Oct 12, 2016 00:04
Fandom: One Piece
Format: AU, One Shot
Pairing: Sabo/Ace
Rating: P-12 Slash
Prompt: the memory still remains
Was schreibt ein Totgeglaubter in einen Brief, um mitzuteilen, dass er am Leben ist? Phrasen wie: »Hey, ich bin’s und ich lebe noch. Wie geht es dir?« passen an dieser Stelle wohl eher nicht. Welcher normaldenkende Mensch würde das nicht für einen miesen Scherz halten? Wie erklärt man einer geliebten Person, dass all der Schmerz, all die Trauer und guten Wünsche `gen Himmel über so viele Jahre hinweg völlig sinnfrei gewesen sind, weil sie nicht real waren ... oder eben unnötig. Wie nur?
Da sitzt er nun. Die Feder in seiner Hand zittert und die Tinte tropft ungenutzt auf das Pergament. Spuren, die echt sind. Seine eigenen hat der Wind verwischt. Und das tosende Meer. Der Anfang war schwer. Das Leben ist es noch immer. Einzig die Leute um ihn herum machen es einfacher. Doch diese nicht mehr ganz so verschwommene Vergangenheit ... sie bleibt. Und mit ihr die Menschen, die ihm einst wichtiger waren als sein eigenes Leben. Zwei Männer, die noch immer glauben, er sei in den Fluten ertrunken, schwer verletzt von der Explosion.
Danach war es so lange furchtbar dunkel, jedes Mal, wenn er versucht hat, sich an irgendetwas vor dem Unfall zu erinnern. Bis auf seinen Namen ist ihm lange Zeit nichts eingefallen. Keine dieser Amnesien, die nach ein paar Tagen wieder vergehen.
Er hat Jahre gebraucht.
Und jetzt erinnert er sich an alles.
An Luffy.
Und vor allem ... an Ace.
Seine Brüder.
Jene, die glauben, er weile nicht mehr unter ihnen.
Und wieder denkt er darüber nach, was er nur schreiben soll. Dass er es will ... und muss - daran hat er keinerlei Zweifel, aber als er sich Tinte, Feder und Papier gegriffen hat, war ihm noch nicht bewusst gewesen, wie schwer sich das Finden der richtigen Worte gestalten könnte. Normalerweise besorgt er solche Dokumente nur. Er schreibt sie nicht selbst (und wenn, dann hat er Koala, die ihm mit Rat und Tat zur Seite steht, doch nicht bei diesem Thema).
Sabo blickt zu der halbgeleerten Sakeflasche. Nun ... bevor er die geköpft hat, hat es noch Sinn gemacht, weil Alkohol bekanntlich die Zunge lockert. Er hatte die Hoffnung, das würde auch für Briefe schreiben gelten, aber bisher ... keine Wirkung, bis auf das leicht schwummrige Sichtfeld.
Er wischt sich mit dem Handballen über die Augen und setzt die Feder an.
Lieber Ace,
Seine blonden Locken hüpfen hin und her, als er den Satz wieder streicht und nach einem neuen Pergament greift.
Hallo Ace,
Auch das erscheint ihm als keine geeignete Anrede. Es muss doch etwas dazwischen geben! Frustriert greift er mit der freien Hand abermals nach der Flasche und genehmigt sich einen Schluck, ehe er das nunmehr zweite Blatt zerknüllt und in die Leere des Raumes wirft. Das dritte Stück Papier muss einfach werden! Die Anderen würden ihn für verrückt erklären, wenn er noch einmal um einen Stapel leerer Seiten bat. Ein, zwei Mal blinzeln, dann setzt er die Feder wieder an.
An meinen geliebten Bruder,
dies ist die dritte Seite, die ich beginne. Mir wollte kein Anfang einfallen, der dem gerecht wird, was ich fühle und gleichzeitig nicht mit der Tür ins Haus fällt. Aber das tue ich wohl trotzdem. Sicher fragst du dich, warum jemand deiner Brüder dir schreiben sollte, teilt ihr doch alle ein Schiff oder auch eine ganze Flotte. Bei Letzterem würde ein Brief wohl mehr Sinn machen.
Das sind mehr Zeilen, als Sabo nach so vielem Gehader erwartet hat. Noch einmal überfliegt er sie, befindet sie für gut und fährt mit krakeliger Schrift fort. Er sollte sich mehr Mühe geben, geht ihm so durch den Kopf, aber seine Konzentration liegt zur Gänze auf den Worten, die er niederschreiben will. Die Art und Weise spielt vorerst keine Rolle. Sollte man nichts mehr lesen können, konnte er den Brief auch noch einmal abschreiben.
Ich habe davon gehört. Davon, dass dich die Whitebeard Piraten aufgenommen haben. Dass sie alle deine Brüder und Schwestern geworden sind. Euer Ruf eilt euch voraus, aber er ist nicht schlecht. Mir gefällt der Gedanke, dass du einen Ort gefunden hast, an dem du sein kannst, wie du bist.
