Der erste Schritt [Hurt/Comfort: Herzrasen - Für mich]

Aug 25, 2018 15:50

Titel: Der erste Schritt
Team: Sonne
Challenge: Hurt/Comfort: Herzrasen - Für mich
Fandom: SK Kölsch
Rating: P12
Genre: Slash, Established Relationship, emotional hurt/comfort,
Warnungen: References to canontypical violence, nothing really graphic though
Zusammenfassung: Jupp und Klaus haben ein paar Dinge zu klären...
Wörter: ~3000
Anmerkungen: Eigentlich sollte Klaus nur eine kleine Panikattacke auf dem Dach haben, aber die Jungs hatten ihre eigenen Ideen. Es ist mörderlang geworden und ich hatte am Ende auch keinen Plan mehr, ob die 120 Minuten noch gepasst haben, weil ich ständig unterbrochen worden bin. Wenn es gut läuft und das war hier der Fall, dann packe ich aber durchaus 1500 Wörter pro Stunde. Von daher hoffe ich, es zählt.

Widmung: Für cricri_72, weil deine SKK-Fic der Grund war, dass ich wieder in dieses Fandom eingetaucht bin und deine Texte mich immer wieder inspirieren. Danke für deine tollen Geschichten.


„Nein, vergiss es! Was für eine bekloppte Idee auch immer du mal wieder ausgebrütet hast, ich will es nicht hören!“

Mit diesen Worten sprang Klaus aus seinem Stuhl auf und flüchtete aus dem Büro, ohne Jupp auch nur die Chance zu einer Antwort zu geben. Es war ihm völlig klar, dass sein Verhalten unangemessen war und auch nicht besonders fair Jupp gegenüber, von dem er schließlich immer erwartete, dass er genau das nicht tat, aber in diesem Moment konnte er nicht anders. Er brauchte dringend ein bisschen Ruhe und Abstand, sonst ging womöglich noch etwas wirklich wichtiges zu Bruch. Für einen Moment war er versucht, hinunter zur Rheinpromenade zu gehen. Frische Luft und ein langer Spaziergang am Fluss waren vermutlich genau das richtige, um seine aufgewühlten Gefühle zu beruhigen, doch er entschied sich dagegen. Es wäre unprofessionell, das Präsidium während der Dienstzeit ohne triftigen Grund zu verlassen und außerdem würde Jupp ihn da wahrscheinlich als erstes Suchen, sollte er sich in den Kopf gesetzt haben, dieses Gespräch auf jeden Fall fortführen zu wollen - was bei Jupps Dickschädel relativ wahrscheinlich war.

Mit einen leisen Seufzen drückte Klaus die Tür zum Treppenhaus auf. Oben auf dem Dach, zwischen dem Fahrstuhlschacht und den Aggregaten der Heizungsanlage, gab es eine ruhige Nische. Windgeschützt, kaum einzusehen, mit einem herrlichen Blick über die Stadt und vor allem Jupp gänzlich unbekannt. Während er die Treppen hinaufstieg, grübelte Klaus über die Ironie der Situation. Da versuchte Jupp einmal das, was er von ihm immer verlangte - reden, seine unorthodoxen Einsatzideen diskutieren, anstatt einfach drauflos ermitteln - und was tat er? Genau das, wofür er Jupp immer kritisierte: Abblocken, abhauen, auf eine bloße Vermutung hin, ohne Jupp überhaupt richtig zu Wort kommen zu lassen. Wenn er ehrlich war, hatte er absolut keine Ahnung, was Jupp eigentlich hatte sagen wollen, aber als Jupp davon angefangen hatte, dass sie so in ihrem aktuellen Fall nicht weiterkämen und hier andere Methoden gefragt waren, hatte er sofort das Schlimmste befürchtet. Wahrscheinlich wäre Jupp wieder mit einer seiner typischen dummen Ermittlungsaktionen gekommen, wenig durchdacht, bestenfalls halblegal und in jedem Fall hochgefährlich.

