Betrunkene sagen immer die Wahrheit

Oct 27, 2016 22:50

Fandom: Harry Potter
Format: One Shot (geteilt)
Pairing: Percy/Oliver
Rating: P-12 Slash

Fortsetzung von: Betrunkene finden immer nach Hause

Irgendwann hört er Geräusche von dem Bett neben seinem. Percy weiß, wer es ist und er weiß, dass es wenig Sinn machen würde, Oliver schon jetzt mit seiner noch immer sehr präsenten Wut zu konfrontieren, so viel Zeit auch vergangen sein mag. Percy hält die leuchtende Spitze seines Zauberstabs über seine Armbanduhr. Es ist gerade einmal halb fünf. Vermutlich hat die trunkene Übelkeit Oliver endlich eingeholt ... oder aber seine zu volle Blase.
Was auch immer der Grund sein mag - Percy bleibt still, liest weiter in dem Buch über die unterschiedlichen Verwendungen von Schwarzwurz und Eisenkraut, während seine Ohren größer und größer werden und die Schritte seines Nachbarn immer leiser. Leicht schwankend, aber nicht hastig. Vermutlich ist dem Quidditchkapitän nicht übel. Über die Erleichterung, die sich in Percys Bauch ausbreitet, flucht dieser im nächsten Moment still für sich und da sich seine Konzentration zusammen mit Oliver von dannen macht, schlägt er widerwillig das Buch zu, schiebt es zwischen seinen Vorhängen hindurch, um es auf seinem Nachttisch abzulegen, und rollt sich dann unter seiner Decke zusammen. Wenigstens noch zwei Stunden, die er schlafen kann. Wieder einmal hat er die Kurve nicht gekriegt und die halbe Nacht durchgearbeitet. Er muss sich das dringend abgewöhnen. Die Prüfungen stehen an und wenn er bei diesen nicht in Höchstform ist, war all die Mühe umsonst.

Aber an Schlaf ist nicht zu denken.
Nicht, solange Oliver nicht in sein Bett zurückkehrt.
Und ... er kommt nicht wieder.

Zu Percys angestauter Wut gesellt sich eine gehörige Portion Frust und er stampft hörbar in Richtung des großzügigen Badezimmers, bleibt aber schon an der Tür stehen. Eine der Duschen ist an. Er sieht aber keine Kleidung. Er hat Oliver das Meiste ausgezogen, aber trotzdem ... wenigstens die Shorts und das Shirt müssten hier irgendwo zu finden sein.
Percy geht langsamer weiter, dreht sich noch einmal um, nur um sicher zu gehen, dass ihre anderen Zimmergenossen noch den Schlaf der Gerechten schlafen, ehe er sich langsam den Duschen nähert.

Der Anblick ist befremdlich. Oliver steht dort, hat die Stirn an die Fliesen gelehnt, während sich das nasse Shirt eng an seinen Körper presst und die Shorts schon gefährlich tief hängen. Wie kam Oliver jetzt bitte auf die Idee, in Sachen duschen zu gehen? Träumt er vielleicht noch?
»Oliver?«
Percys Stimme zeigt keinen einzigen Anflug von dem Frust und der Wut, die ihn eben haben aufstehen lassen. Da ist nur Sorge. Viel mehr, als er selbst von sich erwartet hat. Das dort ist nur Oliver. Der allseits beliebte, umschwärmte Oliver, der einfach mit einer Niederlage nicht klar kommt. Da ist nichts dabei. Dinge passieren eben.
»Oliver?«
Keine Reaktion. Vielleicht ist der Größere einfach wieder eingeschlafen. Nicht nur die Stirn stützt ihn, sondern auch die kräftigen Arme, die er über seinem Kopf an die Wand gelehnt hat. Percy kann sich nicht helfen. Das Bild, das sein Freund da abgibt, ist genauso erschreckend wie faszinierend und sein Hirn kann sich nicht entscheiden, welches Gefühl überwiegt. Er hat Oliver noch nie so zu Gesicht bekommen ... und das ganz unabhängig von der Richtung, die seine Gedanken einschlagen. Auch wenn eine dieser Richtungen weitaus erschreckender ist als der Anblick an sich.

