aris & khalid » don't you worry about the distance

Dec 13, 2017 18:30

Story: Saká-Reihe (Modernverse, long distance relationship AU)
Genre: Romance
Warnings: CW für Essen, ansonsten ausnahmsweise mal nix.
Rating: P12
Charaktere: Aris & Khalid (& Syrinx & Salihah)

Challenge: de_bingo Runde 2017/18, Bingofeld "Wiedervereinigung"

Sonstiges: Ausnahmsweise mal kein Ficathon, mir kam nur random die Idee zu diesem AU, als ich "Hey There Delilah" von den Plain White Ts in meiner Zufallswiedergabe hatte. Daher auch Prompt und Titel. Wobei ich den Prompt irgendwie sowieso zu 95% ignoriert habe, but idgaf. Ich hoffe, es gefällt. <3

Projekt: Adventskalender 2017

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don't you worry about the distance
Aris & Khalid

A thousand miles seems pretty far
But they've got planes and trains and cars
I'd walk to you if I had no other way



I.

»Man findet ihn bestimmt auf Facebook.« Syrinx greift nach ihrem Handy, aber Aris kommt ihr zuvor und schnappt es ihr vor der Nase weg. »Hey!«, protestiert sie. »Was soll das?«

»Ich halte dich davon ab, irgendwelchen Unfug zu treiben.«

»Ist das nicht normalerweise eher umgekehrt?«

»Gar nicht wahr.«

Syrinx rollt mit den Augen. »Im Gegensatz zu dir bringe ich mich nicht ständig -«

»Schon gut«, lenkt Aris ein. »Normal ist es umgekehrt. Dieses Mal nicht.«

»Aber … willst du ihn denn gar nicht finden?«

»Er ist nicht auf Facebook«, antwortet Aris nach einer Weile des Schweigens.

Syrinx wirft ihm einen skeptischen Blick zu. »Woher willst du das wissen?«

Aris zuckt mit den Schultern. »Es passt einfach nicht zu ihm.«

»Wenn du dir da so sicher bist, kannst du mir ja auch mein Handy zurückgeben. Dann schaue ich nach und stellte fest, dass es auf Facebook keinen Khalid Al-Asmari gibt. Was wäre daran so schlimm?«

Aris presst die Lippen fest zusammen, schweigt sie wieder lange an, gibt ihr aber das Handy zurück. »Ich geh duschen«, verkündet er. »Mach, was du willst. Such nach ihm, wenn es dich glücklich macht.«

»Würde es dich glücklich machen?«, ruft sie ihm noch hinterher; aber da lässt er auch schon die Badezimmertür hinter sich zufallen und tut, als hätte er sie gar nicht gehört.

II.

Das Sonnenlicht liegt warm und grell auf Khalids Lidern. Rote Schlieren in der Schwärze seiner geschlossenen Augen. Es erinnert ihn an einen Sonnenuntergang, der langsam ins Schwarz der Nacht schmilzt. Das Flugzeug rattert, das seltsame Gefühl der Schwerelosigkeit setzt für einen Augenblick ein und flaut gleich wieder ab, genauso wie der Anflug von Übelkeit, der Khalid für einen kurzen Moment überkommt. Der Druck auf seinen Ohren verändert sich ein paar Mal, bevor er sich zeitgleich mit der Flughöhe einpendelt.

Pass auf dich auf, hat Salihah geschrieben. Ängstlich, wie immer, wenn er in ein Flugzeug steigt. Khalid lächelt, während er sich ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen lässt.

Er muss nicht auf sich aufpassen, wenn er in der Luft ist. In seinem Element. Eher, wenn die Maschine wieder landet und er einen Arbeitsalltag zu bewältigen hat. Aber es ist kein Wunder, dass Salihah sich bei jeder Kleinigkeit um ihn sorgt, denkt er. Immerhin weiß sie besser als jeder andere Mensch auf Erden, dass es manchmal berechtigt ist.