Die letzte Aktion dieser Art hatte Jupp fünf Tage Intensivstation eingebracht. Schulterdurchschuss. Und natürlich hatte Jupp nicht so viel Glück gehabt, wie er selbst damals, als die Kugel an ungefähr der einzigen Stelle, wo sie kaum Schaden anrichten konnte , glatt durchgegangen war. Nein, sie hatte die Lunge und eine größere Ader erwischt. Jupp wäre fast verblutet. Die Bilder verfolgten ihn noch immer bis in seine Träume: Jupp, wie er da am Boden lag, zusammengekrümmt, viel zu blass, der Atem ganz flach und flatternd und unter ihm eine immer größer werdende Blutlache. Es war so verdammt knapp gewesen. Wenn er Jupp nur ein paar Minuten später gefunden hätte… Er konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft er panisch aus dem Schlaf hochgeschreckt war, weil er geträumt hatte, dass er zu langsam gewesen war, dass Jupp nicht schnell genug im Krankenhaus gewesen war, dass die Ärzte ihm sagten, Jupp hätte es nicht geschafft. Jedes Mal konnte er erst wieder einschlafen, nachdem er sich versicherte hatte, dass Jupp warm und lebendig neben ihm lag. Selbst jetzt, als er nur daran dachte, spürte er schon wieder, wie seine Brust sich zusammenzog und sein Herzschlag sich beschleunigte - obwohl er sicher wusste, dass Jupp höchst lebendig unten im Büro saß und vermutlich höchst wütend auf ihn war. Zum Glück hatte er endlich das Dach erreicht. Er stieß die schwere Feuerschutztür auf, trat hinaus und atmete einige Male tief durch. Die frische Herbstluft tat gut und half, seinen Kopf wieder etwas zu klären. Langsam ging er hinüber zur Brüstung.

Es war am Ende gar nicht mal das schlimmste gewesen, dass Jupp im Krankenhaus gelegen hatte, sondern dass er überhaupt keine Informationen bekommen hatte. Der behandelnde Arzt hatte Klaus vom ersten Moment an spüren lassen, was er von Schwulen hielt und als der dann auch noch mitbekommen hatte, dass Jupp und er weder eine Patientenverfügung hatten, noch eine eingetragene Lebenspartnerschaft führten, hatte er Klaus jegliche Information über Jupps Zustand verweigert. Fünf lange Tage hatte keine Ahnung gehabt, ob Jupp im Sterben lag oder sich auf dem Weg der Besserung befand. Fünf Tage, in denen er bei jedem Telefonklingeln das Schlimmste befürchtet hatte, in denen er kaum ein Auge zugetan oder etwas gegessen hatte, in denen er so unter Spannung gestanden hatte, dass er am Ende weinend zusammengebrochen war, als Jupp ihn endlich angerufen hatte, um ihm zu sagen, dass er wieder auf der Normalstation lag.

Klaus spürte, wie er schon wieder angefangen hatte zu zittern. Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen, seine Brust wurde eng und er hatte das Gefühl nicht mehr richtig Luft zu bekommen. Er schloss die Augen, versuchte sich zu entspannen, doch sofort traten ihm die Bilder wieder vor Augen. Panik drohte ihn zu überwältigen. Er riss die Augen wieder auf, ließ den Blick über die Stadt schweifen, ging in Gedanken, die Gebäude durch, die er sah, versuchte im Kopf eine Karte seiner Umgebung zu zeichnen. Es lenkte ab und beruhigte, gab ihm wenigstens eine Illusion von Kontrolle. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder und das Atmen fiel ihm leichter. Nur das Zittern wollte sich nicht richtig beruhigen. Wie so oft seither. Klaus wusste, dass das gefährlich war, nicht so sehr im Moment als generell. Es gefährdete seinen Job, seinen Partner, sein Leben, einfach alles. Er musste es endlich schaffen, das alles hinter sich zu lassen, irgendwie abzuhaken, Distanz zu gewinnen. Nur wie, wenn das Wissen, dass es jederzeit wieder passieren könnte, quasi übermächtig sein ganzes Denken und Fühlen beherrschte.

