Ficathon:
write your darlings Fandom: original, among heavy skies
Characters: Miraj & 7-2k
Genre: angst, drama, light erotic
Rating: P-16 Slash
Warning: blood, mention of cutting and knife plays
Prompt: It's the voices screaming in my head | The tragic truth | It's hard for me to understand myself | So it has to be had as hell for you von
Manchmal ertappt sich Miraj dabei, dass er die Dinge hinterfragt, die er tut. Bei seinem Job muss er das immer, aber darum geht es nicht. Nicht in diesem Augenblick. Er betrachtet die Tür vor sich, als wäre sie der Eingang zur Hölle und sein Verstand gaukelt ihm vor, dass er sich die Finger verbrennen wird, wenn er die Hand ausstreckt und sie berührt. Dabei muss er das, wenn er ihn sehen will. Aber will er das wirklich? Auf zwischenmenschlicher Ebene fragt er sich nie, was er tut. Die meisten Begegnungen passieren einfach. Auch jemand wie er braucht Nähe und gleichzeitig die Bestätigung, dass er ihn nicht braucht, um sie zu bekommen. Dabei ist die ganze Sache so viel größer und komplizierter, als er es je beabsichtigt hat. So ist es immer, wenn Gefühle im Spiel sind und das eigene Herz einen auch immer wieder daran erinnert, dass da jemand ist, der … nun … es spielt keine Rolle. Sein Vorhaben droht schon jetzt zu scheitern. Der Weg hierher ist zu gefährlich gewesen, um wieder umzukehren. Dazu kommt noch, dass er eine weitere Tour durch die Hitze des Tages nicht aushalten würde. Schon jetzt rinnt ihm der Schweiß am Rücken hinunter und ihm ist schwindelig. Das kann er also nicht so durchgehen lassen. Er kann sich nicht einmal sicher sein, dass ihm niemand gefolgt ist. 7-2ks Wohnung liegt auf einem der höchsten Gebäude der Stadt - fast so wie die ihre, nur zentraler - doch die umliegenden Gebäude sind nicht viel niedriger. Es muss nur die falsche Person zufällig aus dem Fenster schauen und schon war es das …
Nein - daran darf er jetzt nicht denken. Er befindet sich hier auf einem Präsentierteller und ihm ist zu heiß, um noch länger zu zögern. Ihm bleibt keine Zeit. Doch obwohl er sich dessen bewusst ist, bleibt seine Faust in der Luft hängen, bevor er klopfen kann, was an einer leisen Stimme liegt, die wohl von den Kameras kommt, die ihn sehr aufmerksam im Blick haben - aus jedem erdenklichen Winkel - und er kann sich viel zu gut vorstellen, wie 7-2k gerade vor den Bildschirmen sitzt, ihn anschaut und ebenfalls nicht weiß, was er tun soll.
»Was willst du hier?«
Miraj hebt den Blick und fokussiert eine der Kameras über der Tür. Es fühlt sich an, als wäre da ein Blickkontakt, aber … er sieht den Anderen nicht und sein Puls pocht dumpf direkt unter seiner Kinnlinie, als würde er hart pulsierend in seine Schläfen wandern wollen und diese Ablenkung kann er gerade nicht brauchen. Sein Kreislauf meldet sich immer drängender.
»Was denkst du denn?«, fragt er leise und sieht sich flüchtig um. Niemand zu sehen. Dennoch fühlt er sich hier alles andere als sicher und vielleicht - nur vielleicht - hätte er doch nachdenken sollen, bevor er sich auf den Weg gemacht hat. Doch die letzten Nachrichten, die Gefühle, die ihn so fertig gemacht haben, dass er sogar ein paar stumme Tränen vergossen hat - das alles war so viel stärker gewesen als seine Vernunft. Wäre Nivaan wach gewesen, hätte er ihn festgebunden, damit er nicht raus geht. Es dämmert bereits. Lange wird es nicht mehr dauern, bis sein Fehlen bemerkt werden wird. Und es wird auch nicht mehr lange dauern, bis auch der Rest der Stadt zum Leben erwacht und die Wachen von oben mit ihren Hovercrafts kommen, um durch die nächtlichen Straßen zu patrouillieren. Dann wird es unschön. Solange will er nicht hier draußen stehen.
