Ficathon:
write your darlingsFandom: Original, PhobiaAU
Characters: Dominik & Mischa
Genre: drama, angst
Rating: P-12
Warning: angst, social phobia, kind of cheating
Prompt: Even hell can get comfy once you've settled in. I just wanted the numb inside me to leave. von
drowningmonster Es war Tage her, dass er den kleinen Mann zuletzt gesehen hatte. Mischa - den er nicht mehr missen wollte - schien vom Erdboden verschluckt worden zu sein und das war etwas, das Dominik schlichtweg nicht verstand. Dass er den kleinen, quirligen Tschechen mal einen Tag nicht sah, war zu einer Normalität geworden, an die er sich gewöhnt hatte. Doch mehrere Tage am Stück? Nein. Das war neu und fremd und es gefiel ihm nicht.
Es war ein Grund für ihn, den sicheren Hafen der stillgelegten Bahnanlage zu verlassen und - ausgerüstet mit einer Zeichnung von Mischa - in die Innenstadt zu gehen. Eigentlich konnte er sich gar nicht sicher sein, dass er seinen Freund dort tatsächlich finden würde und dieser Gedanke war mehr als beunruhigend, aber irgendetwas sagte ihm, dass Mischa noch hier war.
Nur eben ... anders.
Er spürte die Panik schon, als er aus der Ferne die vielen Lichter sah. Aber noch war seine Sorge um Mischa größer als seine Angst vor der mit Leben pulsierenden Stadt. Es war nichts Rationales. Nichts, was er greifen konnte. Nie war ihm jemand anders so nahe gewesen, wie der junge Mann, der gar nicht mehr so jung war - nur so wirkte. Sie waren gleich alt. 30 Jahre. Mischa würde sogar bald 31 werden - zu Halloween. Auf seltsame Art und Weise war das passend. Und irgendwie auch nicht.
Dominik konnte die letzten Monate nicht komplett rekonstruieren. Dazu war viel zu viel passiert. In ihm. Um ihn herum, dabei hatte er sich nie weit von ihrem Treffpunkt entfernt. Aber dieser Ort war ohne die Anwesenheit von Mischa einfach nur noch ein Platz, wie jeder andere Teil dieser Gegend auch. Nichts Besonderes. Er vermisste es so sehr. Das gemeinsame Zeichnen. Das gemeinsame in den Himmel Schauen. Es war so viel, was ihm plötzlich fehlte, dabei war ihm dieses Gefühl von jeher so fremd gewesen. Er hatte es nicht gekannt. Wie so viele andere Dinge auch.
Nähe ...
Gemeinsamkeiten ...
Als er die erste Gruppe Menschen sah, war seine Kehle so zugeschnürt, dass er keine Luft mehr bekam. Dominik umfasste die Rolle, zu der er Mischas Zeichnung gedreht hatte, fester. Das Papier knisterte zwischen seinen Fingern. Dominik schluckte, auch wenn das den Knoten nicht löste, der ihn so am Atmen hinderte. Doch wenn er es jetzt nicht wagte, dann würde er es nie tun, deswegen fasste er sich sein ängstliches Herz und näherte sich der Gruppe Jugendlicher. Scheinbar waren sie auf dem Weg in irgendeinen Club oder zu einer Party.
»Entschuldigt ...«, fing Dominik an, als er sie erreicht hatte. Um keinen allzu üblen Eindruck zu machen, zog er sich sogar die schützende Kapuze vom Kopf und offenbarte seine kurz geschorenen, schwarzen Haare. »Habt ihr vielleicht diesen Mann gesehen? Ich habe vor ein paar Tagen den Kontakt zu ihm verloren und mache mir Sorgen um ihn.«
Dominik öffnete die Rolle und reichte sie einem der Jungs. Der bekam sofort große Augen. »Wow. Hast du das selbst gezeichnet?«
Unsicher nickte Dominik, weil er nicht wusste, welche Antwort jetzt angebracht bzw. gesellschaftstauglich war. Eine negative Konsequenz folgte darauf nicht. Im Gegenteil. Durch die Aussage des Jungen beugten sich nun auch seine Freunde konzentriert über das Bild.
