Story: RPG Storyverse (idk, maybe some Canon Divergence?)
Genre: ???? angsty shit ????
Rating: 16+
Charaktere: Océane & André (& Caedes & Avien)
Ficathon:
in the shadows Prompt: Zitat aus Pretty Little Liars
Sonstiges: Eine kleine Szene mit Océane & André à la "Was hätte sein können, hätten die beiden zusammengearbeitet, um Aviens Downfall in die Wege zu leiten". Not sure ob das im Laufe des Plots je so passieren könnte, but here we are. Im Zentrum dessen: Cae. Also alles wie immer. Ich bin außerdem zu 400% außer Übung, man verzeihe mir also gnädigst eventuelle Makel.
secrets are weapons
Océane & André
Secrets aren't secrets
They are weapons
You can save them in your pocket
Until you need them
»Wo ist er?«
Andrés Stimme hinterlässt eine Gänsehaut auf Océanes Armen. Wie ein plötzlicher Luftzug, nur viel tiefer; eine Art von Kälte und Unwohlsein, die durch Haut und Fleisch und Knochen dringt, bis weit in ihr Innerstes hinein.
»Wo ist wer?« Sie ist stolz darauf, dass sie überhaupt eine Antwort hervorbringt, und darauf, dass es ihr gelingt, die Gegenfrage beiläufig und nichtsahnend klingen zu lassen; aber sie hasst sich dafür, dass ihre Stimme trotzdem zittert.
Vor ihr tut sich die Dunkelheit eines schmalen Flurs auf. Ihre linke Hand liegt am Türrahmen und mit einem Mal kann sie sich nur noch mit Mühe davon abhalten, diesen so fest zu umklammern, dass das Holz unter ihren Fingernägeln zu splittern beginnt. Dennoch ist sie in diesem Augenblick froh darüber, sich überhaupt an irgendetwas festhalten zu können. Hinter ihr flackert das Licht einer Feuerstelle durch den Wohnraum, lässt Schatten auf dem steinernen Boden und den Wänden spielen und sendet seinen warmen Schein in alle Ecken, bis hin zur Türschwelle, an der Océane verharrt. Jetzt, da sie darauf achtet, kann sie deutlich spüren, wie die Wärme an ihren nackten Waden hinaufkriecht, unter ihr Kleid, an ihren Beine und ihrem Rücken entlang; aber das ändert nichts daran, dass ihr furchtbar kalt ist.
Es ist nur André, sagt sie sich. Kein Grund, sich derart zu fürchten. Nicht in einer Situation wie dieser. Außerdem hat er das Zittern nicht bemerkt, ganz bestimmt nicht. Sie dreht sich zu ihm um, schenkt ihm ein Lächeln-
Und zuckt unwillkürlich zusammen, als sie realisiert, dass er direkt hinter ihr steht. Als er sie angesprochen hat, saß er eindeutig noch in seinem Sessel vor der Feuerstelle. Jetzt ist er so nah, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurückweicht und den Atem anhält, während der Schreck durch ihre Glieder fährt. Keine hörbaren Schritte. Keine Schatten, die sie aus dem Augenwinkel bemerken konnte. Kein Atemzug, den sie auf ihrem Nacken gespürt oder der die knisternde Stille mit einem leisen Geräusch durchschnitten hat.
»Caedes.« André atmet lang aus, als hätte er ebenfalls bis gerade die Luft angehalten, und zum ersten Mal, seit sie ihn kennt, bemerkt Océane auch in seiner Stimme eine ganz seltsame Art von Unsicherheit, ein ungewohntes Zögern; als wüsste er genau, dass er eine Wahrheit ausgesprochen hat, die sie beide lieber nicht kennen würden. »Ich kann ihn an dir riechen. Und das nicht zum ersten Mal. Wo ist er?«
Océane atmet tief durch, als könnten die wenigen Sekunden, in denen Luft in ihre Lungen strömt, ausreichen, um sich zu sammeln. Sie atmet den Duft nach Kaminholz und alten Büchern ein, der dem kleinen Wohnzimmer eigen ist, und ignoriert ihr wild pochendes Herz. »Avien wird es bald wissen. Die Bestie wird es ihr mit Sicherheit sagen.« Die Worte schmecken genauso bitter wie die Erkenntnis sich anfühlt. »Du wirst es also noch früh genug erfahren.«
»Ich habe dich nicht gefragt, ob Avien es weiß. Sondern wo er ist. Und ich will es nicht früh genug erfahren, sondern jetzt.«
Océane lässt ihren Blick an André hinabwandern. Von seinen funkelnden Augen über die zusammengepressten Lippen und den angespannten Körper bis hin zu der Stelle, an der seine Schuhsohlen den Fußboden berühren. Und wieder zurück. Vielleicht sollte sie Angst haben. Vielleicht ist es kein gutes Zeichen, wenn ein zwei Köpfe größerer Vampir, der rein zufällig auch der Ehemann und treuste Untergebene einer gewissen Sadistin ist, vor Anspannung zitternd vor einem steht und einen mit eindringlichen Blicken durchbohrt.