»Verschwinde wieder. Ich will nicht, dass du hier bist.«
Ich …
Miraj weiß nicht, ob ihn das beruhigen oder eher Sorgen bereiten soll. Entweder hat 7-2k ausnahmsweise seine Tabletten genommen, bevor er ihn angeschrieben hat, oder er ist betrunken. Alkohol lässt sich viel zu einfach heranschaffen. Aber er ist kein Ersatz für Wasser. Er trocknet noch mehr aus. Er seufzt leise und legt die Hand an die Tür.
»Willst du, dass ich abgeknallt werde? Darauf bin ich echt nicht scharf.«
»Daran bist du selbst schuld. Ich habe nicht gesagt, dass du herkommen sollst.«
»Und doch bin ich hier, also lass mich rein. Bitte …«
Er bekommt keine Antwort. Und dass ihm langsam die Zeit wegläuft, ist ihm nicht einmal bewusst. Miraj ist einer von zwei Menschen, die den komplizierten Weg über Balkone und durch leere Wohnungen kennen, um bis auf diese oberste Etage zu kommen. Nicht einmal Nivaan kennt diesen Pfad. Der würde aber auch niemals freiwillig herkommen. Miraj versteht selbst nicht, warum er hier ist, aber als er ein Geräusch hinter sich hört, bereut er es endgültig. Er hat keine Waffe mitgenommen, hat nur das Messer, das in seinem Stiefel steckt und er wird nicht schnell genug sein.
Das war's …
Seine Augen weiten sich, während er herumfährt und den Verfolger sieht. Maskiert, dunkel gekleidet. Er hat schon viel zu viele von ihnen gesehen. Doch in dem Moment, als er sein Bein hebt, um das Messer aus seinem Stiefel zu ziehen, während der andere die Kalaschnikow schon auf ihn richtet, geht die Tür hinter ihm auf. Der Schuss aus der Schrotflinte ist so laut und so dicht an Mirajs Ohr, das er danach nur ein leises Pfeifen hört und sich die Hände auf die Ohren presst. Der Mann vor ihm fällt über den Sims des Daches - schwer verletzt von einer Ladung Schrot. Wie Miraj seinen Ex-Freund kennt, waren das nicht nur einfache Kügelchen. Irgendetwas Gemeines hat sich der General sicher einfallen lassen, um die Erfahrung noch schmerzhafter und tödlicher zu machen. Die Welt beginnt sich etwas schneller zu drehen, als sich Miraj zu seinem Retter umdrehen will.
»Oh …«, bringt er noch hervor, als seine Umgebung dunkler wird. Dieser kurze Schockmoment fordert seinen Tribut. Er spürt noch, wie eine kräftige, kühle Hand nach ihm greift und an ihm zieht. Es wird kühler. Stiller. Das Klicken mehrerer Schlösser dringt an sein Ohr. Der Mechanismus ist ihm vertraut, auch wenn es lange her ist, dass er ihn gehört hat. Die Wand in seinem Rücken. Die kühle Hand von eben drückte ihn an der Brust gegen sie.
»Miraj …«
Der Größere blinzelte träge. Sein Herzschlag normalisierte sich wieder. Ihm war noch immer warm, aber er hatte nicht mehr das Gefühl, in der Hitze zu garen. »Hm …«
»Es war dumm herzukommen.«
»Ich weiß.«
Als sich sein Blick endlich wieder fokussieren lässt, trifft er auf zwei sturmgraue Augen und sie haben ihn schon von jeher schwach gemacht. Sie sind ein wenig gerötet und beweisen, dass er nicht der Einzige gewesen ist, der durch den kurzen Mailverkehr aufgewühlt worden ist. Er will sich vorbeugen und sich einfach in ihnen verlieren, doch die kühle Hand hält ihn immer noch. Kaltes Metall auf durchgeschwitztem, dunklen Stoff. Es fühlt sich so angenehm an, doch hält Miraj gleichzeitig auf Distanz.