Khalid lehnt sich zurück und spürt, wie sein Körper sich automatisch entspannt. Es ist ein ruhiger Abend, die Welt liegt rot-orange glühend vor ihm, und er denkt fast gar nicht daran, dass der Anblick des lodernden Himmels, der direkt vor seinen Augen auf ihn wartet, Aris bestimmt gefallen würde.

III.

Aris schließt für einen Moment die Augen. Hinter seinen Lidern sieht er die Lichter der Stadt tanzen, wie tausend kleine, gelbe Funken. Syrinx' Hand fühlt sich weich und vertraut und ziemlich kühl an, und er hält sie ein kleines Bisschen fester, als das Piepsen der Ampel ertönt und sie die Straße überqueren.

Als er die Augen wieder öffnet, malt sein eigener Atem weiße Schlieren in die Herbstluft direkt vor seiner Nase. Er beobachtet, wie sie sich binnen Sekunden wieder auflösen, und sieht dann zu Syrinx.

»Was ist?«, fragt sie, mit dieser kleinen, sorgenvollen Furche zwischen den Brauen und dieser zittrigen Stimme.

»Nichts«, lügt Aris. Er lächelt und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Also hast du dich nicht zufällig gefragt, wie das Wetter wohl gerade ist, wo auch immer er sich jetzt aufhält?«

Aris seufzt, und gleichzeitig wird sein Lächeln ein wenig breiter. »Warum kennst du mich eigentlich so verflucht gut?«

Syrinx' Augen leuchten regelrecht, als sie zu ihm aufsieht und sein Lächeln erwidert. »Ich bin so was wie deine Seelenverwandte, schon vergessen?«

IV.

Vermisst du ihn manchmal?, schreibt Salihah.

Jeden Tag, antwortet Khalid.

Es ist nicht so, als würde er das gerne zugeben. Es ist nur so, dass er das Gefühl hat, ihr die Wahrheit sagen zu müssen, ganz gleich, wie unangenehm diese auch sein mag. Wem sonst, wenn nicht seiner besten Freundin?

V.

»Du hattest recht.« Syrinx pustet sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blättert eine Seite in ihrem Buch um. »Er ist nicht auf Facebook.«

»Aber?«

»Nichts aber.« Sie zuckt mit den Schultern. »Du hattest recht. Ich hatte unrecht. Das ist alles.«

»Hm«, erwidert Aris, ohne von seinem Laptop aufzusehen.

VI.

Manchmal ist da ein flüchtiger Moment, in dem Khalid sich umdreht und lächelt und sich wundert, weil sein Lächeln ins Leere geht, genauso wie sein Blick, der auch nach all den Jahren immer noch nach Aris sucht.

Es fühlt sich manchmal immer noch an, als würde da etwas fehlen. Immer dann, wenn er einen kleinen Erfolg alleine feiern muss, ohne besonderen Grund ein Lächeln zu verschenken hat, oder nachts wach liegt und denkt, dass sein Job weitaus weniger trostlos wäre, würde er nicht ständig allein in viel zu großen, viel zu teuren Hotelzimmern in fremden Städten übernachten.

Es fühlt sich manchmal immer noch an, als sei Aris gerade erst seit ein paar Tagen weg. Immer dann, wenn Khalid den Gedanken an früher zulässt, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde.

VII.

Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Die Nachricht ploppt auf dem Display auf, als Khalid das Handy gerade beiseitelegen und aufstehen will. Und gleich darauf noch eine: Welche willst du zuerst?

Khalid denkt für einen Moment nach, legt das Handy dann doch auf den Nachttisch, Bildschirm nach unten, schlägt die Decke zurück, steht auf und geht ins Badezimmer, um zu duschen und sich die Zähne zu putzen. Die letzten Tage, Wochen, Monate sind friedlich vor sich hingeflossen, ein beharrlicher Strom aus Alltag und Routine. Die Aussicht, dass irgendetwas diese angenehme Monotonie durchbrechen könnte, missfällt ihm.

