Ficathon:
Dark Ficathon Fandom: original
Characters: Jascha, Frederik
Genre: thriller, fantasy
Rating: P-16
Warning: mentioned scars and old wounds, mention of murder and kidnapping, alcohol and alcohol abuse
Prompt: everything real casts a shadow, and the shadow is real von
tears_into_wine Note: maybe a prolog for something? idk
Sie hätte sich wohl jeden beliebigen Ort aussuchen können, um ihre Gedanken in Alkohol zu ertränken. Er hätte sie überall gefunden. Als sich sein Schatten - geworfen von einer fast leeren, schon leicht flackernden Laterne oberhalb des Tresens in seinem Rücken - über ihren Tisch erstreckte und sie nicht mehr erkennen konnte, ob sich noch etwas in ihrem Glas befand oder nicht, stieß sie ein frustriertes Seufzen aus und lehnte sich träge zurück. Gelangweilt betrachtete sie ihn, einfach weil er sowieso gleich ihre Aufmerksamkeit einfordern würde. Er sah so gut aus wie immer. Ein eleganter Anzug, darüber einen schwarzen Mantel, der fast bis zum Boden reichte und das wilde Haar am Hinterkopf mit einem Knoten gebändigt. Ja … Frederik war eine Erscheinung, die man so schnell nicht mehr vergaß. Vor allem diese eisblauen Augen brannten sich ein und wenn man es übertrieb, dann folgten sie einem bis in den Schlaf.
Als er fragend auf den leeren Stuhl gegenüber von ihr deutete, zuckte sie mit den Schultern und er ließ sich nieder, faltete die behandschuhten Hände auf dem Tisch und beäugte missbilligend ihr Glas. »Jascha - warum trinkst du diesen billigen Fusel, der nur dafür gut ist, um dir die Innereien wegzuätzen?«
Sie antwortete nicht, sondern hob stattdessen das Glas und nahm provokant einen Schluck. Er mochte recht haben. Das Zeug schmeckte widerlich und man spürte jeden Zentimeter, den die Flüssigkeit zurücklegte, bis sie rumorend im Magen ankam. Nur schade, dass sie noch nicht genug getrunken hatte, um seine Anwesenheit und die aller anderen hier ausblenden zu können.
»Was willst du?«, fragte sie schließlich, nachdem sie den Inhalt geleert hatte und überlegte, ob sie sich gleich einen neuen Drink holte. Aber das wäre wohl unhöflich.
»Sie suchen wieder nach dir. Ich dachte, das solltest du vielleicht wissen, falls zu vorhast, irgendwo ungeschützt deinen Rausch auszuschlafen. Sie haben aufgerüstet.«
»Sie suchen immer nach mir. Sie finden mich, sperren mich ein und im nächsten Atemzug bin ich wieder draußen. Langsam wird es langweilig.«
»Nun … ihnen werden diese Spielchen nicht langweilig und irgendwann werden sie einen Weg finden, um dich zu bannen. Es ist nur eine Frage der Zeit.« Frederik hob die Hand und der Wirt eilte herbei. Aus Ehrfurcht. Nicht etwa, weil er seine Arbeit gut machte. »Bringen Sie mir ihren besten Schnaps!«
Das Glas stand nur wenige Augenblicke später vor ihm und er schob es direkt zu ihr. Abermals hob sie die Schultern, nahm einen Schluck und spürte, dass dieses Gebräu ihr direkt in den Kopf stieg - anders als das Gesöff zuvor. »An deinem Geschmack scheint sich nichts geändert zu haben.«
»Sicher … was hast du erwartet? Du kennst dich einfach nicht gut genug aus, aber lassen wir das. Jascha … die Lage ist ernst. Ich kann leider nicht riskieren, dass sie dich kriegen. Dafür bist du zu wichtig.«
Fast wollte sie lachen. Der Drang verursachte aber nur, dass ihr der Schnaps von eben sauer aufstieß. »Ich bin nicht wichtig. Meine Fähigkeit ist es. Mehr hat dich nie interessiert.«
»Tut mir leid, Schätzchen. Was willst du denn? Eine schnelle Nummer in einem der oberen Zimmer? Ein bisschen Kuscheln nach ein wenig Bettgeflüster, bei dem ich dir versichere, dass du ganz und gar nicht unwichtig bist? Ich könnte es versuchen, aber vermutlich würde es nicht viel bringen. Dafür fehlt dir einfach ein sehr wichtiges Körperteil.«
