Not as planned

Apr 06, 2020 21:58

Challenge: Ausnahmezustand
Fandom: Nocturne Whispers
Charaktere: Chloe Levinas, Savannah Levinas, ein Vampir
Anmerkung: Das hier ist im Originalsetting angesiedelt, aber trotzdem ne AU. Ne fixe Idee, die geschrieben werden wollte. Bei Gefallen für alea =)

Es war nicht ungewöhnlich, dass Chloe ihre Schicht überzog. Es konnte immer ein Notfall eintreten, das gehörte zum Job. Eine unvorhergesehene Verschlechterung bei einem der kleinen Patienten. Ein Unfall. Häusliche Gewalt, die spät am Abend noch die Polizei auf den Plan rief. Diesmal war es eine Dreijährige gewesen, die einen Spülmaschinentab für ein Bonbon gehalten hatte. Chloe war schon fast im Feierabend gewesen und hatte sich bereiterklärt, der vollkommen aufgelösten Mutter beizustehen, damit die den anderen nicht im Weg war. Sonst hatte niemand Zeit gehabt und sie hatte unter den Umständen nicht einfach heimgehen können.
Das Ende vom Lied war, dass sie gut zwei Stunden später als geplant rausgekommen war und die Uhr näherte sich langsam aber sicher Mitternacht. Ihr war klar, dass sie so etwas mit ihrer Berufswahl billigend in Kauf genommen hatte, aber jetzt hatte sie keine Lust mehr und wollte einfach nur nach Hause. Ins Bett. Vor allem ins Bett. Zum Glück hatte sie jetzt eine Wohnung in Aussicht, die wenigstens etwas näher am Krankenhaus war, noch musste sie aber zur Wohnung ihres Vater fahren. Zwar war der nicht von der besorgten Sorte, sie hatte ihm trotzdem eine Nachricht geschrieben, nur um sicherzugehen. Jetzt schlief er ziemlich sicher schon, was auch gut so war. Er hatte es nie für nötig gehalten, aufzubleiben, bis sie heimkam. Etwas, was ihre Familie Vickys voraushatte. Zum Glück.
Gähnend verließ sie die U-Bahn-Station und schlug den vertrauten Heimweg ein. Wenn sie zu ihrer normalen Feierabendzeit heimkam, war hier immer noch etwas Leben, aber jetzt waren nur noch wenige Fenster erleuchtet. Im indischen Restaurant nahe der Station wurde gerade saubergemacht und im Diner saß nur ein Nachtschwärmer. Chloe überlegte für einen Moment, ob sie sich noch etwas zu Essen besorgen sollte, aber die Müdigkeit gewann am Ende über das leise Magenknurren.
Also ging sie weiter bis zur nächsten Kreuzung, wo die Ampel zum Glück nicht mehr lange rot war.

Fünf Minuten später wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie verfolgt wurde. Zwar war sie nur ein Mensch und ihre Sinne entsprechend beschränkt, aber sie war auch in einem Rudel aufgewachsen und hatte gelernt, auf gewisse Dinge zu achten. Und sie hatte einfach ein mieses Gefühl. Dabei war das hier New York, da war es normal, wenn auch um diese Uhrzeit noch Leute unterwegs waren. Als sie zum wiederholte Mal Schritte hinter sich zu hören glaubte, die dann schnell wieder verstummten, wurde ihr doch mulmig.
Vermutlich gab es nicht viele Frauen, die sich Nachts wirklich sicher in der Stadt fühlten. Dabei konnte sie sich eigentlich verteidigen. Dummerweise wusste sie aber auch, was noch herumlief. Etwas, dem sie lieber aus dem Weg ging, solange sie keine Fakten geschaffen hatte. Vor allem wenn es sie nachts verfolgte. Es war nicht beabsichtigt, dass sie schneller ging. Kurz fühlte sie sich an einen dieser Krimis erinnert, wo das Opfer mit klappernden Absätzen durch eine menschenleere Gasse hastete. In diesem Fall war die Gasse zwar eine Seitenstraße in einem Wohngebiet und ihre Absätze konnten nicht klappern, weil sie Sneakers trug, aber der Rest passte. Hatte sie sich jemals so unsicher gefühlt?
Als sie plötzlich gepackt wurde, war sie trotz aller Paranoia vollkommen überrumpelt. Eine Hand, die sich fest um ihren Oberarm schloss, ein Arm um ihren Hals. Instinktiv versuchte sie, dem Angreifer auf die Zehen zu treten, aber der schien damit gerechnet zu haben, jedenfalls war da nichts in Reichweite, was sie treffen könnte. Panik und Ausbildung kollidierten miteinander und lähmten sie für eine Sekunde. Eine Sekunde, die dem Angreifer reichte, um sie mit sich zu ziehen. Ein Hinterhof oder Parkplatz. Hier musste er ihr aufgelauert haben. Sie versuchte, ihre Fingernägel in den Arm zu bohren, der ihr die Luft abzudrücken drohte, aber der Effekt hielt sich in Grenzen, es waren bestenfalls oberflächliche Kratzer, wenn überhaupt. Der Typ schien es nicht mal zu spüren. Und… er atmete nicht. Obwohl sein Gesicht direkt hinter war, sie hörte ihn nicht atmen. Und auch wenn sie keine Wölfin war, eine erwachsene Frau in Schach zu halten, würde jeden wenigstens etwas anstrengen. Ihr Widerstand erlahmte. Vampir. „Ich schmecke nicht”, brachte sie hervor und überlegte noch, ob sie es riskieren konnte, ihre Familie ins Spiel zu bringen.
Der Blutsauger gab ihr ohnehin keine Gelegenheit mehr, etwas zu sagen. Sie wusste nicht, ob er schnaubte oder lachte, das Geräusch das er von sich gab, konnte beides sein. Als er sie biss, wurde ihr Schrei von einer Hand auf ihrem Mund erstickt.