Er steht ein paar Minuten zu lange unter der Dusche, dreht das Wasser ein Bisschen zu heiß auf und verbringt mehr Zeit damit, sich selbst im Spiegel zu betrachten, als gewöhnlich.

Als er zurück ins Zimmer kommt und mit einem Seufzen erneut auf das Handy schaut, steht da: Beide haben mit Aris zu tun. Nur, damit du nicht sagen kannst, ich hätte dich nicht vorgewarnt.

VIII.

»Ich habe ein Weihnachtsgeschenk für dich.« Syrinx strahlt übers ganze Gesicht. Es sind einige Monate vergangen, seit Aris sie zuletzt so glücklich gesehen hat.

»Seit wann feiern wir Weihnachten?«, fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen.

Syrinx verdreht die Augen. »Dann sieht es eben als einfach-nur-so-Geschenk.«

»Seit wann machst du mir einfach-nur-so-Geschenke?« Demonstrativ sieht er sich im Raum um. In einem der zwei Zimmer des kleinen Apartments mitten in der Stadt, das insgesamt winzig und mit zusammengewürfelten Möbeln von Ikea und diversen Flohmärkten eingerichtet ist - und für sie beide dennoch mehr Zuhause, als irgendein anderer Ort es jemals sein könnte. »Seit wann haben wir überhaupt Geld für Geschenke?«

»Haben wir nicht«, gibt Syrinx zu. »Aber es ist auch so gesehen nichts Materielles.«

Aris kann sich weder das Grinsen noch den Kommentar verkneifen. »Nichts Materielles klingt, wenn du es sagst, eindeutig nach -«

»Halt die Klappe.« Syrinx wirft ein Kissen nach ihm. »Und tu nicht so, als hätten wir nur zu besonderen Anlässen Sex.«

Amüsiert betrachtet Aris die leichte Röte auf ihren Wangen, die leicht vorgeschobene Unterlippe (das tut sie immer, wenn sie versucht, trotzig zu wirken), und diesen Blick, irgendwo zwischen verlegen und empört. »Tut mir leid«, sagt er, während er mit einem paar Schritten die Distanz zwischen ihnen überbrückt und Syrinx' Gesicht in seine Hände nimmt. »Was auch immer es ist - danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, meine Kleine.« Er drückt ihr einen Kuss auf die Stirn, und so sehr sie sich auch bemüht, nicht nachzugeben - der Anflug von Ärger ist plötzlich wie weggeblasen.

»Mühe«, murmelt sie. »Das kannst du wirklich laut sagen.« Aber sie kann nicht verbergen, dass sich da ein aufrichtiges Lächeln anbahnt. Dieses ganz besondere Lächeln, das Aris' Herz immer wieder höher schlagen lässt, weil er weiß, dass es nur ihm allein gehört.

IX.

Wenn ich persönlich zu dir kommen muss, um dich in dieses Flugzeug zu schieben, werde ich das tun. Ist mir scheißegal, dass da zwei Kontinente zwischen uns liegen. Sag mir nur rechtzeitig Bescheid.

Khalid seufzt. Aber er grinst auch.

Danke, Sal. Nicht nötig. Aber vielleicht könntest du mich noch mal dran erinnern, wieso ich das alles überhaupt tun sollte?

Salihah braucht kaum ein paar Sekunden, um zu antworten: Weil du ihn liebst, du Idiot. (Und weil du mir unbedingt erzählen musst, ob seine Freundin in echt genauso süß ist wie im Internet.)

X.