Aber es gibt nicht viel, wovor Océane noch Angst hat, und noch nie hat sie sich vor André selbst gefürchtet. Nicht damals, als sie ihn kennengelernt hat (nur eine flüchtige Begegnung zwischen einem griesgrämigen Straßenjungen und der jungen Prinzessin des benachbarten Königreichs, nie dazu bestimmt, mehr zu sein als ein Blick im Vorbeigehen). Nicht damals, bei ihrem Wiedersehen (nur ein flüchtiger Moment des Erkennens, ein Anflug von Wut und ein Anflug von Reue, nie zu mehr auserkoren als zu wissendem Schweigen). Und auch nicht während all der Zeit, die sie nun schon zusammen an Aviens Seite verbracht haben (eine halbe Ewigkeit, nennt sie es in Gedanken - er freiwillig, sie gezwungenermaßen.)
Es ist stets Avien, die die Angst mit sich bringt.
»Freiwillig verrate ich es niemandem«, erwidert Océane, nun wieder mit fester Stimme, und sie reckt das Kinn leicht vor; als hätte sie in all den Jahren nie verlernt, was es bedeutet, stolz und selbstbewusst zu sein; aufzutreten, wie es sich für eine Prinzessin gehört. Auch wenn sie Caedes nicht versprechen konnte, dass sein Geheimnis bei ihr sicher ist, konnte sie doch immerhin sich selbst versprechen, dass es, wenn überhaupt, die Bestie sein sein wird, die ihn verrät, nicht die wahre Océane.
Die Anspannung verlässt Andrés hochgewachsene Gestalt nicht, doch sein Blick verändert sich. Als würde ihm eine Maske vom Gesicht rutschen, weil er nicht mehr die Energie hat, sie zu halten. Irgendetwas an der Art, wie er sie ansieht, wirkt mit einem Mal seltsam weich - beinahe verletzlich. »Kleines …«
»Nenn mich nicht so.«
»Océane.« Sein Tonfall ist plötzlich so schneidend, so eindringlich, aber zugleich so verzweifelt, dass Océane zusammenzuckt. Andrés Hände legen sich an ihre Oberarme, doch er rührt sich nicht weiter, um sie zu schütteln, sie festzuhalten oder sonst irgendetwas zu tun. Er berührt sie bloß, und sie weicht nicht zurück. Irgendwie, denkt sie, hat die Geste überhaupt nichts Bedrohliches; lediglich etwas Flehentliches. »Océane, bitte. Ich muss ihn sehen, bevor Avien es erfährt. Ich muss einfach.«
»Und du … wirst ihm nichts tun?« Zaghaft. Skeptisch. Aber zuversichtlicher als noch gerade eben. Die Verzweiflung, die sie in Andrés ganzem Auftreten erkennt, zusammen mit dem Gefühl der Unausweichlichtkeit, lässt sie allmählich nachgeben. Keiner von beiden hat es ausgesprochen, doch die Wahrheit, die zwischen ihnen im Raum steht, wird immer klarer, so klar, dass Océane sie nicht mehr ignorieren kann.
»Nein«, antwortet André, betont ruhig. »Niemals.«
Océane atmet ein weiteres Mal tief ein und wieder aus, und ihre Hände wandern nach oben, bedecken Andrés, die sich seltsam kalt anfühlen unter ihren. »Ich kann dich nicht einfach zu ihm bringen«, murmelt sie in einem letzten, hoffnungslosen Versuch, sich selbst vorzumachen, sie könnte jemanden, der ihr wichtig ist, beschützen, anstatt ihn mit sich ins sichere Verderben zu reißen. »Und ich kann dir auch nicht verraten, wo er ist. Es ist …«
»Ein Geheimnis«, vervollständigt André ihren Satz, während sie noch zögert und nach der richtigen Formulierung sucht. Er lässt sie los, entzieht seine Hände ihrer Berührung, allerdings nur, um gleich danach vorsichtig seine Finger mit ihren zu verschränken. Océane lässt es geschehen, auch wenn sie nicht recht weiß, wieso. Es hat etwas tröstliches an sich; eine merkwürdig vertraute, doch ungewohnte Situation mit jemandem, den sie schon unglaublich lange kennt, und doch scheinbar nicht so gut, wie sie stets angenommen hat.