»Ich will es nicht wissen«, brummte sie, stand auf und ging zum Tresen. Sie hatte beobachtet, aus welcher Flasche der Wirt ihr das Glas eingeschenkt hatte. Die nahm sie gleich direkt mit, ohne dass der Wirt es bemerkte. Sie setzte die Flasche an, als sie sich wieder hatte sinken lassen und genoss das Brennen, das ihr das Gebräu verpasste. Wie sehr sie sich nach jedem Gefühl verzehrte - es war fast schon traurig. »Sag mir schon, was du von mir willst, damit ich mich endlich in Ruhe betrinken kann.«
»Wer sagt dir, dass ich etwas von dir will? Ich wollte dich nur warnen.«
»Du tust nie etwas, ohne irgendeine Gegenleistung zu erwarten. Also? Wen soll ich für dich töten?«
Frederik seufzte theatralisch und verdrehte die Augen. Nur eins bewegte sich. Das Andere … nun … soweit sie wusste, war es aus Glas, aber gerade das machte sie für ihn sichtbar. Einer der Gründe, warum er sie überall aufspüren konnte, so weit sie sich auch von ihm entfernte. Kein Ort war sicher vor ihm. Der einzige positive Aspekt dieser Sache war der, dass er nicht mit ihnen kooperierte, sonst könnte sie wohl nicht seelenruhig hier sitzen und die Welt da draußen vergessen. Ihr war nicht entgangen, dass sie ihre Leute ebenfalls mit diesem Blick ausgestattet hatten. Aber sie waren zum Glück nicht so omnipräsent wie der Mann, der vor ihr saß und der kaum älter aussah als sie und es doch war. Sehr viel älter.
»Warum muss bei dir immer alles in Mord und Totschlag enden?«, hakte er schließlich nach, ehe auch er nach der Flasche griff und einen Schluck nahm. Er verzog ein wenig das Gesicht, wirkte danach aber wieder sehr viel entspannter. »Nun … du hast mich durchschaut. Ich habe durchaus Arbeit für dich, aber ich will nicht, dass du jemanden tötest. Ich will, dass du etwas stiehlst.«
»Du hast doch schon alles. Was solltest du noch wollen?«
Er schenkte ihr ein nichtssagendes Lächeln, ehe er in die Innenseite seines Mantels griff und etwas hervorholte, das sich als ein Bild entpuppte, als er es in ihr Sichtfeld schob. »Ich habe mich vielleicht ungeschickt ausgedrückt. Du sollst nicht etwas stehlen, sondern jemanden.«
»Wie soll man denn jemanden stehlen?«, fragte sie, ehe sie das Bild an sich nahm. Ein junger Mann blickte ihr entgegen. Kurze, dunkle Haare, fast schwarze Augen, etwas dreckig im Gesicht. Sie konnte sich keinen Reim daraus machen, was Frederik an diesem Mann so wichtig finden sollte. Er wirkte nicht wie jemand, der in das Beuteschema ihres Gesprächspartners passte. »Warum er?«
»Das hat dich nicht zu interessieren. Fakt ist, dass er gefangen genommen und in die Minen gebracht wurde. Dort wird er sich zu Tode arbeiten. Das ist sehr viel schlimmer, als einfach getötet zu werden, aber das weißt du ja selbst. Du kennst die Minen …«
Ehe Erinnerungen sie übermannen konnten, schob sie das Bild wieder in seine Richtung und schüttelte den Kopf. »Kein Interesse. An diesen Ort gehe ich nicht zurück.«
»Es ist nicht so, dass du eine Wahl hast, Jascha.«
Sie hob eine Augenbraue und griff nach der Flasche. Aber sie trank nicht aus ihr, sondern umfasste sie so fest, dass das Glas anfing zu knirschen. »Drohst du mir?«
Er lachte heiser. »Nein. Das brauche ich gar nicht. Du kennst die Gefahr und weißt, dass ich der Einzige bin, der dir helfen kann, weil ich gut informiert bin, meine Kontakte habe.«
»Ja … deine Geister sind überall.«
»Richtig. Und ich finde, ich habe mir mehr als einen Gefallen bei dir verdient. Aber vielleicht ist dir die Aufgabe ja zu schwer. Dann suche ich mir jemand anderen. Jemanden, der meinen Anforderungen gerecht wird.«
Damit bekam er sie, denn wenn es etwas gab, woran Jascha noch hing, dann war es ihre Ehre als Kämpferin. Das war alles, was ihr noch Leben einhauchte. Und er wusste das genau. »Du bist ein verabscheuungswürdiges Wesen, Frederik …«
»Du bist nicht der erste Mensch, der mir das sagt.« Er grinste amüsiert und beobachtete, wie sie einen weiteren Schluck des teuren Schnapses nahm, ehe sie sich mit dem Handrücken fahrig über den Mund wischte.