»Wo gehen wir überhaupt hin?« Aris lässt sich widerwillig von Syrinx durch die verschneiten Straßen ziehen. Schneematsch zu seinen Füßen, Weiß und Grau, wo auch immer er hinsieht, Syrinx' behandschuhte Hand fest in seiner. »Ich hoffe, du hast einen verdammt guten Grund dafür, mich bei diesem Dreckswetter -«

»Weniger meckern, schneller gehen.« Syrinx lässt sich von seinem ewigen Genörgel über das Wetter nicht im Geringsten beirren. Sie ist längst daran gewöhnt, dass er mit allem, was nicht Hochsommer ist, chronisch unzufrieden ist, und im Gegensatz zu ihm scheint sie hellauf begeistert davon zu sein, an einem nassen, kalten Dezemberabend durch die Straßen einer deutschen Großstadt zu waten, hin zu einem Ziel, das sie ihm nicht verraten will. »Wir sind bald da.«

»Wir sind bald wo?«, fragt Aris, aber Syrinx geht gar nicht darauf ein, sondern zieht ihn nur weiter durch das Schneegestöber.

Viele kleine Lichter erhellen den Platz, auf dem Syrinx anhält. Erleuchtete Schaufenster, Scheinwerfer, Straßenlaternen, die roten Schriftzüge auf den Anzeigetafeln der Straßenbahn. Obwohl es schon Abend ist, herrscht hier noch reger Betrieb, und Aris kann beim besten Willen nichts Besonderes erkennen, als Syrinx plötzlich stehen bleibt, ihn zufrieden angrinst und mit einer ausladenden Geste auf den Platz deutet, der in all seiner hektischen Großstadtpracht vor ihnen liegt. Er lässt seinen Blick über die nassen Pflastersteine und die vorbeieilenden Menschen wandern, über die Eingänge zu Klamottenläden, ein großes Kaufhaus, einen Bus, der gerade an der Bordsteinkante hält.

»Ich sehe was, was du nicht siehst«, sagt Syrinx.

Irritiert blinzelt Aris sie an. »Was?«

»Es ist … etwas kleiner als ich erwartet hätte - auf jeden Fall kleiner als du -, trägt einen schwarzen Mantel, wirkt ungefähr genauso nervös wie du, und -«

»Syrinx.« Aris sieht sie eindringlich an, wobei er sich selbst nicht sicher ist, ob es ein warnender oder einfach nur ein irritierter Blick ist. Er weiß nur, dass sein Herz plötzlich unglaublich laut schlägt, so laut, dass er Mühe hat, es zu ignorieren. »Was in aller Welt geht hier vor?«

»Keine Ahnung.« Syrinx setzt einen unschuldigen Ausdruck auf. »Ich hab da nur was entdeckt, was dich interessieren könnte.«

Und im nächsten Moment hat dieses etwas - oder besser gesagt dieser jemand - sie auch entdeckt. Aris spürt es, bevor er es sieht. Er spürt den Blick, der plötzlich auf ihm ruht, und im ersten Moment wagt er es nicht, sich umzusehen, den Blick zu erwidern.

»Sag mir bitte, dass du das nicht wirklich getan hast«, murmelt er.

»Ich hab gar nichts getan«, erwidert Syrinx. »Er ist freiwillig hergekommen.«

»Ich dachte, er ist nicht auf Facebook.«

»Ist er auch nicht. Wie gut, dass Facebook nicht die einzige Seite im großen, weiten Internet ist.«

Bevor Aris antworten kann, ertönt aus unmittelbarer Nähe eine allzu vertraute Stimme. Eine Stimme, die er schon seit vielen Jahren nicht mehr gehört hat, und die sein Herzklopfen noch verstärkt, ihm eine Gänsehaut beschert, ein warmes, kribbelndes Gefühl durch seine Adern jagt, alles gleichzeitig und doch nichts, was er in Worte fassen könnte. »Aris?« - Es ist nur ein Flüstern, ein kaum merklicher Hauch, aber für Aris ist es das Einzige, was er in diesem Augenblick noch wahrnimmt.

