Titel: Glauben und Wissen
Team: Sonne
Challenge: Angst: "Wieso glaubst du mir nicht?" - Für mich
Fandom: Tatort Stuttgart
Rating: P18
Genre: Slash, Angst, h/c
Warnungen: Graphic NonCon!
Zusammenfassung: Thorsten hat ein Geheimnis
Wörter: ~1800
Anmerkung: Diese Challenge hat einen sehr schlechten Einfluss auf meine Bunnies. Abgesehen davon, dass sie sich vermehren, wie die sprichwörtlichen Karnickel, werfen sie sich auch alle in ihr feinstes dark!-Fell. Immerhin, zur Abwechslung hab' ich mal sowas wie einen Lichtblick am Ende hinbekommen, obwohl es nicht die h/c-Tabelle war.
„Dann sag‘s mir. Sag‘ mir, dass du mich nicht willst. Sag’s mir und mein‘ es, dann lasse ich dich in Ruhe!“
Thorsten starrte stumm aus dem Fenster, drehte Sebastian den Rücken zu, schaute ihn nicht an. Er ballte die Hände in den Hosentaschen zu Fäusten, biss die Zähne so fest aufeinander, dass seine Kiefermuskel schmerzten. Das war unfair und das wusste Sebastian auch. Deswegen hatte er es gesagt. Weil Thorsten das nicht sagen konnte, weil er diesen Satz niemals über die Lippen bringen würde. Und selbst wenn doch, es wäre eine Lüge gewesen, das wussten sie beide. Aber es ging trotzdem nicht. Warum konnte Sebastian das nicht verstehen?
„Sebastian, bitte…“
„Ich liebe dich, verdammt nochmal. Wieso glaubst du mir nicht?“
Sebastians Stimme klang verzweifelt, fast so, als wäre er den Tränen nahe. Es tat Thorsten fast körperlich weh, Sebastian so verzweifelt zu hören und zu wissen, dass er der Grund dafür war. Aber es ging einfach nicht anders. Warum konnte Sebastian das nicht einsehen? Warum musste er es ihnen so verdammt schwermachen? Er hatte doch versucht, es ihm zu erklären. Dass er viel zu alt war, dass sie einfach nicht zusammenpassten, dass sie beide emotional im Moment viel zu aufgewühlt waren, nach der neuerlichen Konfrontation mit Viktor und Sebastians Trennung, dass sie Kollegen waren, dass es eben einfach nicht ging. Thorsten seufzte leise, lehnte die Stirn gegen die kühle Fensterscheibe, hoffte, dass das ein bisschen Klarheit in seine aufgewühlten Gedanken bringen würde. Es war ja nicht so, dass er nicht wollte, aber er konnte einfach nicht. Es war unmöglich.
„Ich glaube dir. Ich denke nur, dass du keine Ahnung hast, worauf du dich einlässt.“
„Dann erklär‘ es mir!“
Sebastians Antwort war ihn schon klar gewesen, bevor er seinen Satz beendet hatte. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass er trocken auflachte.
„Das versuche ich ja, aber du hörst mir nicht zu!“
„Nein, das tust du nicht.“
Sebastian stand plötzlich ganz dicht hinter ihm, so dicht, dass Thorsten seine Präsenz körperlich spüren konnte. Sebastians Atem streifte Thorstens Nacken, als er weitersprach, und Thorsten erschauerte.
„Du suchst Ausreden, du redest drumherum, du schiebst hunderttausend Gründe vor, aber den wahren Grund, den erzählst du mir nicht.“
Sebastians Worte trafen ihn wie ein Peitschenschlag und für einen Augenblick stand er wie erstarrt. Woher wusste Sebastian das? Wann hatte sein Partner gelernt, ihn so gut zu lesen? Thorsten schloss die Augen, atmete tief durch, versucht sich zu beruhigen, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen.
„Bitte, Sebastian. Du weißt nicht, was du da verlangst.“
„Erklär‘ es mir, Thorsten. Bitte! Ich will dich doch verstehen. Wovor hast du Angst?“
Sebastians Stimme klang mit einem Mal ganz sanft, bittend, ehrlich. Er wollte wirklich verstehen, es interessierte ihn wirklich, was Thorstens Beweggründe waren. Thorsten presste die Augen fester zusammen, versuchte, die Bilder die aus seinen Erinnerungen heraufdrängten im Zaum zu halten, obwohl er längst wusste, dass er verloren hatte. Gegen die Erinnerungen - und gegen Sebastian. Vielleicht sollte Thorsten es ihm wirklich erzählen. Danach würde Sebastian mit Sicherheit gehen, aber vielleicht - hoffentlich - würde er dann auch verstehen.
