Ficathon:
write your darlingsFandom: Original, ModernAU Phobia
Characters: Dominik & Mischa
Rating: P-12
Genre: kind of fluff?
Prompt:
the sun won't shine here von
unpolar the sun won’t shine here, it never did
Er schüttelte die Spraydose in seiner Hand. Das laute Klackern der Metallkugel im Inneren schreckte die sonst so lautlose Nacht auf, aber er war hier allein. Allein mit vergessenen Zugwaggons. Allein mit den Ideen in seinem Kopf und der Gewissheit, dass er sich hier austoben konnte und niemand würde es bemerken. Zumindest nicht schnell genug, um ihn noch erwischen zu können. Er bewegte sich wie ein Schatten durch die Nacht, mit seiner dunklen, nicht mehr sonderlich sauberen Jeans und dem abgetragenen, schwarzen Hoodie, auf dessen Rückseite ein Nirvana - Smiley aufgedruckt war. Ein paar Linien waren schon mit Lücken versehen, aber er fand, dass es dem Kleidungsstück einen gewissen Charme verlieh.
Nicht, dass er sonderlich viel wert darauf legen würde. Tagsüber verbarg er sich im Untergrund, weil zu viele Menschen durch die Stadt zogen. Und sie waren so rücksichtslos. Sie drängten sich auf, ohne es bewusst wahrzunehmen, und schoben es darauf, dass es in einer Großstadt nun einmal nicht anders ging, wenn man zu Hunderten durch die Straßen strömte - auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum nächsten Wocheneinkauf.
Er - Dominik - hatte es wirklich versucht ...
Mit einer Ausbildung im Tattoostudio. Schon zehn Kunden am Tag waren ihm zu viel geworden, also hatte er den Job hingeschmissen.
Mit dem Besuch öffentlicher Cafés, um sich an den Lärm und die vielen Stimmen zu gewöhnen. Bei seiner ersten Panikattacke hatten sie den Notarzt gerufen, was ihn nur noch rasender gemacht hatte.
Nein.
Dieses Leben, in dem nie die Sonne schien und seine Haut wärmte, war besser für ihn. Verborgen vor den Blicken jener, die sich um die Nacht nicht scherten. Mit jenen, die den Tag genauso scheuten wie er, weil ihre Absichten meistens eher böser Natur waren, kam er klar. Dafür war er ausgebildet worden. Manchmal sehnte er sich zu dieser Zeit zurück. Damals, als er sich Schritt für Schritt daran gewöhnt hatte, andere Menschen um sich zu haben, indem er seine eigenen Schwächen gegen sie ausspielte und sie verletzen konnte. Er hatte einen guten Lehrer gehabt. Und eine gute Rückendeckung. Beide lebten nicht mehr ... zumindest bei einem nahm er es an. Beim Anderen war es Gewissheit.
Das Motiv verschwamm kurz vor seinen Augen. Er schüttelte die Flasche ein weiteres Mal und riss sich mit dem Geräusch selbst aus den Untiefen seiner Gedanken und Erinnerungen. Der intensive Geruch der Farbe breitete sich in seinem Kopf aus und er sog ihn auf, als brauchte er ihn, um überhaupt existieren zu können. Abwegig war das nicht einmal. Seine Gedanken wurden betäubt, das Motiv vor seinen Augen nahm immer mehr Form an und er ließ sich völlig in ihm fallen.
Bis hauchzarte Tränen höherer Mächte, die sich mit ihm noch nie sonderlich gut gestellt hatten, diese Trance unterbrachen.
and when it rains, it fucking pours
Mit glasigem Blick beobachtete er, wie die noch längst nicht getrockneten Linien vor seinen Augen verschwammen. Aus dem leichten Nieselregen wurde eine Sintflut. Er hatte es nicht kommen sehen. Tagsüber konnte man die Wetterlage besser einschätzen als nachts. Er hatte keine Sterne gesehen, aber dass es Regenwolken waren, die sich da über ihm aufgetürmt hatten ...
Nun ... das Bild war hin.