Langsam dreht er sich um, in die Richtung, aus der er die Stimme vernommen hat. Und … er steht wirklich da. Kaum einen Meter entfernt. Khalid.

»Wo … wo zum Teufel kommst du jetzt bitte her?« Aris wünscht sich, er könnte etwas Klügeres sagen, etwas Netteres, aber das ist alles, was er zustande bringt.

»Gerade? Aus Dänemark.« Khalid greift sich verlegen in den Nacken und das Halblächeln, das er zeigt, wirkt genauso zögerlich wie seine Stimme klingt. »Ich … war aus beruflichen Gründen gerade dort und …« Er zuckt mit den Schultern. »Ist ja nicht so weit weg von hier.«

»Du kannst Gift drauf nehmen, dass er auch gekommen wäre, wäre er gerade eigentlich in Neuseeland gewesen«, raunt Syrinx Aris zu, so leise, dass nur er es hören kann.

Aris muss sich ein Lachen verkneifen. Stattdessen vergräbt er seine Hände in seinen Manteltaschen, weil er nicht weiß, wohin damit, zuckt ebenfalls mit den Schultern und versucht, Khalids Lächeln so gelassen wie möglich zu erwidern. »Dänemark. Cool.«

Für einen furchtbar langen Moment stehen sie einfach nur da und sehen sich an. Schnee fällt um sie herum, feine, wild durcheinander fliegende Flocken, die sich wie ein hauchdünner Schleier durch die ganze Stadt ziehen.

»Ist es in Ordnung, wenn ich euch jetzt allein lasse?«, fragt Syrinx dann. »Ich würde gern noch einkaufen gehen, bevor die Geschäfte zumachen, und -«

»Ja«, sagt Aris, bevor sie überhaupt zu Ende sprechen kann. »Ja, klar. Tu das.« Er schenkt ihr ein Lächeln und drückt ihre Hand so fest, dass er beinahe befürchtet, sie könnte sich jeden Moment darüber beschweren, bevor er sie dann schließlich loslässt. Syrinx verabschiedet sich mit einem freundlichen Nicken in Khalids Richtung und einem Luftkuss an Aris, und Aris blickt ihr noch lange nach, ihren Fußspuren im halb geschmolzenen Schneematsch.

Erst, als Khalid wieder das Wort ergreift, dreht Aris sich wieder zu ihm um. »Ist es … okay für dich, dass ich hergekommen bin?«, hakt Khalid nach. »Ich meine … Wenn nicht, dann könnte ich das verstehen. Wenn ich wieder gehen soll, dann … -«

»Nein.« Aris schüttelt schnell den Kopf. »Bitte … bleib.«

XI.

»Ich hätte bleiben sollen.« Aris wärmt sich die Hände an seiner Tasse Glühwein vom Weihnachtsmarkt und starrt in den bewölkten Nachthimmel, um Khalid nicht ansehen zu müssen. »Ich hätte auf dich warten sollen. Damals.«

»Nein.« Khalid seufzt und trinkt seine eigene Tasse - heiße Schokolade, ohne Schuss und ohne Sahne - aus, stellt sie neben sich ab. »Du musstest gehen. Ich verstehe das.«

Sie sitzen auf der Rathaustreppe, die Jacken und Hosen durchnässt vom Schnee, die Hände trotz der heißen Getränke eiskalt. Vor ihnen zieht der letzte Verkehr des Tages träge durch die Innenstadt und immer mehr Lichter erlöschen, hinterlassen das Viertel in einem vagen Halbdunkel, durchsetzt vom warmen Leuchten der Weihnachtsdeko, die an vielen Fenstern, Bäumen und anderen Stellen angebracht ist.