»Ich musste dich sehen«, erklärt er deshalb weiter, weil es wohl nicht zu reichen scheint, dass er seine eigene Dummheit eingesteht. »Ich … ich konnte nicht anders.«
»Dafür dein Leben zu riskieren, ist noch dümmer.«
»Freust du dich nicht wenigstens ein bisschen?«
Ein verwirrtes Blinzeln ist die Antwort darauf. Dann entweicht 7-2k ein Laut, der dem des vom Dach Gefallenen nahekommt. »Freuen? Warum sollte ich mich freuen?«
»Es ist eine Weile her …«
»Das ist kein Grund, sondern eine Ausrede. Du solltest wirklich nicht hier sein.«
Langsam wird dieser Spruch lahm und das bringt andere Emotionen zum Vorschein. Wut. Und sie ist schon so alt, so vertraut - Miraj hat nur nicht die Energie, um sie weiter zu unterdrücken. Er stemmt sich gegen die Hand und für einen Atemzug lang ist da wirklich etwas mehr Luft zwischen seinem Rücken und der Wand. »Lass dir mal was Neues einfallen! Ich bin aber hier und ich werde nicht wieder einfach so verschwinden. Ich will hier sein. Ich lass mir von dir nicht einreden, dass ich nicht mehr an meinem Leben hänge. Du glaubst gar nicht, wie satt ich es habe, dass du nur mit mir redest, wenn ich weit genug weg bin!«
Miraj schlägt den Arm weg, der ihn davon abhält, dem Anderen näher zu kommen. Nur eine Kleinigkeit hat er dabei vergessen. Er hätte ja nie gedacht, dass er mal derjenige sein würde, der am anderen Ende von 2ks Schrotflinte steht. Das ist zu viel des Guten. »Ist das dein Ernst?«
»Es ist wohl besser, du gehst jetzt wieder …«
»Den Teufel werd ich tun!«
2k würde nicht schießen. Deswegen greift Miraj nach dem Lauf der Waffe. 7-2k lässt nicht sofort los. Sie drehen sich, der Jüngere prallt gegen die Wand und lässt los. Mit einem Schnauben wirft Miraj die Flinte zur Seite. Vor sich 2k, über dessen Kopf er die Faust gegen den Stahl der Tür krachen lässt. Der Blonde zuckt nicht einmal zusammen, schaut nur zur Seite und presst die Lippen aufeinander. Solche Ausbrüche sind ihm nicht fremd und Miraj weiß das. »Warum nimmst du zu mir Kontakt auf, wenn du mich dann doch nicht sehen willst?«
7-2ks Gesicht ruckt wieder in seine Richtung und die farblosen Augen sind verengt und sprühen vor Wut. »Weil du nicht damit klarkommst, mich zu sehen! Wegen denen!«
Die letzten beiden Worte sind nicht weniger laut, als seine eigenen zuvor und doch ist Miraj überrascht von ihnen. Und von der Geste, die folgt. Die noch immer mit Blut verkrustete Hand hebt sich und ein einzelner Finger drückt sich gegen die blasse Schläfe. Dann senkt sie sich wieder und 7-2k stößt sich von der Tür in seinem Rücken ab, um eben jenen Finger von eben gegen die breite Brust zu drücken. »Vergiss nie, wer hier wen im Stich gelassen hat, du verdammtes Arschloch!«
Diese Worte treffen. Und sie treffen hart. Mirajs Arm sinkt schwer nach unten und er macht einen Schritt zurück. Selbst sein Herz will für einen Schlag lang nicht mehr weitermachen. »Ich … ich weiß.«
Nicht mehr als ein Hauchen. Jede Kraft ist aus seinen Gliedern gewichen, aber es reicht noch, um dem Anderen wieder näher zu kommen und die Stirn an die seines Freundes zu lehnen. Ein fast schon scheuer Kontakt, doch 2k weicht nicht zurück. Er wartet. Er wartet auf … irgendetwas, das sich ihm erst offenbart, als Miraj es tatsächlich tut.
