Feb 08, 2010 03:42
Der Flug von Lima nach Santiago war traumhaft. Zu meinem Wohlgefallen war es ein Flug von LAN, der chilenischen Fluglinie, die für meine Begriffe viel besser als Iberia ist. Die Besatzung ist für gewöhnlich netter und der Service einfach besser. Ich war arg müde, setzte mich auf meinen Platz, hatte links von mir den Gang und rechts von mir ein tschechisches Pärchen fortgeschrittenen Alters, das nicht den Eindruck machte, als beherrschte es irgendeine auf dem südamerikanischen Kontinent relevante Sprache, sodass ich endlich ungestört schlafen konnte. Als ich aufwachte, waren wir bereits in der Luft. Den Start hatte ich gar nicht mitbekommen und ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was die Stewardess mich fragte. Sie übergab mir zwei Dokumente zum Ausfüllen, die man immer in die Hand gedrückt bekommt, wenn man im Begriff ist, in Chile einzureisen: eine Touristenkarte und eine Erklärung für den Zoll. Ich füllte den Kram aus und schlief danach wieder ein. Als ich das nächste Mal aufwachte, war es nach peruanischer Ortszeit vermutlich 3, nach chilenischer 5 Uhr morgens, und es gab Frühstück. „¿Omelette o sandwich?“, fragte man mich. Ich lehnte dankend ab und ließ mir einen schlichten Becher mit Wasser geben. Wahrscheinlich hätte ich keine Schwierigkeiten gehabt, ein derartiges Frühstück zu verzehren -die meisten Leute um mich herum hatten trotz der frühen Stunde auch absolut kein Problem, das ihnen angebotene Frühstück zu verdrücken-, aber ich wollte zu dieser für mich nächtlichen Stunde, die ich normalerweise schlafend verbringe, nichts futtern, um meinem Körper die chilenische Ortszeit näher zu bringen.
Nachdem ich dreimal über Atlanta nach Chile geflogen war, hatte ich festgestellt, dass ich auf diesen Reisen, die locker 30 Stunden dauerten, einen eigenartigen Rhythmus annehme: Da ich nicht wie gewohnt schlafen konnte, hatte ich unabhängig von der Uhrzeit alle drei oder vier Stunden Hunger und bekam auch entweder im Flugzeug was zu essen oder kaufte mir irgendetwas auf dem Flughafen, auf dem ich mich gerade befand. Und um dieses Schema, das ich auf der Reise von Frankfurt nach Lima bereits angenommen hatte, zu durchbrechen, verzichtete ich auf das Frühstück von LAN.
Der Flieger war gegen 1 Uhr morgens in Lima gestartet und da die Strecke nicht allzu lang ist, dauerte es nur knapp dreieinhalb Stunden, bis ich in Santiago ankam. Aufgrund der Zeitverschiebung kam ich aber nicht um 4:15 Uhr in Santiago an, sondern um 6:15 Uhr. Passkontrolle und Gepäckannahme gingen recht schnell und dann konnte ich am Ausgang auch schon mujer maravilla in den Arm nehmen. Sie war mit Andrea Jesús, einem Mädel, das ihre Mutter mal als Babysitterin betreut hatte, und mit der wir beide nun befreundet sind, an den Flughafen gekommen, um mich abzuholen, worüber ich mich sehr freute.
Wir fuhren zu ihrer Wohnung und ich legte mich erstmal schlafen, da ich zwar auf dem Flug von Lima recht gut, aber eben nur sehr wenig geschlafen hatte. Um 10 Uhr vormittags stand ich auf und begrüßte dann mujer maravillas Schwester und ihre beiden Nichten, die gleich mit mir spielen wollten, was ich ihnen nicht verwehrte. Mittags traf ich mich mit Juan und Daniel, zwei guten Freunden von mir, im Zentrum zum Mittagessen. Das war leider auch der einzige Termin, den wir zu dritt wahrnehmen konnten, da Daniel am Abend desselben Tages noch mit seiner Freundin nach Finnland in den Urlaub aufbrechen würde. Seine Freundin ist Finnin und hatte wohl schon vor einem Jahr versucht, ihn zu einer Reise nach Finnland zu bewegen. Damals war er noch drum herum gekommen, dieses Mal aber offenbar nicht. Auch sein Einwand, dass er kein Englisch und noch viel weniger Finnisch spreche, wurde umgehend entkräftet, wie er berichtete. Die Antwort darauf lautete: „Das macht nichts. Die Finnen reden nicht.“ Leider wird Daniel von dieser Reise (von der ich zu gerne seine Erlebnisse von ihm im direkten Gegenüber erzählt bekommen würde) auch erst genau einen Tag nach meinem Mitte Februar anstehenden Flug nach Peru wieder in Santiago ankommen.