Wenn Jupp doch nur einmal in seinem Leben vernünftig gewesen wäre. Aber Jupp war selten vernünftig und mit den gefährlichen Seiten ihres Job und den unangenehmen Gedanken daran, wie schnell es gehen konnte, dass einer von ihnen von einem Einsatz nicht mehr nach Hause kam, beschäftigte er sich nicht gerne. Klaus hatte ihn so oft auf eine Patientenverfügung angesprochen, aber Jupp hatte immer neue Ausreden gefunden, warum das jetzt gerade nicht ginge. Mit jedem Mal, das Klaus ihn darauf angesprochen hatte, war er ungehaltener geworden und am Ende war Jupp schon abgehauen, wenn Klaus das Wort ‚Patientenverfügung‘ nur in den Mund genommen hatte. Manchmal fragte er sich, ob er Jupp vielleicht erreicht hätte, Wenn er ihm erzählt hätte, dass es ihm doch genauso sehr um sich selbst ging, dass die Vorstellung, man würde seine Vater kontaktieren, um im Zweifelsfall Entscheidungen für ihn oder über ihn zu treffen, der blanke Horror für ihn war. Anfangs hatte er gezögert. Da war ihr Beziehung noch so frisch gewesen und er hatte Angst gehabt, Jupps Achtung zu verlieren, wenn er ihm von seinem Vater erzählte. Heute wusste er, dass es völlig unbegründet gewesen war, aber jetzt fühlte es sich irgendwie verlogen an, das Argument doch noch anzubringen. Eine ganze Weile hatte er dann nichts mehr dazu gesagt, bis er vor ein paar Monaten mal vorsichtig eine eingetragene Lebenspartnerschaft angesprochen hatte. Aber dieses Ansinnen hatte Jupp fast noch entschiedener abgelehnt als die Patientenverfügung. Er hatte nur bemerkt, dass Klaus selbst doch dieses Konzept immer abgelehnt hatte, und verkündet, dass er entweder richtig heiraten würde, oder gar nicht und da richtig nicht ging bliebe eben nur gar nicht. Keine zwei Wochen später war Jupp angeschossen worden. Klaus hatte seither oft überlegt, ob er das nochmal ansprechen sollte, aber Jupp war bei allem, was sich nur irgendwie auf seine Verletzung bezog immer sofort so wortkarg und abweisend geworden, dass er es nicht gewagt hatte. Er wusste, dass es opportunistisch war und so richtig gefiel ihm die Idee selbst nicht, aber wenn es die einzige Möglichkeit war, dann war er bereit über seinen Schatten zu springen. Alles, um nicht noch einmal so hilflos zu sein.

Gedankenverloren starrte er hinaus über die Stadt bis zum Rhein. Es schien ihm, als würde der Graben, den dieser furchtbare Vorfall zwischen Jupp und ihn gerissen hatte mit jedem Tag tiefer. Er wollte Jupp nicht verlieren, er liebte ihn doch so sehr, aber er wusste auch immer weniger, wie er ihn noch erreichen konnte. Er spürte, wie ihm allein bei dem Gedanken daran die Tränen kam. Seine Augen brannten und da war dieser typische Schmerz in der Nasenwurzel. Er schluckte trocken, kniff die Augen zusammen, versuchte die Tränen zurückzuhalten. Das Zittern wurde wieder stärker. Vage hörte er, wie hinter ihm die Tür geöffnet wurde. Für einen Moment schwankte er zwischen Panik und Erleichterung. Er hatte es nicht gern, in diesen schwachen Momenten gesehen zu werden. Selbst vor Jupp fiel es ihm bis heute immer noch schwer, diese Maske der Selbstbeherrschung abzulegen, die ihm eine zweite Haut geworden war. Aber der Mensch, wer immer es auch war, bot immerhin die Chance, auf Ablenkung, um seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er hoffte nur, dass es nicht Jupp war. Er hörte Schritte auf dem Kies, die langsam näher kam und dann eine nur zu vertraute Stimme, die seine Hoffnung unter sich begrub.