Percy schüttelt den Kopf, nähert sich der Dusche entschlossener und dreht das Wasser ab. Natürlich geht das nicht, ohne den Ärmel seines Pyjamaoberteils nass zu machen. Seine Augenwinkel zucken alarmiert.
»Was glaubst du, was du da tust?«, blafft er den nassen Mann vor sich an und greift nach den breiten Schultern. Die hellen Augen gleiten an ihm vorbei ins Leere, der ganze Körper sackt nach vorn und Percy stemmt sich hastig dagegen, legt die Arme um den Anderen und ... kriegt es einfach nicht in seinen Kopf. Was ist hier nur los?
»Percy ...«
»Reiß dich zusammen! Ich bring dich wieder ins Bett.«
Percy versucht, sich zu drehen, aber es bleibt bei dieser losen Idee. Das Gewicht des Anderen verlagert sich plötzlich und die nassen Arme schlingen sich um ihn. Percy stockt der Atem. Warum ist Oliver so viel größer und kräftiger und ... tut dann so etwas?
»Oliver! Lass mich los! Was ist nur los mit dir?«
»Ich hab ... gewettet. Mit Roger ...«
»Roger Davis?«
»Ich hab gewettet ... und verloren ...«
Die Umarmung wird so heftig, dass Percy befürchtet, keine Luft mehr zu bekommen, sollte er irgendwann imstande sein, seinen angehaltenen Atem wieder entweichen zu lassen. Schockstarre. Als etwas anderes kann man das, was er da gerade tut, nicht bezeichnen. Eine Wette? Um was bitteschön? Sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken, so als Verlierer? Roger hat das auch ganz gut hinbekommen, obwohl er als Sieger aus dem Quidditchspiel hervorgegangen ist. Das kann es nicht sein. Was dann?

»Ich mag dich, Percy.«

Vielleicht muss Oliver irgendwelche Hausaufgaben in einem Fach machen, das er nicht leiden kann und das für Roger oder aber ... moment ... was?
»Was hast du gesagt?«
Natürlich hat Oliver ganz spontan seine Stimme verloren und mit ihr diesen scheinbar klaren Moment und Percy glaubt tatsächlich, sich verhört zu haben. Die Erinnerung an die Worte schwindet bereits. Oliver scheint sich etwas zu berappeln, stützt sich mehr auf Percys viel schmalere Schultern und richtet sich auf, sodass sich endlich ihre Augen auf einer Ebene begegnen. Der kurze Anflug von Beruhigung macht sich geprügelt wieder davon, als Percy sich des Blickes gewahr wird, der da auf seinem ruht.
Die Worte wiederholen sich.
Klarer als vorher. Als würden sie aus den tiefsten Untiefen hervordringen, in denen sie so gut verborgen waren.

»Ich mag dich, Percy.«

Hände wandern. Von den Schultern, an dem schmalen Hals entlang, hinauf zu den Wangen. Augen werden so groß, dass sie aus den Höhlen zu fallen drohen, während sich Olivers schließen. Flüchtig - die Berührung, die folgt. Eine heiße Stirn lehnt sich an jene von Percy, die überzogen ist mit kaltem Schweiß. Stress. Angst. Er weiß gerade nicht, was passiert. Wie ein Film gleitet das an seinen Augen vorbei. Er kann nicht eingreifen. Er kann nichts tun.
Ein nasser Oliver.
Ein niedergeschlagener, gleichzeitig sehnsüchtiger Blick.
Eine Wette.
Roger.
Oliver mag ihn.
Roger weiß, dass Oliver Percy mag.
Weiß er es? Was?
Zu viel, das Percys überforderten Verstand überrollt und alle Mauern, bestehend aus Erkenntnissen, die von seiner Belesenheit herrühren, niederreißt.

Auf so etwas hier ... kann einen kein Buch der Welt vorbereiten.

