörbücher ~ die gibt's auf Spotify, falls ihr das abonniert habt).

Noch ein Buch, noch ein Film

Im Deutschen heißt das Buch "Das Lied von Schlange und Vogel" (eigentlich ist ein Songbird ja ein "Singvogel", aber das hätte die Übersetzung sperrig gemacht). Und dank des Buchstaben X wissen wir, dass es sich um die 10. Hungerspiele handelt, also 64 Jahre vor Katniss' ersten Hungerspielen.

Das Prequel an sich war schon eine Überraschung, weil die Reihe mit Mockingjay an sich abgeschlossen war. Fans baten die Autorin, über die anderen Hungerspiele zu schreiben, etwa über die 50. Spiele, in denen Hamitch ausgewählt wurde.

Meiner Meinung nach führen die Buchreihe und die Filme das Publikum in ein Paradox oder in ein Dilemma. Wenn man nicht aufpasst, macht man sich mit dem Kapitol gemein. Wenn man sich mehr und mehr Bücher wünscht, die weitere Hungerspiele zeigen, könnte man den Anschein erwecken, dass einem die Grausamkeit der Spiele Vergnügen bereitet.

Man könnte jetzt argumentieren: Gut, aber was ist mit den zwischenmenschlichen Beziehungen, das Ausloten moralischer Fragen? Dem könnte man erwidern: Ja, aber reicht dir nicht ein Hungerspiel, um zu wissen, dass diese Art der Unterhaltung falsch ist? Und wenn wir genau sind, haben wir bereits vier Hungerspiele erhalten: die 74. Spiele, die 75. Spiele, die Hungerspiele im Kapitol, als die Stadt selbst in eine Arena verwandelt wurde, und die Hungerspiele, in denen die Kapitolskinder auftreten. Mit den zehnten Hungerspielen sind es sogar insgesamt fünf Variationen derselben Unmenschlichkeit.

In einem Interview erzählt Collins, dass ihr Vater im Vietnamkrieg war - dem Trauma der USA (abgesehen von 9/11). Sie wollte deutlich machen, was Krieg bedeutet. Entsprechend beschäftigt sich das Buch mit: "Armut, Hunger, Unterdrückung und den Folgen des Krieges"(Quelle), aber auch mit Vertrauen; mit der Frage, wie man sich im Krieg positioniert; mit dem Verlust des Gefühls zu wissen, was real ist; mit Propaganda (heute "PR" genannt) und mit der Frage, wie viel Macht ein Staat über das Volk besitzen soll. Alles aktuelle Fragestellungen, die tief in der Geschichte verwurzelt sind. Diejenigen, die sich etwas mit der römisch-griechischen Antike auskennen, haben die Parallelen zu Romund Griechenland erkannt: die Gladiatorenspiele; all die lateinischen Namen wie Sejanus, Coriolanus; der Slogan "panem et circenses" (Brot und Spiele - das ist es, was ein Volk braucht, um gehorsam zu sein); der Mythos um den Minotaurus, dem jährlich jeweils sieben Jungen und Mädchen geopfert wurden. Blutige Spiele, die der Belustigung dienen, sind eine historische Realität.

Als der zweite Film herauskam, fragte ich mich: Nanu? Wie soll das weitergehen? Also sah ich Catching Fire und da hat es dann Klick gemacht. Und mit dem dritten Buch erst recht - auch wenn viele sowohl das Buch als auch den Film langweilig fanden, weil es keine "Spiele" mehr waren. Erst danach habe ich den ersten Roman überhaupt gelesen.

Die Geschichten sind spannend geschrieben und weisen Seite um Seite auf die Ungerechtigkeit hin, hinterfragen das System soweit, dass es selbst diejenigen, die dagegen rebellierten, entlarvte. Jede Art von Hungerspiel ist falsch. Also wieso sollte Collins noch ein viertes Buch schreiben? Ist nicht alles erzählt? Ich kann natürlich wild spekulieren, aber thematisch fiel ihre Wahl auf Snows Perspektive. Snow ist nicht derjenige, der dieses System erschaffen hat, aber er hat es aufrechterhalten und verfeinert und Krieg war es, den er vermeiden wollte, denn letztlich hat er selbst Krieg erlebt, Hunger, Unterdrückung, Verrat. Das schöne am dem Buch ist, dass es Snows Verhalten nicht entschuldigt. Die letzten Kapitel entlarven ihn letztlich, selbst wenn man eine Weile lang mit ihm sympathisiert.