„Ach, hier steckst du also.“

Natürlich war es doch Jupp. Klaus legte den Kopf in den Nacken und schaute resigniert in den blassblauen Oktoberhimmel. Heute blieb ihm scheinbar auch gar nichts erspart. Warum konnte Jupp ihm nicht einfach Mal ein paar Minuten Ruhe gönnen. Die Schritte verstummten neben ihm und aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie Jupp neben ihm an die Brüstung trat, die Unterarme darauf abstützte und ebenfalls hinaus über die Stadt blickte. Jupp stand recht nah neben ihm, aber nicht so nah, dass sich ihre Schultern berührten. Anscheinend hatte Jupp doch bemerkt, dass es ihm im Moment nicht besonders gut ging und er ein bisschen Abstand brauchte. Nicht dass ungefähr zwanzig Millimeter Abstand für seinen Geschmack gerade ausreichend waren, aber es war besser als nichts. Klaus wartete darauf, dass Jupp noch etwas sagte, doch der schien sich für den Moment damit zu begnügen einfach in die Ferne zu starren.

„Was willst du hier, Jupp?“
„Hast du dich beruhigt? Kann ich dir jetzt mal ein paar Dinge erklären?“
„Nein, Jupp, was immer es auch ist, meine Antwort ist ‚Nein‘!“

Klaus’ Antwort fiel heftiger aus, als es wahrscheinlich nötig gewesen wäre, aber so richtig konnte ihm das in diesem Moment nicht leidtun. Jupp schien davon überrascht. Jedenfalls sagte er eine ganze Weile lang gar nichts, auch wenn Klaus an seinem Gesichtsausdruck zu sehen meinte, wie es in Jupp arbeitete. Schließlich richtete Jupp sich wieder auf und Klaus glaubte schon, er hätte es sich jetzt doch anders überlegt und wollte wieder gehen, doch dann wühlte er nur kurz in den Innentaschen seiner Jacke herum. Er zog etwas hervor - Klaus konnte nicht richtig erkennen was genau, aber er tippte auf ein Päckchen Tabak - und lehnte sich wieder an die Brüstung. Klaus wartete stumm, was jetzt passieren würde, ob Jupp jetzt endlich etwas sagen würde. Aber Jupp sagte gar nichts. Er drehte nur irgendwann die eine Hand nach außen und hielt Klaus hin, was er gerade aus der Jackentasche gefischt hatte.

Klaus musterte den kleinen Gegenstand genauer. Tabak war es definitiv nicht. Es war ein kleines, dunkelblaues Kästchen, fast würfelförmig, wie man es bekam, wenn man Schmuck kaufte, oder Uhren. Schmuck… Klaus schloss einen Moment die Augen. Plötzlich war sie wieder da, diese kleine Flamme der Hoffnung, dass Jupp doch noch vernünftig geworden war. Sein Verstand sagte ihm zwar, dass das ungefähr so wahrscheinlich war, wie ein freiwilliger Besuch in Düsseldorf, aber er konnte doch nicht verhindern, dass sein Herzschlag sich deutlich beschleunigte. Seine Hand zuckte leicht, er wollte nach dem Kästchen greifen, hineinschauen, Gewissheit haben, doch er beherrschte sich. Nein, die Angst beherrschte ihn, die Angst, dass es die falsche Gewissheit sein könnte.

„Gleich wird mir der Arm lahm.“

Unwillkürlich schlich sich ein kleines Lächeln auf Klaus’ Lippen. Das war so ein typischer Jupp-Spruch. Vorsichtig nahm er das Kästchen an sich. Es war nicht besonders schwer, eher sogar ziemlich leicht und die Oberfläche fühlte sich samtig an. Edel sah es aus, wie ein typisches Schmuckkästchen eben. Klaus zögerte einen Moment, dann überwand er sich doch, es zu öffnen. Was immer Jupp ihm sagen wollte, hatte mit dem Inhalt dieses Kästchens zu tun und Jupp machte nicht den Eindruck, als ob er gehen würde, bevor er es gesagt hatte. Mit zittrigen Fingern hob Klaus den Deckel ab und schaute hinein.