Seine Lippen zittern noch, wollen Worte formen, aber können es nicht. Und Oliver ist schlagartig nüchtern, spürt, wie ihm die Hitze ins Gesicht steigt, und löst die Hände von Percys Schultern - entsetzt von dem, was er da gerade getan hat, während seine Lippen seltsam prickeln.
Percys Anblick lässt sein Herz ins Bodenlose stürzen. Es ist falsch gewesen. Dass er Roger davon erzählt hat, wie lange er den Weasley schon nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Dass er sich auf diese Wette eingelassen hat, bei der er als Verlierer Percy seine Gefühle gestehen muss. Und er konnte das einfach nicht in einem nüchternen Zustand, denn genau vor diesem Anblick hier ... hat er sich unglaublich gefürchtet.
»Was?«, haucht Percy ein weiteres Mal und seine Lippen zittern so sehr wie seine Knie, die sein Gewicht nur noch mit gutem Willen halten können. Jede Kraft ist aus ihnen gewichen.
»Verzeih ... ich ... das ... vergiss, was ich gesagt habe!«

Die nackten Füße hinterlassen nasse Spuren auf dem blanken Boden, als Oliver davoneilt. Percy lehnt sich schwer an die Wand hinter seinem Rücken. Feucht wird der Stoff seines Schlafanzugs ... und letztlich die Haut unter ihm, als er an den Fliesen hinab rutscht und den Kopf senkt.
Nein ... er versteht nicht, was da gerade passiert ist.
Oliver mag ihn?
Und das hat er ihm jetzt - mit diesem Restalkoholpegel - gestanden, weil ... er eine Wette verloren hat?
Er hat keine Ahnung, ob er sich das gerade richtig zusammenreimt, sondern ist einzig und allein froh darüber, dass sein Gehirn die Fähigkeit des Denkens überhaupt wieder aufnimmt. Den gerade äußerst wichtigen Sinn findet er trotzdem nicht.
Oliver mag ihn.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schießt ihm die Hitze in die Wangen und sein Herz droht seinen Brustkorb zu sprengen. Er ... hatte ja keine Ahnung!
Und plötzlich fallen ihm Kleinigkeiten wieder ein, denen er niemals eine Bedeutung beigemessen hat. Olivers Anfragen, ob sie beide Hogsmeade unsicher machen wollen, die er stets ausgeschlagen hat - des Lernens wegen. Der Umstand, dass Wood immer zu ihm kommt, wenn er etwas nicht versteht, was so gut wie bei allem der Fall ist, was nicht mit Quidditch zu tun hat. Die Tatsache, dass er bei den meisten Mahlzeiten immer neben ihm sitzt. Dass er überhaupt mit ihm redet, obwohl er so viele Freunde hat und Percy eher als Einzelgänger fungiert.
»Oh Gott ...« Percy vergräbt die Hände in seinen Haare. Diesen Wuschelkopf, den Oliver so toll findet. Und plötzlich macht auch diese Aussage Sinn. Aber Oliver war ... ist trunken. Der weiß doch gar nicht, was er redet!
Das ist es, was sich Percy ganz verzweifelt bewusst machen will.
Gelingt nur bedingt. Seine Lippen zittern noch immer und vorsichtig schiebt sich die Spitze seiner Zunge über sie, streift die hochsensible Haut und ... bringt Ernüchterung. Kein anderer Geschmack. Was man so liest - ab und an - ist also völlig überspitzt. Aber dieses Prickeln ... als wären Olivers Lippen noch auf seinen. Wann geht das wohl weg? Und die Schamesröte auf seinen Wangen. Und das Kribbeln im ganzen Körper. Und ... und ... wie spät ist es überhaupt?

Es dauert, bis er endlich wieder aufstehen kann und die Wut zurückkommt, die um einige Komponenten gewachsen ist. Was bildet sich dieser Wood eigentlich ein? Ihn zu küssen und dann einfach zu verschwinden und ihn mit diesem schier unwirklichen und fremden Gefühl allein zu lassen, geht doch so nicht!
Und genau das wird er ihm gleich erzählen!
Und all die anderen Sachen, die sich Oliver in den letzten sechs Stunden geleistet hat!
Hätte er eigentlich Professor McGonagall davon in Kenntnis setzen müssen, dass er Oliver gefunden hat? Das sollte er schnellstmöglich nachholen, aber erst, wenn er ...

