Titel: Grau (#08 Trübsinn
02/09)
Teil: Oneshot (Anthony J. Crowley -
7_suenden und "Ass der Stäbe" bei meiner inoffiziellen
Tarot-Tabelle)
Fandom: Good Omens
Hauptcharaktere/Pairing: Crowley, Erziraphael
Word Count: 2.035 ohne Fußnoten *g*
Entstehungsdatum: 4. Juli 2007
Genre: Drama~?, Charakter-Analyse
Warnungen: Düster.
Rating: PG
Kritik: Ja
Inhaltsangabe: Hm, es ist irgendwie nicht so geworden, wie ich mir das vorgestellt hatte. Hmpf. - Crowley, durch die Jahrtausende hindurch.
Grau
Ass der Stäbe Diese Karte repräsentiert die noch nicht entfaltete, in Geburt befindliche Urenergie des Elements Feuer, den Ausbruch des Funkens aus der Sonne.
Stichwörter zur Deutung sind Anfang, Ursprung, Quelle, Geburt, Kreativität.
Diese „Handeln” genannte Karte steht für den Anfang.
Er wusste nicht, ob er fallen wollte. Jetzt, da er auf einer Seite neben den Engeln, die die flammenden Reden gehalten hatten, stand, war er sich sogar ziemlich sicher, dass er nicht fallen wollte; dass es die falsche Seite für ihn war.
Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Er hatte sich erst vor wenigen Tagen
1 gefragt, ob sie nicht zu weit damit gingen und dies hier war ganz klar die Antwort. Er ballte die Hände zu Fäusten. Was hatte er denn getan um das zu verdienen?
Natürlich hatte er ihnen zugehört, aber das war doch kein Grund. Viele hatten ihnen zugehört, wie sie von Freiheit und aufregenden, neuen Dingen sprachen. Am Anfang war er nur an ihnen vorbeigegangen, aber nach ein paar Mal hatte er sich zu dem größer werdenden Kreis an interessiertem Publikum gesellt und den enthusiastischen Monologen gelauscht. Er hatte nicht einmal ein Wort gesagt bei diesen Gelegenheiten. Wofür wurde er hier also bestraft? Das Ganze war eine sehr drastische Sache, fand er, aber er wagte es nicht zu protestieren.
Wenn es auch nicht die intelligentesten Reden waren, so zeugten sie doch nicht von mangelndem Mut oder Überzeugung und sie weckten Bereiche seines Verstandes, von denen er bis dahin noch nicht gewusst hatte, dass sie überhaupt existierten.
Er wandte den Kopf und betrachtete die Gesichter der anderen. Sie gaben sich viel Mühe, genauso überzeugt zu wirken wie bei ihren Ansprachen, aber es wollte ihnen nicht recht gelingen. Sehr beunruhigend, fand er, schließlich hatten sie doch alles schlussendlich in Gang gesetzt. Wenn nicht einmal sie noch fest glaubten, woran sollte er sich dann festhalten?
Ein Gutes hatte die ganze Angelegenheit allerdings: Zum ersten Mal seit er sich zurückerinnern konnte, hatte er nachgedacht und sich wirklich Gedanken gemacht. Oh, die Vorhaben, die die Redner gehabt hatten, waren natürlich weit davon entfernt perfekt zu sein und hätten bestimmt noch einige Verbesserungen vertragen können. Aber der grundsätzliche Gedanke der Veränderung gefiel ihm. Dinge mussten sich verändern um voran zu kommen und während um ihn herum alles erschaffen wurde, hatte er doch das nagende Gefühl gehabt, an eine Stelle gekettet zu sein. So hatte es nicht weitergehen können und zum Guten oder zum Bösen, jetzt veränderte sich wenigstens ein bisschen etwas.
Trotzdem hatte er nie vorgehabt zu fallen; hatte es nicht ein einziges Mal je in Erwägung gezogen, dass so etwas passieren konnte. Er mochte es, ein Engel zu sein. Und keine der Veränderungen, die er sich herbeigesehnt hatte, hätten daran etwas ändern sollen.
Unwillkürlich fragte er sich, ob seine Flügel jetzt wohl schwarz werden oder ihm alle Federn ausfallen würden. Würde er selbst sich irgendwie verändern ohne dass er es wollte?
