Herbst!
Meeensch. Naru ist jetzt schon... seit... sechs Monaten ein fleißiges Arbeitsbienchen und wuselt zwischen Ärzten, Putzfrauen, Kaliumchlorid, Chamomilla, Liposarkomen und Evolutionbetten herum.
Momentan bin ich die Nachtschwester. ("Schweschder! Ich muss auf'n Topf!" ist der häufigste Satz, den ich nachts zu hören kriege.) Friedlich sitze ich da und tropfe Novalgintropfen meditativ vor mich hin, räume Schränke um und auf, hüte meine Patientenakten, koche Schachtelhalmtee, hole nachtwandelnde Notfälle ab, stecke sie in ein warmes Bettchen, tröste schlaflose Menschen und verteile Wärmflaschen.
Ansonsten tat ich andere Dinge. Zum Beispiel nach Dresden fahren! Dresden ist eine wunderhübsche Stadt mit vielen vielen schönen alten Häusern und Villen und vielen unschönen neuen Häusern und vielen netten Menschen und einem durchgängig fahrenden S-Bahn-System (nicht so wie hier, wo die letzte S-Bahn nachts um halb eins fährt. Und wo man dann noch von der S-Bahn in einen Bus steigen muss, um nach Hause zu kommen, der natürlich auch nur alle zwei Stunden lostuckert. Glücklicherweise hab ich ein Auto. Ein rotes.).
Dort entdeckte ich eine prima Band namens Les Jupes (
http://www.youtube.com/watch?v=Tds0XaKAkus das ist'n schönes Lied.) und war gleich Fangirl :) und latschte nachts durch die Neustadt und traf lustige Menschen und bekam Mangosaft ausgegeben und hörte Helge Schneider auf der Toilette der Lebowski-Bar. Und wie schon im Januar konnte man wieder fleißig Babyzählen veranstalten (lauf eine Stunde durch Dresden und dir kommen gefühlt dreißig Menschen entgegen, die Babys aller Formen und Größen mit einem Babytragetuch um sich rum gewickelt haben) und es gab nur einen einzigen Bioladen in erreichbarer Nähe und der wurde gerade umgebaut. Schlimm, das.
Und die Deutsche Bahn war wieder zuverlässig unpünktlich bzw. stellte sich alle zwanzig Minuten regungslos in die Pampa und beglückte uns mit Durchsagen wie "Unsere Weiterfahrt verzögert sich um unbestimmte Zeit, da uns gerade ein Güterzug mit Volkswagen drauf entgegen kommt, der Vorfahrt hat". (Okay, auf der Rückfahrt warens "Personen auf dem Gleis, wir bitten um Verständnis", als wir eine Stunde zwischen Backnang und Stuttgart herumstanden.) Aber es war schee und da ich danach eh wieder Nachtschicht hatte, war es auch nicht schlimm, dass ich drei Tage hintereinander erst irgendwann morgens mein Bett wieder fand. (Mein Biorhyhthmus! Ich glaube, ich muss ihn allmählich zu Grabe tragen.)
Und und und weil ich sehr verständnisvolle Menschen um mich rum habe, was individuelle Urlaubsplanung angeht, beschloss Naru-Kind, mal fremde Kulturen kennenzulernen und ihren Horizont zu erweitern, d.h. ich ging hin, bekam fünf Wochen Urlaub im Januar und ging Flüge angucken. Nie im Leben war ich bisher auf einem Flughafen geschweige denn in einem Flugzeug! Das wird zwar meinen Öko-Heiligenschein schwer herabdimmen, aber irgendwo gibts sicher noch Ecken, wo man Bäume pflanzen kann. *googelt atmosfair* Ich fürchte, ich werde völlig paralysiert am Flughafen stehen und nicht wissen, was ich tun soll und wohin mit mir und überhaupt und wieso fliegen so schwere Blechkästen überhaupt, ich finde, das widerspricht allen Regeln der Physik, nein, ich will jetzt keine Aufklärung über Auftrieb und Luftwiderstand und Leonardo DaVinci. (Süß fand ich übrigens, dass Diana Wynne Jones, Gott hab sie selig, in "Tale of Time City" Leo DaVinci als Zeitreisenden vom 380. Jahrhundert oder so angelegt hat. :D Ich schmunzelte.)
Süß ist auch der neue Moers, auch wenn das Geschimpfe groß ist von wegen "Das ist ja nur Teil 1!", "Da passiert ja gar nix!", "Langweilige Puppetismus-Abschweifungen!". Naru las es gerne, aber ich bin auch Zamonien-hooked, das muss so. Das ist wie bei Harry Potter. Solange die Fans ihre eigene Welt mit neuen Infos, Personen und Hintergründen ausschmücken können, ist es gar nicht so wichtig, was eigentlich passiert, Hauptsache, man ist wieder drin in diesem Kosmos und kann gucken, was sich hier so alles tut und auf welche alten Bekannte man wieder trifft. Und ich finde die Sache mit den Anagrammen immer noch schnieke. Man kann sich dabei so prima einbilden, eine klassische Allgemeinbildung genossen zu haben, und es ist wie Ostereiersuchen, auch wenn man im Leben noch nie was von Gottfried Keller gelesen hat. (Stimmt doch gar nicht, ich mag Keller.)
Neulich fiel mir ein altes Buch mit deutschen Balladen in die Hände, das mich auf entzückende Weise in den Deutschunterricht zurück versetzte. Mitlesende Menschen fragten nach der dritten Ballade entsetzt, warum die eigentlich immer so tragisch ausgingen und immer diese enttäuschten Liebenden und Kriegsinvaliden und ungesühnte Morde und Füße im Feuer, ach, es ist grausam. (Ich fürchte, die Geschichte ist generell eher grausam. Ach, mein Glaube an das Gute im Menschen wird ab und zu schwer herausgefordert, aber noch geht's.)
Ich werde jetzt Timid Tiger hören. Das beruhigt mich. Und Les Jupes. Und Kürbissuppe essen, aus Butternutkürbissen aus meinem Gärtchen. Und danach arbeiten gehen, als fleißiges Bienchen, und neue Novalgintropfen tropfen.