In einer Halterung aus mitternachtsblauem Samt steckten zwei Ringe. Sie schimmerten silbrig im fahlen Sonnenlicht, Weißgold vermutlich. Die eine Seite war glänzend , die andere matt und dazwischen verlief ein fein gravierte asymmetrisch geschwungene Linie. Schlicht, aber sehr geschmackvoll und wunderschön. So wie sie in dem Kästchen angeordnet waren, waren es eindeutig Trauringe, vor allem aber waren es beides Herrenringe. Sie waren beide fast gleichgroß und keiner von beiden hatte irgendwelche eingelegten Ornamente oder kleine Steinchen, wie es für Damenringe üblich war. Klaus schluckte trocken. Da war mit einem Mal ein riesiger Kloß in seinem Hals.

„Ich hatte eigentlich gehofft, dass du ‚Ja‘ sagst.“

Klaus’ Kopf ruckte hoch und er starrte Jupp für einen Augenblick einfach nur sprachlos an. ‚Ja sagen‘? Machte Jupp ihm gerade allem ernstes einen Antrag? Hier auf dem Dach des Polizeipräsidiums? Klaus räusperte sich mehrfach, in der Hoffnung, seine Stimme wiederzufinden.

„Heißt das, du … du wolltest mir vorhin einen Antrag machen?“
„Ja. Nein … also schon, aber eigentlich nicht hier im Büro. Das hatte ich für heute Abend geplant. Ich wollte schon etwas anderes mit dir besprechen.“
„Aber…?“
„Ich… naja, ich hatte irgendwie das Gefühl, dass wir das jetzt erst klären müssen.“

Klaus nickte langsam. Einmal mehr bewies Jupp, dass er durchaus wesentlich aufmerksamer und sensibler war, als er sein Umfeld gerne glauben machte. Allerdings erklärte das nicht vollständig, warum Jupp sich doch plötzlich mit der Idee einer eingetragenen Lebenspartnerschaft anfreunden konnte. Und er wollte doch sicher gehen, dass Jupp das nicht nur tat, weil er sich verpflichtet fühlte.

„Was hat dich dazu bewogen, deine Meinung zu ändern?“
„Ich hab nachgedacht. Über das, was du gesagt hast. Und ich hab eingesehen, dass du Recht hast.“
„Einfach so?“
„Mhmm.“

Klaus zog die Augenbrauen hoch und musterte Jupp eindringlich. Der drehte den Kopf weg und war plötzlich sehr an ein paar Tauben interessiert, die auf der Dachterrasse gegenüber um ein Stück Brötchen stritten. Klaus war sich ziemlich sicher, dass Jupps Antwort wenn auch nicht gelogen, so doch auch nicht die ganze Wahrheit gewesen war. Er wartete eine Weile, doch Jupp machte keine Anstalten noch etwas zu sagen, sondern konzentrierte sich nur auf die streitenden Tauben. Schließlich legte Klaus Jupp die Hand an die Wange und drehte dessen Kopf ein wenig, so dass es gezwungen war, ihn wieder anzuschauen.

„Sicher?“
„Ja, verdammt. Ist es so ungewöhnlich, dass ich mal etwas länger brauch’, um was zu kapieren?“
„Nein, das ist es nicht. Trotzdem, was ist der wahre Grund?“

Jupp biss die Zähne hart aufeinander, versuchte den Kopf wegzudrehen, wenigstens die Augen abzuwenden, versuchte alles, um Klaus nicht in die Augen sehen zu müssen. Klaus war sich nicht sicher, ab es schien ihm irgendwie, als schimmerten Tränen in Jupps Augen. Er kämpfte mit sich, nicht die Beherrschung zu verlieren.

