Titel: Frühlingsgefühle
Fandom: Merlin (BBC)
Rating: PG
Genre: Humor
Wörter: ~ 4660
Characters/Pairings: Merlin, Gaius, der Drache, ein bisschen Arthur/Gwen und andere ‚non-canon’ Pairings, kein Slash!
Spoiler: Die FF spielt kurz nach „Beauty and the Beast“ (2x05/06), hat aber keine direkte Beziehung dazu. Man sollte halt nur die Personen und Vorkommnisse in der Serie bis dahin kennen. *g*
Disclaimer: Merlin gehört der BBC, nicht mir ... leider. :( Ich leih mir die Jungs und Mädels nur aus und geb sie hinterher artig und hoffentlich unbeschadet wieder zurück! :D
A/N: Ich schreibe eigentlich momentan an einem größeren SGA/Merlin-Crossover, aber dieses leicht bekloppte Plotbunny hat sich ungefragt vorgedrängelt und wollte unbedingt geschrieben werden. *pfff* Somit ist das auch meine erste Merlin-Fic! Also, bloß nicht zu ernst nehmen ... *g*
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Nichts. Und wieder nichts. Und auch die nächste Seite brachte keine Lösung. Verzweifelt blätterte Merlin weiter Seite um Seite in seinem Magiebuch um. Irgendwo musste es doch einen Spruch geben, der den Zauber wieder rückgängig machen konnte. Und zum sicherlich hundersten Mal an diesem Morgen schwor er sich, nie wieder einen unbekannten Zauber anzuwenden, solange er nicht den Gegenzauber parat hatte.
„Moment mal ... das könnte was sein“, sagte der junge Zauberer in die Stille seiner Kammer hinein, verzog aber sofort angewidert das Gesicht. „Oder lieber doch nicht!“
Mal davon abgesehen, dass Arthur nicht herausbekommen durfte, wer hinter diesem Schlamassel steckte, würde er ihm die derzeitige Situation wohl noch eher verzeihen, als in eine Kröte verwandelt zu werden. Und warum eigentlich immer Kröten?
Deprimiert seufzte Merlin auf. Er hatte doch nur die allgemeine Stimmung im Schloss heben wollen ...
Es war Mitte März, aber von Frühling keine Spur. Die Nächte waren weiterhin bitterkalt und die Tage angefüllt mit Regen, eisigen Winden und Gewitter, die einen Aufenthalt im Freien fast unmöglich machten. Die Folge dieser Witterung war gewesen, dass der Kronprinz von Tag zu Tag launischer und reizbarer geworden war, weil er nicht raus und auf eine seiner geliebten Jagden gehen konnte. Und natürlich war es Merlin gewesen, der die Auswirkungen zu spüren bekommen hatte. Aber nicht nur Arthur war immer unleidiger geworden. Der König hatte ebenfalls jeden angeknurrt, der es auch nur wagte, in seine Nähe zu kommen. Selbst sein Mentor hatte erste Symptome gezeigt. Anders konnte es sich Merlin nicht erklären, dass ihm Gaius jedes Mal, sobald er triefend nass von einer Kräuterbeschaffungstour wiederkam, mit hochgezogener Augenbraue erklärte, dass er genau ein Gewürz oder Kraut vergessen hatte. Zumal sich Merlin spätestens nach dem dritten Mal ganz sicher gewesen war, dass Gaius das entsprechende Kraut nie bestellt hatte.
Er hatte es wirklich nur gut gemeint. Und der Zauberspruch hatte so vielversprechend geklungen, zumindest der Teil, den er übersetzt hatte. Wie hatte er denn ahnen können, dass ...
Plötzlich hörte er die Tür zum Labor geräuschvoll aufgehen, jemand huschte hinein und stieß sie ebenso geräuschvoll wieder zu.
„Gaius?“
Merlin zuckte zusammen. Was machte Arthur hier? Und warum suchte er Gaius?
‚Himmel, Merlin, überleg mal, warum sucht er wohl Gaius?’, schalt er sich in Gedanken und versteckte sein Buch hastig wieder unter der losen Bodendiele - genau in dem Moment, als er schwere Schritte die kleine Treppe zu seiner Kammer hochkommen hörte.
„Merlin? Was machst du hier?“, fragte Arthur überrascht, als er das Zimmer betrat.
„Äh, ich wohne hier?“ Der junge Zauberer versuchte seinem Grinsen genau die richtige Mischung aus Unschuld und Verwirrung zu verleihen.