»Echt schade drum.«
Die Spraydose fiel scheppernd zu Boden. Dominik spürte, wie Kälte an seinem Körper hinauf kroch und sie stammte nicht vom Regen. Viel zu langsam drehte er sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Seine Augen waren an die ständige Dunkelheit so gut gewöhnt, dass er nicht nur das Bild, das er mit weißer Farbe an den Waggon gesprüht hatte, sah, sondern auch den jungen Mann im Zugabteil seinem gegenüber. Er hatte dessen Anwesenheit nicht bemerkt. Zu vertieft war er gewesen. Und umso entsetzter war er jetzt. Auch sein Gegenüber war dunkel gekleidet und wirkte nicht so, als hatte er sich eben erst zum Geschehen gesellt. Der hockte schon länger mit baumelnden Beinen in dem offenen Zugabteil. Dominik wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er konnte nur starren und sich einreden, dass er gerade einem Geist gegenüberstand. Wer sonst sollte sich in solch eine verlassene Gegend verirren - bis auf ihn selbst?
»Du ... solltest nicht hier sein«, murmelte er schließlich und wandte den Blick wieder ab. Mittlerweile waren die Linien von eben zu einem großen, unförmigen Fleck geworden. Einklagend starrte dieser weiße Schatten ihn an und Dominik schloss die Augen. Das hatte er sich anders vorgestellt. »Ich geh besser ...«
Er wusste nicht einmal, ob er das nur zu sich selbst sagte oder den Fremden mit einband. Er drehte sich einfach um und ging davon, ehe der dumpfe Laut von Schuhen auf Kiesboden ihn innehalten ließ.
»Du gibst schnell auf. Ich habe unter einer Plane geschlafen. Wir können sie über die beiden Zugwaggons spannen und dann kannst du weitermachen. Ich möchte gern sehen, wie das Bild aussieht, wenn es fertig ist.«
Zuspruch oder andere Handlungen waren nicht nötig. In dem Moment, als sich Dominik umdrehte, war der Kerl schon wieder in dem Abteil verschwunden und er hörte ihn kramen. Es raschelte und knisterte, dann war erst nur ein dunkelblaues Plastikknäuel zu sehen, ehe auch das jung aussehende Gesicht wieder hinter der Altmetallwand auftauchte. Alles, was folgte, lief nur wie ein Film vor seinem inneren Auge ab.
but i think i like it
Der junge Mann kletterte ohne zu zögern auf den Waggon, in dem er geschlafen hatte und das Rascheln der Plane, die er mitgenommen hatte, wurde wieder lauter. Langsam begann das alles Sinn zu ergeben. Dass dieser Kerl hier war, dass er genauso dunkel gekleidet war wie er. Er schien ebenfalls ein nächtlicher, ruheloser Geist zu sein, der nie so richtig wusste, wo er hingehörte. Und das war nicht alles. Dominik hob den Kopf und schob die Kapuze etwas mehr in den Nacken. Der Kerl hatte die Plane wohl irgendwo befestigt und sprang nun - den Rest der Plane vor seiner Brust - mit einem riesigen Satz auf den anderen Zug hinüber. Über Dominiks Kopf breitete sich das provisorische Dach aus und der Regen schepperte laut auf dieses hinunter. Aber kein Tropfen traf noch sein Gesicht ... und auch das Bild nicht.
Dominik ... verstand es einfach nicht. Und sein Gesichtsausdruck drückte noch immer das blanke Entsetzen aus, als der Kerl vom Waggon hinuntersprang und sich, obwohl er längst durchnässt war, unter die gespannte Plane rettete. Doch ehe sich ihre Blicke treffen konnten, beugte sich die schlanke Gestalt nach unten und hob die Spraydose wieder auf, um sie Dominik in die Hand zu drücken.
»Weiß ich ja nicht wirklich meine Farbe, aber manchmal tut es weh, weißt du? Die Reinheit, der Umstand, dass sie die einzige Farbe ist, die man bei solchen Lichtverhältnissen überhaupt halbwegs erkennen kann. Dabei passt sie gar nicht an einen solchen Ort.«
Über Dominiks Lippen kam noch immer kein einziger Ton. Er spürte das nass gewordene, kalte Blech in seiner Hand und wusste, dass ihn das Geräusch der kleinen Metallkugel im Inneren erschrecken würde, wenn er die Dose jetzt schüttelte, auch wenn er sich dieses Umstandes nur zu bewusst war. Deswegen tat er es nicht. Er blickte nur flüchtig auf sie hinab, dann zu dem jungen Mann, der ein ganzes Stück kleiner war als er selbst. Er öffnete den Mund, aber er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Der Kleine konnte doch nur eine Erscheinung sein.