Océanes Nicken ist leicht und zögerlich; aber sie nickt.
Andrés Lippen verziehen sich zu einem schwachen Lächeln. »Geheimnisse«, sagt er, während er sich kurz umblickt und der Schein des Feuers sein Gesicht für den Bruchteil eines Moments halb in ein warmes Licht hüllt, welches Océane dabei beobachtet, wie es mit dem Schatten auf der anderen Hälfte tanzt, »sind nicht nur Geheimnisse. Sie sind Waffen. Du kannst sie so lange versteckt bei dir tragen, bis du sie brauchst.«
»Aber … Ich kann nichts für mich behalten«, seufzt sie. »Nicht, wenn sie es nicht will. Das solltest du mittlerweile wissen.«
Andrés Blick kehrt zu ihr zurück. Er scheint erleichtert, sich dessen vergewissert zu haben, dass sie noch allein in diesem Raum sind. »Selbst, wenn deine Bestie dasselbe wollte wie du - Avien könntest du nicht täuschen. Nicht, wenn es um Caedes geht. Sie kennt seinen Geruch genauso gut wie ich, wenn nicht besser … Verdammt, es ist ein Wunder, dass sie es nicht längst mitbekommen hat.«
Océane wendet den Blick von ihm ab. »Meine Geheimnisse sind höchstens Waffen, die sich gegen mich selbst richten. Und gegen diejenigen, die mir etwas bedeuten.«
»Sieh mich an.« Andrés lässt ihre Hand los und seine Finger legen sich unter ihr Kinn, drehen ihr Gesicht wieder in seine Richtung, sanft und vorsichtig, eine Berührung, die kaum für die Dauer eines Wimpernschlags anhält, keine Sekunde länger als nötig; als würde er vor der Intimität und Direktheit der Geste zurückschrecken. Schnell greift er wieder nach ihrer Hand, als sei das eine Art Sicherheit, etwas, woran er sich festhalten kann. Und sie lässt ihn. Vielleicht, weil er das gerade braucht und sie es nicht wagt, es ihm zu verwehren; vielleicht aber auch, weil sie es braucht, in diesem kurzen, eigenartigen Moment der Erkenntnis. »Sieh mich an und hör mir genau zu.«
»Wieso?«, fragt sie so leise, dass sie sich selbst kaum hören kann.
»Weil es ab jetzt nicht mehr dein Geheimnis ist«, erwidert André. »Du wirst es an mich abgeben. Und ich werde es behalten, bis ich es benutzen kann.«
Die Worte bleiben vage, doch so langsam beginnt sie, zu verstehen. Doch das, was in jenen Worten mitklingt, scheint so unwirklich, dass sie es gar nicht glauben will. »Wie soll ich …?«, fragt sie deshalb bloß; ein unvollendeter Satz, der die Fassungslosigkeit, die sie verspürt, perfekt widerspiegelt.
»Du musst zu Alyssé gehen.« André klingt sicher. So, als hätte er das schon tausendmal durchdacht; als hätte er auf diese Gelegenheit gewartet, auf den einen Moment, in dem sein Plan Wirklichkeit werden kann.
»Alyssé?« Océane kommt sich unglaublich dumm dabei vor, inhaltslose Gegenfragen zu stellen, doch mehr Worte bringen ihre Lippen nicht zustande, auch wenn in ihrem Kopf die Gedanken rasen.