»Fragst du dich manchmal, was gewesen wäre, hätte ich ein bisschen länger gewartet oder wärst du gleich mit mir gekommen?«, will Aris wissen. »Fragst du dich manchmal, welchen Unterschied es gemacht hätte?«

»Ich habe mich immer nur gefragt, ob es dir besser geht ohne mich.«

Khalids Antwort klingt noch lange nach, bedeutungsschwer und zugleich unglaublich erleichternd, bevor Aris seinen Glühwein ausgetrunken hat, sich aufrappelt und sagt: »Lass uns gehen.« (Zusammen, fügt er in Gedanken hinzu.)

Khalid nickt und sammelt die beiden Tassen ein. Auf dem Rückweg hält er Aris' Hand, die ganze Zeit über.

XII.

Wehe, du kommst heute Nacht nach Hause, schreibt Syrinx. Ich weiß genau, dass er ein Zimmer für zwei gebucht hat. Nutzt die Zeit gefälligst. Aris muss lächeln, als er auf sein Handy schaut, und natürlich entgeht das Khalid nicht.

»Was ist?«, will er wissen.

»Syrinx hat sich Sorgen gemacht, dass ich nach Hause kommen könnte. Als ob.« Er lacht leise auf und legt das Handy auf den Nachttisch. »Sie müsste mich eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich Chancen nur ungern verpasse.«

»Vielleicht kennt sie mich nicht gut genug, um zu wissen, dass ich …« Anfangs klingt es noch ein wenig neckisch, aber dann lässt Khalid den Satz unvollendet ausklingen, und er wendet den Blick ab.

»Dass du … was?«

»Egal.«

»Nicht egal.«

Khalid seufzt. »Sie kann ja nicht wissen, dass ich schon seit Jahren darauf warte.« Er zögert, fügt dann aber doch noch hinzu: »Darauf, endlich wieder neben dir einzuschlafen. Weißt du eigentlich, dass ich zeitweise befürchtet habe, ich würde nie wieder erholsam schlafen?«

»Aber … das hat sich doch wieder gelegt, oder?«

Khalid zuckt mit den Schultern, und er wirkt verlegen, als er entgegnet: »Vielleicht heute Nacht. Vorausgesetzt, du möchtest wirklich bleiben.«

XIII.

Es fühlt sich seltsam an, das größte Glück seines gesamten Lebens für den Bruchteil eines Moments wiedergehabt zu haben und es dann wieder zurücklassen zu müssen.

Khalid konnte - trotz seiner Vorliebe für Flüge - Flughäfen noch nie sonderlich leiden (zu viele gestresste Menschen, zu viel Hektik um nichts, zu viel Orientierungslosigkeit), aber jetzt gerade nimmt seine Abneigung gegen sie ganz neue Ausmaße an, und noch nicht einmal die Aussicht auf ein paar Stunden Flug, die ihn normalerweise definitiv aufheitern würde, kann seine Laune verbessern.

XIV.

Erzähl mir alles, hat Salihah geschrieben, während er unterwegs war.

Es gibt nichts zu erzählen, antwortet Khalid, als er in Kapstadt angekommen ist. Er weiß natürlich, dass das nicht stimmt, aber zumindest gibt es gerade nichts, was er erzählen will.

(Wie erzählt man, dass man auch nach all den Jahren immer noch genauso verliebt in den einen Mann ist, den man nie vergessen konnte, aber es nicht geschafft hat, ihm das genau so zu sagen? Wie erzählt man, dass man für ein paar Tage der glücklichste Mensch der Welt war, aber einfach keine Ahnung hat, wie es weitergehen soll?)

XV.

»Schreib ihm einfach«, schnaubt Syrinx, während sie mit einem unproportional großen Küchenmesser eine Karotte zerkleinert, als könnte das Gemüse etwas für ihre schlechte Laune. »Ist ja nicht mehr auszuhalten.«

»Ich hab doch gar nichts gesagt«, murrt Aris, während er mit einer Gabel eine Fusilli aus dem kochenden Wasser fischt, kurz darauf herumkaut und dann entscheidet, dass die Nudeln noch ein paar Minuten brauchen.

