Fandom: Victoria Bergman-Trilogie von Erik Axl Sund
Genre: angsty romance
Rating: P12
Charaktere: Sofia & Jeanette
Ficathon:
in the shadows Sonstiges: Ein kleines, etwas abstraktes Ficlet zu einem quasi inexistenten Fandom, das mehr Liebe verdient. Danke an Kate für den schönen Prompt! <3 Crosspost auf FF.de
hier. Achtung, Spoiler! (Bzw. glaube ich fast, dass man den Spoiler erst mal nicht verstehen wird, ohne mindestens eins der Bücher gelesen zu haben, aber ich warne lieber trotzdem vor, haha.)
Meine, deine, unsere Schatten
Sofia & Jeanette
In the shadows of the night
With you by my side
I long to lose my shadows
And unfold my soul before your eyes
I.
Warmes Licht scheint durch die halbtransparenten Vorhänge, die leicht flattern, als durch das gekippte Fenster eine kühle Brise hereindringt; flattern, denkt sie, wie die Flügel eines Zitronenfalters, mit zitternden Schatten und einem treibenden Luftzug.
»Sofia …« Ein Murmeln im Schlaf, ganz leise, und ein warmer Körper, der sich ein wenig dichter an ihren drängt.
Sie erkennt den Namen einen Moment lang gar nicht, und als sie ihn erkennt, ist es nicht ihrer, aber gerade spielt das keine Rolle, denkt sie -
Die Schatten der Nacht sind verschwunden. Morgenlicht flutet den Raum, Wärme flutet ihren Körper, und ein Lächeln stiehlt sich auf ihre Lippen. Sie schmiegt ihr Gesicht an Jeanettes Nacken und die ganz Welt schimmert in Zartrosa und Weißgold.
II.
Sie führt das Glas an ihre Lippen und leckt den Milchschaum vom Rand, nippt daran, lässt die Wärme und den leicht bitteren Geschmack nach Kaffee und das weiche Gefühl der Milch einen Moment lang auf ihrer Zunge liegen.
Sie blickt sich auf der Terrasse des Cafés um, aufmerksam und zugleich abwesend. Sie nimmt alles wahr, jede Kleinigkeit - das Klirren des Geschirrs, das der Kellner gekonnt auf seinem Unterarm stapelt, die regelmäßige Bewegung, die sie aus dem Augenwinkel sieht, wenn der alte Mann beim Eingang seine Zeitung umblättert, das Rascheln des Winds in den Bäumen am Wegrand und das Rauschen des Verkehrs auf der nahegelegenen Straße, den Geruch nach frisch gerösteten Kaffeebohnen und aufgewärmten Sandwiches, das Schaben der Tür auf dem Boden, wann immer ein Gast oder Mitarbeiter ein- oder austritt; aber sie sieht durch alles hindurch, als sei es nicht wirklich; als sei es ein Traum im Halbschlaf, so absurd detailreich und doch so vage, dass er sich nicht greifen lässt.
Sie nimmt einen weiteren Schluck Latte Macchiato, dieses Mal einen größeren, und genießt die Wärme, die ihren Hals hinabfließt.
Ich denke an dich, tippt sie, ohne zu wissen, ob sie die SMS abschicken wird.
Manchmal fragt sie sich, ob es nicht einfacher wäre, die Momente festzuhalten, in denen sie nicht an Jeanette denkt.
III.
Wenn sie die Augen schließt, tanzen Funken hinter ihren Lidern. (Jeanettes Wärme, die in ihr erstrahlt, ihr Innerstes zum Glühen bringt und schließlich in einer Explosion aus Farben und Licht vergeht. Jeanette. Jeanette.)
Wenn sie die Augen öffnet, sind da nur Schatten. (Schatten im Raum, Schatten auf Jeanettes Körper. Schatten, in denen sie sich verstecken kann; Schatten über Jeanettes Schlüsselbeinen, in die sie, während sie ihre Lippen an Jeanettes Hals presst, lautlose Worte haucht, die nicht dazu bestimmt sind, je gehört zu werden.)
IV.
Ihre Finger sind mit Jeanettes verschränkt. Sie gehen schweigend nebeneinander her, Jeanette lächelnd und der hellgelben Mittagssonne entgegenblinzelnd, ihren Sohn an der anderen Hand, und sie selbst schweigsam, in sich gekehrt und in Gedanken. Ihr kommt der absurde Gedanke, dass auch Jeanette Schatten hat, und sie lässt ihren Blick an ihrem eigenen entlang hinter sich wandern, und dann an Jeanettes entlang wieder zurück nach vorne.
»Was hast du?«, fragt Jeanette.
Und wie immer steht darin die ewig unausgesprochene Frage: Wer ist das, in den ich mich da verliebt habe? Oder: Wann verrätst du mir endlich, wer du wirklich bist?
V.
Ich denke nicht an dich, schreibt sie, die Füllerspitze zitternd im brandneuen Notizbuch, die Tinte ein kleines Bisschen zu fest in die Fasern des Papiers gepresst. Und dass ich das aufschreibe - heißt das nicht, dass ich doch irgendwie an dich denke?
VI.
»Ist alles in Ordnung?«
Jeanettes Stimme dringt zu ihr heran, gleich einem Lufthauch, der über ihre Schultern streicht und eine leichte Gänsehaut, ein erwartungsvolles Frösteln hinterlässt. Sie schließt die Augen, spürt und sinnt und antwortet nicht.
»Sofia?«, spricht Jeanette sie erneut an, als - anscheinend - genug Sekunden in Stille verstrichen sind, um eine besorgte Nachfrage zu rechtfertigen.
Dieses Mal kommt die Antwort so schnell, dass sie gar nicht vorher hätte darüber nachdenken können, selbst, wenn sie es gewollt hätte.
»Nicht Sofia.«
Zwischen den Schatten der Nacht, in denen sie sich unter Jeanettes Bettdecke versteckt hat, und ihrer beider Schatten, die das Morgenlicht auf die hellen, zerknitterten Laken wirft, und dem Licht, in das Jeanette ihre Welt immer taucht, ist das Bedürfnis, die Schatten der Vergangenheit abzustreifen, als seien sie nur ein schwerer, grauer Trauerschleier, zu groß geworden, als dass sie ihm noch länger widerstehen könnte.
Es fühlt sich ein bisschen an, denkt sie, als würde sie ihre Seele hervorholen, aus der Schublade, in der sie sie vor vielen Jahren unter Bergen von Schutt und Asche vergraben hat; als würde sie sie ausbreiten, glattstreichen, sie vor Jeanette darlegen und sagen: Schau. Das bin ich. Du bist mein Licht, und das sind meine Schatten.
»Victoria«, sagt sie. »Ich heiße Victoria.«
Willst du, dass das auch deine Schatten werden? Unsere?
VII.
Victoria spürt das Lächeln, spürt es ganz genau auf ihrer Haut und in ihrem Herzen und überall sonst, als Jeanette ihre Schulter küsst und sagt: »Ich weiß.«