»Es tut mir leid, dass ich damals nicht die Kraft hatte, um … um bei dir zu sein.«
Eine Entschuldigung. Viel zu spät. Und doch … tun die Worte genauso gut wie sie weh tun. Es wird immer eine Schattenseite bei dem geben, was sie tun … miteinander. Der bittere Nachgeschmack zu vieler, unschöner Erinnerungen, vermischt mit dem Brennen der Liebe, die nie aufgehört hat. 7-2k will so viel sagen, so viel tun und doch schluckt er all das hinunter. Seine Kehle ist trocken wie die Wüste außerhalb der Stadt. »Bisschen spät für diese Entschuldigung, meinst du nicht?«
»Ja … ist es …« Und Miraj fühlt sich schrecklich deswegen, doch auch dieses Gefühl ist so vertraut, dass es ihn nicht mehr aus dem Takt bringt. »Ich bin … ein Idiot. Das war ich schon immer. Und ich kann nicht einmal versprechen, dass sich das irgendwann ändern wird. Da ist so viel, das ich tun muss, auf das ich achten muss, so viel, das schief gehen kann. Und zwischendrin … immer wieder du. Ich kann dich einfach nicht vergessen.«
7-2k presst die Lippen aufeinander. Der Geruch des Anderen ist zu intensiv. Die Erinnerungen zu präsent. Er kann nicht verhindern, dass sich seine Arme heben und selbst als es in seinem hydraulischen Gelenk zischt und ihm so bewusst wird, dass er im Begriff ist, etwas Dummes zu tun, hört er nicht auf. Seine Finger verfangen sich in dem Shirt vor sich. Er kann die Härchen unter dem Stoff spüren. »Ich hasse es, wenn du hier bist. Ich weiß dann nie, was ich tun soll …«
»Nun … gerade wolltest du mich erschießen …«
»Wäre ich mal schneller gewesen …«
Miraj nickt. Nicht, weil er den Worten zustimmt, sondern weil er spürt, dass sie einander näherkommen. Er muss sich nur noch etwas mehr hinunterbeugen. Doch keiner von ihnen überwindet das bisschen Distanz, das noch bleibt. Nur 7-2ks Finger krallen sich fester in den Stoff. Ihre Gesichter gleiten aneinander vorbei, als er sich mit dem ganzen Körper an Mirajs Brust drückt. Ergeben hebt der Ältere die dunklen Arme, legt sie um die hängenden Schultern und vergräbt das Gesicht neben dem Metallgelenk an der warmen Halsbeuge. Es zischt abermals leise, als 2k die Arme von seiner Brust löst und sie um seine Seiten legt. Finger ziehen von hinten an seinem Shirt, die Nase streicht an seiner stoppeligen Kinnlinie entlang.
»2k …«
Miraj löste sich etwas, strich durch die blonden Haare und lächelte leicht. »Willst du immer noch, dass ich gehe.«
»Ja, aber ich habe aufgegeben, das zu erwähnen.«
»Schon klar.«
Miraj setzt einen sanften Kuss auf die von leicht gelockten Haaren bedeckte Stirn. 7-2k spürt, wie seine Knie zu beben beginnen, aber er gibt dem Drang noch immer nicht nach, sondern lächelt nur vage. Er weiß wirklich nicht, was er tun soll. Diese Worte waren nicht einmal gelogen. Vor allem, weil er nie sagen kann, wann die Tabletten nicht mehr wirken. Er bekommt es selbst nicht einmal mit, aber die Angst ist da, Miraj wieder zu verschrecken, auch wenn es genau das ist, was diese Beziehung so schwierig macht. Das wird nie aufhören und es schmerzt, aber Miraj ist hier und wenn 7-2k ehrlich zu sich selbst ist, dann will er ganz und gar nicht, dass sein Freund wieder verschwindet. Es ist nur das, was sein Verstand ihm immer wieder sagt, weil alles andere keinen Sinn hat. Meistens. Er hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass der Andere nach diesem seltsamen Nachrichtenaustausch herkommen würde. Dementsprechend unsicher ist er. Aber er scheint nicht der Einzige zu sein, denn auch Miraj verlangt nicht nach mehr, dabei ist es immer so gewesen, sobald sie sich gesehen haben. Da ist so viel unter der Oberfläche, das nicht nach oben dringt. So viele Geheimnisse. So viel Unterdrücktes.
