Blicke

Aug 13, 2012 23:36

Team: Novalis
Challenge: Romatink/Intimität - Blicke
Fandom: Original (Echte Helden hätten sowas nicht nötig!)
Wörter: ~700
Charaktere: Paul, das Schicksal, Elin, Zoe (Billi ist auch da, aber man sieht sie nicht)
Anmerkung: Es sollte alles ganz anders werden. Es sollte ein verdammtes West-Side-Story-Zitat werden, verdammt! Aber die Figuren hatten ihren eigenen Kopf...
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass Pauls Meinung von Conor Oberst (und andere Meinungen auch) nicht mit meiner eigenen übereinstimmt (auch wenn ich Bright Eyes vornehmlich als Teenagerin gehört habe).


Das erste mal sah er ihn bei einem seiner Konzerte. Aber natürlich wusste Paul da noch nicht wer er war.
Ein eiskalter Schauer lief seinen Rücken hinunter. Eine böse Vorahnung. Für den Bruchteil einer Sekunde vergaßen seine Finger, dass die Gitarre, die ihm da auf den Knien saß keine bloße Zierde war, verschwanden die Zeilen aus seinem Kopf, stolperte er über Noten. Als sein Herz aussetzte war er sich nicht sicher ob es an ihm lag, oder daran dass er sich plötzlich wieder daran erinnerte - er saß auf einer Bühne. Sofern man die kleine Ecke in der kleinen Kneipe als „Bühne“ bezeichnen konnte. Immerhin hatte er Licht und die meisten Gäste hörten ihm zu.
Die meisten Gäste schauten etwas irritiert, weil er plötzlich aufgehört hatte zu singen.
„'tschuldigung“, nuschelte er in sein Mikrofon, hoffte dass seine Ohren nicht genauso rot aussahen wie sie sich anfühlten. Am besten selber drüber lachen, dachte er, und grinste sein verschmitztes Grinsen das ihn (bis das Schicksal beschlossen hatte größere Pläne für ihn bereit zu halten) in jeder Lebenslage gerettet hatte.
„Das nächste Lied heißt Kaltschale“, sagte er und als sein Publikum leise kicherte musste auch er sein Grinsen nicht mehr forcieren.
Als er eine zweite Zugabe spielen durfte hatte Paul die kurze Unterbrechung, hatte er ihn, schon so gut wie vergessen.

Aber dann, auf dem Weg zu seinen Mitbewohnerinnen (normale Musiker hatten Groupies, oder wenigstens Freunde - was hatte er? Mitbewohnerinnen...), stieß er mit ihm zusammen. Und für einen Augenblick sahen sie sich an.
Da war es wieder. Dieses Gefühl, als hätten sie sich schon einmal gesehen, oder müssten sich wieder sehen oder so ähnlich; jedenfalls, als habe die Welt um sie herum aufgehört sich zu drehen, wäre ein alles ins unkenntliche verwaschender Weichzeichner über den Rest der Kneipe gelegt worden.
„Du merkst das schon, wenn du deinem Schicksal auf den Füßen stehst“, hatte Elin irgendwann einmal zu Paul gesagt.
Jetzt merkte er es, und war ein wenig irritiert das sein Schicksal so aussah wie Conor Oberst, bevor der entschieden hatte sich einen Bart wachsen zu lassen.
„Die Schuhe sind neu!“, sagte das Schicksal etwas barscher als sein Erscheinungsbild hätte vermuten lassen.
Paul wusste nicht was er antworten sollte. Er hatte sich das doch eben nicht eingebildet? Unmöglich, dass er sich so etwas einbilden würde - erst recht würde er sich so etwas nicht einbilden, wenn das vermeintliche Schicksal aussah wie der Traummann verträumter Teenager-Mädchen.
„Bist du taub?“, fragte das Schicksal und wedelte ein halb leeres Bierglas vor Pauls Gesicht hin und her.
„Tut mir leid“, antwortete Paul kleinlaut.
„Wegen den Schuhen.“
Als er wieder aufblickte war der Fremde weg. Im Gedränge verschwunden.

Seine Mitbewohnerinnen applaudierten ihm nachträglich und großzügig für seine Darbietung, aber Paul konnte sich nicht so recht daran freuen. Ohne dass er es wollte hielt er Ausschau.
„Suchst du wen?“, fragte Zoe ihn (obwohl es mehr danach aussah als ob sie ihren Rotwein fragen würde) und Elin erkundigte sich mit zierlichem Grinsen, ob Paul jemanden kennengelernt habe. (Als ob sie ihm dazu Zeit ließe...)
Und dann entdeckte er den Fremden wieder. So unauffällig er konnte lehnte er sich zu Elin rüber.
„Der Typ“, flüsterte Paul.
„Weißt du wer das ist?“
Elin runzelte die Stirn.
„Meinst du den?“, fragte sie nach und deutete mit einer Geste, so groß, dass man sie auch noch am anderen Ende des Raums sehen musste, auf den Fremden.
Paul hechtete nach ihrem Arm, bevor der irgend eine Aufmerksamkeit erregen konnte, ohne abei an das Wohl der Gläser auf ihrem Tisch zu denken.
Danach bestand Elin darauf nach hause zu gehen, sie würde den restlichen Abend ganz sicher nicht mit Rotwein-Gin-Tonic-Bier-Gemisch auf ihrem Kleid verbringen. Und weil Elin so eine Art hatte, der man nur schwer widersprechen konnte saßen sie keine halbe Stunde später in einem Taxi, der sie zurück in den Westen der Stadt und nach Hause brachte.
„Also, weißt du wer er Kerl war? Ist?“, wiederholte Paul seine Frage, lauter als ihm lieb war - es war so typisch, dass Elin den Beifahrersitz für sich beanspruchte.
„Der mit dem grünen T-Shirt? Wenn mich nicht alles täuscht, ist das der Auserwählte der Mächte des Bösen.“
Für einen Moment wunderte sich Paul, dass ihr Taxifahrer diese Bemerkung ganz und gar nicht seltsam fand. Dann kam ihm in den Sinn, dass jeder Außenstehende wohl glauben musste, sie sprächen über Filme oder Comics oder Bücher, und dann, nachdem er mit dem sich-wundern fertig war, war er irgendwie erleichtert. Weil er also doch und wirklich seinem Schicksal und nichts sonst auf die Füße getreten war. Und weil ein Erzfeind, der aussah als ob er einem gleich traurige Lieder vorsingen würde, nicht sonderlich furchteinflößend wirkte.

leni, original, team: novalis

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