Er sah hinüber und betrachtete die Engel, die noch unbeschwert Engel sein konnten und es kam ihm vor, dass zwischen ihnen und den anderen um ihn herum ein riesiger Abgrund klaffte.
Doch im fahlen Licht wirkten alle Engel grau.
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Die Schlange wand sich um den Ast und ihre gespaltene Zunge kostete die Luft. Crawly wusste noch immer nicht recht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Er war schon lange nicht mehr hier Oben gewesen und als er durch das Gras gekrochen war, hatte er sogar den einen oder anderen Engel gesehen. Wie lange war es schon her, seit er einen Engel, einen heiligen Engel, der noch nicht gefallen war, erblickt hatte?
Aber es war erstaunlicherweise nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte. So schlecht fand er es eigentlich gar nicht.
2 Die Schlange zischte und betrachtete einen der einladenden, roten Äpfel. Eine Schlange konnte natürlich nicht grinsen, aber bei dieser hier hätte man diesen Eindruck bekommen können.
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Crowley streckte sich vorsichtig. Es war das erste Mal, dass er einen menschlichen Körper hatte. Die zusätzlichen Gliedmaßen kamen ihm zuerst fast seltsam vor, aber er hatte sich schnell wieder eingewöhnt. Manche Dinge vergaß man nie.
Er hätte sich auch nicht so viele Sorgen wegen seiner Flügel machen müssen. Sie waren weder schwarz, noch verschwunden, sondern so engelhaft weiß wie eh und je. Die Ironie nagte ein wenig an Crowley, aber er akzeptierte es als Teil der großen Unerfindlichkeit - oder anders gesagt, als Teil Seines unerfindlichen Humors.
Nun, auf jeden Fall hatte er sich für seine ersten Versuche ein Dorf ausgesucht. Die ungepflasterten Wege waren schlammig und Crowley rümpfte die Nase. Hastur hatte ihm noch geraten, mit dem Vater in dem Haus am Dorfrand, dessen Steinwand bereits tiefe Risse hatte, anzufangen.
Er fühlte sich nicht wirklich wohl dabei, als er auf das Haus zuging und sich überlegte, was er tun würde. Aber es half alles nichts. Er war nun einmal jetzt ein Dämon und Dämonen hatten bestimmte Pflichten. Wenn er das damals doch bloß auch schon gewusst hätte; das hätte ihm einiges erspart.
3 Er beobachtete den Mann stundenlang und schon bald wusste er, wie er ansetzen musste. Der Mann hatte eine Tochter und überlegte, sie zu verkaufen um sich mehr Alkohol leisten zu können. Als Crowley anfing, seinen Verstand zu beeinflussen, bekam er eine Gänsehaut und für einen Moment sehnte er sich nach seinen Schuppen zurück.
Vielleicht war es der Wein, den er anschließend zügellos trank, vielleicht auch der Blick des sechsjährigen Mädchens, das konnte Crowley nicht sagen, aber am nächsten Morgen war ihm furchtbar übel und er ekelte sich vor sich selbst.
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Nicht nur die Menschen, auch Engel konnten sich an ziemlich viel gewöhnen; Crowley bildete da keine Ausnahme. Mit ein bisschen Übung
4 war es auch möglich, sich daran zu gewöhnen, ein Dämon zu sein. Und es gab eine Zeit, die Crowley am liebsten gänzlich aus seiner Erinnerung streichen würde, nun, um ehrlich zu sein, nicht nur eine, aber das spielte nur eine untergeordnete Rolle.
In sehr betrunkenen Momenten hätte Crowley vielleicht sogar heimlich gedacht, dass sich diese Beschreibung auf die gesamte Zeitspanne zwischen jenem Ereignis und der Vereinbarung zwischen ihm und Erziraphael anwenden ließ.
Erziraphael; als er den Engel zum ersten Mal in menschlichem Körper wiedergesehen hatte, war er darauf überhaupt nicht vorbereitet gewesen. Es war in Rom gewesen und Crowley hatte in einem größeren Trinkgelage gerade versucht, einen dort inoffiziell anwesenden Politiker zum nächsten Kleinkrieg zu überreden.
