Titel: Wie im Märchen
Autorin: Ich
Pairing: Thomas Müller/Holger Badstuber; past!others
Rating: PG-13
Disclaimer: Siehe mein Profil.
Summary: Die WM bringt viele Seiten an einem Menschen zu Tage. Holger bemerkt ziemlich schnell, dass er eine Entscheidung treffen muss, auf die eine oder andere Weise. Was wird das für ihn bedeuten und die Menschen, die er liebt?
Er fühlte sich irgendwie schwer. Es war ein eigenartiges Gefühl seine Beine über den Boden zerren zu müssen, aber er beschwerte sich nicht. Er hatte es schließlich nicht besser verdient und es wäre ihm sehr viel unangenehmer gewesen, wenn er auch nur einen Funken Glücks verspürt hätte.
Immer wieder sah er vor sich das Bild des blonden Serben, der sich -nicht zum ersten Mal- an ihm vorbeidrängte.
Tor. Jubelnde Serben.
Er kniff kurz die Augen zusammen; es war besser nicht so genau darüber nachzudenken. Es nützte jetzt ohnehin nichts mehr und es wurde auch nichts besser dadurch. Er musste sich auf das Training konzentrieren, auch wenn ihm das schwerfallen mochte. Schließlich wollte er doch gegen Ghana wieder spielen.
Oder?
So sicher war er sich da nicht. Er hatte leider einen nicht unerheblichen Teil seiner Freizeit damit verbracht seinen eigenen Namen zu googlen. Ihm war bewusst geworden, dass das Internet ein schlechter Ort war, die unterste Schale der Hölle, wenn man im Licht der Öffentlichkeit stand und einen Fehler gemacht, Deutschland um etwas betrogen hatte, das ihm zustand. Zumindest schien es so.
"Was grübelst du denn schon wieder?"
Lukas tauchte neben ihm auf und legte ihm seine warme Hand in den Nacken. Er drückte leicht zu und lächelte auf diese Weise, die einen Katzenmenschen dazu hätte bringen können mit Freuden einen Pappkarton mit Hunde-Babys mit nach Hause zu nehmen.
"Ich grüble drüber nach, was ich heute essen soll." Er lächelte zurück, obwohl er sich bewusst war, dass es bei ihm nie so wunderbar strahlend sein würde wie bei Lukas.
"Hm." Die Hand drückte noch ein wenig fester zu und beinahe spürte er wie Lukas' Kraft auf ihn überging. Es war eine Art 'Obi-Wan tröstet den jungen Skywalker'-Situation, aber Holger schöpfte dennoch Hoffnung daraus.
Irgendwann würde es einfacher werden.
Klar, er war nicht Profi geworden weil er eine Mimose war, die sich alles zu Herzen nahm, aber es war doch etwas ganz anderes bei einer Weltmeisterschaft so zu versagen.
Lukas schien das nicht zu stören, obwohl er einen Elfmeter versaut hatte.
"Hm," wiederholte Lukas. "
Und aus irgendeinem Grund, den Holger sich selbst nicht so recht erklären konnte, schien Lukas' Gelassenheit ihn weiter zu bringen, weiter als Holger folgen konnte. Lukas spielte gegen Ghana. Er spielte auch gegen England. Holger war sich selbstverständlich bewusst, dass Lukas der Mannschaft in der Vergangenheit gute Dienste geleistet hatte und dass solche Dinge zweifelsohne eine Rolle spielten, wenn es um Nominierung und Aufstellung ging.
Das nagende Gefühl, das wehmütige Ziehen in seiner Brust rührten nicht daher.
Zum zehnten Mal glitt Holgers Blick nun schon über die Decke des Hotelzimmers und blieben immer wieder an der Fliege kleben, die dort einen jähen Tod unter Thomas' Handtuch gefunden hatte.
Thomas.
Holgers Bauchmuskeln krampften sich für einen Moment schmerzhaft zusammen, seine Finger krallten sich ins Laken neben ihn; es war bereits nass vor Schweiß.
Mit einer unwilligen Kopfbewegung schleuderte er sich das Haar aus der Stirn. Er sollte dringend einen Friseur aufsuchen, sobald er wieder in München war.
Thomas.
Sie waren zusammen in München so wie sie immer zusammen gewesen waren und Holger hatte das eigentlich auch nie gestört. Es war ein beruhigendes Gefühl gewesen zu wissen, dass ein anderer das gleiche fühlte, das gleiche dachte und erlebte.
Sie waren die Sterne des Südens.
Aber dann war es anders gekommen. Holgers Stern war zu einer Supernova in Serbiens Orbit geworden. Er grinste ein wenig über seinen eigenen Vergleich - die ganzen 'Star Trek'-Folgen waren also doch nicht umsonst gewesen. Zumindest konnte er jetzt eine poetische Beschreibung für 'abserviert' finden, die selbst gestandenen Journalisten entgangen war.
"Messi kriegt eins auf die Fressi," murmelte er und lachte wieder.
In diesem Moment klopfte es an der Tür und Holger schreckte hoch als wäre es das Gebrüll eines ausgehungerten Löwen anstatt der sanften Reibung von Fingerknöcheln auf Holz.
"Ja?" Er stand bereits mit einem Bein, das andere hatte sich irgendwie in der Decke verfangen.
"Ich bin's. Lasst mich rein?"
Thomas.
Nein, das passte ja einfach zu perfekt. Der junge Shooting Star auf Besuch bei dem verkohlten Häufchen Sternenstaub. Thomas hätte auch ganz bestimmt kein Problem seine Beine aus einer dummen Decke zu befreien...
Die Augen über sich selbst rollend, zerrte Holger ein weiteres Mal. Es konnte einfach nicht sein, dass ein erwachsener Mann Probleme mit einem dünnen Stück Leinen hatte. Solche Dinge passierten einem einfach nicht, wenn man für Deutschland spielte.
'Nicht, dass du das tätest, aber-'
"Hey! Schläfst du etwa schon?"
"Nein, nein. Bin gleich da. Wart mal kurz."
Und diesmal funktionierte es, wie bei einem klemmenden Autogurt, der sich durch Sanftheit, nicht Gewalt lösen ließ. Holger blickte auf die Decke. Es überkam ihn ein merkwürdiges Gefühl, wie damals als er sein erstes Tor gemacht hatte. Dieser Augenblick war wichtig, er war kostbar.
Er durfte das niemals vergessen; er hatte etwas wichtiges gelernt.
Er fixierte die harmlos in sich zusammengefallene Decke mit einem strengen Blick ehe er sich endgültig zur Tür wandte. Er musste zugeben, jeder Schritt fiel ihm schwer. Es war als liefe er noch einmal gegen die Serben und wieder mangelte es ihm an Kraft. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch die Nase ein.
Es war nicht Thomas' Schuld und sein Freund brauchte ihn im Moment vermutlich mehr als er sein bescheuertes Selbstmitleid. Sperre im Halbfinal... das war einfach nur bitter.
Und dann, als er die Tür geöffnet hatte und in dieses vertraute Gesicht blickte, da war auf einmal alles leicht. Seine Arme schlangen sich um Thomas sobald er die seinen geöffnet hatten und es war eigentlich wie immer.
Und der Stern strahlte in diesem Moment stark genug, um sie beide in ein Licht der Freude zu tauchen.
Argentinien war bezwungen.
To be continued...