„Nein, ich meine, was machst du jetzt hier? Dir ist hoffentlich bewusst, dass du - als mein Diener - zu den Zeiten, wenn diese große, helle Scheibe da draußen hoch am Himmel steht, unterwegs sein solltest, um die Aufgaben, die ich dir aufgetragen habe, zu erledigen, oder? Und dabei ist es völlig unerheblich, ob man sie sehen kann oder nicht.“
„Natürlich, Sire. Ich ... ich hatte was vergessen und ...“
„Ach, vergiss es“, unterbrach ihn der Prinz sichtlich genervt. „Wo ist Gaius? Ich muss mit ihm sprechen.“
„Was ist los? Ist etwas nicht in Ordnung?“ Als ob er das nicht wüsste. „Geht es Euch nicht gut?“
„Oh, mir geht es hervorragend. Es ist ... äh, jemand anderes, dem es offensichtlich nicht so ... äh, gut geht.“
‚Du brauchst gar nicht so herumzudrucksen, Arthur. Ich weiß genau, wen du meinst’, dachte Merlin und musste sich beherrschen, nicht doch wieder schadenfroh zu grinsen. Denn auch wenn diese Sache ziemlich aus dem Ruder lief, waren zumindest einige Dinge an diesem Morgen eine willkommene Abwechslung gewesen. Andere hingegen ...
„Also, wo ist Gaius?“, hinderte Arthur ihn daran, den Gedanken weiterzuverfolgen.
Und wie aufs Stichwort öffnete sich erneut die Tür zum Hauptraum.
„Merlin?“
Merlin seufzte ergeben auf, er kannte diesen Tonfall. Jetzt steckte er wirklich Schwierigkeiten.
„Hier oben, Gaius!“, rief er und hoffte inständig, dass der alte Mann mit den unvermeidbaren Fragen warten würde, bis er gesehen hatte, wer zu Besuch war.
„Merlin, was hast du ...? Oh, entschuldigt bitte, Mylord“, unterbrach sich der Hofarzt gerade noch rechtzeitig, was Merlin erleichtert aufatmen ließ. „Ich wusste nicht, dass Ihr hier seid.“ Er verbeugte sich und warf dem Zauberer dabei seinen patentierten „Du hast mir später etwas zu erklären, junger Mann!“-Blick zu.
„Gaius, sehr gut, ich muss mit Euch reden. Es ist wichtig.“
„Aber natürlich, Sire. Was kann ich für Euch tun? Fühlt Ihr Euch nicht wohl?“
„Nein, das ist es nicht. Ich ...“ Arthur warf Merlin einen kurzen Seitenblick zu, entschied dann aber wohl, dass dieser es ohnehin erfahren würde. „Ich werde verfolgt!“
„Also gut, wer ist es bei Euch?“, fragte Gaius ungerührt.
„Äh, nun ... es ist Gwen. Ich meine, Guinevere ... sie ... Moment mal!“ Mit einiger Verspätung schien die Bedeutung dieser schlichten Frage in Arthurs Bewusstsein zu sickern. „Soll das etwa heißen, Ihr werdet auch verfolgt?“
„Sagen wir es so, Sire, ich hatte heute ein paar Begegnungen, auf die ich gut hätte verzichten können“, erwiderte Gaius und warf Merlin einen weiteren stechenden Blick zu.
„Ein paar?“, rief der junge Prinz ungläubig aus, während Merlin nur verzweifelt versuchte, die Bilder und Szenen, die diese Aussage implizierten und sich nun ungefragt vor seinem inneren Auge abspielten, aus dem Kopf zu verbannen.
„Und du, Merlin?“
„Was, und ich?“
„Bist du wirklich so schwer von Begriff oder tust du nur so? Ich will wissen, ob du auch von einer Frau verfolgt wirst?“
„Nun, da war dieses Küchenmädchen heute Morgen, Fiona, und sie hat mir ziemlich deutlich gezeigt, was sie ...“
„Erspar mir die Details!“
‚Nur zu gerne, Arthur’, dachte Merlin. Er hatte auch nicht vorgehabt, dem Prinzen von den anderen siebzehn Dienstmädchen, Küchenmägden und Waschfrauen, die ihm heute schon Avancen gemacht hatten, zu erzählen. Sogar zwei Hofdamen waren dabei gewesen. Herrje, selbst die resolute Oberköchin Molly, die gewöhnlich mehr Haare auf den Zähnen als auf dem Kopf ihr Eigen nennen konnte, hatte ihm nicht nur einmal das Knie getätschelt, als er auf Arthurs Frühstück gewartet hatte. Er konnte sich doch selbst keinen Reim darauf machen, warum die alle ausgerechnet an ihm so einen Narren gefressen hatten. ‚Sei froh, dass es bei dir nur eine ist ... und dann auch noch die Richtige!’, fügte er deshalb noch im Stillen hinzu.