Verzeih, das erklärt noch immer nicht, wer ich bin. Und es fällt mir schwer, es dir nicht einfach zu sagen, weil du doch ein Recht darauf hast. Aber würdest du mir auch glauben? Ich bezweifle es. Es ist eine lange Geschichte und ich bin ein wenig betrunken. Vermutlich ergibt das alles schon jetzt nicht sonderlich viel Sinn. Aber den baucht es auch nicht unbedingt. Hauptsache du verstehst am Ende. Verstehst, dass es damals kein Ende hatte. Nach der Explosion, dem Feuer, den Fluten, die mich in die Tiefe zogen.
Du erinnerst dich, nicht wahr? Ich war der Erste, der von uns auf die Reise ging. Und der Einzige, der nicht sehr weit gekommen ist. Anders als ihr - Luffy und du.
Etwas juckt in seinem Augenwinkel. Sabo wischt fahrig über die Stelle und eine feuchte Spur bleibt auf seinem schwarzen Handschuh zurück. Eine Träne? Zu den Worten gesellen sich Bilder. Erinnerungen. Die gemeinsamen Touren durch den Wald, die vielen Kämpfe, die sie bestritten haben, um sich zu behaupten. Die Fresskomata nach den Festmahlen von Dadan. Zu viel, um von seinem leicht trunkenen Gemüt adäquat verarbeitet zu werden. Die Emotionen sind zu stark und auch wenn er sie sonst gut unter Kontrolle hat - im Moment fällt es ihm schwer, sie zurückzuhalten.
Ich will euch so gern wiedersehen. Euch in die Arme schließen und spüren, dass ich wirklich am Leben bin. Jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, erscheint mir das so unwirklich, dabei weiß ich selbst am besten, was in all den Jahren nach dem Unfall passiert ist. Wie sie mich gefunden und mitgenommen haben. Jetzt führe ich ein Leben, von dem ich dir nicht viel erzählen kann ... darf. Und es hat so lange gedauert, um mich überhaupt wieder daran zu erinnern, wer ihr gewesen seid. Ich habe alles vergessen. Amnesie. Ewige Dunkelheit im Kopf, sobald ich an meine Vergangenheit denken wollte. Die Nachwirkungen der Explosion. Jetzt ist sie das Einzige, an das ich nicht mehr denken will, aber die Narben, die sie hinterlassen hat, werden mich immer wieder damit konfrontieren.
Schweift er zu sehr ab? Er ist sich nicht sicher. Die Buchstaben verschwimmen kurz vor seiner Sicht und wieder reibt er die Feuchtigkeit aus seinen Augen. Wenn Koala ihn jetzt sehen würde ...
Sabo schüttelt für sich selbst den Kopf. Hauptsache keine dieser Tränen findet ihren Weg auf das Pergament. Er will nicht, dass Ace in noch mehr Gefühlen ertrinkt, als er es so schon tun wird, sofern er diesen Worten Glauben schenkt. Aber er hat doch genug erzählt, nicht wahr? Dinge, die niemand sonst wissen kann, selbst nach gründlichen Recherchen nicht.
Warum schreibe ich dir also jetzt? Nun. Ich habe den Grund oben schon genannt. Ich will dich wiedersehen. Dich. Dann Luffy. Und euch beide zusammen, damit wir auf die alten Zeiten trinken können. Wie damals, als wir beschlossen, Brüder zu werden. Drei kleine, rote Sakeschälchen. Ich erinnere mich daran und ich bin dankbar dafür, dass mein Kopf diese wertvollen Erinnerungen nicht gänzlich gelöscht hat. Ich erinnere mich gern daran. Das ist alles, was ich habe. Das, was mich von meinen Freunden hier abhebt. Wir alle haben unsere Geschichten. Ich möchte sie gern wieder zusammenführen. Aber ich bin ständig unterwegs. Wechsle Orte wie Unterwäsche und ich weiß, dass es dir ähnlich geht. Eure Flotte ist schwer auszumachen, aber ich hoffe, dass mein Bote euch dennoch erreichen wird. Ich lege dem Brief etwas bei, das dich zu mir führen wird. Finde mich, wenn du mich wiedersehen willst. Auch wenn es nur deshalb ist, um mir mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Ich bin auf alles gefasst. Hauptsache ich kann dich sehen, berühren und dir beweisen, dass ich nicht gestorben bin.
Ich lebe, Ace.
Und das ist das schönste Geschenk, dass mir das Schicksal machen konnte. Nun fehlst nur noch du. Du und Luffy. Auch ihm werde ich einige Zeilen schicken, wenn ich hiernach noch genug Konzentration aufbringen kann.