„Jupp, bitte.“

Jupps Reaktion war so überraschend wie heftig. Er schlug Klaus‘ Hand weg, trat einen Schritt zurück und schaute Klaus mit einem wilden Ausdruck in den Augen an.

„Verdammt, denkst du ich merk‘ nicht, dass du vollkommen fertig bist? Du schläfst total unruhig, du hast wieder Alpträume, du schlägst um dich im Schlaf, du wachst regelmäßig panisch auf, und schläfst erst wieder ein, wenn du sicher bist, dass ich noch da bin. Glaubst du ich krieg‘ das nicht mit? Du schreist im Schlaf. Meinen Namen.“

Jupp schloss die Augen und jetzt war Klaus sich sicher, dass ihm Tränen die Wangen hinabrannen. So einen Ausbruch hatte er jetzt nicht erwartet von Jupp. Er selbst hatte ja schon irgendwie gespürt, dass es ihm nicht wirklich gut ging, aber er hatte nicht gedacht, dass es so extrem war und vor allem nicht, dass Jupp es mitbekommen hatte. Aber anscheinend war Jupp noch nicht fertig. Er atmete tief und zittrig ein und setzte wieder an zu sprechen.

„Und denkst, ich hab‘ keine Angst gehabt? Denkst du, ich hab‘ das alles gar nicht mitbekommen? Ich war vielleicht nicht richtig da und ich kann mich auch nicht an viel erinnern, aber ich weiß dass ich Angst hatte. Eine Scheißangst. Und dass du nicht da warst und ich nicht verstanden hab‘ warum. Das will ich nie wieder erleben, verstehst du? Und wenn das die einzige Möglichkeit ist, dann ‚Scheiß auf die Prinzipien‘. Ich liebe dich, verdammt nochmal Ich will dich nicht verlieren!“

Für einen Moment starrte Klaus ihn einfach nur an und er hatte das Gefühl, als täte sich der Boden unter ihm auf. Er hatte die ganze Zeit angenommen, dass Jupp gar nicht bei Bewusstsein gewesen war, dass er wenig oder gar nichts mitbekommen hatte. Niemand hatte ihm gesagt, dass dem nicht so gewesen war, nicht die Ärzte, nicht die Schwestern, nicht Jupp selbst. Wenn er das gewusst hätte, er hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt um irgendwie zu Jupp zu kommen. Aber es erklärte, warum Jupp nichts gesagt hatte dazu, warum er jeden Versuch darüber zu reden abgeblockt hatte.

Klaus seufzte leise. Wie hatte er nur so blind sein können. Eigentlich hätte man doch meinen sollen, dass er Jupp inzwischen gut genug kannte. Langsam trat er auf seinen Partner zu, griff ihn beim Handgelenk und zog ihn zu sich. Jupp schlag die Arme um ihn, noch bevor er die Chance hatte, ihn seinerseits in den Arm zu nehmen. Er bettete seinen Kopf an Jupp Schulter und spürte, wie Jupp dasselbe tat. So standen sie einfach eng umschlungen, hielten einander fest, kosteten es aus, den anderen warm und lebendig in ihren Armen zu spürten. Es war Jupp, der sich irgendwann bewegte, ein bisschen Abstand zwischen ihre Oberkörper brachte und Klaus anschaute.

„Heißt das, du überlegst dir deine Antwort nochmal?“
„Da gibt es nichts zu überlegen. Meine Antwort ist ‚Ja!‘“

Jupp Antwort war ein strahlendes Lächeln, gefolgt von einem sanften Kuss. Klaus schloss die Augen und genoss einfach das Gefühl, von Jupps Lippen auf seinen eigenen. Nein, Jupps Antrag war nicht die Antwort auf alle Probleme, die Albträume würden nicht von heute auf morgen verschwinden, seine Angst würde sich nicht einfach in Luft auflösen, aber es war der erste Schritt auf dem Weg dorthin und Klaus war überzeugter denn je, dass es ein gemeinsamer Weg sein würde.

team: sonne, sk kölsch, thots tochter

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