Ein Schmunzeln folgte. In den Fremden kam Bewegung. Er ging auf die Zeichnung zu, legte die Handfläche an sie und verwischte die Farbe noch mehr. Seine Handfläche blieb weiß, als er sie wieder löste und schließlich direkt über seinen schwarzen, noch nassen Pullover zog. Die Monotonie wurde zerrissen. Und Dominik erwachte endlich aus seiner Trance.
»Ich mag, dass es weh tut«, erklärte er leise, schüttelte die Dose und trat neben den Anderen, um das Bild, das er noch nicht vergessen hatte, endlich auf den Waggon zu bannen. Doch nicht sofort. Er grundierte die Fläche nun endgültig, dass der weiße Untergrund nun eine gegebene Sache war, schob die Dose dann zurück in seinen Rucksack und zog eine andere hervor. Rot.
Er konnte aus dem Augenwinkel heraus das erwartungsvolle Grinsen auf dem fremden Gesicht erkennen, als er begann, die helle Fläche mit den Linien zu füllen, die zuvor verlaufen waren.
and you know that i’m in love with the pain
Er erfuhr, dass der Fremde Mischa hieß und Künstler war. Und dass er nur hier herumirrte, weil er keinen anderen Platz zum Schlafen gefunden hatte, was einschloss, dass er sich irgendeinen Typen suchte, der ihn vögeln durfte, wenn er versprach, dass er ihn bei sich schlafen ließ.
Dominik konnte diesen Lebensstil nicht nachvollziehen. Er war froh, wenn andere Menschen ihn in Ruhe ließen. Wechselnde Partner, ständig andere Umgebungen - das war eine Horrorvorstellung für ihn. Aber Mischa war anders, weil er auch so ungehemmt davon redete. Ein ganz anderer Typ Mensch und im Grunde genau einer solchen, von denen sich Dominik nicht nur fernhalten wollte, sondern auch fernhalten musste. Trotzdem war er hier, ließ auch den Anderen ein paar Linien sprühen und beobachtete ihn genau dabei. Wo auch immer der Kerl herkam - Dominik fühlte da keine Panik in sich, nur eine stille Überraschung, die langsam zu einem angenehmeren Dulden wurde. Davon hatten noch nicht viele Menschen existiert.
Als das Bild fertiggestellt war und sie beide zurücktraten, um es zu betrachten, zog Mischa aus seiner Jackentasche eine zerknüllte Packung Zigaretten und holte zwei aus dieser heraus, zündete sie an und reichte eine an ihn weiter. Dominik nahm sie, zog an ihr und blies den Rauch zur Plane hoch, die durch den Regen, der sich in ihrer Mitte gesammelt hatte und gefährlich tief hing. Sehr lange würde sie nicht mehr halten, aber vielleicht reichte es noch, bis die Farbe getrocknet war.
Aber selbst wenn ... es gab genug andere Orte, die er noch bemalen konnte. Die Ideen hörten nie auf und solange er noch genug Geld für ein paar Spraydosen zusammenbekam, würde er damit nicht aufhören.
»Bist du morgen auch wieder hier?«, wurde er leise gefragt, als sich die Zigaretten ihrem Ende neigten. Eine Ecke der Plane löste sich im nächsten Moment von ihrer Halterung und ein Schwall Wasser ergoss sich neben ihnen auf den Kies.
Dominik hob die Schultern. »Vermutlich nicht.«
»Schade.«
»Warum?«
»Weil das Spaß gemacht hat, findest du nicht?«
Dominik hob die Schultern, drehte flüchtig das Gesicht und betrachtete kurz die wirren Haare, die unter der Kapuze des Anderen hervorlugten. Tief in seinem Inneren wollte er den Kerl wiedersehen. Sein Verstand aber ermahnte ihn eindringlich, es nicht zu tun.
»Schon«, gab er trotzdem zu, ehe er die Spraydose wieder in seinen Rucksack packte. »Aber es macht nicht viel Sinn.«
»Nichts auf der Welt macht Sinn. Nun ... ich werde morgen um diese Zeit wieder hier sein. Überleg es dir.«
Der Kleine war schneller als er und verschwand im Schatten der zahlreichen Waggons, bis Dominik ihn nicht mehr sehen konnte. Er warf sich den Rucksack über die Schulter, betrachtete noch einmal das Graffiti, das sie gesprüht hatten, ehe er in die entgegengesetzte Richtung aufbrach - mit einem leichten Grinsen.
i think i like it