Titel: Grüne Geckos
Challenge: Die längste Nacht
Fandom: Tatort München
Rating: PG-13
Genre: Slash, Fluff
Warnungen: Zuckrig süß
Zusammenfassung: Nachts auf dem Olympiaturm…
Wörter: ~1000
Anmerkungen: Ein kleine (oder auch etwas größere) SceneFic zum Münchner Tatort "Nicht jugendfrei" als spätes 4. Türchen. Einer meiner absoluten Lieblingstatorte der Münchner und allein wegen Franz und Ivo on Dope schon sehenswert. Ich denke, man sollte den Film, oder zumindest die Szene gesehen haben, um wirklich zu versetehen, worum es geht, aber zu Erklärung nur ganz kurz: Franz und Ivo haben von ein paar Verdächtigen Haschkeks untergejubelt bekommen und landen schließlich auf dem Münchner Olympiaturm, wo die Stimmung dann von albern ganz langsam ins melancholische kippt. Diesen Stimmungswechsel habe ich versucht einzufangen.
Grüne Geckos
„Das ist schon komisch. Ich kenn‘ die Marien eigentlich nur von den Fotos auf den Verpackungen. Da fand ich die toll. Aber in echt… wie kann eine Mutter so herzlos sein?“
Ein leichter Wind streicht Ivo durchs Gesicht, eiskalt auf seinen glühenden Wangen. Unter ihm erstreckt sich die weihnachtlich beleuchtete Stadt weit in die Nacht. Von hier oben sieht sogar eine geschäftige Stadt wie München plötzlich unglaublich friedlich aus. Neben ihm saugt Franz geräuschvoll an seinem Strohhalm, wie einer kleiner Junge, der noch den letzten Tropfen aus seiner Cola herausholen will. Wie vor Jahrzehnten als Cola noch etwas besonderes war. Gegenwart und Vergangenheit schwimmen ineinander und mit einem Mal erfasst ihn eine seltsame Schwermut. Er seufzt leise.
„Was ich gut fand. Daheim als Pionier… mein blaues Käpi mit dem roten Stern…“
Er bricht ab, starrt in die Nacht. Was hatte er noch gleich sagen wollen? Die Worte sind plötzlich weg, der Sinn auch, treiben irgendwo dahin, wie die Schneeflocken, die lautlos vom Himmel fallen. Franz starrt ihn an wie ein Auto, den dicken blauen Strohhalm ganz dekorativ an den vollen Lippen ruhend. Mehr Fastfood als Feinkost. Ach richtig, Feinkost, das war es.
„Die Wahrheit ist, Franz, ich war in keinem Feinkostgeschäft mehr, seit die Manuela mich verlassen hat. Die hat da nämlich immer eingekauft, bei der Marien…“
Der Zusammenhang wird nicht besser, der Sinn stimmt immer noch nicht. Die Worte verlassen ihn schon wieder und Franz starrt weiter verständnislos. Da war doch was in den Keksen, sonst hätte er doch nicht von Manuela angefangen. Von der Franz doch gar nichts weiß. Nichts wissen sollte.
„Wer is’ Manuela?“
„Hab’ ich vergessen.“
Er will jetzt nicht von Manuela reden. Die mit seinem Job nicht zurechtkam. Die eifersüchtig auf Franz war. Vor der er plötzlich jede Überstunde rechtfertigen musste. Die einfach nicht verstanden hat, dass das etwas ganz Besonderes ist, das mit dem Franz und ihm. Die ihn dann in diesem hässlichen Streit verlassen hat. Aber natürlich muss Franz nachfragen.
„Wie lang is’ des her?“
Die Luft über dem Geländert flimmert. Etwas leuchtet seltsam hellgrün. Ivo kneift die Augen zusammen, schiebt den Kopf vor, schaut genauer hin. Da kriecht ein kleiner grüner Gecko über das Geländer. Krabbelt ganz langsam, Fuß um Fuß auf die Kante zu und dann … platzt er einfach. Es macht ‚Plop‘ und die kleine grüne Eidechse rieselt in einem Schauer grüner Funken zu Boden.
Ivo schluckt, räuspert sich. Er will etwas sagen, aber sein Gehirn ist unfähig auch nur ein sinnvolles Word zu formen. Franz zieht die Augenbraun zusammen, mustert ihm scharf, folgt seinem Blick. Er scheint nichts zu sehen. Sofort gilt seine Aufmerksamkeit wieder den beleuchteten Häusern unter ihnen.
