Jesus Christ Superstar - Fanfiction für de_bingo

Dec 04, 2013 13:59

Titel: Lass dir helfen
Fandom: Jesus Christ Superstar
Zusammenfassung: Joshua versucht erneut, mit Judas zu reden, doch wie immer geht es schief.
Challenge: Beitrag fürde_bingo 2013, zum Prompt Joker - Weinen/Tränen
Widmung:für ayawinner, weil auf Judas draufhauen unser liebstes Hobby ist.
Anmerkung: Jesus heißt bei mir Joshua, weil es schöner klingt und den grünen Parka habe ich aus der Live Arena Tour von JCS 2012 geklaut. Joshua ist außerdem wirklich sowas wie allwissend (yay, ein Alien!).



Lass dir helfen

Er findet ihn am Ufer, hinten, am Industriepark. Irgendwer hat ein altes, fleckiges Ledersofa ausrangiert und dort am Gehweg stehen lassen. Judas hat es sich darauf bequem gemacht und den Zigarettenstummeln auf dem Boden und den Packungen, die aus den Taschen seines Parkas hervorlugen, nach zu urteilen, will er hier überwintern.

„Du rauchst wieder?“, fragt er leise, doch Judas zuckt trotzdem zusammen und fällt beinah von der Couch. Mit wutverzerrtem Gesicht fährt er herum, doch als er sieht, wer da hinter ihm steht, schmilzt sein Zorn in graue Müdigkeit.

„Dir entgeht auch nichts, hm?“, gibt er zurück, doch es klingt nicht halb so giftig, wie er es wahrscheinlich gern gehabt hätte.

„Bin halt allwissend“, scherzt Joshua und setzt sich neben ihn. Judas' Finger zittern und das rührt nicht von der Kälte her. Seit sich der tobende Mob während einer der Demonstrationen auf ihn gestürzt hat, scheut er vor anderen zurück, als wolle ihm jeder die Zähne aus dem Mund schlagen. Es tut Joshua in der Seele weh, doch er kann nichts machen. Judas zeigt mittlerweile sogar ihm die Krallen, und, was sogar noch schlimmer ist, seine scharfe Zunge.

„Was machst du hier?“, fragt Judas und greift nach einer neuen Schachtel. „Du solltest ins Lager zurück. Nachher zünden sich die Idioten noch selbst an.“

Er ist böse, gemein und abweisend. Wie immer. Doch Joshua weiß, dass unter all dem Gift nur eine arme, verzweifelte, gehetzte Seele lauert, auf die er keinen Zugriff hat, egal, wie sehr er die Hand ausstreckt. Warum er ihn nicht aufgibt, fragt er sich. Weil er es nicht kann, antwortet die Stimme der Berufung ihm. Warum er dann immer noch mit ihm spricht und immer und immer wieder zu ihm kommt, obwohl Judas meistens kurz davor steht, ihm seine Faust in den Magen zu donnern. Weil du ihn liebst, sagt die Stimme der Berufung, doch sie klingt unsicher, als verstünde sie selbst nicht so ganz, warum es ausgerechnet dieser gequälte, hilflose Mensch sein muss, der sie beide ans Messer liefern wird.

„Du solltest ihnen mehr Vertrauen schenken“, sagt Joshua leise. Er schaut eine Weile zu, wie Judas' zitternde Finger sich mit dem alten, grünen Feuerzeug abmühen, das Simon ihm mal überlassen hatte. Damals, ganz am Anfang ihrer Reise. Seufzend greift er rüber, nimmt ihm alles aus den Händen. „Gib her.“

„Ich kann-!“

„Lass mich dir helfen. Bitte. Wenigstens darin.“ Er fleht, doch es ist ihm egal, denn Judas seufzt nur und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen das durchgesessene Polster.

Joshua nimmt die Zigarette zwischen die Lippen, zündet sie an und pafft ein-, zweimal. Es schmeckt ihm nicht, hat es noch nie. Doch für Judas würde er auch Stacheldraht schlucken.
„Hier.“

Als er Judas' Blick auffängt, sieht er den Funken Lust darin, durch das Glimmen der Zigarette verstärkt wie durch ein Brennglas.

Als ob nicht alles schon schlimm genug wäre...

„Idiot“, sagt Judas und dann schweigen sie für eine ganze Weile und schauen gemeinsam aufs Wasser hinaus, Joshua, der im Hinterkopf das Schreien der Millionen Gequälten auf Erden hört und Judas, der wahrscheinlich in seinen eigenen panischen Gedanken ertrinkt.
„Ich vertraue ihnen nicht“, murmelt Judas nach der zweiten Zigarette, so als hätte er nicht zehn Minuten lang geschwiegen. „A-aber dir. Ich hab dir immer vertraut.“

Es ist ein Betteln in seiner Stimme, das nicht zu ihm passt. Joshua kann nicht fassen, wie viel Macht er über diesen armen einzelnen Menschen hat. Es macht ihm Angst, doch er zwingt sich ein Lächeln aufs Gesicht.