Er erreicht das Bett neben dem seinen, reißt die Vorhänge auf und ... findet es leer vor. Percy schnaubt, fährt herum und sieht sich genau um. Langsam ist die Zeit erreicht, in der Hogwarts nach und nach wieder zum Leben erwacht. Er hat wieder keinen Schlaf bekommen. Auch etwas, das er Oliver ankreiden sollte (davon abgesehen, dass er die Nacht so oder so mit Lernen verbracht hätte, ganz ungeachtet der Tatsache, dass er dieses Mal eben draußen herumgelaufen und verschwundene Schüler aufgespürt hatte). Von Oliver ist nichts zu sehen. Nur die nassen Sachen wurden getrocknet und liegen unordentlich auf dem Laken. Wood muss sich umgezogen und die Räumlichkeiten verlassen haben, solange er noch seine Ruhe gehabt hatte.
Percy findet das nicht gut.
Sein abermals hektisch schlagendes Herz lässt ihn das wissen. Sein Verstand geht da ganz rational ran. Wenn jemandem etwas leidtut, dann ... entschuldigt man sich eben oder man läuft davon. Oliver hat beides getan und das ist es wohl, was sein Innerstes in Aufruhr versetzt. Oliver sollten ganz andere Dinge leidtun, aber nicht ... das Geständnis.
Oh ... moment mal. Nein.
Percy runzelt die Stirn, lässt sich auf sein eigenes Bett sinken und starrt auf das ihm gegenüber.

Wie sollen sie sich denn jetzt gegenübertreten?

Die Frage erschreckt ihn. Die möglichen Antworten versetzen ihn regelrecht in Panik. Er schüttelt den Kopf, versucht die verschiedenen, unschönen Szenarien zu verdrängen und sucht sich Beschäftigung, um das zu können. Ausziehen, umziehen, seinen ersten Rundgang machen, um auch die Spätzünder rechtzeitig zu wecken.
Ja ... das alles sollte er tun und in seinem Kopf hat das alles schon Ton und Farbe angenommen.
Nur sitzt er immer noch auf dem Bett, hört wie aus weiter Ferne, dass sich auch seine anderen drei Zimmergenossen langsam aber sicher aus dem Schlaf kämpfen und mehr ins Badezimmer schwanken, als tatsächlich zu gehen. Randeindrücke. Vor seinem inneren Auge sieht er Oliver vor sich, beobachtet, wie dessen Gesicht näher kommt, und fasst sich an die Lippen, als der Kuss geschieht. So kurz und flüchtig. Einen einzigen Atemzug lang ... vielleicht.
Einen gemeinsamen Atemzug.
Romantischer Gedanke, wäre da nicht das Wissen, dass er die Luft angehalten hat vor Entsetzen. Er ist ein Idiot. Und Percy hat das bisher noch nicht sonderlich oft von sich selbst behauptet. Gab es überhaupt schon einmal einen Augenblick, an dem er so sehr an sich gezweifelt hat?
Nein.
Aber so eine Situation existierte bisher auch nicht.

»Herrgott noch eins! So geht das nicht!«, brummt Percy schließlich und erntet dafür irritierte Blicke, als seine Klassenkameraden aus dem Badezimmer zurückkehren. Doch ehe sie ihre Münder öffnen und ihn fragen können, was denn mit ihm los ist, rafft er seine Sachen zusammen, stürmt an ihnen vorbei ins Bad und zieht sich endlich um.
Er wird Oliver schon noch sprechen können. Er hat Aufgaben, um die er sich kümmern muss. Wichtigere Dinge als diesen zwischenmenschlichen Kram, den er sowieso nicht versteht, so intensiv er sich darüber auch gerade den Kopf zerbrochen hat. So hat er wenigstens Zeit, um sich zurechtzulegen, was er alles sagen und tun wird.

Denn es ist immer besser, einen Plan zu haben.

[zweiter Teil - Ende]

format: fanfiction, format: oneshot, fandom: harry potter, pairing: percy/oliver

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