Langsam begann der Alkohol zu wirken. Schon allein das Sitzen fühlte sich vage an. »Wie heißt dieser Mann, den ich stehlen soll?«
»Der Name ist nicht wichtig. Du wirst ihn spüren. Er … ist gewissermaßen wie du.«
Das verlieh diesem ganzen Auftrag eine sehr trockene, nüchterne Note. Jascha beugte sich langsam nach vorn, stützte ihre von Narben und anderen alten Verletzungen zerschundenen Arme auf den Tisch und kam ihm so nahe, wie es in dieser Haltung möglich war. »Daher weht also der Wind? Du willst ihn in die Hände bekommen, damit ich ersetzbar werde. Und was dann? Verrätst du mich an sie?«
»Herzchen … wie lange kennen wir uns jetzt schon?«, stellte er ihr eine direkte Gegenfrage und lehnte sich auch mehr zu ihr hin, sodass ihr sein teures Parfum in die Nase stieg, die sofort anfing zu kribbeln. »Ich habe schon so viele Gelegenheiten gehabt, um dich zu verraten, dass ich sie schon gar nicht mehr zählen kann. Und ich habe nicht gelogen, als ich meinte, dass du nicht unwichtig bist.«
»Das beantwortet nicht alle meine Fragen. Was ist dann? Was passiert, wenn ich ihn dir bringe?«
Frederik lächelte. Und dieses Lächeln stand seinem eisigen Blick in nichts nach. Er brachte wieder Distanz zwischen sie, indem er aufstand, sich seinen Mantel richtete und ihr das Bild überließ, das noch immer beinahe anklagend auf seiner Seite des Tisches lag und von dem sie sich mehr und mehr beobachtet fühlte. »Ich habe meine Gründe, Jascha. Du wirst es früh genug merken. Ich gebe dir eine Woche. Da sollte genügen.«
Er hob zwei Finger an seine Schläfe und entfernte sich von ihrem Tisch. Erst, als all die Stimmen, die zuvor dagewesen waren, wieder einsetzten, fiel ihr auf, wie still es die ganze Zeit gewesen war. Kaum, dass Frederik die Spelunke verlassen hatte, wurden belanglose Gespräche lauter und der Gestank kehrte zurück. Jascha schloss die Augen, ehe sie leise fluchend ihre langen Haare zurückstrich, aufstand und schwankend innehielt. Sie sah die Flasche an. Halb voll war sie noch. Harsch griff sie nach dem Hals, machte ein paar unsichere Schritte und fing sich dann wieder. Auch wenn sie es nicht tun müsste, so legte sie dem Wirt doch das Geld hin, das sie ihm schuldete und steuerte die Tür an, während der bärtige Spelunkenbesitzer herauszufinden versuchte, woher plötzlich die Münzen auf seinem Tresen stammten. Jascha durchquerte die Tür, ohne dass ein Luftzug die nahe an der Tür sitzenden Gäste irritieren konnte. Schnee tat sich vor ihr auf. Das Licht, das von dem Sichtfenster an der Tür nach draußen drang, wurde von ihrer Gestalt nicht unterbrochen.
Ein Schatten war schließlich etwas für die Lebenden.