400 Meilen zurück (Supernatural)

Aug 30, 2008 14:41

Titel: 400 Meilen zurück
Autor: Elster
Fandom: Supernatural
Charaktere: Dean, Sam
Word Count: 870
Rating: PG
Anmerkung: Ich hätte gern "elster" als Autorentag.



Sam würde niemals auf die Idee kommen, sein Leben als langweilig zu bezeichnen. Eigenartig oder mörderisch wären schon eher die Worte, die ihm dazu einfallen würden, aber andererseits besteht es seit er denken kann zu einem nicht unwesentlichen Teil aus endlosen Autofahrten.

Die erste oder zweite oder dritte Stunde sieht man aus dem Fenster und beobachtet die Dinge, die vorbeiziehen. Man sieht die Landschaft in Einzelheiten: Bäumen, Häusern, Reklametafeln, nicht als die Streifen vorüberrasender Grün- und Braun- und Grautöne, die sie ist. Die Augen sind nicht dazu gemacht, die Dinge vorbeiziehen zu lassen, sie halten sie fest und brennen sie einem ins Hirn. Und es gibt nichts, was man dagegen tun kann. Als Sam vierzehn war, hat er darin eine Metapher für die Unfähigkeit des Menschen gesehen, sich nicht an Dinge zu klammern. Es war damals cool und zen und alles und Dean hatte natürlich behauptet, er hätte keine Ahnung, wovon Sam sprach, wie er es immer tut, wenn Sam Fremdwörter benutzt.

Heute ist es immer noch zen, aber nicht mehr cool, keine Abstraktion. Es wird auf die Dauer anstrengend, wenn die Landschaft sich ständig verändert und das Auge nicht mehr mitkommt.
Sam würde gern das Fenster öffnen, aber draußen ist es seit Tagen kalt und regnerisch und sie kriegen den schalen Geruch von Pommes und gebratenen Zwiebeln nicht mehr aus dem Wagen.

So wie er damals den Geruch von Rauch nicht aus seiner Kleidung und seinem Haar gekriegt hat. Es war eine dieser vierten, fünften oder sechsten Stunden, in der Sam eine mentale Liste von allen Dingen aufgestellt hat, die mitverbrannt waren, bis auf die IKEA-Möbel, deren Namen er sich nie merken konnte und die Vorhänge, die er sowieso niemals hatte leiden können. Das meiste hat er inzwischen schon wieder vergessen. Die Postkarten waren wichtig gewesen, Postkarten und Prospekte von den Orten, an denen sie gewesen waren. Sam hatte diese Dinge gesammelt, seit er sieben war und jetzt würde er nie rekonstruieren können, wo er Jahre seines Lebens verbracht hat.

Es gibt auch weniger zusammenhängende Gedanken wie: Wow, endlich bin ich alt genug, um durch die Süßigkeitenabteilung eines Supermarktes zu gehen, ohne alles haben zu wollen, was ich sehe. Oder: Dein Bruder hat eine pyromanische Ader, obwohl es logischer wäre, wenn er Angst vor Feuer hätte, aber das ist typisch. Oder: Oh mein Gott, war das da gerade eine sehr kleine Kuh oder ein sehr großer Hund?

Wenn es spät ist, kann man solche Gedanken sein lassen und ein wenig schlafen oder zumindest dösen, weil dann draußen nichts mehr zu sehen ist, das einen wach hält. Und man wird langsam zum Motorengeräusch des Impala wieder wach werden, Dean am Steuer und Metallica aus dem Autoradio so leise gedreht, das es gerade noch zu hören ist und der Zug aus der Lüftung warm auf der Haut.

Beschäftigungen auf Autofahrten sind über kurz oder lang genauso eintönig wie die Autofahrten selber. Da ist zum einen der Laptop, aber der Akku schwächelt so schon und wirklich, Sammy, der Computer braucht öfter Ersatzteile als mein Baby. Der Laptop ist sowieso nicht mehr derselbe wie früher. Sams Freunde haben Photobuckets, aber einige Bilder gab es nirgends sonst.

Es erinnert ihn an die Kiste mit den Bildern aus Lawrence im Kofferraum. Sie erinnert ihn an die Kisten mit Süßigkeiten, die ihr Vater früher vergraben hat, wenn er sie beschäftigen wollte. Es gab einen Hinweis und eine komplizierten Weg, der ans Ziel führte. Die meisten Leute reagierten erstaunlich erbost, wenn Kinder in ihrem Garten nach Schatzkisten gruben.

Dann Kartenlesen und sich mit Dean über die Namen der Ortschaften lustig machen, durch die sie fahren. Es wundert Sam, dass es immer noch so viele Orte gibt, wo sie nicht waren und es beunruhigt ihn, dass es Orte gibt, an denen nur er noch nicht war. Manchmal sehen sie sich tatsächlich zusammen mit anderen Touristen Sehenswürdigkeiten an. Manchmal sagt Dean Dinge wie „Da hat es mir gefallen.“ und meint das Essen oder irgendeine Frau.

In Zeitungen nach unerklärlichen Todesfällen oder kuriosen Geschichten stöbern und sich mit Dean darüber streiten, ob die Geburt von zweiköpfigen Kälbern ein Zeichen für die drohende Apokalypse ist oder nicht. Nur ein Witz. Zumindest hofft Sam das, weil ihr Leben so schon seltsam genug ist und Dean niemals wieder auf den Teppich kommen würde, wenn man ihn die Welt retten ließe.

Und Bücher lesen, die man nicht behalten kann, weil es auf Dauer zu viele werden würden und Sam weiß, dass es schwerer wird Dinge wegzugeben, je länger man sie hat. Eine dieser Gewissheiten im Leben, wie die Tatsache, dass niemals Stühle hergestellt werden, auf denen er bequem sitzen kann.

Und manchmal fahren, das Auto gerade auf der Fahrbahn halten, während Meile um Meile unter ihnen vorbeizieht, bis das Ende der Straße am Horizont nur noch eine Punkt ist, auf den man zuhält und der Mittelstreifen nur noch ein helles Blinken auf dunklem Grund. Bis man merkt, dass man seit einer Stunde oder einer halben an nichts mehr gedacht hat und viel zu schnell fährt. Und Dean, von dem Sam seinen Führerschein hat, schläft auf dem Beifahrersitz.

Und es sind solche Autofahrten, die einen dazu bringen, sich auf ein schäbiges Motelzimmer mit abgewetzten Teppichen, auf Betten mit durchgelegenen Matratzen und ausgewaschenem Bettzeug zu freuen.

fandom: supernatural 1-100, gen, fanfic, autor: elster 1-100

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