Als Miraj seine verletzte Hand zwischen seine nimmt und sich die Wunden betrachtet, kehrt er ins Hier und Jetzt zurück.
»Du musst dich um die Wunden kümmern, damit sie sich nicht entzünden.« Miraj schüttelt den Kopf und dreht sich um. In dem Chaos hier lässt sich mit Sicherheit kein Verbandsmaterial finden. Da ist überall nur Schrott, mechanische Kleinteile, Werkzeuge und dazwischen leere Konservendosen. Man sieht noch die dunklen Schatten auf den Wänden, die das Feuer, das hier letztens gelegt worden ist, hinterlassen hat. Er versteht nicht, warum 7-2k trotzdem hier bleibt, aber … er würde es wohl nicht anders tun, sollte seine eigene Wohnung einmal in Flammen stehen. Es gibt nicht viele sichere Orte in dieser Stadt. »Hast du irgendwo Desinfektionsmittel?«
»Was glaubst du denn?«
Miraj grinst schief und sieht wieder auf die Hand hinunter. »Du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall, 2k.«
»Indigo …«
Miraj stutzt. Eine Farbe? Blau, wenn er sich recht entsinnt, aber warum sollte 7-2k ihm jetzt eine Farbe vor die Füße werfen? Das beantwortet nicht wirklich die Frage von zuvor. »Was?«
»Das … das ist mein richtiger Name. Du hast so oft nach ihm gefragt, aber ich habe ihn dir nie verraten. Indigo …«
Ihm ist selbst nicht klar, warum Miraj es jetzt wissen soll. Das ändert nichts und ist auch nicht wirklich ein riesiger Vertrauensbeweis und doch … gibt es sonst niemanden mehr, der ihn noch von früher kennt und mit diesem Namen etwas anfangen kann. Er senkt den Blick und betrachtet seine Metallhand. Dann seine richtige Hand, die noch immer zwischen Mirajs riesigen Pranken ruht. Er hört, dass Miraj schluckt und presst die Lippen aufeinander.
»Indigo … das ist ein sehr schöner Name.«
2k schaut in die dunkelbrauen Augen und grinst schief. »Er gehört zu dem Leben, das ich hinter mir gelassen habe. Ich … ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich will, dass du ihn kennst.«
»Ich bin froh, dass du es getan hast.«
Miraj hebt die verletzte Hand an seine Lippen und drückt einen Kuss auf sie. Etwas in 2ks Inneren ändert sich. Und es wird schlagartig schwerer, sich weiter zusammen zu reißen. »Warum bist du hergekommen, Miraj?«
»Die Frage hast du schon einmal gestellt und ich habe sie dir beantwortet.«
Wenn man bedenkt, was sie sich gegenseitig geschrieben haben und in welche Richtung das Ganze hätte gehen können, ist das hier so rein und unschuldig, dass es fast schon erschreckend ist. Früher … hätte Miraj solche Dinge nie getan. Er hätte sich einfach genommen, was er gebraucht hätte. Genau wie 7-2k. Das hier ist so neu und befremdlich. »Ich weiß, aber … nach allem, was wir uns geschrieben haben …«
»Was willst du, was ich tue?«