5 Dann hatte der Engel die zwielichtige Schenke betreten und Crowley konnte zuerst einmal nichts anderes tun als ihn anzustarren. Es war so unendlich lange her, seit er zum letzten Mal einen Engel gesehen hatte
6, dass er fast die Heiligkeit vergessen hätte.
Er schluckte und überlegte fieberhaft, wie er aus der Situation wieder herauskommen sollte. Es war schließlich seiner Gesundheit überhaupt nicht förderlich, sich im gleichen Raum wie ein Engel aufzuhalten, mit viel Pech auch noch ein rachsüchtiger.
Merkwürdigerweise bekam Crowleys Trinkpartner plötzlich die Idee, nach Hause zu gehen um seinen Kindern einen Gutenachtkuss zu geben. Crowleys Blick und der des Engels trafen sich im überfüllten Raum und als der Engel die Augenbrauen hochzog, machte Crowley schnell, dass er wegkam. Er verschwand in der Menschenmenge und entkam durch die Hintertür.
Ein Engel war in seiner Stadt - ausgerechnet in seiner Stadt. Crowley schüttelte den Kopf. Von allen Städten der Welt hatte sich der vermaledeite Engel ausgerechnet diese aussuchen müssen. Dem würde er den Aufenthalt gründlich vermiesen.
Den nächsten Tag über folgte Crowley dem Engel durch die Stadt und sah zu, wie er furchtbar engelhafte Dinge tat. Crowley bemühte sich, extra unauffällig zu sein und möglichst, den Schaden, den der Engel anrichtete, wieder in Ordnung zu bringen. Doch er brachte es einfach nicht über sich, als der Engel einen Vater ermutigte, seine Tochter besser zu behandeln. Frustriert wandte er sich ab und verließ noch am selben Abend die Stadt.
Es war definitiv besser ohne den Engel zu arbeiten. Warum mussten Engel nur so… gut sein? Davon bekam man doch Kopfschmerzen.
Aber als er das noch dachte, widersprach ihm eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf. Früher war sie lauter gewesen, aber sie hatte nie ganz aufgehört zu sprechen wie bei anderen Dämonen.
7 --
Er wusste nicht, was es über ihn aussagte, dass er sich viel wohler nach der Vereinbarung fühlte als zuvor - oder vielleicht wusste er es nur zu gut, was eigentlich auf dasselbe hinauslief.
Crowley fühlte sich nicht so dämonisch, wie er es gerne gehabt hätte, worunter auch sein dämonenhaftes Benehmen litt und Hastur verpasste natürlich keine Gelegenheit, darauf hinzuweisen.
Aber vielleicht, dachte Crowley, als er mit Erziraphael an einem Tisch saß und französischen Wien trank, vielleicht war das gar nicht so schlimm.
Der Engel hatte gerade eben drei Bücher von einem höchst zweifelhaftem Mann in einer dunklen Seitengasse erstanden und Crowley grinste immer noch, als er ihm zuprostete. Mittlerweile glaubte er, dass auch Erziraphael manchmal nur staunen konnte, wie furchtbar gut manche Engel waren, auch, wenn er stur etwas anderes behauptete.
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Crowley streckte sich und rückte in der Dunkelheit seine Sonnenbrille zurecht. Das zwanzigste Jahrhundert war doch immer noch am Schönsten. Er strich über die Kühlerhaube des Bentleys, beschloss, dass er seine Quote für heute erfüllt hatte und dass es Zeit war, sich ein bisschen eine Auszeit zu gönnen.
Er setzte sich in den Wagen und bevor er sich noch überlegt hatte, wo er hinfuhr, hatte er schon eine Richtung eingeschlagen. Vielleicht konnte er ja Erziraphael dazu überreden, die eine oder andere Flasche aufzumachen.
Mit Crowleys etwas gewagtem Fahrstil und ein wenig übernatürlicher Hilfe stand er in kürzester Zeit vor dem geschlossenen Buchladen des Engels.
Drinnen brannte noch Licht. Zuerst überlegte er sich anzuklopfen, doch der Gedanke wurde schnell wieder verworfen. Stattdessen versuchte er einfach die Tür zu öffnen und siehe da, sie war offen.
