(no subject)

Jan 19, 2007 21:59

Ein sehr empfehlenswerten Film:
„Das Leben der Anderen“.
Eine Auseinandersetzung mit ostdeutscher Geschichte.
Ein ernsthafter Film, ohne bösen Zeigefinger, Siegermoral und Schuld-Duschen.
Er beschönigt nichts, und wird doch auf einer ungewöhnlichen, unerwarteten Ebene ehrlich.
Der Film hat mich aufgewühlt, aber nicht geschockt.
Vielmehr hat sich eine Art innere Gelassenheit eingestellt: ja, so hat es sich angefühlt. Auch wenn das eine seltsame Aussage sein mag.

Wenn meine Augen diesen Film in mein Bewusstsein hineinschicken, stellt sich ein Gefühl im Bauch ein, welches eindeutig zu dieser damaligen Zeit gehört. Und dieses Gefühl ist mit vielem verbunden, aber seltsamerweise eben kaum mit Aufgeregtheit (das Wort ist nicht ideal).
Es gab Dinge in der DDR, die waren eben durch die eigene Person nicht abänderbar, zum Beispiel diese allgegenwärtlich (mögliche) Kontrolle. Sich darüber aufzuregen war verschwendete Energie oder dasselbe wie sich den Kopf an einer Mauer blutig rennen. Das kann man eine Weile vertragen, aber irgendwann schaltet sich eben der Überlebenswille ein. Die Energie konnte schliesslich lieber dafür eingesetzt werden, der Kontrolle zu entgehen oder eins auszuwischen ....
Alles ein Drama, und eben auch wieder nicht.
Um die Kontrolle wusste jeder.
Und: Wissen ist doch Macht!
Das gilt doch quasi für beiden Seiten, oder nicht? ....
Denn, wer um Kontrolle wusste, konnte beginnen, nach Wegen zu forschen, sie zu täuschen oder zu umgehen. So mochte der Stasi-Apparat kurz vor seinem Ende 89 nur noch verzerrte Bilder der tatsächlichen Realität eingefangen haben, weil das Volk sich eben schon lange nicht mehr in seine Köpfe hineinschauen liess. Wenn man wusste was zu sagen war, konnte man dies tun, und dennoch nebenbei etwas anderes denken ....

Viele kleine Wahrheiten in diesem Film.
Wie schnell, und vor allen Dingen: durch was für belangslose Dinge die eigene Person erpressbar werden konnte unter einer Diktatur.
Ganz schnell konnte was passieren.
Ein falsches Wort in ein falsches Ohr hinein.
Und vielleicht hatte dieses Ohr ausgerechnet an diesem Tag auch noch schlechte Laune.
„Sich-etwas-zu-Schulden-kommenlassen“ ist unter einer Diktatur eben ein Begriff, der nach Belieben der Kontrollorgane, ausdehnbar und interpretierbar ist.
Unberechenbarkeit.
Das war das Beängstigende und die Psychokacke bei dem ganzen Spiel.
Man wusste nicht wirklich, ob man abgehört wurde.
Man zögerte und fragt sich, ob die Aufforderung zum Erzählen eines politischen Wtzes ernstgemeint war oder vielleicht eine Falle?

Dieser Film zeigt Menschen.
JEDER Mensch, egal ob (zufällig) in einer Demokratie oder Diktatur geboren, hat seine hellen und dunklen Seiten und IST dadurch manipulierbar.
Selbstillusorisch, wer das verleugnet.
Manipulierbar, entweder durch die Befriedigung von Gier und der Bedienung von Eitelkeiten oder weil man (durch was auch immer)(sozial) erpressbar geworden ist.

Die letztendlich Handelnden sind nicht Ideale, sondern Menschen.
Ideale werden vorgeschoben, um Eitelkeiten zu überdecken.
Der Film macht darauf aufmerksam, das ist seine stille Wahrheit.
Und das war es auch, was mir, nachdem ich ihn gesehen habe, Erleichterung verschaffte. Erleichterung von dieser Kollektivschuld im „bösen“ Osten geboren worden zu sein.
Danke, für die Erkenntnis, dass hier Menschen gelebt haben.

Die Begleiterscheinungen des Menschlichen bleiben analog, egal unter welchem System sie sich abspielen. Die Maske, mit der sich das Gesicht der Menschlichkeit in beiden Systemen belegt, ist/war mal offen hässlich und extrem, mal scheinheilig freundlich.
Aber immer wieder blitzt eben auch wahre, liebende Menschlichkeit hindurch.
Der Ausgleich bzw. die Suche danach, ist ein Grundgesetz, dem sich kein System entziehen kann.
Selbst so ein Kontroll-Monster wie die Stasi konnte es nicht verhindern, dass sich aus ihren eigenen Reihen heraus Menschlichkeit entwickelte. Wo ganz Schlimmes ist, ist eben irgendwo auch etwas Gutes, auch wenn es nur ganz, ganz klein sein mochte.
Ein einzelnes kleines Rädchen.
Ein Offizier, wie er sich vom Belauscher zum Beschützer entwickelt.
Ohne, dass diese Handlung auf einer bewussten Entscheidung seinerseits beruhte, ohne das Ziel der Heldenhaftigkeit. Er rutscht ohne sein Zutun immer weiter.
Egal, wie stark die Kontrolle eben auch quetscht, der Überlebenswille des Menschlichen ist stärker. Auch wenn nur ein einzelnes Rädchen unter Tausenden aufgrund von Menschlichkeit läuft und nicht aus Eitelkeit oder Angst, dann ist dies ein Sieg von Menschlichkeit. Der Offizier kann den Apparat (natürlich) nicht verändern, dennoch konnte er dafür sorgen, dass die Klauen dieses grossen Tieres wenigstens einmal leer blieben, obwohl sie sich bereits aufmerksam geworden nach einem bestimmten Menschen begannen, auszustrecken.

Überall sitzen an den Machtpositionen Menschen - hüben wie drüben, damals wie heute. Und weil das Diabolische an der Macht eben der Umstand ist, dass mit ihrer Verleihung auch gleichzeitig und sich gegenseitig bedingend die Angst um ihren Verlust mitgegeben wird, benutzen MachtMenschen ihre Macht manchmal nicht dazu, Evolution und Entwicklung voranzubringen, sondern nur zu dem Zweck, abzusichern, dass sie ihre Macht nicht wieder verlieren.
Macht, die sich im Kreise dreht und dadurch nicht mehr kreativ / produktiv sein kann.
Aufgrund von Eitelkeiten!
Was für eine Verschwendung!
Es ist zum Haare raufen!


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