Sabo mustert die letzten Worte und streicht sie doch durch. Der Brief für Luffy kann warten, so herzlos das auch klingen mag. Er liebt den kleinen, verpeilten Kerl. Doch das mit Ace - das war schon immer etwas anderes. Damals waren sie noch zu jung, um es zu erkennen. Aber er ist sich mittlerweile sicher, dass es eine andere Art von Beziehung gewesen ist, als er sie zu ihrem kleinen Bruder hat. Nur erwähnt er davon nichts in dem Brief. Das wäre zu viel des Guten. Deswegen ist die Verabschiedung ähnlich wie seine Begrüßung.
In Gedanken bei unserem hoffentlich bald stattfindenden Treffen.
Dein Bruder
Sabo
Die Feder scheint eine Tonne zu wiegen, als er sie beiseitelegt. Er kann alles lesen. Ace wird beim Verstehen keine Schwierigkeiten haben und er selbst besitzt gerade keinerlei Kraft mehr, um den Brief noch einmal ordentlich abzuschreiben. Sein Blick verliert sich zwischen den Worten und seine Hand tastet kurz nach der Flasche, ehe er sie wieder umfasst. Sein Kopf ist leer, doch sein Herz wagt einen Aufstand und presst sich in schneller Folge immer wieder an seinen Brustkorb. Das Atmen wird schwerer.
»Verflucht! Wie kann man jemanden nur so vermissen?«
Er seufzt leise und steht dann auf, um zum Fenster zu gehen und es zu öffnen. Ein kurzer Pfiff, dann geht er zurück zum Schreibtisch, faltet den Brief ordentlicher, als in dem Zustand noch möglich sein sollte, und steckt ihn in den bereitgelegten Umschlag, zusammen mit einer Vivre Card. Mit großen, geschwungenen Buchstaben schreibt er den Namen seines Bruders auf das hellbraune Papier. Ein Rascheln erklingt vor dem Fenster und er dreht den Kopf in die Richtung.
»Sina ...«
Die große, schwarzgefiederte Gestalt krächzt und hüpft auf das Fensterbrett, ehe der Rabe die Schwingen öffnet und das kleine Stück zum Schreibtisch fliegt, um sich von dem blonden Mann über die Federn streicheln zu lassen. Von ihr stammt auch die Feder, die er zum Schreiben benutzt hat.
»Bring diesen Brief zu den Whitebeard Piraten, hörst du?«
Er macht das Pergament an dem Bein der Rabendame fest und massiert ihr ein wenig den festen Schnabel. Spielerisch pickt sie nach ihm und krächzt.
»Informationen zufolge, liegen sie derzeit vor Esperanza Bay weit im Süden. Schaffst du es soweit?«
Ein zustimmendes Krächzen. Sina schüttelt sich noch einmal und fliegt zurück auf das Fensterbrett.
»Die Moby Dick - sie sieht aus wie ein riesiger Wal mit Segeln. Du wirst sie nicht übersehen können.«
Beinahe kann er ein Nicken erkennen, aber das wäre wohl der Einbildung zuviel. Sabo hofft nur darauf, dass der Brief den Empfänger wirklich erreicht. Und was dann? Er kann es sich kaum vorstellen. Wird Ace ihm glauben? Sich freuen? Wütend werden? Erleichtert sein?
Vielleicht ist er doch nicht auf alles vorbereitet.
Sabos Brustkorb verengt sich noch mehr und den Griff zur Flasche muss er nicht einmal direkt lenken. Es passiert wie fremdgesteuert. Nur gibt sie nichts mehr her. Vielleicht sollte er sich doch zu den Anderen gesellen, die unten im Saal den Geburtstag eines Soldaten feiern. Er hatte sich nach kurzer Anwesenheit entschuldigt, um den Brief zu schreiben, aber sicherlich ist die Party noch im Gange. Da er im Moment nicht mehr tun kann, als zu warten, beschließt er, dass er Ablenkung braucht. Von den Gefühlen. Von den Erinnerungen. Er dreht das Tintenfass zu, erhebt sich und löscht das Licht der Öllampe. Die Dunkelheit tut gut.
Vielleicht sollte er doch ...
Plötzlich scheppert es dumpf, dann flutet ein anderes Licht sein Zimmer. Sabos Blick wandert zur Tür und zu der kleinen Frau, deren Arme fest vor ihrer Brust verschränkt sind.
»Dir ist also übel? Warum riecht es hier drinnen dann nach Alkohol?«
»Ich wollte gerade ...«
Doch sie ist schon bei ihm, greift nach seinem Ohr und zieht ihn zur Tür. »Du verpasst noch den besten Part der Feier!«
Koala lauscht selten seinen Erklärungen bis zum Ende. Dafür hat sie nicht die Geduld und Nachsicht. Genau das ist der Grund, warum sie von dem Brief nichts weiß. Die Zeilen hätten wohl einen ganz anderen, unwirklicheren Inhalt zugesprochen bekommen.
Trotzdem ist Sabo froh, dass sie ihn aus seinem Zögern reißt und einfach mit sich zieht. Er wäre wohl in der Dunkelheit verlorengegangen.
format: fanfiction,
format: oneshot,
pairing: sabo/ace,
fandom: one piece,
genre: alternative universe