Es war eine Dunkelhaarige, die etwas damit anzufangen wusste. »Das ist doch Mischa!«
Dominiks Herz machte einen Satz. »Ja, das ist sein Name. Hast du ihn gesehen?«
»Nein, aber er hatte mal was mit meinem Bruder. Ein ziemliches Arschloch. Allerdings eins, das klar kommt, denke ich. Ich würde mir an deiner Stelle nicht allzu große Sorgen um ihn machen.«
»Wer sucht denn nach einem Arschloch?«
Dominik wusste keine Antwort darauf. Sein Verstand brüllte auf und riet ihm so recht eindringlich zur Flucht, denn die Stimmung der Gruppe kippte spürbar.
»Danke für die Hilfe«, murmelte er, ehe er die Zeichnung zusammenfaltete und in seine Jackentasche steckte. »Ich geh mal weitersuchen. Schönen Abend noch.«
Flinke Füße bekam er. Es konnte ihm nicht schnell genug gehen, Abstand zwischen die Gruppe und sich zu bringen. Doch je näher er dem Stadtkern kam, desto feindseliger wirkte die Umgebung auf ihn und er wusste wieder, warum er, wenn, dann nur tagsüber in die Stadt ging. Und auch nur dann, wenn ihm das Geld ausging oder er etwas zu essen brauchte. Aber um diese Zeit ...
Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und er wusste nicht einmal, wo er anfangen sollte, zu suchen. Wen konnte er noch fragen? Fieberhaft versuchte Dominik, sich an Orte zu erinnern, die Mischa beiläufig mal erwähnt hatte und an denen er vielleicht zu finden war. Der Bahnhof, eine Bar mit dem Namen ‚Teddys‘ und ein Tattoostudio namens ‚Dragon Heart‘. Während Ersteres aus sehr offensichtlichen Gründen leicht zu finden war, wusste Dominik bei den anderen beiden Orten nicht, wo sie sich befanden. Dafür war die Stadt einfach zu groß. Das waren Momente, in denen er es verfluchte, kein Handy zu besitzen. Man sagte immer, dass man es für den Notfall brauchte. Er hatte nie einen gehabt. Das hier war einer.
Half nur noch der Fahrplan an der Metrohaltestelle. Doch dort waren keine Namen zu Kneipen oder Bars aufgelistet - nur ein paar von größeren Restaurants und McDonalds.
»Wo bist du nur?«
Klar. Es wäre ein Einfaches, wenn er einfach zur Polizei gehen würde. Er konnte das Revier die Straße hinunter erkennen. Es wären nur ein paar Schritte. Doch seine eigene Akte war nicht sauber und er nahm an, dass die von seinem Freund es auch nicht war. Polizei fiel aus. Blieben nur noch die Krankenhäuser, auch wenn er definitiv nicht vom schlimmsten Fall ausgehen wollte. Die Vorstellung wäre ...
Plötzlich hörte er das Lachen, das er in letzter Zeit so lieb gewonnen hatte. Irgendwo in der Nähe erklang es.
Dominik blieb wie angewurzelt stehen. Er sah sich um. Fühlte. Lauschte. Vielleicht war es auch nur eine Einbildung gewesen.
Es entpuppte sich als Irrtum seinerseits.
Mischa kam mit einem anderen Mann aus einer Seitenstraße. Er sah anders aus. Die Haare kürzer, die Sachen neu und sauber. Selbst die Schuhe.