Daniel führte uns in ein Lokal, das so eine Art Geheimtipp von ihm ist: ein peruanisches Restaurant, das ein überaus gutes, leckeres und verhältnismäßig günstiges Mittagsmenu anbietet. Wir hatten eine Menge zu erzählen und zu lachen, nutzten in dieser Hinsicht die kurze Zeit, die uns blieb, wonach Juan und ich uns von Daniel verabschiedeten und noch ein gutes Stück gemeinsam durch die Stadt schlenderten. Dabei merkte ich dann so richtig, wie heiß es eigentlich war. Die Differenz von schätzungsweise Minus 5 Grad Celsius am Morgen des Vortages in Bisch’m zu 30 Grad in Santiago war beeindruckend. Gut, ich muss zugeben, dass der Eindruck wahrscheinlich auch durch die zwei Liter Bier, die wir zu dritt im Restaurant getrunken hatten, verstärkt wurde. Während der Dreiviertelstunde, die ich mit Juan durch Santiago spazierte, trank ich noch einen knappen Liter Mineralwasser; und damit war’s dann ganz gut auszuhalten.
Am Abend ging ich so gegen 19 Uhr ins Bett, wachte noch mal kurz auf, als mujer maravilla um 23 Uhr auch schlafen ging, und machte erst wieder um 10 Uhr des nächsten Tages die Augen auf.
Und in den nachfolgenden Tagen war ich relativ viel unterwegs. Am Donnerstag Abend waren wir in einem netten Lokal, in dem eine Liveband jeden Abend Cueca spielt und die Gäste dazu das Tanzbein schwingen. Nach diversen Getränken, wie dem Terremoto („Erdbeben“, das aus Federweißer, Weinbrand und Ananaseis besteht) oder der Borgoña (Rotwein mit Obst), ließ ich mich auch zu dem einen oder anderen Tänzchen überreden, wobei ich nicht behaupten könnte, dass ich die Schritte beherrsche. Abgesehen von mir waren die tanzenden Paare zum Teil auch recht hübsch anzuschauen. Getanzt wird nicht die „normale“ Cueca, bei der Mann und Frau meistens in ländlichen Trachten zu sehen sind, sondern, die „Cueca chora“, die eine … hm …. ja …. vielleicht etwas „urbanere“, aber nicht weniger traditionsreiche Version desselben Tanzes ist, bei dem man IHM viel eher ansieht, dass er SIE am liebsten flachlegen würde und SIE eigentlich nichts dagegen hätte, und man insgesamt den Eindruck erhält, dass es mehr um Verführung und weniger um’s Tanzen geht. Man muss jedoch dazusagen, dass sich Mann und Frau während eines solchen Tanzes nie oder fast nie berühren, sondern stattdessen den anderen umkreisen, auf ihn zugehen oder ihn ihm Rückwärtsschritt hinter sich herziehen. Wenn das zwei versierte Tänzer machen, sieht es wirklich toll aus.
Ursprünglich hatten wir uns vorgenommen, uns an diesem Donnerstag Abend einigermaßen früh zurückzuziehen. Es gelang uns allerdings nicht, was in Chile auch nicht wirklich überrascht, da die meisten Leute „bueno pa’l carrete“ sind -d.h., dem ausgelassenen Feiern und Zechen sehr zugetan sind- und ernsthafte Anstrengungen unternehmen, Gäste, die sich „zu früh“ verabschieden wollen, von ihrem Vorhaben abzubringen. Irgendwann zwischen 2:30 und 3:00 Uhr fiel ich ins Bett.