Plakat

Das Plakat zum fünften Film stammt aus der Feder von Sanjay. Es gibt dort ein tolles Detail, das ich zufällig herausfand: Sanjay war als Kind schon ein Fan von der Romanreihe und darf nun selbst daran mitwirken. https://twitter.com/SanjayCreates/status/1640131804408565761

Das Filmplakat ähnelt in der Aufmachung dem deutschen und dem englischen Buchcover. Beide zeigen die Schlange und den Vogel in goldenen Farben, das Englische Buch vor einem Ring, das deutsche Buch vor einem schwarzen Hintergrund. Die beiden Tiere sind das Leitmotiv der Geschichte und stehen stellvertretend für die Charaktere bzw. für in der Geschichte real auftretende… Lebensformen. Beide sind ja - Spoiler, mittlerer Teil des Buchs -

[Spoiler (click to open)]künstlich erschaffen, quasi Produkte des Kapitols. Der Spotttöpel ist ein Hybrid aus den rein männlichen Schnattertöpeln, die im Kapitol gezüchtet wurden, und den wildlebenden Spottdrosseln. Bei den Schlangen handelt es sich ebenfalls um Mutationen.

Die Schlange windet sich um einen Ast, der Vogel fliegt durch einen Ring, der an Katniss' Spotttölpel-Brosche erinnert, und setzt zur Landung an. Diese Zweig ist ein wichtiges Detail, denn der Vogel setzt nicht zum Angriff an, er setzt sich hin. Der Schlange kann man unterstellen, dass sie giftig ist und ihr Maul öffnet, um zuzuschnappen. Diese Konstellation erinnert auch an die Azteken und die mexikanische Flagge, in der der Vogel die Schlange frisst.

Um den Ring herum wachsene goldene Rosen, die natürlich an Präsident Snow erinnern. Er nutzte den intensiven Duft der Rosen, um den blutigen Geruch aus seinem verlogenen Mund zu verbergen. Diese Wunden sind der Preis, den er zahlte, als er seinen politischen Gegnern vergiftete, wobei er sie über die Gefährlichkeit seiner Gaben hinwegtäuschte, indem er selbst davon trank. Die Rosen waren auch eine Warnung an Katniss.







englisches und deutsches cover

Der Trailer

…beginnt buchstäblich mit Snow: Schnee. Er zeigt uns von Eisblumen und Kristallen überzogene, schwarze Zweige, den Vogel und die Schlange. Die Farben sind weiß wie Snows Barts, kohlenschwarz wie Distrikt 12, und Gold wie die Brosche.

Als erstes taucht die Schlange auf, dann der Vogel. Eis und Raureif platzen von dem erstarrten Körper des Vogels ab, er erwacht wieder zum Leben. Entsprechend heißt es im Aufmacher "Return of the Games", was … Kapitol-Sprache ist. Die Spiele sind das Setting, in das die Charaktere hingeworfen werden, um sich zu beweisen bzw. zu qualvoll gedemütigt und entwürdigt zu sterben, aber damit lockt man natürlich mehr Publikum an. Außerdem läuft eine langsame Variante der von Distrikt-13 adaptierten Melodie, die Rue singt. Wirklich ein Meisterstreich in Werbung. Ich stelle mir vor, wie Plutarch oder Flickermann sich die Slogans ausdenken.

Als nächstes wird die Schlange enteist - sie windet sich um die Zweige und löst damit das Eis von ihrem Zweig. Die Eiskristalle funkeln wie Diamanten. Alles an dieser Naturszenerie ist gekünstelt und Gold im Winter dürfte sich eiskalt anfühlen, nicht warm.

