Der Fall Gäfgen, der Rechtsstaat und warum Bild offenbar ein Problem mit letzterem hat.

Aug 07, 2011 19:39




Ja, ich weiß, eigentlich bin ich zu spät damit dran, alles ist gesagt worden. Aber ich muss diese Worte schreiben um meine Wut auf die Bild-Zeitung zu kanalisieren. Nicht, dass ich nachher stattdessen noch in einem Anfall von medialer Qualitätskontrolle einen Bild-Klautomaten umwerfe…

Das die Bild-Zeitung den Rechtstaat seit jeher für ein eher obskures, hinderliches Gebilde hält, welches Kinderschänder und rauflustige Migranten ihrer gerechten Strafe durch Volkes Wille entzieht ist leider eine bekannte Tatsache. Mit der Titelseite vom 05.08.2011 hat das Springer-Schmierblatt allerdings mal wieder ein echtes "Highlight" abgeliefert, selbst für deren Verhältnisse.




"In was für einem Land leben wir?" fragen sie sich in der Bild-Redaktion. In einem Rechtsstaat, und dass - man verzeihe mir das Wowereit-Zitat - ist auch gut so! Ich schäme mich dafür, dass im Original auf dieser Titelseite, in der rechten oberen Ecke eine Anzeige meines Arbeitgebers steht.

Und natürlich meldet sich auch Til Schweiger, Verteidiger aller Opfer von irgendwas, an die nie jemand denkt wieder ungefragt zu Wort und bekommt von der Bild-Zeitung seine Bühne.

Kann ich nachvollziehen was der Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner damals getan hat, dass er, in der Hoffnung, das Leben eines Kindes retten zu können zu einer drastischen Maßnahme griff? Ja, kann ich. Trotzdem war es nicht richtig.

Habe ich in irgendeiner Form Mitleid oder Verständnis für Magnus Gäfgen, jemanden der aus niedersten Beweggründen ein Kind entführt und kaltblütig umgebracht hat? Nein!

Und trotzdem ist das Urteil, ihm Entschädigung zuzusprechen richtig. Es zeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert, dass er, beziehungsweise seine Angestellten nicht foltern dürfen, auch keine Folter androhen dürfen, und dass es, wenn jemand es doch tut Konsequenzen hat. Und das keinem Menschen, egal was er getan hat, seine Grundrechte genommen werden dürfen. Magnus Gäfgen ist ein Entführer und ein Mörder, ein Schwein, wie Bild es formulieren würde. Und er wird dafür bestraft, er wird lebenslang im Gefängnis sitzen.

Was viele Menschen nicht verstehen (wollen) ist, dass seine Tat, und die Androhung der Folter zwei voneinander unabhängige Fälle sind. Für seine Tat hat Magnus Gäfgen seine Strafe bekommen, für die Tat eines anderen hat er eine Entschädigung bekommen. Die 3.000 Euro werden ihm bei lebenslanger Haft sowie  70.000 Euro Prozesskosten wenig nützen, auch wenn das eine nicht mit dem anderen verrechnet werden darf, er die 3.000 Euro also tatsächlich bekommen wird.

Ja, natürlich hat das einen bitteren Nachgeschmack für die Angehörigen des Opfers. Aber der Rechtstaat ist nun mal nicht dazu da, Gefühle zu bedienen.

society, media

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