„Also ist jede Frau in Camelot von dieser ... dieser sonderbaren Verhaltensänderung betroffen“, resümierte Arthur und sah Gaius eine Erklärung fordernd an. „Ist es Zauberei?“
„Das, Sire, kann ich noch nicht sagen“, erwiderte Gaius ausweichend. „Ich werde sehen, ob ich etwas in den Büchern über dieses Phänomen finden kann. Glaubt mir, ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um ...“
„Ja, Gaius, tut das! Aber bitte schnell. Es ist nicht so, dass ich Guineveres Annährungsversuche missbilligen würde, ganz im Gegenteil, also ... äh, ich meine, sie ist eine wunderschöne Frau und ich ... nun, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ...“
Amüsiert beobachtete Merlin wie Arthur sich abmühte, seine wahren Gefühle für Gwen mit dieser Situation in Einklang zu bringen, ohne sich dabei erklären zu müssen. Und auch wenn er wusste, dass dies wahrscheinlich Konsequenzen haben würde, konnte er nicht umhin, das Gestammel des Prinzen mit den Fakten zu beenden.
„Arthur, ich sagte Euch doch schon einmal, dass selbst ein Blinder sehen kann, was zwischen euch abläuft. Und Gaius ist weit davon entfernt, blind zu sein. Also könnt Ihr ruhig sagen, dass es Euch gefällt, was sie mit Euch ma...“
„Merlin!“
Der junge Zauberer verstummte sofort, als ein königlicher Zeigefinger plötzlich direkt unter seiner Nasenspitze auftauchte, und begnügte sich damit, seinen Gegenüber Ohren verbindend anzustrahlen.
„Seid unbesorgt, Mylord“, warf Gaius lächelnd ein, „Euer Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.“
Und Arthur kapitulierte. Schwer aufseufzend setzte er sich neben Merlin auf die Kante des schmalen Bettes. „Natürlich habe ich nichts gegen ihre Nähe, aber es ist einfach nicht richtig, dass sie mich zu jeder sich bietenden Gelegenheit in eine dunkle Nische oder einen verlassenen Gang zerrt, mein Gesicht mit Küssen bedeckt und mir, äh, eindeutige Angebote ins Ohr flüstert.“ - Wie war das noch mit den Details? - „Das muss aufhören, Gaius!“ Gequält sah der Prinz zu dem alten Mann hoch. „Ich kann nur von Glück sagen, dass uns bisher niemand gesehen hat.“
„Glaubst du ...“, murmelte Merlin leise.
„Was war das?“
„Nichts, Sire“, antwortete er hastig und versteckte das schadenfrohe Grinsen, indem er mit größtmöglichem Interesse seine Fußspitzen betrachtete.
Die darauf folgende nachdenkliche Stille wurde jedoch unvermittelt durch ein lautes Klopfen an der Eingangstür unterbrochen. Nervös sprang Arthur von dem Bett auf und sah sich bereits hektisch nach einem geeigneten Versteck um, während Gaius rief: „Wer ist da?“
„Leon. Ich muss mit Euch reden, Gaius.“
„Da haben wir wohl das nächste Opfer!“ Und obwohl er Merlin dabei nicht ansah, war die besondere Betonung des Wortes „Opfer“ unmissverständlich an ihn gerichtet gewesen. „Kommt herein, Sir Leon“, antwortete Gaius etwas lauter und ging dem Ritter entgegen. Merlin und Arthur folgten ihm.
Sir Leon war mittlerweile eingetreten, doch nicht ohne sich noch einmal zu vergewissern, dass ihm niemand gefolgt war. Als er sich schließlich zu Gaius umdrehte, stockte er merklich. Offenbar hatte er nicht mit der Anwesenheit des Prinzen gerechnet.
„Mylord“, begrüßte er seinen Befehlshaber ein wenig verunsichert. „Ich ...“
„Schon gut, Sir Leon“, unterbrach Arthur ihn. „Sagt einfach, was Ihr zu sagen habt.“
„Sehr wohl, Mylord.“ Er wandte sich Gaius zu und begann zu erzählen: „Es gehen eigenartige Dinge in Camelot vor sich. Irgendwie scheinen alle Damen am Hofe plötzlich ...“ Der Ritter zögerte. Ganz offensichtlich wusste er nicht, wie er die Situation angemessen beschreiben sollte. „Nun, sie scheinen ... nicht ganz bei Sinnen zu sein. Ich war bereits beim König, um ihm davon zu berichten, aber ...“
„Was ist mit meinem Vater?“, wollte Arthur alarmiert wissen.
