Dialektik oder: Wer denken kann, ist klar im Vorteil

Jan 30, 2007 17:40

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zauberhuehnchen January 30 2007, 23:05:15 UTC
Der Hund liegt in allen drei Punkten begraben. Nur zusammen ergeben sie die ganze Wahrheit. Sie lautet anders ausgedrückt: Das Publikum ist nur zu einem Konsumentenurteil fähig. Dieses Konsumentenurteil ist eine unantastbare Autorität. Was dem Publikum nicht gefällt, ist nicht gut. Aber das Publikum ist nicht zu einem Fachurteil fähig. Es kann zwar urteilen, ob ein Produkt gut ist oder nicht, könnte selbst aber dasselbe nicht herstellen, da es von der Sache nichts versteht. Das kann nur der Schöpfer des Produktes. Er allein versteht, was das Publikum wirklich will, weil nur er weiß, was genau das ist. Das Publikum kann nur ein Produkt beurteilen, das bereits fertig ist. Es entscheidet daher nur über das Daß, nicht über das Was.

Um es noch mehr zu veranschaulichen: Wenn ich z.B. gelegentlich einige Menschen mit einigen Texten erfreue, die von denen sehr geschätzt werden, so ist dieses Konsumentenurteil für mich die Bestätigung, daß sie wirklich gut sind. Aber wie ich diese Texte bauen muß und was drinstehen muß, das weiß nur ich allein und keiner meiner Leser. Niemand von denen, wenn er dessen kundig wäre, bräuchte mich zu lesen, da er in dem Fall auch ebensogut die Texte selbst schreiben können. Aus diesem Grund ist es in der Tat so, daß ich viel besser weiß, was mein Publikum braucht als mein Publikum das weiß.

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zauberhuehnchen January 30 2007, 23:38:31 UTC
Ja, so ungefähr. Nur der Begriff marktanalytisch ist nicht richtig. Der Witz besteht darin, daß ein guter Gedanke bzw. ein schönes Kunstwerk am besten dadurch erzielt wird, daß man sich ganz auf den Gegenstand konzentriert, und eben nicht dadurch, daß man den Markt analysiert. Ich überlege, wenn ich einen Text schreibe, nicht, welche Gedanken dem Publikum gefallen könnten oder welche Worte ihm angenehm sind, sondern ganz einfach: welche Gedanken die richtigen sind und welche Worte die schönsten sind. Es ist mein Urteil, meine Tätigkeit, die das Produkt hervorbringen. Und wenn der Gedanke gut gedacht und das Wort gut gewählt ist, so wird der Text auch dem Publikum gefallen. Er muß aber bei mir hergestellt werden und zwar allein nach meinen Kriterien. Aber Marktforschung zu betreiben, wäre das genaue Gegenteil davon: Ich stelle eine bestimmte Nachfrage fest und bediene sie entsprechend. In Wahrheit mache ich es doch aber umgekehrt. Ich setze etwas in die Welt, das Qualität hat, und erzeuge auf diese Weise eine Nachfrage danach.

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jomapakure February 1 2007, 16:05:44 UTC
Die Behauptung stimmt doch dann aber mit dem Satz von Jean-Baptiste Say überein, welcher da besagt, dass Angebot Nachfrage schafft und nicht umgekehrt, wie das John Maynard Keynes hundert Jahre später fälschlicherweise zu wissen meinte. Also hat das dann doch ein bißchen eine marktanalytische Dimension, nicht?

Ich esse übrigens auch nichts vor 12 Uhr. Wem schmeckt schon das Essen vor 12:00?

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zauberhuehnchen February 1 2007, 22:09:51 UTC
Ein Künstler, der ein Kunstwerk verfertigt, handelt notwendig (a) nach den Techniken, die er sich angeeignet, (b) nach den ästhetischen Vorstellungen, die er bei sich gebildet hat und (c) nach seinen Ideen. Das alles hat, ich irrte mich denn sehr, nichts mit Marktanalyse zu tun. Marktanalyse wäre, wenn der Künstler versucht herauszufinden, was das Publikum so haben möchte. Es gab schon Künstler, die das gemacht haben, und dabei ist immer nur Stuß rausgekommen.