„Wieviel Leut’ leben da unten?“
Ivo zuckt die Schultern. Woher soll er denn das wissen. Über eine Million jedenfalls. Was hat das mit Feinkost und komischen Keksen zu tun? Oder dem toten Apotheker? Aber Franz wartet gar nicht auf eine Antwort, redet einfach weiter.
„1,3 Millionen. Davon die Hälfte Frauen. Davon ein Drittel noch solo… oder schon wieder solo.“
Das hat noch viel weniger mit dem Fall zu tun. Oder damit, warum er plötzlich grüne Lurche sieht und sich so komisch fühlt. Oder vielleicht doch. Da war doch was drin, in den „Armen Hascherln“. Mehr als nur marokkanisches Blütenöl.
„Wenn pessimistisch angenommen auch nur 0,1 Prozent, jede Tausendste, irgendwie in Frage kommt, dann sind des…“
Sein Handy klingelt. Er fischt es aus der Tasche, starrt einen Moment auf das Display. Er kennt die Nummer, die da steht. Das ist… das ist… Sven. Richtig Sven. Drogen und so. Der Sven. Franz rechnet immer noch. Ivo nimmt an.
„… dann sind des…“
„Ja?“
„Nachtschwester Ivo? In diesem Apothekendrogenfall hat sich eine meterbreite Querverbindung zu eueren Zeugen aufgetan. Sehr süß.“
Es knackt und die Leitung ist tot. Ivo nimmt das Handy vom Ohr, starrt es an, doch das Display bleibt dunkel. Querverbindung? Zeugen? Süß? Was ist süß? Die Verbindung? Die Zeugen? Die Kekse waren auf jeden Fall süß. Sehr süß.
„216. Zweihundertsechzehn Frauen. Weißt du, wie viel das ist?“
„Ehrm… ja…“
Eine Menge. Eine ganz schöne Menge. Aber was soll er jetzt mit 216 hypothetischen Frauen? Die dann doch wieder mit seinem Job nicht klarkommen. Mit ihm. Nicht so wie der Franz. Keine Frau war ihm so lange treu wie Franz. Über fünfundzwanzig Jahre schon.
„Wo sind denn die alle?“
Zuhause wahrscheinlich. Vor dem Fernseher. Oder im Bett. Was vernünftige Menschen mit anständigen Jobs eben so tun, mitten in der Nacht. Deswegen geht das ja auch nie gut mit denen. Aber das weiß der Franz doch auch.
„Hallo! Hier sind wir! Franz und Ivo, ausgebildete Beschützer.“
Also ob die ihn von hier oben hören. Niemand hört sie hier. Niemand sieht sie. Sie sind ganz allein. Mitten in der Nacht. Wie immer eigentlich. Am Ende bleiben immer nur sie beide übrig.
„Warum versteckt ihr euch?“
Franz schiebt die Unterlippe vor. Wie ein Kind, das schmollt, weil es keine Schokolade bekommen hat. Ivo lacht und Franz schielt scheel aus dem Augenwinkel herüber, kann die Grimasse auch nicht mehr aufrecht halten. Seine Augen glänzen im Licht der Weihnachtsbeleuchtung und Ivo wird plötzlich ganz warm im Bauch. Die 216 Frauen interessieren ihn nicht die Bohne. Er hat doch Franz. Mehr braucht er nicht.
Das Lachen bleibt ihm im Hals hängen. Er schluckt schwer. Da ist ein dicker Klumpen in seiner Kehle und seine Nase kribbelt verräterisch. Er senkt den Blick. Das muss Franz jetzt wirklich nicht sehen, dass seine Augen feucht werden.
Finger legen sich an sein Kinn, zwingen ihn sanft aber unbarmherzig wieder aufzuschauen. Franz’ Gesicht ist plötzlich ganz nah. Die Augen, groß und dunkel, der Mund leicht geöffnet. Die Unterlippe zittert, eine Zungenspitze schiebt sich darüber.
Da ist eine wohlige Wärme in Ivos Bauch, die er schon viel zu lange nicht mehr gespürt hat. Kriecht durch seinen ganzen Körper, macht ihn ganz leicht im Kopf. Wie hypnotisiert beugt er sich vor, streift mit seinen Lippen ganz zart über Franz’. Der blinzelt, einmal, zweimal, schließt die Augen und öffnet den Mund, macht aus der scheuen Berührung einen Kuss. Vorsichtig, fast unbeholfen und doch vollkommen.
Und in diesem Augenblick stört nicht einmal mehr der kleine grüne Gecko auf Franz’ rechter Schulter.