Sie hatte nicht damit gerechnet, wieder aufzuwachen. An viel erinnerte sie sich nicht mehr, vermutlich war das besser so. Was sie noch wusste war, dass der Vampir alles andere als sanft mit ihr umgegangen war. Klar. Ein Raubtier und seine Beute. Was sie noch wusste war, dass sie fest davon überzeugt gewesen war, zu sterben. Bis… ein merkwürdiger metallischer Geschmack in ihrem Mund… konnte es sein…?
Die Puzzleteile setzten sich nur widerwillig zusammen. Hastig tastete sie nach ihrem Puls und spürte… nichts. Scheiße. Und sie war hungrig. Durstig? Darüber wollte sie gerade wirklich nicht näher nachdenken. Wo war sie eigentlich? Hastig sah sie sich um. Nicht der Innenhof. Ein dunkler Raum, nein, ein Keller. Keine schlechte Idee vermutlich. Im Innenhof wäre sie am Ende doch noch draufgegangen und dann wäre die Aktion sinnlos gewesen.
Vampir… hatte der Arsch sie wirklich verwandelt? Die Indizien waren zu eindeutig… aber verdammt nochmal, das war nicht der Deal für ihr Leben gewesen! Entweder Mensch bleiben oder den Mond anheulen, etwas anderes hatte sie gar nicht in Betracht gezogen! Wie würde ihre Mutter reagieren? Bei aller Toleranz, was würde sie sagen, wenn die einzige Tochter plötzlich untot war?
„Scheiße…” Ihre Hände begannen unkontrolliert zu zittern und auch wenn sie es eindeutig nicht mehr musste, ihr Atem wurde schneller, hektischer.
Panikattacke, sagte die Krankenschwester in ihr. Der Rest war der Meinung, dass sie gerade wirklich jedes Recht hatte, durchzudrehen. Was sollte sie jetzt tun? Sie hatte sich immer gerühmt, selbstständig zu sein. Und schon gar nicht wegen jedes Kleinkrams zu ihrer Mutter zu rennen. Aber das hier war kein Kreinkram. Und sie wollte ihre Mama.
Das Handy fiel ihr ungefähr viermal aus der Hand, bis sie es schaffte, die vertraute Nummer zu wählen. Es war früher Vormittag, hatte das Display jedenfalls verkündet, da musste sie doch… „Chloe? Wo steckst du?” Okay, sie wurde schon vermisst. Kein Wunder. Savannah Levinas klang eigentlich immer ruhig und beherrscht. Diesmal war die Angst und auch die Erleichterung deutlich zu hören.
„Mama… ich stecke in der Scheiße.”
„Was ist passiert?” Ruhig. Angespannt. Das Raubtier lag dicht unter der Oberfläche. Shit. Aber es musste einfach raus. Sie musste… „Ich bin von einem Vampir angegriffen worden. Ich glaube, er hat mich verwandelt…” So direkt hatte sie es nicht aussprechen wollen. Und schon gar nicht dabei in Tränen ausbrechen aber…
Stille. Sie hörte den Atem ihrer Mutter. Wartete ab. Gott, hoffentlich verstieß sie sie jetzt nicht… Dann hörte sie ein betont beherrschtes Ein- und Ausatmen auf der anderen Seite. „Okay. Weißt du, wo du bist?”
„Nein… in irgendeinem Keller. Er hat mich auf dem Heimweg überfallen.”
„Dann bist du vermutlich irgendwo dort in der Nähe. Es ist hell draußen, also rührst du dich nicht vom Fleck. Wo genau war der Überfall?”
Chloe musste für einen Moment überlegen. Das Chaos, das die Nacht in ihrem Kopf hinterlassen hatte, sortieren. Irgendwie den Heulkrampf in den Griff bekommen. Am Ende gewann die Erziehung. „Ich war gerade an diesem Nagelstudio vorbei. Von dem du letztes Mal gesagt hast, dass es deine Nase verätzt. Da ist ein Hinterhof.”
„In Ordnung. Ich sorge dafür, dass jemand zu dir kommt.”
„Danke…”
„Und… Chloe?”
„Ja?” Sie klang ziemlich sicher erbärmlich, aber es war ihr egal.
„Du bist meine Tochter. Daran wird nichts, rein gar nichts etwas ändern.”

original: nocturne whispers, luinaldawen

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