„Sire, er hat sich in seinem Gemach eingeschlossen und will niemanden sehen. Ich ... ich hörte von einem Tumult im Thronsaal, in den wohl eine nicht kleine Anzahl an Hofdamen involviert gewesen sein soll.“
Während der Prinz diese Nachricht erst einmal verdauen musste, hatte Merlin alle Mühe nicht laut loszuprusten. Leider schienen ihm dabei ein paar Laute zu entwischen, die dieses schwierige Unterfangen hörbar machten.
„Halt die Klappe, Merlin!“
„Aber ich habe doch gar nichts gesagt ...“ Doch als er daraufhin nicht nur Arthurs, sondern auch Gaius’ eisigen Blick auffing, hob er abwehrend die Hände und meinte: „Okay. Bin schon still.“
Merlin.
„Nun, Sir Leon, und welche Dame hat Euch am Wickel?“, lenkte Arthur das Thema weg von seinem Vater. „Oder sind es gleich mehrere?“
„Was? Ich meine, woher ...?“, entgegnete Sir Leon zunächst überrascht, aber schon einen Augenblick später senkte er leise aufseufzend den Kopf. „Nein, Sire, es ist nur eine Dame.“
„Und? Wer ist es?“
„Ich glaube, es würde sich nicht ziemen, ihre Identität preiszugeben, Mylord“, versuchte Sir Leon einer Antwort auszuweichen. Irgendetwas Besonderes musste mit dieser Frau sein, denn der Ritter wurde ganz offensichtlich von Sekunde zu Sekunde nervöser. Und nicht nur Merlin schien im gleichen Maße neugieriger zu werden.
Merlin.
„Sagt schon, wer es ist! Oder muss ich es Euch erst befehlen?“ Auffordernd sah Arthur seinen Ritter an. Dieser blickte noch immer starr auf seine ineinander verschränkten Hände, als er schließlich zögernd antwortete: „Es ist ... es ist ...“ Plötzlich blickte er auf und Merlin sah etwas wie Erleichterung über sein Gesicht huschen. Gerade so, als ob ihm eine Idee gekommen wäre. „Es ist Gwen, Sire. Lady Morganas Zofe.“
‚Oh, oh ... falsche Antwort!’ Und obwohl Merlin noch im selben Moment wusste, dass dies gelogen war, konnte er nicht verhindern, dass sein Herz einen Schlag aussetzte. Vorsichtig schielte er zu Arthur hinüber und erblickte in dessen Gesicht ziemlich genau das, was er erwartet hatte: Eine Mischung aus Unglauben, Verwirrung und eiskalter Wut. Doch nur einen Augenblick später runzelte der Prinz die Stirn. Auch ihm schien aufzufallen, dass irgendetwas nicht stimmte.
Meeerlin.
„Gwen ist also diejenige, die Euch schon den ganzen Morgen nachstellt und Avancen macht?“, hakte er argwöhnisch nach. Sir Leon nickte. „Ihr lügt“, erklärte Arthur gefährlich leise.
„Mylord, ich ... ich meine, wie ...?“ Sir Leons Stimme zitterte. Ob dies geschah, weil er bei einer Lüge ertappt worden war oder aufgrund der seltsamen, ja geradezu furchteinflößenden Reaktion des Prinzen, blieb dahingestellt.
MERLIN!
„Nicht jetzt!“, fuhr Merlin den Drachen an. Doch dass er dies nicht nach Zauberermanier in Gedanken getan hatte, wurde ihm spätestens in dem Moment klar, als ihn unversehens drei entgeistert blickende Augenpaare anstarrten.
„Äh, beachtet mich gar nicht. Ich bin gar nicht da“, meinte Merlin und grinste die Männer schief an.
Arthur verdrehte nur die Augen und wandte sich kopfschüttelnd wieder an Sir Leon.
„Ihr habt jetzt noch genau eine Chance, mir den richtigen Namen zu nennen oder ...“ Er ließ offen, was dann passieren sollte, aber Sir Leon hatte auch so verstanden.
„Es ist die Lady Morgana, Sire.“ Und obwohl der Ritter sicherlich einen halben Kopf größer als Arthur war, schien er nun vor ihren Augen förmlich zusammenzuschrumpfen. Demütig senkte er wieder den Kopf und erwartete was auch immer für eine Strafe angemessen sein würde. Immerhin ging es hier um des Königs Mündel. Allerdings schien er nicht mit der tatsächlichen „Strafe“ gerechnet zu haben ...
„Morgana? Also, wenn das so ist ... viel Spaß mit ihr!“, erwiderte Arthur noch, bevor er in ein lautes, nicht besonders prinzliches Lachen ausbrach, das aber nur so lange anhielt, bis es wieder einmal an der Tür klopfte.
Der Nachhall von Arthurs Lachen hing noch in der Luft, wurde aber augenblicklich durch eine nervöse Spannung ersetzt, als sich die Männer fragend ansahen. Wer fehlte denn noch? Uther hatte sich doch in seinem Zimmer eingeschlossen. Oder nicht?