„Warst du mal in einer Hundertschaft? In einer Polizeikaserne? Oder beim Bund?“
„Nein, warum?“
„Weißt du, was passiert, wenn ein Haufen junger Männer herausbekommt, dass einer von ihnen schwul ist? Was es wirklich heißt, wenn gesagt wird, dass man sich nie nach der Seife bücken soll?“
Sebastian antwortete nicht, aber Thorsten konnte spüren, wie er sich versteifte. Sein Partner mochte vielleicht fast zwanzig Jahre jünger sein als er, aber er war auch lange genug Polizist, um sofort zu ahnen, zu begreifen, was jetzt kam, wohin diese Geschichte führen würde. Vielleicht bereute er schon, dass er gefragt hatte, aber jetzt war es zu spät, jetzt musste er sich die Antwort auch anhören.
„Es war in meinem zweiten Jahr in der Hundertschaft. Wir sind von einem Großeinsatz zurückgekommen. Friedensdemo, die nicht ganz so friedlich war. Alle waren total aufgeputscht, high vom Adrenalin…“
Die Umkleidekabine vor den Duschen ist leer, genau wie Thorsten gehofft hat. Er hat extra gewartet, bis alle fertig sind. Das ist ihm im Moment einfach lieber. Jetzt hat er die Duschen für sich allein. Nur ein Haufen verschwitzter Einsatzkleidung und zwei völlig durchnässte Handtücher liegen noch herum. Aus dem Duschraum hört er zwar noch das Wasser rauschen, aber das heißt nichts. Irgendwer vergisst eigentlich immer, das Wasser auch wieder abzustellen, das ist nichts Neues.
Schnell zieht Thorsten sich aus, wirft seine dreckige Uniform auf den großen Haufen, der da schon liegt. Dann schnappt er sich seine Seife und sein Handtuch und geht hinüber zum Duschraum. Feuchtheißer Dampf schlägt ihm entgegen, er sieht kaum etwas. Wer auch immer die Duschen vergessen hat, es war mehr als nur eine und sie waren kochend heiß. Wahrscheinlich wieder einer von diesen kindischen Scherzen, die gewisse Kollegen so gerne spielen. Thorsten ignoriert den Dampf und die subtropische Atmosphäre. Er geht hinüber zu den Wandhaken, hängt sein Handtuch auf, dann sucht er sich eine Dusche irgendwo in der Ecke, wo er von der Tür her nicht gleich zu sehen ist. Doch er kommt nicht weit.
Plötzlich taucht ein Schemen neben ihm auf und ein Fuß hindert seinen nächsten Schritt, bringt ihn zu Fall. Ehe er richtig begreift, was eigentlich passiert, stürzt er zu Boden. Instinktiv lässt er die Seife fallen, versucht sich abzufangen, doch die Fliesen ist nass und rutschig. Sein Knie trifft hart auf dem Boden auf, trifft genau auf die hervorstehende Spitze einer Fliese. Der Schmerz schießt durch seinen ganzen Körper. Reflexhaft will er sich zusammenkrümmen. Sein Arm knickt weg und seine Schulter kollidiert hart mit dem Fliesenboden. Der Aufprall raubt ihm den Atem und er bleibt für einen Moment benommen liegen. Aus einem Schemen werden plötzlich drei. Tritte und Schläge prasseln auf ihn ein, wüste Beschimpfungen. Er rührt sich nicht, bleibt einfach nur liegen, vergräbt den Kopf in den Armen, versucht sein Gesicht zu schützen und wartet, bis es endlich vorbei ist. Doch es geht nicht vorbei. Und dann ist da plötzlich diese Stimme neben seinem Ohr.
„Komm, lass uns ein bisschen Spaß haben, kleiner Schwanzlutscher.“
Mit einem Mal ist er wie elektrisiert, versucht verzweifelt auf die Beine zu kommen, wegzukrabbeln, zu kriechen, aber es ist längst zu spät. Er hat keine Chance. Grobe Hände packen ihn bei den Schultern, drehen ihm die Arme auf den Rücken, zerren ihn auf die Knie. Da ist eine Hand an seinem Kinn, zwingt seine Kiefer auseinander. Wieder ist da die Stimme, ganz dicht bei seinem Ohr.
„Uns wag‘ es nicht zu beißen. Ich schwöre dir, wir ficken dich tot.“
Thorsten will etwas sagen, wenigstens Nicken, doch die Hand hält sein Kinn unbarmherzig fest und dann hat er plötzlich ein halbhartes Glied im Mund. Finger krallen sich in sein Haar, halten seinen Kopf in Position, während der andere zustößt, immer wieder, immer tiefer. Thorsten versucht sich zu wehren, den Kopf nach hinten zu ziehen, seine Arme frei zu bekommen, auf die Füße zu kommen irgendwie. Doch er hat keine Chance. Da ist ein seltsames Ziehen in seinem Handgelenk, dann ein Knacken und ein scharfer Schmerz zieht durch seinen Körper. Thorstens Widerstand bricht.