Nichts. Alles. 7-2k spreizt die Finger leicht und öffnet die verkrusteten Schnitte wieder. Frisches, helleres Blut dringt aus den Wunden und trifft auf auf die dunklere Haut von Mirajs Fingern. Der Araber schüttelt leicht den Kopf und kann doch genauso wenig den Blick von dem Geschehen lösen wie sein Gegenüber. Das sollte seine Frage schon beantworten, aber … deswegen ist er eigentlich nicht hergekommen. Eigentlich. Der nackte Oberkörper des Blonden ist mit einer leichten Gänsehaut überzogen und als Mirajs Blick tiefer wandert, bemerkt er, wie tief die hellgraue Jogginghose sitzt und wie wenig sie noch verbergen kann. All die Wut von eben scheint gänzlich verpufft zu sein und er weiß nicht recht, wann aus dem vorsichtigen Herantasten eine verzehrende Sehnsucht geworden ist. Diese Übergänge sind verschwommen - waren es schon immer. Noch schlimmer wie die von 7-2ks Persönlichkeiten. Wann wird sich wohl die erste fremde Stimme melden? Miraj verdrängt den Gedanken. Das ist genau der Grund dafür, warum er immer wieder gezögert hat und gegangen ist. Er ist ein Heuchler. Er sollte wirklich nicht hier sein.Und doch gefällt ihm der Ausdruck in 7-2ks Gesicht und wie er die Metallhand hebt und über die Verletzungen tastet, die er sich vor ein paar Stunden zugefügt hat.
»Was willst du, was ich tue?«, wiederholt er seine Frage von zuvor und in seiner Stimme schwingt ein rauer Klang mit, der die Gänsehaut des Jüngeren noch verstärkt. Der verträumte Blick hebt sich. Die stürmischen Augen wirken verschleiert. Statt einer Antwort überwindet 7-2k endlich den Abstand zwischen ihnen. Seine Fingerspitzen streichen über die kahl rasierten Stellen, wandern in Mirajs lange Haare am Nacken und ziehen an ihnen, als sich der Kuss vertieft. Der Ältere brummt greift sich die Oberschenkel des Anderen und hebt ihn hoch. Irgendwo in diesem ganzen Chaos liegt eine Matratze auf dem Boden - daran erinnert er sich viel zu gut. Aber ob sie noch dort liegt, wo er sie vermutet, weiß er nicht sicher. Nach dem Feuer hat 7-2k sie vielleicht gar nicht mehr. Der Tisch ist näher, deswegen setzt Miraj den Anderen dort an, schiebt sich zwischen die langen Beine und umfasst das erhitzte Gesicht. All die Zweifel und stummen Fragen werden immer kleiner, unbedeutender. Sie werden irgendwann zurückkommen, aber nicht jetzt. Harsch zerren Indigos Finger an dem schwarzen Shirt herum. Das ständige Zischen in 2ks linken Handgelenk verstärkt sich. So hastige, ungezielte Bewegungen überfordern des Mechanismus. Der Außenseiter hasst diesen Metallarm, doch ohne ihn fühlt er sich noch schlechter. Deswegen fällt sein Herz ins Bodenlose, als Miraj ihn fragt, ob er den Arm abnehmen kann.