Die Antwort erfolgte stehenden Fußes, als sie Morganas Stimme durch die schwere Holztür hörten.
„Gaius, öffnet die Tür! Ich weiß, dass Ihr da seid. Wir haben Lachen gehört.“
Wir?
Während der alte Hofarzt widerstrebend zur Tür ging, sah Arthur aus, als ob er sich nur zu gerne selbst in sein königliches Hinterteil treten würde. Doch gerade als Merlin ihm seine Hilfe anbieten wollte, öffnete Gaius die Tür einen Spalt breit und wurde praktisch schon in der nächsten Sekunde von Morgana überrannt. Gwen im Schlepptau stürmte sie in das Labor - ihr Ziel fest vor Augen.
„Ah, Sir Leon! Mein großer, starker Ritter, mein Held!“ Morgana schlang die Arme um den Hals ihres Angebetenen, zog dessen Kopf mit sanfter Gewalt zu sich hinunter und begann, ihn leidenschaftlich zu küssen. Arthur hatte nur wenig Zeit, sich über diesen Anblick zu wundern, denn im nächsten Moment hatte Gwen ihn erreicht. Im Gegensatz zu Morgana ging sie mit ihrem Opfer allerdings nicht ganz so zimperlich um. Ehe er es sich versah, fand Arthur sich halb auf Gaius’ Esstisch liegend vor, Gwen über ihm, seine Handgelenke fest im Griff.
„Guinevere, bitte, ich denke nicht, dass das eine so gute Id...“ Weiter kam er nicht, bevor sie ihm nun ihrerseits den Mund mit einem innigen Kuss verschloss.
„Gaius?“, flüsterte Merlin. Wie gebannt starrte er auf das Geschehen.
„Ja?“, erwiderte Gaius abwesend. Seinem Mentor schien es nicht viel anders zu gehen.
„Tu doch was!“
„Was ...? Oh ja, natürlich.“ Plötzlich kam wieder Leben in den alten Mann. Rasch ging er an das Regal, in dem er seine Tränke aufbewahrte, griff eine kleine Phiole und verteilte deren Inhalt auf zwei Gläser mit Wasser.
„Gwen, Morgana, meine Lieben, ihr müsst durstig sein. Hier, trinkt einen Schluck.“ Gaius trat zwischen die beiden Paare und hielt die Gläser in die Höhe. Und so hingebungsvoll, wie die beiden Frauen ihre Herren „bearbeiteten“, war es wohl einem besonders glücklichen Umstand zu verdanken, dass sie Gaius’ Ansprache überhaupt registrierten. Und noch erfreulicher war es, dass sie die angebotenen Getränke auch ohne Nachfrage annahmen. Beide murmelten ein Danke und leerten ihre Gläser in einem Zug. Küssen schien tatsächlich durstig zu machen.
Gaius atmete erleichtert auf und Merlin, der ahnte, was sein Freund den beiden Frauen verabreicht hatte, wartete auf eine Reaktion. Und diese ließ auch nicht lange auf sich warten. Nur eine Minute später fielen Gwen und Morgana die Augen zu und sie waren eingeschlafen, noch bevor sie - von Arthur und Sir Leon vorsichtig gehalten - den Boden berührten.
„Prinz Arthur, Sir Leon ... ich schlage vor, Ihr bringt die beiden Damen in Morganas Gemach. Dort haben sie es bequemer“, nahm Gaius die Sache jetzt in die Hand. „In der Zwischenzeit werde ich mir Mer... äh, die Bücher vornehmen und sehen, ob ich eine Lösung für das Problem finden kann.“
Zum Glück schienen die beiden Männer so beschämt über das, was gerade passiert war, zu sein, dass sie weder Gaius’ Beinahe-Versprecher bemerkten, noch anderweitig dem Plan widersprachen. Behutsam hoben sie Gwen und Morgana hoch in ihre Arme und verließen das Labor, doch an der Tür drehte Arthur sich noch einmal um.
„Ach, bevor ich es vergesse ...“ Eindringlich sah er von einem zum anderen. „Sollte auch nur ein Sterbenswort über das, was hier passiert ist, diesen Raum verlassen, dann ...“
„... dann macht Ihr uns das Leben zur Hölle, ich weiß“, vollendete Merlin den Satz grinsend.
„Ganz genau, Merlin! Also, haben das alle verstanden?“
Nachdem jeder nickend sein Einverständnis signalisiert hatte, zog nicht nur der Prinz, sondern auch sein Ritter zufrieden von dannen. Gaius schloss die Tür hinter ihnen und drehte sich dann langsam zu Merlin um ...