Er presst die Augen zusammen, lässt es einfach geschehen, konzentriert sich nur noch darauf, den Würgereiz zu unterdrücken, ruhig zu atmen. Seine Wangen schmerzen, jeder Stoß tut weh. Tränen rollen ihm über die Wangen, er kann sie nicht mehr zurückhalten, es ist auch längst egal geworden. Irgendwo am Rande seines Bewusstseins hört er den Anderen aufstöhnen. Der nächste Stoß geht besonders tief, lässt ihn jetzt doch würgen. Warme, schleimige Flüssigkeit füllt plötzlich einen Rachen, nimmt ihm die Luft. Er schluckt, reflexhaft, verzweifelt, gegen die Galle die in ihm aufsteigt, gegen das Sperma, dass ihn zu ersticken droht, spürt es warm seine Kehle hinabrinnen.
Endlich zieht der andere sich zurück, die Hände lassen ihm los. Er fällt kraftlos zu Boden, rollt sich zusammen. Er weiß, dass das nicht alles gewesen ist, nicht alles gewesen sein kann. Sie sind zu dritt. Aber er hat keine Kraft mehr zum Kämpfen.
„… wenn der Gruppenführer nicht in dem Moment reingekommen wäre, ich weiß nicht, was passiert wäre. Wahrscheinlich würde ich hier jetzt nicht stehen.“
Der letzte Satz war eine Lüge, das wusste Thorsten, aber er beließ es dabei. Natürlich wusste er genau, was passiert wäre, aber er konnte und wollte es nicht in Worte fassen. Sebastian sagte gar nichts, rührte sich auch nicht. Thorsten öffnete die Augen, beobachtete Sebastians Spiegelbild in der Fensterscheibe, versuchte in dessen Gesicht zu lesen, doch er konnte nicht sagen, was seinen Partner gerade bewegte. Sein Gesicht war verschlossen, wie Thorsten es noch nie gesehen hatte. Eine versteinerte Maske. Vielleicht hatte Sebastian es doch endlich begriffen, suchte nur noch nach einem Weg, sich irgendwie halbwegs anständig aus der Affäre zu ziehen.
Thorsten hätte ihm noch viel mehr erzählen können, all die kleinen und großen Zwischenfälle, wie oft man seine sexuelle Orientierung gegen ihn verwendet hat, wie man ihn damit erpresst hat, warum man ausgerechnet ihn ausgewählt hatte, für den Einsatz gegen Viktor, wie seine Vorgesetzt ihn gedrängt hatten, ‚seinen Arsch zu benutzen‘, um endlich an Viktor ranzukommen, wie er genau das getan hatte, wie er sich in Viktor verliebt hatte, wie zerbrochen und unwürdig er wirklich war, doch er ließ es bleiben. Er fühlte sich ausgelaugt, erschöpft, klebrig, schmutzig. Eigentlich wartete, hoffte er nur noch darauf, dass Sebastian endlich ging, dass er endlich duschen konnte - und Zähne putzen. Die Dusche würde viel zu heiß sein, viel zu lange dauern, er würde sich die Haut wundschrubben, er würde Zahnfleischbluten bekommen, mal wieder, wie so oft, das wusste er. Aber er wusste auch, dass er es nicht ändern konnte.
Eine Hand auf seiner Schulter riss ihn aus seinen Gedanken. Thorsten zuckte erschrocken zusammen, verkrampfte sich unwillkürlich. Warum war Sebastian immer noch da? Warum war er nicht längst panisch geflüchtet? Warum stand er plötzlich so viel näher als eben noch? Er hatte das Gefühl, Sebastians Körperwärme auf seine Haut spüren zu können. Für den Bruchteil eines Augenblicks war er versucht, sich in Sebastians Geste fallen zu lassen, sich gegen ihm zu lehnen, doch dann rief er sich zur Ordnung. Das durfte nicht sein, das konnte nicht sein. Das war abgrundtief falsch.
„Sebastian, bitte … nicht …“
Seine Stimme klang sogar in seinen eigenen Ohren gequält. Sebastians Hand blieb trotzdem auf seiner Schulter liegen, drückte sie ganz sicher nur. Kein Abschied, begriff Thorsten, eine Einladung, ein Angebot - ein Versprechen.
„Ich bin froh, dass du hier bist. Ich kann nicht ungeschehen machen, was passiert ist. Aber lass mich dir beweisen, dass sich die Dinge geändert haben, dass du es wert bist, bitte. Ich liebe dich.“
Thorsten schloss die Augen, zögert einen Moment, kämpfte vergeblich gegen die Sehnsucht, die Hoffnung, dass Sebastian recht haben könnte. Schließlich gab er nach, lehnte sich in Sebastians Hand, gegen dessen Oberkörper, ließ zu, dass aus der kleinen Geste eine zarte, vorsichtige Umarmung wurde. Ein feines Kribbeln kroch durch seinen ganzen Körper, machte das klebrige Gefühl plötzlich erträglicher. Vielleicht würde heute Abend doch eine ganz normale Dusche reichen, um sich wieder besser zu fühlen.