47. Heart: Ein Herz in der Finsternis

Sep 01, 2011 13:09

Der erste Text meiner 100 Reisegeschichten ist fertig! Es ist eine Anekdote aus meinem Flug von Paris nach Kuala Lumpur - übrigens ein Teil meiner Reise, den es nie in mein Reiseblog geschafft hat.

Titel: Ein Herz in der Finsternis
Sprache: Deutsch
Genre: Anekdote/Non-Fiction
Anzahl Wörter: 341
Stichwort: 47. Heart

Ein Herz in der Finsternis

Das Flugzeug hatte schon seit ein paar Stunden die Flughöhe erreicht und glitt fast geräuschlos durch die höheren Schichten der Atmosphäre. Das Essen war längst serviert und abgeräumt worden. Nach und nach war der Rhythmus in der abgedunkelten Kabine ruhiger geworden. Ab und zu kam jemand vorbei, der die Toilette aufsuchen wollte oder eine Flugbegleiterin, die ein Getränk servierte. Die meisten Gäste dösten in ihren Sitzen vor sich hin, schliefen sogar oder starrten in die kleinen Bildschirme an den Sitzen vor ihnen. Ein typischer, ereignisloser Langstreckenflug, als wäre das Flugzeug mit all seinen Insassen in einer Zeitblase gefangen - die innere Uhr zeigte späteren Nachmittag an, die rabenschwarze Nacht vor dem Fenster gegen Mitternacht.

Meine Nervosität über die Reise ins Ungewisse hatte sich gelegt. Umkehren war in den nächsten Stunden nicht möglich und auch nicht, was ich wollte. Ich ahnte ja noch nicht, dass mein Rucksack in diesem Moment bereits nicht mehr mit mir unterwegs war. Die meisten anderen Fluggäste hatten das Fenster verdeckt. Ich war eine der wenigen, die die graue Abdeckung wieder hochgeschoben hatte, sobald wir die Dämmerung hinter uns gelassen hatten. Das Land unter uns lag rabenschwarz in Dunkelheit, die Sterne konnte ich wegen des Lichts im Flugzeug nicht sehen.

Und plötzlich, als ich wieder einmal von meinem Film aufsah und aus dem Fenster blickte, tauchte die hell erleuchtete Silhouette eines Dorfes unter uns auf. Ich weiss nicht, ob das Dorf einfach so gebaut war oder ob es purer Zufall war, dass genau diese Häuser ihre Lichter in dieser Nacht vom 3. Auf den 4. Januar 2011 angezündet hatten - das Dorf bildete ein grosses, gut erkennbares Herz aus vielen kleinen, glitzernden Lichtpunkten, mitten in der Finsternis rundherum.

Nach kurzem Zögern stubste ich meine Sitznachbarin an - eine Indonesierin, die ich auf etwa 15 geschätzt hatte, die sich später aber als 10 Jahre älter herausstellte. Sie lächelte und rief begeistert: „Oh, heart-shaped village!“ Ich hatte nicht geträumt.

Ein Blick auf die Flugkarte, die unsere Route und unseren aktuellen Ort darstellte, zeigte, dass wir in dem Augenblick über Afghanistan flogen.

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