Der junge Zauberer kannte diesen bohrenden Blick nur allzu gut. Die rechte Augenbraue so weit hochgezogen, dass es beinahe komisch aussah - aber eben nur beinahe. Kein Wort kam über die Lippen des alten Mannes, vielmehr wartete er geduldig darauf, dass Merlin von selbst beginnen würde, den Schlamassel, den er unzweifelhaft verursacht hatte, zu erklären.
„Hör zu, Gaius, ich habe es wirklich nur gut gemeint ...“
Immer noch schweigend kam Gaius einen Schritt auf ihn zu. Und unwillkürlich machte Merlin einen Schritt zurück.
„Ehrlich, ich wollte doch nur die Stimmung im Schloss ein wenig verbessern.“
„Jetzt zeig mir schon, welchen Zauber du angewandt hast, damit wir endlich anfangen können, uns eine Lösung zu überlegen“, befahl Gaius schließlich.
„Sofort, ich hol nur eben mein Buch“, erwiderte Merlin eifrig - froh darüber zumindest für einen Moment der Augenbraue der Verdammnis zu entkommen.
Kurze Zeit später saß Gaius mit seiner Leselupe bewaffnet über Merlins Buch gebeugt und las sich den entsprechenden Zauber nebst Erklärung durch. Es dauerte nicht lange, bis er sich zurücklehnte und leidvoll aufseufzte.
„Ich gehe mal davon aus, dass du dir nicht die Mühe gemacht hast, den gesamten Text zu übersetzen, nicht wahr?“
„Ähm, nicht so direkt“, antwortete Merlin verlegen, er ahnte, dass dies wohl ein Fehler gewesen war. „Da stand etwas von „positive Gefühle verstärken“ und das klang genau nach dem, was ich wollte. Jeder im Schloss war so schlecht gelaunt und ich wollte doch nur ...“
„Ja, Merlin, mir ist bewusst, was du wolltest, aber hättest du doch nur einen Absatz weitergelesen ...“ Abermals seufzte der alte Mann auf. „Dieser Zauberspruch war dafür gedacht, alleinlebenden Zauberern ein wenig ... nun ja, Abwechslung und Zerstreuung zu verschaffen, indem er Frauen gefügig machte. Außerdem sollte er dazu dienen, ihre Kräfte an die nächste Generation weiterzugeben. Du verstehst, was ich damit sagen will, oder?“ Bedeutungsvoll sah er Merlin an. Der wiederum blickte Gaius zunächst verständnislos an, bis sich ihm dann aber doch ganz allmählich der Sinn dahinter erschloss.
„Oh ... oooohhhh!“
„Ja, genau ... ‚Oh’! Und du hast das gesamte Schloss mit diesem Zauber belegt. Schon sehr bald wird es hier wie in einem Tollhaus zugehen, keiner der Männer im Schloss wird mehr normal seiner Arbeit nachgehen können, keine Wachen, keine Ritter - entweder sie verstecken sich oder tun ... äh, andere Dinge. Camelot ist praktisch schutzlos. Und sollte sich jetzt jemand entschließen, das Schloss anzugreifen, hat er wohl gute Chancen auf Erfolg.“
„In Ordnung, Gaius, ich habe verstanden“, meinte Merlin bedrückt und versuchte, dem dicken Kloß in seinem Hals Herr zu werden. „Also, wie stoppen wir das Ganze?“
„Das ist das Problem, Merlin. Dieser Zauber ist nicht dazu gedacht, rückgängig gemacht zu werden. Er wird bis zum nächsten Vollmond anhalten und sich dann von alleine verflüchtigen.“
„Aber ... Gaius?“
„Ja, Merlin?“
„Der letzte Vollmond war vor zwei Tagen!“ Mittlerweile war der Kloß zu der Größe eines Felsbrockens angewachsen und in seinem Magen angekommen.
„Ja, Merlin.“
Ein unheilvolles Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus - wie ein schwerer Schleier gewebt aus bösen Vorahnungen und Schreckensszenarien legte es sich über sie.
„Es muss etwas geben, das ich tun kann“, begehrte Merlin auf. „Ich werde den Drachen fragen.“
„Ja, das wollte ich auch gerade vorschlagen“, antwortete Gaius. „Wenn einer eine Lösung weiß, dann er.“ Und kaum, dass er diesen Satz zu Ende gesprochen hatte, war Merlin schon aus der Tür hinaus.
