Prompt: Charakterschwächen - Joker (Inspiration:
Mercy von
nachanca) - fürs Team
Team: Weiß (Titanic)
Fandom: Tatort Münster
Rating: P 6
Genre: AU, Seelenverwandte, etwas Humor
Handlung: Nach dem ersten Bier hatte er kurzentschlossen seinen Vater angerufen und sich eingeladen.
Länge: ca. 850 Wörter
Zeit: ca. 60 Minuten
Kapitel 1 ***
Nach dem ersten Bier hatte er kurzentschlossen seinen Vater angerufen und sich eingeladen; zu mehr Bier und Pizza, da sie beide keine große Lust hatten zu kochen. Vermutlich weil sein Vater der andere Mensch war, der ihm zu Familien und Eltern und Scheidungen einfiel, nur daß er seinen Vater eben sehr viel leichter erreichen konnte als Lukas. Und auch wenn Herbert einem gewaltig auf die Nerven gehen konnte, war das doch immer noch besser, als den Abend alleine zu verbringen. Und weil er keine Lust hatte, Herbert von dem Fall zu erzählen oder über Lukas zu reden, erzählte er die Geschichte von Boernes Steißgeweih. Sie hatten inzwischen eine halbe Familienpizza verputzt, waren beim zweiten Bier und dementsprechend albern bei der Vorstellung, wie sich der Herr Professor Dr. Dr. vermutlich im Zuge einer verfrühten Midlife-Crisis in den späten Neunzigern ein Arschgeweih hatte stechen lassen. Garantiert besoffen, hatte Herbert gemeint. Oder eine Wette. Wahrscheinlich beides.
Bis er den Fehler machte, zu erzählen, daß das Ding, das Boerne als „Muttermal“ bezeichnete, fast so aussah wie sein Name. Sein Vater nahm das natürlich ernst, war ja klar. Aber sein Vater glaubte auch an Chakras und wußte der Teufel was alles. „Das war’n Witz, Vaddern. Boerne ist ganz sicher nicht mein ‚Seelenverwandter‘.“
Herbert sah immer noch ganz blaß aus. „Vaddern? Alles O.K.?“
„Und es sieht wirklich wie dein Name aus?“
„Nee, man kann gar nix lesen.“ Herbert entspannte sich wieder. „Ich hab‘ nur für einen Moment gedacht, daß es so ähnlich aussieht wie meine Unterschrift.“
Herbert antwortete nichts. Stattdessen griff er nach seiner Bierflasche, und Thiel konnte sehen, wie seine Hand zitterte.
„Mensch, Vaddern. Boerne sagt, das ist ein Muttermal. Ich wette ja, er hat sich da mal was tätowieren lassen, was ihm jetzt peinlich ist.“ Herbert wirkte immer noch nicht beruhigt. „Du glaubst doch nicht ernsthaft an so einen Unsinn? Außerdem müßte ich dann doch auch so was haben, so läuft das dann doch angeblich, oder?“
Sein Vater setzte die Bierflasche mit einem lauten Klacken auf dem Tisch ab.
„Was?“
„Ich fürchte, ich muß dir da was sagen.“
***
Er konnte es immer noch nicht glauben. Hatte er Herbert in letzter Zeit verärgert, so daß der ihn mit dieser wilden Geschichte auf den Arm nehmen wollte? Zweifelnd sah er die kleine Narbe an seiner linken Hand an. Die hatte er schon seit er denken konnte. Ein anderes Kind im Kindergarten hatte ihm den Holzmalstift in die Hand gerammt, hatte seine Mutter immer erzählt. Man konnte immer noch den Rest einer bläulichen Schattierung erkennen, auch wenn die Farbe mit den Jahren immer blasser geworden war.
Und jetzt behauptete sein Vater, da hätte „Karl“ gestanden. Schon seit seiner Geburt hätte er das gehabt, dieses Zeichen. Erst so klein, daß man nicht wirklich etwas hätte lesen können, und dann war es deutlicher geworden, mit jedem Zentimeter, den er gewachsen war. Ausgerechnet an der Hand, wo jeder es sehen konnte. Seiner Mutter hatte das gar nicht gefallen, hatte Herbert erzählt. Und komischerweise war es genau das, was ihn diese Geschichte beinahe glauben ließ. Seine Mutter hätte so etwas nie im Leben akzeptiert - die war nüchtern durch und durch und hielt absolut nichts von solchem übernatürlichen Kram. Naja, und dann auch noch … „Karl“. War ja klar, was das für ihn bedeutet hätte, wenn er damit groß geworden wäre. Es gab damals noch genügend Menschen, die an diese Seelenverwandten-Zeichen glaubten, auch bevor die Idee in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen war. Großeltern erzählten sowas ihren Enkelkindern als Gutenachtgeschichten. Er wäre schon in der Grundschule Schwuchtel gerufen worden. Das hätte seine Mutter erst recht nicht akzeptiert.
Und dann waren sie mit ihm beim Arzt gewesen. Ein winziger Eingriff, lokale Betäubung. Und übrig geblieben war nur die Narbe.
Und Wut. Er hatte gar nicht mehr weiter mit Herbert darüber geredet, was das nun bedeutete oder ob das überhaupt was bedeutete. Er hatte sich einfach verabschiedet und war wieder nach Hause geradelt, bevor die Wut überkochte und er Herbert beschimpfte, der ja nun von allen am allerwenigstens dafür konnte. Er kannte seine Mutter schließlich und wußte, daß niemand etwas hätte ausrichten können, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Er liebte seine Mutter, hatte sie als Kind geliebt und vermißte sie auch heute noch, vermißte ihren nüchternen Pragmatismus und ihren unerschütterlichen Glauben daran, daß er der beste Sohn war, den sich eine Mutter nur wünschen konnte. Aber er wußte genauso gut um ihre schlechten Seiten. Kleinbürgerlich hatte Herbert das immer genannt, diesen Wunsch, nicht aufzufallen und bloß nicht anders zu sein als die anderen. Und gottverdammt stur war sie gewesen und überzeugt, Recht zu haben. Vor allem in allen Dingen, die ihren Sohn betrafen. Was er nicht verstand, war, warum er jetzt so wütend auf sie war. Als hätte sie ihm etwas genommen ohne ihn überhaupt nach seiner Meinung zu fragen. Obwohl das ja überhaupt nicht stimmte, sie hatte ein Mal wegoperieren lassen, ein Muttermal, das ihm garantiert nichts genützt hätte im Leben, dafür aber sicher Ärger eingebracht. Sie hatte ihn nicht gegen seinen Willen verstümmelt. Warum also fühlte sich das jetzt so an?
*** tbc ***