Aug 30, 2010 15:39
Geschichte.
Ich sitze auf deinem Sofa. Meine Haare sind etwas fettig, weil es zu heiß ist und ich quer durch Millstone rennen musste. Gerade heute musste sich meine typische, ungeschickte Seite zeigen, sodass ich meinen Zug verpasste. Irgendwo war ich froh darüber, weil ich nicht gewusst hätte, was ich die ganze Fahrt über mit dir reden sollte. Aber jetzt war es auch nicht sehr unterhaltsam, denn du sitzt da vor mir auf deinem Stuhl und richtest dir deine Bong zum Rauchen.
Anders als sonst fühle ich mich nicht sonderlich unangenehm. Diese Stille ist keine peinliche, sie ist rein. Mir ist heiß, obwohl es in deinem ordentlichen Zimmer, was ich sehr untypisch für einen Jungen wie dich finde, sehr kühl ist. Du fragst mich, woher ich komme.
»Spanien.« sage ich etwas bitter.
»Komplett?«
»Komplett.« wiederhole ich.
»Cool.« sagst du mit deiner in meinen Ohren unreifen Stimme. Ich mag es nicht, wie du redest und dich unterhälst, es ist alles viel zu banal. Ich wünschte, du wärst etwas komplizierter.
Ich seufze und bejahe.
»Aber man merkt es.« sagst du dann und läufst zum Spiegel um einen schnellen Blick auf dich zu werfen.
»Ja? Wie meinst du das?« Ich bin verwundert, weil mir viele zwar sagen, dass ich optisch meine spanischen Gene sichtbar wären, sich diese Eigentschaft jedoch aber groß von meinem Charakter und meiner Einstellung unterscheidet.
»Na ja, an deinem Namen.«
Ich wartete darauf, dass du meinen Namen als Beweis hinzufügst. Arietta Molinero. Aber du sagst es nicht. Du hast meinen Namen nie ausgesprochen, du hast mich nie mit meinem Namen gerufen.
Ich nicke nur.
Du läufst zu deiner Bong zurück und zündest den Kopf an. Ich beobachte dich dabei, wie du den Rauch einziehst und ihn danach anmutig ausatmest. Die pustest ein Stück von dir in die Luft hinein und die Welt müsste sich dafür bedanken.
»Was machst du in den Ferien?« fragst du mit deinen wunderschönen, blauen Augen, die wegen dem wahrscheinlich sehr tiefen Zug von dir, und den vielen anderen davor, nun rot glühen.
Ich habe diese Frage kommen sehen und will sie nur ungern beantworten. Ich muss mit meiner Familie vier Wochen in Spanien bei meinen Verwandten verbringen. Ich hasse es und ich will nicht darüber reden, dennoch erzähle ich dir, was ich vorhabe.
»Ist es da schön?« Du räumst vorsichtig die anderen Drogen in deine Komode.
Es gab natürlich schöne Orte, aber da, wo ich herkam, war es alles andere als schön.
»Ja, ja, schon.« sage ich skeptisch und du lächelst.
»Ja und... wie ist es da so?« hakst du nach. Aber auch nur, damit wir reden. Du willst diese reine Stille füllen und ich fragte mich wieso. Es wäre für mich in Ordnung, wenn wir nur dasitzen würden. Ich würde dich beobachten und Zeuge deiner Anmutigkeit und vor allem deiner Schönheit werden.
»Mh, ich weiß nicht. Es ist wie in Griechenland, einbisschen wie Südfrankreich. Warst du schonmal in Griechenland?« Ich komme mir idiotisch vor, wie ich die Unterhaltung unwillkürlich fortsetze.
»Nein. Aber es hat doch ein Meer, oder?« Noch einmal füllst du den Kopf deiner Bong.
Ich konnte mir das lächeln nicht verkneife. Ich bin immer gut in Geografie gewesen, vielleicht lag das daran, dass ich aus einem anderen Land kam und sprachlich begabter war als die Gleichaltrigen in meinem Umfeld. Ich verstand es nie, wenn jemand nicht wusste, wo ein Meer, ein Land oder eine bekannte Stadt lag. Auch jetzt hätte ich es nicht verstehen sollen, aber du bist es, weshalb ich nur lächle. Ich lächle nicht höhnisch, sondern amüsiert. Ich nicke.