„Du hast eine seltsame Art, das zu zeigen“, antwortet er.

Judas schnaubt. „Weil ich der Einzige bin, der den Mumm hat, dir zu widersprechen?“

„Ich meinte eher deine Art, mit Maria umzugehen.“

Judas stöhnt, als habe Joshua ihn geschlagen. Eigentlich hatte er das Thema gar nicht ansprechen wollen, doch er konnte nicht anders. Er ist eben der ewige Schlichter und Friedensbringer.

Auf ewig.

Wenn alles gut geht.

„Ich will nicht darüber reden“, sagt Judas trotzig wie ein Kind. „Ich habe nichts falsch gemacht.“

„Du missachtest, was ich sage, bei jeder Gelegenheit“, erwidert Joshua ungerührt. Natürlich liebt er Judas, doch das ist kein Freifahrtschein. „Maria gibt sich die größte Mühe und du machst dich nur über sie lust-“

„Ich will dich einfach nur beschützen, warum begreifst du das nicht?!“

Judas schreit, doch er schaut Joshua nicht an, wahrscheinlich weil er weiß, dass er ein miserabler Lügner ist. Joshua will ihm die Hand auf die Schulter legen, doch da kracht plötzlich ein Ellbogen gegen seine Brust. Er fliegt nach hinten, liegt quer auf der alten Couch und Judas kniet auf einmal über ihm, sein schwerer warmer Körper gegen Joshuas gepresst.

Er atmet schwer und weint, doch das scheint er überhaupt nicht zu bemerken, als sich seine Hände schmerzhaft in Joshuas weißes Hemd graben, als sei er ein verängstigtes Tier, das an den Wänden seines Käfigs kratzt.

„Was ist mit uns passiert?“, fragt er hilflos und starrt mit dunklen, brennenden Augen auf Joshua hinunter. „Wieso kann ich meinem besten Freund nicht mehr alles erzählen? Warum erzählst du mir nicht mehr alles?“

Joshua schließt die Augen. Darum geht es hier also. „Ich habe keine Geheimnisse vor dir“, sagt er müde. „Ich habe dir immer nur die Wahrheit gesagt.“

„Ach ja?!“ Für einen kurzen Moment sieht es so aus, als wolle er ihn tatsächlich schlagen, doch dann stöhnt er nur gequält und vergräbt sich heulend an Joshuas Brust. Joshua holt tief Luft, dann schließt er Judas fest in seine Arme. Erst jetzt fällt ihm auf, wie dünn er geworden ist.

„Sag es mir, ich flehe dich an“, hört er ihn schluchzen. „Sag mir, was du vorhast, bitte, ich sterbe vor Angst um dich...“

„Das kann ich nicht“, antwortet Joshua und jedes Wort brennt in seinem Mund. „Aber du musst mir glauben, selbst wenn du es wüsstest, würde dich das nicht trösten.“

Er kann fühlen, dass Judas widersprechen will, aber seine Kraft scheint ihn endgültig verlassen zu haben und so bleiben sie schluchzend auf dieser dreckigen Couch liegen, bis Judas sich langsam beruhigt.

Er kriecht von Joshua herunter, mit verheulten, roten Augen und brennend vor Scham. Er hat nie verstanden, dass Joshua ihn für nichts verurteilen würde, dass er ihn immer lieben wird, egal, was er tut.

„Wir hätten in Nazareth bleiben sollen“, sagt Judas nach ein paar Augenblicken und wischt sich das Gesicht an seiner Jacke ab.

„Du kommst doch gar nicht aus Nazareth“, murmelt Joshua, weil er glaubt, dass sie wieder scherzen können, dass für einen kurzen Moment alles wieder so ist wie früher. Dass Judas endlich wieder lächeln wird.

Doch stattdessen springt der andere wütend auf, reißt seine Jacke mit sich und deutet mit zitterndem Finger auf Joshua.

„Na und?!“, schreit er. „Dann eben du! Du allein hättest dort bleiben sollen! Die Schnauze halten sollen, und nicht rumrennen und Leuten irgendwas von Liebe erzählen!“

„Judas, ich-“

„Hör auf!“ Er ist außer sich vor Wut und Joshua will schreien. Wird er denn niemals mehr etwas richtig machen können, wenn es um Judas geht? Egal, was er tut, es endet jedes Mal in flammendem Zorn und wütenden Vorwürfen. „Hör einfach auf! Ich wäre so viel glücklich ohne dich. Ich wünschte, ich hätte dich nie getroffen!“

Und damit dreht er sich um und stapft davon, seine Jacke schleift auf dem Boden hinter ihm entlang wie ein totes Tier.

Joshua bleibt zurück, müde, ausgebrannt und so tief verletzt wie noch nie zuvor.

Er weiß, dass Judas das nicht so gemeint hat.

Er weiß es einfach und er wird es sich so lange selbst ins Ohr schreien, bis er daran glaubt, denn sonst werden die anderen keine Gelegenheit mehr haben, ihn ans Kreuz zu schlagen.

-Ende

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