»Das ist ja das Schlimme.« Syrinx schiebt die Karottenwürfel vom Brett in den Topf, in dem schon klein geschnittene Zwiebeln und Knoblauchscheibchen vor sich hinbrutzeln. »Du redest kaum. Du - Aris - redest kaum. Muss ich dir wirklich erklären, was daran so ungewöhnlich ist? Schreib ihm, verdammt noch mal. Um was wollen wir wetten, dass er sich genauso wenig traut wie du und ihr, wenn keiner den ersten Schritt macht, wieder ein paar Jahre keinen Kontakt habt vor lauter Sturheit oder Schüchternheit oder was auch immer?«

Aris seufzt, lehnt sich gegen die Spüle und wischt sich die Hände an einem Stück Küchenpapier ab.

»Worauf wartest du?«, mault Syrinx weiter, während sie sich dem frischen Basilikum widmet. Immer noch mit diesem Messer, das Aris viel zu groß und viel zu gefährlich vorkommt für so ein bisschen Grünzeug. »Ich bekomme einen Topf Pasta schon allein unter Kontrolle. Ab ans Handy. Keine Widerrede. Schreib. Ihm. Endlich.«

XVI.

Meld dich, wenn du wieder »in der Nähe« bist. Oder, wenn du frei hast und herkommen möchtest.

Khalid starrt auf das Display. Es ist früh am Morgen, als er die Nachricht liest, Stunden, nachdem Aris sie abgeschickt hat.

Machst du dir gar keine Sorgen, wie das alles funktionieren soll? So … mit der Entfernung und den ständigen Reisen? Wie stellst du das vor? Bzw. … stellst du dir überhaupt irgendetwas vor?

Er ist noch nicht aufnahmefähig genug, um zu realisieren, dass er einfach nur seine Gedanken aufschreibt und abschickt. Im wirklich wachen Zustand hätte er das vermutlich nicht getan, aber vielleicht, denkt er, ist es besser so. Khalid ist nur ungern derjenige, der mit seinen ewigen Zweifeln alles ruiniert, aber irgendwer muss die Fragen stellen, irgendwer muss es aussprechen, und wie er Aris kennt, kann er das von ihm mit seinem unverbesserlichen Optimismus nicht erwarten.

Ich stelle mir vor, dass ich dich liebe. Eigentlich stelle ich mir das nicht nur vor. Das weiß ich sicher. Wenn ich ein bisschen Glück habe, erwiderst du das vielleicht. Immer noch. Oder wieder. Keine Ahnung. Und wenn ich sehr viel Glück habe, dann halten dich die Umstände (du weißt schon, Polygamie und Entfernung und so) nicht davon ab, mir eine zweite Chance zu geben. Ich weiß, das ist nicht sehr wahrscheinlich, aber das stelle ich mir vor. Das ist das, worauf ich jahrelang gewartet habe - wovon ich geträumt habe, besser gesagt. … Scheiße, ist das viel zu tippen. Wie wär's, wenn wir einfach telefonieren?

Mit einem Mal ist Khalid hellwach, und als er die Nachricht zu Ende gelesen hat, rast sein Puls, als sei er gerade einen Marathon gelaufen.

XVII.

»Hallo, Schönheit«, sagt Aris zur Begrüßung, als Khalid sich endlich vor dem Laptop niederlässt und auf den Bildschirm sieht, die Webcam bereits eingeschaltet. Die letzten fünfzehn Minuten hat er damit verbracht, nervös in seinem Hotelzimmer auf- und abzugehen und darüber nachzudenken, ob er dieses Gespräch wirklich führen möchte.

»Hi«, antwortet er mit einem leichten Lächeln.

Aris bringt ein Gähnen hervor. »Wie spät ist es bei dir?«

»Eine Stunde später als bei euch«, antwortet Khalid. »Fast acht, wenn die Uhr auf meinem Laptop nicht lügt.«

»Immer noch unmenschlich früh«, mault Aris.