Irgendetwas ging in Dominik kaputt und die Zeichnung entglitt seinen Händen. Der Wind wehte es in Richtung des Paares. Aber das sah Dominik schon gar nicht mehr. Er musste weg. Zurück in die Dunkelheit, in die Einsamkeit seines alten Lebens. Er hatte sich noch nie so ... dumm gefühlt. Und so verletzt. Was hatte er da gerade gesehen?
Er bemerkte die Tränen nicht einmal. Es fing an zu regnen. Wie passend.
Tage später, als er gerade ein Stück alte Schiene mit einem Edding verzierte, hörte er Schritte auf dem Kies.
Und auch wenn er sich fast denken konnte, wer da näher kam, sah er in die Richtung, denn keine Vorstellung war schlimmer als die, diesen Ort an noch mehr Fremde zu verlieren. Mischa war eine Ausnahme gewesen. Der war genauso lange hier wie er. Dominik hatte ihn nur nie bemerkt.
Jetzt war der Künstler auf die Straße zurückgekehrt und auch das verstand Dominik einfach nicht. Mit dem vertrauten Seesack, den neuen Klamotten und dunklen Schatten auf dem Gesicht blieb Mischa einige Meter neben ihm stehen.
»Hey. Wie geht’s?«
Der Schwarzhaarige antwortete nicht. Konzentriert widmete er sich wieder der Schiene. Seine Arbeit wurde nur von einer Taschenlampe beleuchtet. Ihm reichte das.
Der Sack fiel unweit von ihm auf den Boden und die Schritte kamen noch näher.
»Du redest nicht mehr mit mir?«
»Sollte ich?«
Es war so gar nicht Dominiks Art. So funktionierten sie nicht. Sie stellten einander keine Fragen und schon gar nicht solche, die noch mehr aufkommen ließen.
»Nun. Ich bin jetzt wieder hier. Vorerst. Ich weiß nicht, für wie lange.«
Die knirschenden Schuhe umrundeten ihn. Dann hockte sich Mischa vor ihn hin. In den Schein der Lampe. Eher unbewusst sah Dominik auf und die dunklen Schatten, die er zuvor auf dem hübschen Gesicht gesehen hatte, entpuppten sich als Hämatome.
»Was ...«
»Er hat mir gesagt, dass er mich liebt, aber keine Sorge. Er sieht schlimmer aus als ich. Er liegt im Krankenhaus.«
Nein. Dominik verstand es immer noch nicht. Aber so funktionierten sie. Keine Fragen.
War es nicht etwas Schönes, wenn man gesagt bekam, dass man geliebt wurde? Er hatte sich damals immer gefreut, wenn seine Mutter - als sie noch am Leben gewesen war - solche Dinge zu ihm gesagt hatte.
»Verlieb dich bloß nicht in mich«, riss Mischa ihn aus dem kurzen Flashback und Dominik spürte, wie ihm Hitze ins Gesicht stieg.
Doch ehe er etwas sagen konnte, zog Mischa die Zeichnung aus der Tasche, mit deren Hilfe nach ihm gesucht worden war.
Er hielt sie Dominik hin. »Das Bild ist schön. Zu schön. Tu es einfach nicht, okay?«
Dominik streckte die Hand aus und nahm das Stück Papier entgegen, faltete es ordentlich und verstaute es. Dann zuckte er mit den Schultern. Keine Fragen. Keine Worte, die alles zunichtemachen konnten. Mischa war wieder hier, auch wenn er nicht wusste, für wie lange. Das war gut. Oder auch nicht. Er verstand es nicht. Musste er vielleicht auch nicht. Dominik hatte nur bemerkt, dass hier Dinge geschahen, die außerhalb jener lagen, die ihm bekannt waren und vielleicht war es längst zu spät für Mischas Warnung.
Aber nun wusste Dominik, dass er den Gefühlen, die er für Mischa entwickelt hatte, niemals einen Namen geben durfte. Und diese Zeichnung - die sollte er wohl verbrennen.
Oder für immer behalten.
Wer wusste schon, wann Mischa wieder einfach so verschwinden würde.