Dec 19, 2014 20:44
Weihnachtszeit, Zeit der Geschenke ...
Ein paar Überlegungen zum Schenken/Geben und dessen Tücken, wobei es mir nicht um scheußliche Fehlgriffe geht, die direkt in die Mottenkiste wandern, sondern ganz allgemein um die Frage, auf welche Weise bestimmte Persönlichkeitstypen das Schenken für sich und ihre Zwecke instrumentalisieren.
Es gibt Leute, die aus purer Egozentrik schenken. Nicht aus Freude oder echtem Interesse am anderen, sondern aus Eitelkeit.
Entweder um als Person mit besonders herausragender und aufwändiger, gerne auch kostenintensiver Geschenkidee im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen zu können.
Oder aber um sich bereits im Vorfeld gegen potentielle Kritik des Beschenkten zu wappnen, die er irgendwann einmal vorbringen könnte. Man macht sich ihn gefügig, bindet ihn an sich, indem man ihm durch permanentes Geben zu verstehen gibt, alles sei eitel Sonnenschein. Und solange alles in Hülle und Fülle vorhanden ist, verbietet sich Beschwerde schließlich von selbst. So die Taktik.
Geschenke als strategisches Ass im Ärmel, mit deren Hilfe man jedes noch so berechtigte Aufmucken oder Infragestellen unbescholten abschmettern, sein brüchiges Ego nachhaltig vor jeglicher Kritik schützen kann ... denn als Gebender pachtet man (besonders in christlich-altruistisch geprägten Kulturkreisen wie den unsrigen) moralische Überlegenheit auf Lebenszeit.
Fakt ist: Großzügigkeit kann unterdrückerischer sein als man denkt ...
Umso beleidigter sind solche Leute natürlich, wenn man ihnen trotz reicher Geschenke nicht immer zu Willen ist oder die kleinen, dekorativ verpackten Schuldscheine* gar ablehnt.
Manche Menschen schenken einzig und allein, um Macht über andere zu erlangen ... doch diesen Mechanismus ganz trivial als Bestechung zu bezeichnen, greift meines Erachtens zu kurz und unterschlägt die eigentlichen (individual-)psychologischen Motive.
Deshalb bin ich mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass eine aufrichtige Kultur des Schenkens nur unter Ebenbürtigen praktiziert werden kann. Ebenbürtig nicht im weltlichen, d.h. sozioökonomischen Sinne, sondern unabhängig von Status, Einkommen und sonstigem. Das einzige, worauf es ankommt, ist, dass man seinen eigenen Wert zu erkennen beginnt und es einem somit gar nicht erst zum unausweichlichen Bedürfnis wird, permanent einen hauptsächlich selbstgefälligen Reziprozitäts-Eiertanz aufführen zu müssen.
Manche Geschenk-Empfänger lassen sich hingegen sogar bereitwillig in solche Beziehungsmuster verstricken, gar nicht mal aus materialistisch motivierter Gier ... vielmehr, weil sie auf diese Weise selber teilhaben können an der "Macht" und dem Glanz des Gebenden.
Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen. - Friedrich Nietzsche
Erlangung von (vermeintlicher) Größe durch einen Akt der Selbstverkleinerung oder -auflösung, um dem überlegenen Machtgefüge, an dem man gern Anteil hätte, als mundgerechtes Häppchen zur Verfügung stehen zu können. Das Verschlungen-Werden als letzte Transformations-Chance für Menschen, denen die Fähigkeit zur Verwandlung aus eigenen Kräften versagt blieb.
Einverleibung durch Selbstaufopferung!**
So paradox es auch klingen mag ...
It's an animal city, it's a cannibal world ...
Ich bin das Fleisch auf dem Gabentisch der Macht ...
Und wer "frisst" hier eigentlich wen?
Was ich nicht will: irgendjemandem die Freude am Schenken verderben. Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass man manchmal vorsichtig sein sollte und darauf achten muss, was mit einer gewissen Art von Schenken eigentlich bezweckt werden soll.
Vorm Geben und Nehmen allgemein wird man sich zeitlebens ohnehin nicht drücken können, denn das hieße eine Enklave werden, die Boykotte und Embargos nach allen Seiten hin verhängt. Aber wenn man schon die Wahl hat, dann möge man doch lieber den nicht- oder weniger destruktiven (Aus-)Tausch-Kollusionen den Vorzug geben ...
Das Wort zum Wochenende. :)
* es muss sich nicht in jedem Fall um Gekauftes oder Objekthaftes handeln; als "Geschenke" können z.B. auch bestimmte Gefühle wie Lob und Bewunderung oder auch das Rechtgeben und Nicht-Widersprechen fungieren.
** Vor diesem Hintergrund wird auch das ambivalente Gefühl nachvollziehbarer, das der Empfänger während des Beschenkt-Werdens empfindet, markiert dieses doch auch immer den Augenblick des Selbstverlustes und stellt infolgedessen eine Demütigung dar. Das Schöne (Beschenkt-Werden) wird auf bizarre Weise mit dem Schrecklichen (demütigender Identitätsverlust) verknüpft. Schizophrenogener Hirnfick deluxe.
freud und leid,
nietzsche,
selbstquell,
stabat mater,
capitalism wow!,
spieglein spieglein,
consolatio philosophiae,
sprachgitter,
konsumpf,
kopflabyrinth