Khalid muss darüber lachen. »Warum bist du überhaupt schon wach?«

»Seh ich aus, als könnte ich schlafen, nachdem ich so 'ne riskante Nachricht abgeschickt habe?« Aris gähnt erneut und für einen kurzen Moment tapst Syrinx ins Bild, stellt eine Tasse Kaffee neben ihm auf den Tisch und verschwindet dann wieder.

»Du hast jetzt nicht ernsthaft die Nacht durchgemacht, nur weil ich dir nicht sofort geantwortet habe?«

Aris zuckt mit den Schultern. »Schon möglich.«

Khalid seufzt und schüttelt den Kopf. »Du bist immer noch genauso unmöglich wie früher.«

»Heißt das, du liebst mich dafür auch immer noch genauso sehr?«, fragt Aris mit einem neckischen Grinsen.

Ein Schmunzeln schleicht sich auf Khalids Lippen. »Schon möglich.«

XVIII.

Wir bekommen das hin. Leere Worte, meistens, aber in diesem Fall fühlen sie sich nicht leer an, sondern warm und weich und nach aufrichtiger Hoffnung. Aris kann nicht aufhören, vor sich hin zu grinsen, wenn er daran denkt, wie das Gespräch gelaufen ist. (Er hatte bislang keine Ahnung, dass ein verdammtes Skype-Gespräch irgendjemanden so glücklich machen kann.) Wir schaffen das irgendwie. Ich meine, es gibt Autos. Und Züge. Und Flugzeuge. Und, weißt du, eigentlich würde ich auch einmal quer durch die halbe Welt laufen, wenn ich dich anders nicht sehen könnte.

»Gott sei Dank«, seufzt Syrinx und reißt ihn damit für einen Moment aus seinen Gedanken. Sie haucht einen Kuss zwischen Aris' Schulterblätter und drängt sich etwas näher an ihn, schließt ihn etwas fester in die Arme. »Ich dachte schon, ihr klärt das nie und ich muss mir für den Rest meines Lebens anhören, wie du von ihm schwärmst, ohne zuzugeben, dass du von ihm schwärmst.«

Das Videotelefonat hat mehrere Stunden gedauert, mittlerweile ist es fast Mittag, und sie haben die Jalousien heruntergelassen, die Fenster zusätzlich mit Wolldecken abgehängt, in der Hoffnung, in der (trotzdem noch nicht ganz perfekten) Dunkelheit vielleicht doch noch ein bisschen Schlaf finden zu können. Für Aris ist an Schlaf nicht wirklich zu denken, aber er genießt es, mit Syrinx eingekuschelt im Bett zu liegen, selbst, wenn sie einschläft und er nichts weiter zu tun hat als ihrem ruhigen, stetigen Atem zu lauschen. Das sind die kleinen Momente, in denen er Ruhe findet; Ruhe, die ihm nichts und niemand sonst geben kann.

»Gott hatte damit wenig zu tun«, erwidert Aris nach einer Weile. Er nimmt ihre Hand und führt sie kurz zu seinen Lippen, küsst ihren Handrücken, und legt ihr Handfläche dann auf seine Brust, genau dort, wo deutlich spürbar ist, dass sein Herz immer noch viel zu schnell pocht. »Du dafür umso mehr. Ich … weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll.«

»Dank es mir, indem du die Klappe hältst und mich endlich schlafen lässt«, murmelt Syrinx.

Aris kann sein Lachen nicht zurückhalten. »Klingt nach 'nem guten Deal.«

»Oh, und … wenn ich ausgeschlafen habe, erzählst du mir alles, was du über diese Salihah weißt, in Ordnung? Und sag Khalid, er soll sie mitbringen, wenn er uns das nächste Mal besucht. Dann sind wir quitt.«

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