»Cool.« sagst du wieder. Und wieder zeigt sich deine banale und viel zu einfach gestrickte Seite. Der Ashton, den ich nicht mochte.
Ich rauche auch einen Kopf und danach nochmal einen. Irgendwo dazwischen bekam ich einen peinlichen Lachanfall, weil ich als zierliche Person nicht den ganzen Rauch einatmen konnte und mir das schon reichlich zu viel war. Du hast nur gelächelt und es war kein böses Lächeln. Du fandest mich süß.
Als ich von meinem bevorstehenden Urlaub erzählte hast du mir in die Augen gesehen. Ich habe es gespürt, ganz leicht. So, als ob ich es mir einbilden würde. Ich habe aus dem Fenster gesehen, während ich redete. Du hast mich die ganze Zeit angesehen. Als ich fertig war, sah ich dich an. Du starrtest mich weiter an, direkt in die Augen. Deine blauen Augen sahen in meine, ich konnte es nicht fassen. Nach einer Weile, als es mir unangenehm wurde, sahst du wieder weg. Dein Blick war verführerisch, erwatungs- und hoffnungsvoll. Vielleicht wolltest du, dass ich dich küsse, aber ich saß für einen solchen Akt zu weit von dir entfernt.
Im Dunkeln lagen wir an eine Matratze gelehnt. Die vielen Leute um mich herum störten mich, aber deine Finger auf meinen ließen alles um mich herum verblassen. Mir war unbehaglich, weil ich mich zu sehr an deinem Hals werfen musste, damit es so werden konnte, wie es in diesem Moment war. Ich war nie die Person gewesen, die dominieren musste und ich mochte es auch nicht. Aber jetzt lagen deine Finger auf meinen und es war egal.
Ohne, dass ich es bemerkte, lehnte ich mein Kopf gegen deine Schulter. Ein Junge, etwa zwanzig, muss auf mich gestehen haben und uns von Anfang an beobachtet haben. Er lief an uns vorbei, starrte auf unsere Hände, die hinter unseren Rücken aufeinanderlagen, und grinste mich an. Kurz lies er seine Augenbrauen tanzen, so als ob er sagen wollen würde: Viel Spaß noch euch beiden.
Ashton bemerkte ihn nicht. Irgendwann später setzte er sich neben mich, ich den Kopf immernoch auf Ashtons Schulter.
Er deutet freundlich auf meine Hosentasche hin. »Dein Handy fliegt gleich raus.«
»Oh, danke dir für den Hinweis.« Ich stecke es wieder vorsichtig ein. Der Fremde legt seine Hand auf seine Wange und sieht mich lächelnd an. Ashton beachtet ihn gar nicht, seine Finger spielen mit meinen. Aber sein Blick ist auf seine Freunde gerichtet, mit denen er sich ab und an unterhält.
Ich lächle zurück, dann sehe ich weg. Ich höre ihn iregndetwas reden, verstehe es aber nicht von der Lauten Musik. Ich bitte ihm darum, es zu wiederholen. Er spricht wieder, ich verstehe es wieder nicht und ich war so gezwungen, meinen Kopf von Ashtons Schulter zu heben um mich den Fremden zu nähern. Ich war nicht sehr froh darüber, aber es war nie meine Art unfreundlich zu sein.
Er wiederholte sich nocheinmal, was ich wieder nicht verstand, bis er laut lachte und dann jedes Wort schrie.
»ICH MAG DEIN PIERCING.« Dabei deutete er auf seine Nase.
»Oh, ach ja. Mein Septum, danke.« sage ich etwas beschämt über meine Taubheit.
»Bitte.« sagte er und sah mich weiterhin verträumt an: Den Kopf stützend auf seine Hände, wie ein kleiner Junge, der einen Ferrari sieht und von ihm träumt.
Nach einer weile stand er auf und sagte dann das, was er zuvor mit einem Blick sagen wollte. »Viel Spaß noch.«
Und den hatten wir.