Dann kommt die Einblendung "The World will discover, who is a songbird" *Einblendung Vogel, der die Schlange beobachtet* "und who…………… is a snake" *Einblendung sich windende Schlange*, deren Kopf wir endlich sehen. Der Vogel kneift die Augen zusammen, beide Tiere setzen zum Angriff an (wen wollen sie attackieren? Sich??) und erstarren dann gefangen in ihrem Ring, wobei sie in entgegengesetzte Richtung schauen. Einblendung eines simplen schwarz-weißen Schriftzugs mit dem Titel THE HUNGER GAMES und dem unaussprechlichen Untertitel.

Das ist ein Film für die ganze Welt. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass sich der Satz "Die Welt wird entdecken, wer ein Singvogel ist…………… und wer ………………eine Schlange" ein kleines Augenzwinkern der Produktionsfirma ist, weil man bei den Hungerspielen nicht automatisch daran denkt, dass es vier Bücher gibt.

Dann noch diese dramatische Einteilung in Schlange und Vogel. Welches TIER BIST DU? Kaufe jetzt!

Und darunter der beliebteste Kommentar mit bis dato über 2100 Likes:

Hoffentlich bekommen wir eines Tages einen Hamitch-Film!

Ich muss grimmig grinsen. >D

Ja, scheiß auf Snows Jugend und seinen Werdegang und seinem Cringe. Gebt uns Haymitch! Und Finnick Odair! Und Annie! Und Effie! War Effie auch bei den Hunger Spielen? Egal, ein Biopic über Effie bitte!!!!!

Die Leute sind schockiert, dass Haymitch so wenig Beachtung erhält!!!!

Gut…gut… ich finde den Film jetzt schon aufregend. Fast alle Charaktere sind unsympathisch, sodass eine klare Zuordnung "Schlange = böse" und "Vogel = gut" ohnehin nicht möglich ist. Es gab auch schon einen Screenshot von Snow und Gray, der überhaupt nicht gut ankam, weil die beiden ja moderne Kleidung tragen und weil der junge Snow aussieht wie Eminem. Das ich witzig, weil THG in der Zukunft spielt und weil der junge Snow recht sexy in Fanarts dargestellt wird, er aber offenbar nicht sexy genug wahrgenommen wird.



Auf der anderen Seite gibt es Beschwerden darüber, wie man nur ein Buch oder einen Film über einen Mann erschaffen kann, der böse ist. Schließlich müssen alle Hauptcharaktere gut sein und sympathisch.

Ich finde, Snow hat auf dem Bild eine Hackfresse - und das passt zu ihm, weil er angepisst ist. Später, als er Macht besitzt, kann er sich Charisma leisten, teuflisch lächeln und mehr oder weniger tiefenentspannt seine Macht ausüben. Macht ist sexy. Der junge Snow hingegen ist ein Typ mit übermäßigem Anspruchsempfinden (Macht, Geld, Wissen, irgendeine Frau als Ehefrau, weil's so sein muss), der sich innerhalb in der Elite in einer Underdog-Position befindet. Das harte Gesicht passt prima. Nur die Haare nicht… aber was rede ich, ich bevorzuge natürlich lange Haare. Lucy, gespiele von Rachel Zegler, macht auf mich den Eindruck einer scheinbar fragilen Frau, die es faustdick hinter den Ohren hat und natürlich für ihr Überleben kämpft.

Ein paar interessante Gedanken zum Foto finden sich noch hier: https://twitter.com/BalladOfPanem/status/1573010732987187200

Ich bin sehr gespannt auf das Promo-Material, weil die Macher der Filme in der Regel großartige Plakate entwerfen und interessante, farbintensive Fotos veröffentlichen.

Der Film ist aktuell 3 Stunden und 40 Minuten lang, wird aber noch geschnitten. Ich bin gespannt, wie er er herüber kommt, denn ohne interne Monologe wirken die Charaktere aus den Büchern im Film weniger clever, empathisch und eher passiv. Das fällt mir gerade bei Katniss sehr auf.

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