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Der junge Zauberer hetzte durch das auffällig menschenleere Schloss. Wo waren die bloß alle? Die wahrscheinlichste Antwort auf diese Frage ließ ihn für einen Moment grinsen, doch schon eine Sekunde später erinnerte er sich wieder Gaius’ Worte. Er legte noch einen Zahn zu und hätte beinahe einen Salto rückwärts gemacht, als plötzlich eine Hand nach seinem Arm griff und seinen Lauf abrupt stoppte. Mit erstaunlicher Kraft wurde er in einen schummrigen Seitengang gezogen. Merlin hörte ein leises Kichern und dann eine Mädchenstimme, die in einem äußerst zufriedenen Tonfall erklärte: „Hab ich dich!“ Und ehe er überhaupt wusste, wie ihm geschah, fühlte er ein Paar weiche Lippen, die sich fest auf die seinen pressten.
Mit weit aufgerissen Augen starrte er seine „Angreiferin“ an, konnte jedoch aus seiner sehr eingeschränkten Sicht heraus nur ein paar dunkelbraune Locken ausmachen, die sich vorwitzig unter einem Kopftuch hervorkringelten. Er stieß das Mädchen von sich weg und schaute daraufhin in das Gesicht der Person, die ihm schon am Morgen mehr als nur eindeutige Avancen gemacht hatte. Fiona.
‚Wenigstens ist es nicht die Köchin’, dachte er schwer atmend. Doch seine Erleichterung währte nicht lange, denn Fiona schien Gefallen an seinem Widerstand zu finden. Herausfordernd blickte sie Merlin an; die leicht geröteten Lippen zu einem siegesbewussten Lächeln verzogen, als sie langsam auf ihn zukam. Unwillkürlich begann sein Herz schneller zu schlagen. Es wäre eine Lüge gewesen zu sagen, dass diese Situation nicht ihre gewissen Reize hatte. Doch bedauerlicherweise war dies weder die Zeit noch der Ort. Schnell vergewisserte er sich, dass sie noch immer allein in dem Gang waren, bevor er seine ganz eigene Version eines Schlaftrunkes anwandte.
„Swefe nu!“
Merlin machte einen Satz nach vorne, um Fiona aufzufangen. Dann ließ er sie sanft zu Boden gleiten und rannte - nachdem er dem schlafenden Mädchen einen letzten wehmütigen Blick zugeworfen hatte - weiter in Richtung Kerker.
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„Was hat dich so lange aufgehalten, junger Zauberer?“, empfing ihn der Drache ohne ein Wort des Grußes.
„Komplikationen“, antwortete Merlin ausweichend. „Ich brauche deine Hilfe!“
„Ja, ich nehme wohl an, dass du sie brauchst ... und nicht nur du“, schob der Drache nach einer kurzen Pause aufseufzend hinterher.
„Moment mal ... soll das etwa heißen, du bist auch betroffen?“, entgegnete Merlin verwirrt und schaute sich instinktiv um. Doch die Höhle war - bis auf den Drachen und ihn selbst - so leer, wie sie es immer war.
„Merlin, ein magisches Geschöpf wie ich kann auch mental verfolgt werden.“
„Aber ... aber ich dachte, du wärest der Letzte deiner Art? Es sei denn ...“ Plötzlich erinnerte sich Merlin an etwas, das Gaius ihm erzählt hatte, während eine nicht ganz so damenhafte Lady Catrina das Schloss und vor allem den König in ihren wulstigen Fingern gehabt hatte. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er den Satz vervollständigte: „... du musst dir das Gesäusel von einer Horde Trollfrauen im Kopf anhören.“
Stille. Und wenn er nicht gewusst hätte, dass es eigentlich unmöglich war, hätte Merlin schwören können, dass der Drache errötete. Unbehaglich rutschte er auf seinem steinernen Podest hin und her.
„Ehrlich? Trolle?“ Alleine der Gedanke reichte aus, um den Zauberer lachend gegen die Höhlenwand taumeln zu lassen.
„Bist du nicht gekommen, weil du meine Hilfe brauchst?“, fragte der Drache indigniert.
„Ja ... bin ich ...“ Keuchend rang Merlin nach Atem. „Entschuldige“, fügte er hinzu, nachdem er sich wieder gefangen hatte, und begann, die Situation zu erklären.
„Ja, es gibt einen Gegenzauber“, antwortete der Drache, nachdem Merlin zu Ende erzählt hatte. „Sogar einen, der jeden Menschen vergessen lässt, was passiert ist, seit du den Zauber ausgesprochen hast.“
„Jeden Menschen?“, hakte Merlin nach.
„Jeden normalen Menschen“, verdeutlichte der Drache. „Ich selbst und alle, die Magie beherrschen, werden sich dennoch daran erinnern.“
Nun gut, das war ein Kompromiss, den er eingehen konnte, obgleich sich Merlin schon jetzt ein wenig schuldig wegen Morgana fühlte. Er hoffte, dass sie mit den Erinnerungen leben konnte. „In Ordnung, dann gib mir den Spruch.“
„Nicht so schnell, junger Zauberer. Ich sollte dir wohl auch sagen, dass derjenige, der diesen speziellen Zauber vorzeitig beendet, einen kleinen Preis dafür bezahlen muss“, erklärte der Drache süffisant. Das nachfolgende Kichern klang beinahe schadenfroh ...
