Way Down

Mar 19, 2017 21:34

Chapter: 6 / ??

Chaptertitle: Tali | Left behind

Format: Novel, Original

Rating: P-18

Genre: Dystopia, postapocalyptic, Horror

»Ich kann es nicht fassen, dass er das getan hat! Warum macht er so etwas? Was habe ich ihm getan?!«
»Baby ... bleib cool. Es mag egoistisch klingen, aber ich finde es gar nicht so schlimm, dass du hierbleiben sollst.«
»Aber ich, verdammt!«
Sie war aufgebracht. Das war in letzter Zeit eher selten der Fall gewesen, aber wenn Tali erst einmal ihre Beherrschung verlor, dann richtig. Da konnten sie auch die sanften Worte ihrer Freundin nicht so schnell beruhigen. Sie fühlte sich übergangen und ausgeschlossen. Und Joel war schuld daran. Und er war äußerst selten der Auslöser für derlei Wutausbrüche ihrerseits. Bei diesem schon. Mit zusammengepressten Lippen drehte sich Tali zu dem Bett um, auf dem sich Malia ausgestreckt hatte. Die junge Frau hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Beine locker übereinander geschlagen und beobachtete sie genau und das sichtlich verletzt. Weitere Worte blieben Tali im Hals stecken und alles, was sie noch tun konnte, war hilflos ihre Schultern zu heben, ehe sie sich auf die Kante des Feldbettes sinken ließ und sich mit den Fingern durch die Haare fuhr. Malia schaffte es immer, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn sie solch einen Hundeblick aufsetzte und es gab rein gar nichts, was Tali dagegen tun konnte. Sie waren nur in ihrer gemeinsamen Hütte, weil sie sich abreagieren musste und mittlerweile bereute sie das schon wieder.
»Tut mir leid. So ... war das nicht gemeint«, gab sie leise zu, richtete sich etwas auf und streckte die Hand aus, um der jungen Frau neben sich mit den Fingern kleine Kreise auf den Bauch zu malen. Malia folgte der Berührung, legte ihre eigene, kleine Hand auf Talis und lächelte tapfer.
»Schon gut. Du bist eine Amazone, du gehörst nach draußen, musst dich bewegen und dich beweisen, um dich gut zu fühlen. Es war nicht richtig von mir, mich darüber zu freuen, dass du bleiben sollst, auch ...« Malia hielt kurz inne, streichelte über die dunkle Haut und presste die Lippen aufeinander, ehe sie weitersprach. »... auch wenn es eine schreckliche Vorstellung ist, dich so weit weg zu wissen und jeden Tag zu hoffen, dass du auch wieder zurückkommst. Solange ihr in der Nähe unterwegs gewesen seid, war das alles nicht so schlimm. Aber wir werden keinen Funkkontakt halten können. Das ... das gibt der alte Kasten einfach nicht mehr her.«
»Mali ...« Ein sanfter Kosename, den Tali immer nur benutzte, wenn sie allein waren und sich nahekamen - so wie jetzt. »Es ist okay. Ich hätte mir nur gewünscht, dass Joel es mir vorher schon gesagt hätte und nicht erst bei der Versammlung. Das wäre doch das Mindeste gewesen ...«
Und bekanntlich suchte der Teufel einen schneller heim, wenn man über ihn sprach. So auch in diesem Moment, als es zaghaft an die Tür klopfte. Tali seufzte, stand auf und ging, um dem Besucher zu öffnen. Sie sah in ein Paar blauer Augen und verzog leicht das Gesicht. »Joel ... was für eine Überraschung. Wir haben eben über dich geredet.«
Sie sah das kurze Zucken in seinem Mundwinkel und den Schalk in seinem Blick. Sie hasste und liebte diesen Mann gleichzeitig. Es tat manchmal einfach nur weh.
»Wenn du damit fertig bist, mich anzuzicken, könnten wir uns dann kurz mal unterhalten? Wir fahren gleich los.«
Tali senkte den Blick und nickte träge, ehe sie zu Malia sah, die sich aber längst erhoben hatte.
»Ich geh mich eben von Dave verabschieden. Passt auf euch auf, Joel.«
Malia gab Tali einen Kuss auf die Wange, umarmte den wesentlich größeren Mann fest und verschwand dann nach draußen, um nach ihrem Bruder zu sehen, während Tali und Joel zurückblieben. Letzterer schloss die Tür hinter ihnen. Die Hütte wurde vom Schein zweier Kerzen erhellt. Ein regelrecht romantisches Setting, bis Joel es unterbrochen hatte. Tali entfernte sich einige Schritte von ihm, ehe sie die Arme vor ihrer Brust verschränkte und seufzte.
»Du bist nicht sonderlich zufrieden mit mir, nicht wahr?«, hörte sie die sanfte, tiefe Stimme in ihrem Rücken und sie schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, um sich zu fangen, ehe sie sich mit Schwung zu ihm umdrehte.