»Das … geht nicht«, haucht 2k leise und lässt den Arm sinken. »Dann sehe ich aus, wie …«
»Shht …«, wird er leise unterbrochen. Das Lächeln von Miraj ist ehrlich. Er gleitet über das silberne Metall und erreicht die Verbindungsstelle. »Es ist okay. Das Zischen der Pumpe stört nur ein wenig … aber du musst ihn nicht abnehmen, wenn du nicht willst.«
»Mich … stört es auch«, wird leise gemurmelt, ehe sich 2ks Hand auf die seine legt. »Ich … ich tue es. Aber …«
Das Gefecht ist echt. Er sieht mit dem Arm wie ein Monster aus und auch ohne ihn. Nur ist er dann ein verkrüppeltes Monster. Er fühlt sich nicht wohl dabei und würde ihn die ständigen Geräusche nicht selbst stören, dann … würde er es nicht tun. So aber findet seine rechte Hand ihren Weg zu seiner linken Schulter, entblockt die Sicherung und umfasst den Abschnitt des Oberarms, um die Kugel aus dem Lager zu ziehen. Vorsichtig nimmt Miraj ihm den Arm ab und legt ihn behutsam zur Seite. Er kann die Schamröte auf den Wangen seines Freundes sehen, als er sich ihm wieder widmet. Nachvollziehbar. Er kann sich vorstellen, wie nackt sich 2k nun fühlen muss. Doch wie selbstverständlich streicht er über die nun freie Stelle. Eine Verbindung aus dünnen Metallstreben und Haut. Alles mit den verbliebenen Muskeln und Knochen verwachsen. Es war lange unklar, ob das alles so gut verheilen würde, aber es hat funktioniert. Miraj fällt auf, dass er den Genesungsprozess kaum mitbekommen hat. Noch ein Grund, um sich schlecht zu fühlen. Er hat 7-2k wirklich lange allein gelassen. Gedanken, die 7-2k verborgen bleiben. Er spürt nur, dass die nächste Umarmung um einiges verzweifelter wirkt. Er vergräbt das Gesicht an Mirajs Schulter und schlingt den verbliebenen Arm um die zitternde Taille.
»Miraj … was ist los?«
»Ich … ich merke nur gerade wieder, warum es mir immer so schwer fällt, bei dir zu sein …« Die Umarmung bleibt, auch wenn 2k zurückweichen will. Sie wird noch fester. »Versteh mich nicht falsch. Ich meine nicht diese … Anderen. Ich habe so viele Dinge falsch gemacht. Und ich bin Schuld an so vielen Sachen, die dir passiert sind. Ich … hasse mich so sehr dafür. Warum hasst du mich nicht auch?«
»Das … kann ich nicht …«
»Warum nicht …«
»Weil ich dich zu sehr liebe …«
Da ist es wieder. Das Aussetzen seines Herzschlages, das dumpfe Poltern in seinem Bauch und die weichen Knie, die sein Gewicht kaum noch halten können. Miraj schluckt hart und spürt das wachsende Brennen in seinen Augen. Schon wieder. Er hat das gar nicht verdient. Diese Liebe. Wie oft er sich andere Gesellschaft - weibliche Gesellschaft - gesucht hat, um den Blonden zu vergessen und doch gescheitert ist, weil sich alles, was sie miteinander geteilt haben so sehr eingebrannt hat, dass es ihn bis in seine Träume verfolgt. Und bis zu Momenten wie diesem, in denen er dem Anderen einfach nahe sein will. Aber dann endet es mit Tränen. Bei ihnen beiden, wie er bemerkt, als sie sich wieder ansehen.
»Indigo …«, murmelt Miraj leise und er küsst die Tränen weg, die über die hellen Wangen laufen.
7-2k schüttelt den Kopf und drängt sich wieder mehr an den kräftigen Körper. »Ich will nicht nachdenken. Mach, dass es aufhört …«
»Wie du willst …«
Miraj ist der Letzte, der sich über Ablenkung von seinen eigenen Gedanken beschweren würde. Er versteht sich selbst nicht. Er versteht den Anderen nicht. Aber diese Sache hier … die könnte klarer nicht sein. Sie wollen beide nicht über ihre Misere nachdenken. Vor einigen Minuten sind sie schon einmal an diesem Punkt gewesen. Dieses Mal wird er nicht aufhören. Er drückt den Anderen auf die Platte hinunter, um die Jogginghose tiefer ziehen zu können. Der Bund gibt ohne Widerstand nach. Keine Shorts darunter. Der Anblick macht ihn schwach. Leise knurrend zieht er sich das Shirt vom Oberkörper. Sofort finden die Finger von 2ks Hand ihren Weg zu seinen Brusthaaren, vergraben sich in ihnen und ziehen ihn tiefer, damit sich ihre Lippen wieder finden können. Miraj nutzt die Zeit, seine Jeans tiefer zu schieben. Die Boots leisten Widerstand. Die graue Jogginghose hängt auch noch auf halber Höhe. Miraj hat sich schon besser angestellt, aber seine Konzentration schwindet. Er will keine Luft mehr zwischen ihnen. Die Küsse werden fahriger, Fingernägel kratzen über freigelegte Haut. 7-2k stockt der Atem, als sich Miraj in ihn drängt. Er bebt am ganzen Körper, als sich Miraj zu bewegen beginnt und ihn dabei so fest an sich presst, dass er kaum Luft bekommt. Es … ist zu lange her, aber es fühlt sich an, als hätte es diese Zeitspanne nicht gegeben.