Zu Angebot und Nachfrage:

Von Kunstwerken gilt nur insofern, daß das Angebot die Nachfrage schafft, insoweit ein Bezug eines bestimmten Publikums zu einem bestimmten Kunstwerk ins Auge gefaßt ist. Es geht, wie ich oben schrieb, um eine bestimmte Nachfrage. Das hat mit Nachfrage an sich zunächst gar nichts zu schaffen, denn natürlich herrscht bei den Menschen immer ein allgemeines Bedürfnis nach Kunst. Dies Bedürfnis entspringt unmittelbar aus der menschlichen Seele. Es steht also sehr wohl die Nachfrage am Anfang, und es ist das Angebot, das aus ihr folgt. Denn zweifellos waren die ersten Kunsterzeugnisse aus Zufall. Aber einmal in der Welt, gefallen sie und zeugen in ihrer Folge ein Mehr an Nachfrage, und vor allem: konkretisierte Nachfrage. Das ist der ganze Prozeß. In meiner obigen Bemerkung kam es mir hingegen nur auf ein einzelnenes Moment desselben an, daß nämlich Angebot wiederum Nachfrage erzeugt.

Die Behauptung, daß Angebot überhaupt Nachfrage erzeugt, ist so hirnrissig, daß ich mit Sicherheit sagen kann, daß ich sie nie erhoben hätte. Und sie läßt sich im übrigen ganz leicht widerlegen: Nach ihr nämlich müßte der Mensch, wenn er z.B. des Angebots an Nahrungsmitteln ledig wäre, keine Nachfrage danach mehr besitzen. Wir hatten da mal einen Hund, dem wir das Essen abgewöhnen wollten, und kurz bevor es gelungen wäre, ist uns das Mistvieh gestorben.

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jomapakure February 2 2007, 16:34:50 UTC
Entschuldige, ich meinte marktwirtschaftlich, was andererseits vorher keiner gesagt hat, weswegen mein Beitrag recht unsinnig wird. So ist das, wenn man nicht richtig liest.

"Die Behauptung, daß Angebot überhaupt Nachfrage erzeugt, ist so hirnrissig, daß ich mit Sicherheit sagen kann, daß ich sie nie erhoben hätte."

Die Behauptung legt lediglich dar, dass zuerst jemand die Idee zu einem neuen Produkt haben muss, bevor eine Nachfrage zu diesem vorhandenen Produkt entstehen kann.
Wenn du also schreibst, kann die Nachfrage nach dem von dir geschriebenen erst entstehen, wenn du das von dir geschriebene am Markt (oder wo auch immer) platziert hast.
Ich sehe den Hirnriss dabei nicht.

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zauberhuehnchen February 2 2007, 17:25:59 UTC
Der Hirnriß besteht darin, daß du (oder wer auch immer) nicht zwischen bestimmter und allgemeiner Nachfrage unterscheidest. Es besteht z.B. - aber das habe ich ja schon geschrieben - eine allgemeine Nachfrage nach Kunst bzw. Unterhaltung. Es besteht auch eine allgemeine Nachfrage nach Kleidung oder nach Nahrungsmitteln. Die entsteht nicht erst, wenn ein Angebot hierzu vorhanden ist. Daß eine Nachfrage nach einem ganz bestimmten Produkt logischerweise von der Existenz dieses Produktes abhängt, ändert an diesem Sachverhalt nichts, sondern bestätigt ihn:

Denn der Menschen hat allgemeine Bedürfnisse. Und diese Bedürfnisse, wenn sie zuweilen in ganz konkreter Gestalt in Erscheinung treten können, entspringen in ihrer Allgemeinheit der menschlichen Natur. Ich könnte z.B., wenn ich von der Existenz gebratener Tauben nichts wüßte, auch keine Bedürfnis nach gebratenen Tauben entwickeln. Aber Hunger werde ich trotzdem haben. Von der anderen Seite her kann ich, wenn ich schon einmal gebratene Tauben gegessen habe, zwar ein ganz bestimmtes Bedürfnis danach haben, aber dieses Bedürfnis kann ich nur haben, weil ich auch ein allgemeines Bedürfnis nach Essen habe.

Zusammenzufassen: Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ist so, wie ich es oben ausführlich genug beschrieben habe. Deine Aussage, und auch das habe ich schon geschrieben, rekurriert nur auf ein einzelnes Moment an diesem Prozeß, das für sich genommen keine Wahrheit besitzt, da es seine Wahrheit nur erhält, wenn man es in seinen wechselseitigen Beziehungen zu anderen Momenten ein und derselben Totalität sieht, in der allein sie überhaupt Momente genannt werden können, weil sie nur innerhalb dieser Systematik sind, was sie sind. Einzelne Merksätze bilden keine Wahrheit. Wer das Ganze nicht sieht, sieht die Wahrheit nicht.

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