»Sie ist hier, in dieser Stadt. Das wissen wir beide. Nimm Alexandre mit und geh zu ihr. Bleib dort. Komm nicht zurück.«
»Ich kann nicht-«
»Du kannst. Vielleicht schaffst du es nicht allein, aber du wirst nicht allein sein. Sprich mit Alyssé. Ihr werdet eine Lösung finden, da bin ich mir sicher, aber bitte … Tu, was ich dir sage. Dieses eine Mal.«
Océane würde gerne den Blick senken, doch sie zwingt sich dazu, André unnachgiebig anzusehen, seine Augen und jede noch so kleine Regung nach einem Anzeichen für eine Lüge abzusuchen. Ihre übliche Wachsamkeit, die sie sich mit der Zeit angewöhnt hat und seither stets aufrecht erhält. Immer. Auch jetzt noch, obwohl sie längst weiß, dass sie ohnehin keine andere Wahl hat als ihm zu vertrauen. »Weiß Alyssé davon? Habt ihr das alles schon länger geplant, oder …?«
André seufzt und schüttelt den Kopf. »Sie hat keine Ahnung. Verdammt, nicht mal ich selbst hatte bis jetzt eine Ahnung. Niemand konnte wissen, dass deine verdammte Bestie einfach so über Caedes stolpern würde, nachdem wir alle jahrelang nach ihm gesucht haben. Aber Alyssé wird dich nicht wegschicken. Du weißt, dass sie dir helfen wird, wenn du ihr alles erzählst.«
Océane ertappt sich selbst dabei, wie sie sich von innen auf die Wange beißt. Er hat recht. Und doch … Es gelingt ihr nicht, die Unsicherheit ganz und gar abzuschütteln. »Woher weißt du, dass dein Plan aufgehen wird?«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß noch nicht einmal, ob es überhaupt ein Plan ist, oder nur ein irrsinniger Versuch, etwas zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Ich … weiß gar nichts.« André lächelt, und es wirkt gleichzeitig wehmütig und zuversichtlich. »Ich weiß nur, dass ich es versuchen muss.«
»Dass du was versuchen musst?«
»Etwas wieder gutzumachen«, murmelt André, scheinbar in Gedanken versunken. »Und den Schaden von dir abzuwenden. Niemand sollte so ein Geheimnis mit sich herumtragen müssen, ohne das je gewollt zu haben. Wenn meine Idee schiefgeht, wird das nur auf mich zurückfallen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.« Dann tritt er einen Schritt weit zurück, und mit seiner Nähe schwindet die Intensität des Moments dahin. »Avien ist nicht zu Hause. Sie wird erst in ein paar Stunden wiederkommen. Pack deine Sachen und geh. Alyssés Turm ist nicht zu übersehen. Findest du den Weg alleine?«
Océane schluckt all die Fragen unter, die in ihrer Kehle aufkommen und sie ihr zuzuschnüren scheinen, wie ein erster Anflug von Tränen und ein Schluchzen, das einfach nicht hervorkommen will. Sie weiß, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Fragen ist. Es ist ein Moment für Erleichterung. Für eine Last, die sie hier bei André zurücklässt. Für einen Blick nach vorne statt Worte, die nur weiter in der Vergangenheit wühlen.
Es fühlt sich nicht an als sei es ihr Körper, den sie bewegt, als sie nickt und dann die Schultern strafft. Mit einem Mal fühlt sich alles nicht mehr nur kalt, sondern auch schrecklich taub an.
»Ich werde mich bei euch melden«, sagt André, »wenn ich mehr weiß. Es kann eine Weile dauern, aber ihr werdet von mir hören.«
Erneut nickt Océane.
»Danke.« André lässt ihre Hände los, und Océane fühlt sich seltsam dabei, ihn nicht davon abzuhalten. Reglos beobachtet sie ihn dabei, wie er sich zu einem letzten Lächeln zwingt und sich dann abwendet.
»André?«
»Hm?« Er hält inne, aber er dreht sich nicht noch einmal zu ihr um.
»Kannst du es wirklich für dich behalten?« Erst, als sie die Frage ausspricht, realisiert Océane, dass es das ist, was sie wissen wollte. Die letzte Gewissheit, die sie braucht. »Kannst du ein Geheimnis bewahren? Selbst vor Avien?«
»Mach dir darum keine Sorgen«, entgegnet André, betont gelassen, und sie könnte schwören, dass in diesem Moment ein bitteres Lächeln auf seinen Zügen liegt, auch wenn sie es nicht sehen kann. »Ich habe mehr Geheimnisse vor ihr als jeder andere. Und bisher habe ich mich anscheinend recht gut geschlagen, oder etwa nicht?«
Ein paar Sekunden lang verharrt er noch, wartet die Antwort ab, die nicht kommt, ehe er schließlich weitergeht und in den Schatten des gegenüberliegenden Gangs verschwindet. Bisher, schießt es ihr durch den Kopf. Aber bisher ging es auch nicht um Caedes.
Océane verbietet sich den Gedanken schnell wieder und eilt dann durch das Treppenhaus zu ihrer Kammer, die Schritte federleicht, nur auf Zehenspitzen, unbemerkt von allen anderen. Noch immer fühlt sich ihr Körper taub und fremd an, doch sie weiß, das ist in diesem Fall ein gutes Zeichen; sie weiß, dass sie nur noch funktionieren wird, bis sie an ihrem Ziel angelangt ist. Dass sie sich auf die Flucht konzentrieren und alles andere ausblenden wird, bis ein lang erträumtes Gefühl von Sicherheit ihr wieder Leben einhaucht.
Sicherheit und Hoffnung. Das ist alles, wonach sie sich jahrelang gesehnt hat, und jetzt scheint es zum Greifen nah.
Geheimnisse sind Waffen, denkt Océane. Und Wahrheiten sind - wie es scheint - Heilungstränke; wirksamer als alles andere, was man ihr je eingeflößt hat.