Irgendwann hebt Miraj ihn hoch und startet einen weiteren Versuch, die Matratze zwischen all dem Schrott zu finden. Er setzt sich auf sie, als er sie entdeckt, streicht über 7-2ks Oberschenkel und seufzt zufrieden, als sich der Blonde zu bewegen beginnt. Miraj kann nicht loslassen. Er will nicht, dass es aufhört. Diese Momente sind viel zu kostbar und beinahe wäre es … nicht passiert. Beinahe hätten sie sich wieder von ihren Erinnerungen besiegen lassen.
7-2k wirkt in seinen Armen ein wenig verloren, als sie danach nahe beieinanderliegen. Der Blonde liegt mit dem Rücken zu ihm. Miraj atmet gegen die kurz rasierten Härchen, setzt ab und an einen Kuss aus sie und schmunzelt dann, weil es kitzelt.
»Musst du … nicht zurück?«
Die Frage musste irgendwann kommen. Auch etwas, das Miraj viel zu oft getan hat. Einfach gehen. Heute wird er das nicht tun. Er wird bleiben, sich an den anderen Mann drücken und dessen Körperwärme und Geruch verinnerlichen, um sich in schwereren Zeiten daran zu erinnern. »Heute nicht.«
»Weiß Nivaan, dass du hier bist?«
»Nein, aber Nevid und der wird es ihm sicher sagen. Aber ich bin dann nicht dort, um meinen Bruder fluchen zu hören. Kann mir also egal sein.«
»Sonst bist du immer gegangen … weil du dich nicht mit den Anderen auseinandersetzen wolltest. Aber … danke. Ich bin froh, dass du bleibst.«
Es klingt ehrlich und 7-2k entscheidet sich doch dafür, sich zu seinem Freund umzudrehen, auch wenn er dafür auf der armlosen Seite liegen muss. So kann er wenigstens die weichen Stoppeln über Mirajs Ohren streicheln … und die gröberen am Kinn. Er mag das Geräusch, das seine Fingerspitzen verursachen und ihm gefällt, wie Miraj die Augen schließt, um die Berührungen zu genießen. Es ist nicht schief gegangen, auch wenn sie beide nicht gewusst haben, was sie tun sollen. Das macht ihn glücklich. In dieser grauen, aggressiven Welt … ist das ein Hauch von Hoffnung auf eine nicht ganz so trostlose Zukunft. Doch seine Vernunft murrt aus einer dunklen Ecke seiner Gedanken. Sein Verstand brüllt aus einer anderen. Das ist eine Nacht. Es bedeutet nicht, dass es von nun an immer so sein wird. Sich dessen sicher zu sein, darüber ist 7-2k längst hinaus. Aber für den Moment schließt er ebenfalls die Augen, streckt seinen Kopf ein wenig und haucht einen letzten Kuss auf Mirajs Lippen, ehe die Müdigkeit an seinem Bewusstsein zieht und selbst die Helligkeit der vielen Bildschirme weiter vorn im Raum immer dunkler wird.
Miraj lächelt, als er die Augen wieder öffnet und sieht, dass sein Freund eingeschlafen ist. So friedlich. Diesen Ausdruck hat er schon lange nicht mehr auf dem hübschen Gesicht gesehen.
»Schlaf gut, Indigo …«