»Bin ich nicht, da hast du recht. Warum hast du mir nicht eher gesagt, dass du gedenkst, mich hierzulassen? Und überhaupt die ganze Sache. Wir alle haben gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir wieder in eine Metropole müssen. Du hast das alles mit dir selbst ausgemacht und das war einfach nicht richtig. Wir sind eine große Familie, Joel. Und dazu gehört auch, dass man miteinander redet und sich nicht nur gegenseitig vor vollendete Tatsachen stellt.«
Ihr schlug das Herz bis zur Brust und die letzten Worte waren einem Brüllen schon gar nicht mehr so unähnlich gewesen, doch Joel stand da vor ihr - wie ein Fels in der Brandung - und fing das alles ab, ohne es zu ihr zurück zu schleudern und wie bei jedem Mal, nahm er ihr damit jeden Wind aus den Segeln.
»Joel ... was ... was machen wir denn, wenn du nicht zurückkommst?«
Etwas, das sie vor Malia nicht geäußert hatte. Die Sorge um den Blonden, für den sie noch immer viel zu viel empfand, obwohl es unmöglich war, dass sie einander nahekamen, machte Malia immer wütend. Und Tali sollte an derlei Dinge auch nicht mehr denken, wo doch ihr kleiner Rotschopf alles versuchte, um ihr zu geben, was sie als leidenschaftliche, temperamentvolle Frau brauchte. Doch schon, dass ihre Gedanken in einem Augenblick wie diesem abermals in diese Richtung abdrifteten, machten sie zu einem schrecklichen Menschen. Tali biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. »Ich meine ...«
»Ist mir schon klar, was du meinst.« Seine Stimme war viel zu nahe. Nur eine Sekunde später schoben sich raue Hände an ihren Oberarmen hinauf, legten sich um ihre Schultern und zogen sie näher. Er roch nach Leder, Öl und ... viel zu sehr nach sich selbst. Tali schloss ihre Augen, vergrub ihr Gesicht an der breiten Brust, legte die Arme fest um seine Taille und rang um ihre Selbstbeherrschung. Joel hielt sie solange, wie es dauerte, diesen Zustand wieder zu erreichen. Er kannte sie zu gut. So heftig ein emotionaler Ausbruch ihrerseits auch war - er dauerte nicht lange an. Und sie war nicht sonderlich nachtragend.
Als sie sich voneinander lösten, strichen Joels Hände noch höher, umfassten ihr bebendes Gesicht und seine Lippen berührten sachte ihre Stirn. Tali erschauderte kurz, zog sich dann aber zurück - ihres eigenen Seelenheils zuliebe, ehe sie auf dumme Gedanken kam. Ihr reichte es, dieses eine Mal so vor den Kopf gestoßen worden zu sein. In solchen Momenten dachte sie immer daran zurück und fühlte sich nur noch mieser. Das musste endlich aufhören und vielleicht war es doch nicht so verkehrt, wenn er mal ein paar Tage nicht in ihrer Nähe war.
»Es tut mir leid, dass ich nicht eher mit dir gesprochen habe«, murmelte Joel etwas zerknirscht und lächelte etwas hilflos. »Ich wusste nicht, wie ich nach der Sache in San Antonio darüber reden sollte. Und ich habe es zu lange hinaus gezögert. Ihr alle habt euch Sorgen um mich gemacht und ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Das war sehr egoistisch von mir. Ich ... ich habe mich heute Mittag mit Neal unterhalten und er hat mich darin bestärkt, dass uns keine andere Wahl bleibt, in eine große Stadt zu fahren und nun ja ... danach hat er mich dazu verdonnert, dass ich mich ausruhe und aus diesem Ausruhen wurden ein paar Stunden Schlaf. Es ... tut mir leid.«
Tali murrte etwas in der Sprache ihres Stammes, ehe sie die Augen verdrehte und die Unterlippe etwas vor schob. »Schön. Wenn ich dir sage, dass du verdammt noch einmal schlafen sollst, machst du genau das Gegenteil.«
»Das ... hat sich so etabliert, befürchte ich«, gab er grinsend zu und richtete das Gewehr auf seinem Rücken. »Wann habe ich schon mal getan, was du mir gesagt hast?«
»Oft genug, damit ich die Hoffnung nicht verliere, dass du doch noch irgendwann auf mich hören wirst.« Jetzt wirkte auch ihr eigenes Grinsen nicht mehr so erzwungen. Tali richtete den Kragen seiner Jacke und nickte dabei leicht vor sich hin. »Passt einfach auf euch auf, ja? Wenn ihr nach vier Tagen noch nicht wieder hier seid, folgen wir euch. Nur damit das klar ist.«
»Tali ...«
Sie schüttelte den Kopf und sah ihm entschlossen in die Augen. »Ich meine das ernst, Joel. Ein Tag hin, zwei Tage suchen und finden, ein Tag zurück. Mehr Zeit gebe ich euch nicht.«
Er rang mit sich selbst, das konnte sie sehen. Aber er widersprach ihr nicht.