Crowley betrat den staubigen Laden und sah sich suchend nach Erziraphael um. Das Licht kam aus dem Hinterzimmer und Crowley fand Erziraphael an einem Tisch sitzend und lesend vor. Wenn er wirklich in ein Buch vertieft war, bekam er so wenig von seiner Umgebung mit, dass er Crowleys Anwesenheit vielleicht sogar noch gar nicht bemerkt hatte. Crowley grinste und schlich sich an.
„Setz dich, mein Lieber“, sagte Erziraphael und blätterte um. „Möchtest du einen warmen Tee?“
Crowley zog die Augenbrauen hoch und setzte sich. Irgendwie war das nicht so gelaufen, wie er sich das gedacht hatte, aber das hätte er eigentlich erwarten müssen. Er nahm sich die Tasse, die schon auf dem Tisch neben Erziraphaels Buch bereitstand und rührte den Tee um, der bestimmt nicht mehr warm war. Dann stützte er das Kinn auf die rechte Hand.
„Wie viel Ärger können wir wohl erwarten?“
Erziraphael sah auf und bemerkte den geklauten Tee in Crowleys Hand.
„Wie bitte?“
„Na, für die ganze Weltuntergangssache!“ Crowleys wedelte ausladend mit der linken Hand und warf dabei fast die Tasse um. „Die Apokalypse, und das ganze Drumherum, einfach alles!“
Erziraphael runzelte die Stirn. Crowley trommelte neben der Teetasse auf den Tisch. Das gemütliche Licht der Leselampe warf tiefe Schatten auf sein Gesicht.
„Weder ich, noch du haben von irgendjemandem gehört und das ist jetzt zwei Wochen her“, sagte er und hoffte auf eine Bestätigung. „Vielleicht haben sie es ja vergessen.“
Er hatte kaum je so wenig überzeugt geklungen, selbst in seine eigenen Ohren.
„Das glaube ich nicht. Aber wir können darauf hoffen, dass sie so tun, als wäre nie etwas passiert. Bis zum näcshten Mal.“
„Die endgültige Entscheidung, hm?“ Crowley nickte düster.
Natürlich hatten sie schon oft darüber geredet. Eigentlich war es das Thema und Crowley konnte nicht anders als immer wieder darauf zurückzukommen. Es mangelte nicht an Gesprächsstoff und doch führten sie immer wieder dieselbe Unterhaltung. Und Crowley wusste, dass eine furchtbar menschliche Empfindung daran schuld war: Die Angst; seine Angst.
Sie saßen einander schweigend gegenüber, als Erziraphael sich wieder seinem Buch zuwandte. Crowley grinste, als er sich fragte, welchen Seltenheitswert es hatte und vor allem, wo Erziraphael es wohl herhatte.
Crowley hatte, obwohl er ein Dämon war, langsam genug von gut, böse und dem ständigen Hin und Her zwischen Engel, unschuldig wie gefallen. Denn was waren Dämonen anderes als Engel auf der anderen Seite?
Er lehnte sich zurück und betrachtete Erziraphael, den Engel auf der anderen Seite des Tisches und verabscheute die Ironie, die sich schon wieder in seine Gedanken schlich.
Eigentlich war es ja ganz einfach: Dämonen repräsentierten die dunkle Seite und Engel die strahlend weiße samt Heiligenschein.
Aber was, fragte eine leise Stimme in seinem Kopf, waren dann sie? Wo standen sie beide?
Crowley lächelte, als er dachte, dass sie weder schwarz, noch weiß waren.
Höchstens grau. Wie die Menschen.
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1 So fern man dort Oben von Tagen sprechen konnte. (
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2 Wenigstens war es dort angenehm kühl. (
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3 Vor allem Nerven, aber auch einiges an Hoffnungen und Talkshows. (
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4 Und viel Wein. (
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5 Nicht, dass er sehr viel Zuspruch gebraucht hätte. (
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6 Oh, natürlich wusste er, dass auch von Oben immer jemand auf der Erde war, doch selbst gesehen hatte er noch keinen ihrer Agenten. Natürlich hatte er immer wieder Fallen für sie gelegt und rühmte sich damit, indirekt für den Tod von mindestens zweien verantwortlich zu sein. Aber er hatte noch nicht wirklich mit ihnen zu tun gehabt. (
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7 Was Crowley natürlich niemals vor Erziraphael zugegeben hätte. (
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