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Dramatisch aufseufzend verließ Merlin wenig später die Höhle des Drachen. Er hatte geahnt, dass er den Preis, den er zu zahlen hatte, nicht mögen würde, aber das? Nur sehr zu seinem Leidwesen hatte der Drache unmissverständlich klargemacht, was passieren würde, sollte er den Zauber nicht zurücknehmen. Und dessen provokantes „Merlin!“, das sich in geradezu erschreckender Weise nach Arthur angehört hatte, hatte sein Übriges getan.
„Und? Hast du den Gegenzauber?“, fragte Gaius sofort, nachdem Merlin das Labor betreten hatte.
„Ja“, antwortete der Zauberer und seufzte erneut leidvoll auf. „Die Sache hat nur einen kleinen Haken ...“
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Zwei Tage später stolperte Merlin - wie immer ein kleines bisschen zu spät - in Arthurs Zimmer und schaffte es gerade noch so eben, das Frühstück davon zu überzeugen, sich nicht auf dem Boden zu verteilen.
„Merlin, du Idiot! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ‚Sonnenaufgang’ dann bedeutet, wenn die Sonne am Horizont erscheint. Nicht, wenn sie schon fast wieder verschwindet“, begrüßte Arthur ihn schlecht gelaunt. Er verließ seinen Regen-Beobachtungsposten am Fenster und setzte sich an den Tisch. „Und ich schwöre dir, wenn dieses Unwetter da draußen nicht bald aufhört, beginne ich hier im Schloss mit der Jagd ... und ich glaube, ich habe auch schon das passende „Wild“ vor Augen“, fügte er hinzu und sah Merlin hämisch grinsend an.
‚Als ob das mein größtes Problem wäre’, dachte Merlin resignierend.
Zwei Tage waren vergangen, seitdem er den Zauber rückgängig gemacht hatte und alles wieder seinen gewohnten Gang genommen hatte - nun ja, fast seinen gewohnten Gang. Wie der Drache gesagt hatte, konnte sich niemand außer denen, die Magie in sich trugen, an die Vorkommnisse erinnern. Und obwohl ihm Morgana wirklich leid tat, beneidete er sie auch. Denn während sie nur damit zu kämpfen hatte, ob sie Sir Leon beschämt ausweichen oder ihm doch lieber sehnsuchtsvolle Blicke zuwerfen sollte, musste er sich mit einem Andenken der ganz besonderen Art abfinden - und das bis zum nächsten Vollmond.
„Was ist los mit dir, Merlin? Normalerweise hättest du spätestens jetzt eine deiner unangebrachten Antworten parat gehabt.“ Argwöhnisch blickte Arthur ihn an. „Und was ist das überhaupt da in deinem Gesicht? Warst du wieder im ‚Rising Sun’ und hast dich mit zehn Barfrauen gleichzeitig vergnügt?“, bohrte er weiter und begann dann, schallend über seinen eigenen Witz zu lachen.
„Wie schön, dass Eure Griesgrämigkeit wieder lachen kann, und sei es auch nur über den armen Lump, der Euch zu Diensten sein muss“, erwiderte Merlin beißend. Insgeheim wäre er froh gewesen, wenn das der Grund für die Male in seinem Gesicht gewesen wäre. Und ein weiteres Mal verfluchte er seine Dummheit oder besser gesagt, seine Gutgläubigkeit. Warum hatte er Gaius auch erzählen müssen, dass dieser vergessen würde, was geschehen war, bevor er den Gegenzauber ausgesprochen hatte? Nein, noch einmal würde Merlin seinem Mentor nicht die Gelegenheit geben, seine Verfehlungen auch noch aufzuschreiben, so dass dieser sich selbst im Nachhinein eine Strafe überlegen konnte. Und warum musste es eigentlich immer der Blutegeltank sein?
„Also gut, da du heute anscheinend keinen Spaß verstehst, solltest du dich wohl besser an deine Arbeit machen“, resümierte Arthur selbstgefällig. Und während er genüsslich die ellenlange Liste an Aufgaben herunterbetete, kratzte sich Merlin verstohlen am Steiß - dort, wo seit zwei Tagen ein kleines, mit schwarzem Flaum bedecktes Rattenschwänzchen seinen verlängerten Rücken zierte.
Wie viele Tage waren es noch bis zum nächsten Vollmond?
Ende