Alle hatten sich um den alten Chevrolet Pick-up versammelt, als Tali mit Joel an ihrer Seite die Hütte verließ. Sie konnte sehen, dass Dave ihre letzten Benzinreserven in den großen Tank schüttete und noch zwei weitere Kanister auf die Ladefläche stellte. Malia wich nicht von seiner Seite und sie konnte die Sorge auf dem Gesicht ihrer Freundin nur zu gut nachvollziehen. Sie selbst sah sicher nicht anders aus. Neal stand etwas abseits, als Joel von allen Seiten verabschiedet wurde, ebenso wie Dave. Tali fasste sich ein Herz und trat an den jungen Mann heran. Er trug seinen Gitarrenkoffer nicht mehr bei sich. Nur die Machete und die Schrotflinte ruhten an den für sie vorgesehenen Plätzen. Auf den ersten Blick wirkte er bereit und optimistisch, doch als sie ihn am Arm berührte und er ihr sein Gesicht zuwandte, sah sie auch in seinen Augen einen Anflug von Sorge.
»Alles okay?«, fragte Tali und behielt ihre Hand an seinem Oberarm.
Er schüttelte die Berührung nicht ab. »Klar. Ich ... beobachte nur. Ich hätte nie gedacht, dass es tatsächlich noch solche Gemeinden gibt, die sich lieben und umeinander kümmern. Wenn man solange allein unterwegs ist, verliert man die Hoffnung in so etwas.«
»Bist du deswegen hiergeblieben?«
Neal sah flüchtig ertappt aus, fing sich aber schnell wieder. »Vielleicht. Oder aus Trägheit. Es hat gut getan, sich hier auszuruhen.«
Plötzlich änderte sich etwas in seinem Blick und Tali sah in die gleiche Richtung. Joel stand bei seinen Eltern und während seine Mutter ihn mit Tränen in den Augen umarmte, drehte sich Alexander auf dem Fuße um und ging, ohne auch nur ein Wort mit seinem Sohn zu wechseln oder ihm viel Glück für die Reise zu wünschen. Tali konnte sehen, wie Joels Hand in die Richtung seines Vaters zuckte, sich dann aber wieder senkte und ihre Brust fühlte sich im nächsten Moment an, als hätte sie Sodbrennen. Alexanders Verhalten war respektlos und alles andere als förderlich für Joels Entschlossenheit. Laureen blickte ihrem Mann nach, nickte ihrem Sohn entschuldigend zu und folgte ihm. Joel blieb wie im Regen zurückgelassen stehen und Tali wollte zu ihm eilen, aber Neal hielt sie zurück.
»Tu das nicht. Er hat seine Entscheidung getroffen. Wenn er jetzt noch mehr Input bekommt, wird er nicht fahren und ihr verhungert.«
»Wie pragmatisch«, brummte sie und machte sich von ihm los. »Wehe du passt nicht gut auf ihn auf! Und vor allem auf Dave. Malia würde es nicht überleben, wenn ihm etwas passiert. Er ist alles, was sie noch hat.«
»Ich versuche mein Bestes.« Neals Gesicht wirkte im Fackelschein älter als zuvor, aber die Sorge in seinem Blick war gewichen. Er nickte ihr noch einmal zu, ehe er sich dem Wagen näherte, als Joel gerade einstieg und Dave auf die Ladefläche sprang, um dort Position zu beziehen, damit er die Umgebung besser im Auge behalten konnte. Tali folgte Neal ein Stück, fing Malia dann ein, die unruhig neben dem Chevrolet auf und ab lief und legte den Arm fest um die schmalen Schultern, die so sehr zitterten, dass es ihr einen Stich ins Herz versetzte. Auch in Brooks Augen, die den kleinen Adam auf dem Arm hielt, sah man etwas Glitzern und Tali wischte sich fahrig über die eigenen Augen, als sie begannen zu brennen.
Verdammt ...
Es waren doch nur ein paar Tage! Warum fühlte es sich an, wie ein Abschied für immer?
Neal stieg neben Joel auf den Beifahrersitz und der Motor sprang an. Flutlicht aus den Scheinwerfern richtete sich auf das Tor und Ian machte sich festen Schrittes auf den Weg, um es zu öffnen. Gähnende Dunkelheit erwartete sie dahinter. Aber vom Boden stieg kein Dampf mehr auf. Es war sogar kalt genug, um Tali frösteln zu lassen, so dass sie ganz froh war, dass Malia etwas ihrer Wärme auf sie selbst übertrug. Ein Beben ging durch den schlanken Körper, als der Wagen anfuhr und vor ihren Augen in der Nacht verschwand. Und mit Malias Schluchzen zog sich auf in Talis Innerem alles zusammen und sie schluckte hilflos. Alles würde gut werden. Alles musste gut werden.

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